Kim Krabbenherz pfeift auf die Schule

Transkript

1 Leseprobe aus: Sabine Both Kim Krabbenherz pfeift auf die Schule Mehr Informationen zum Buch finden Sie hier. Copyright 2007 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek

2 Das beste Le ben über haupt Kims Le ben in Por tu gal war das Beste, das ihr euch vor stel len könnt! Sie wohnte am Meer in Ma mas Strand bar, zu sam men mit dem Faul pelz Mar co und ih rem ge lieb ten Hund Ras pu tin. Sie muss te nicht zur Schule ge hen und konnte den gan zen Tag lang tun und las sen, was sie wollte. Am liebs ten spielte Kim in ih rer Pur zel baum dü ne, wo sie mit un zäh - ligen Mu scheln und bun tem Strand gut einen wunder schö nen Dra chen er schaf fen hatte, den sie auf den Na men Fauch taufte. Ei nes Ta ges kam Mama nicht von ih rem Fischfang zu rück, aber Kim machte sich keine Sor gen, denn für sie war der Grund für die Ver spä tung glasklar : Mama hatte eine rie sige Do ra de an der An gel, die ihr klei nes Boot in die fal sche Rich tung über das Meer ge zo gen hatte. Fauch hatte Mama mit ei ge nen Au gen ge se hen und Kim die Neu ig kei ten im Traum er zählt. Ihr wisst es wahr schein lich aus ei ge ner Er fah- 5

3 rung : Er wach sene glau ben dum mer weise we der dar an, dass Mu schel dra chen flie gen kön nen, noch, dass man in Träu men die Wahr heit er fährt. Und so kam es, dass Faul pelz Marco plötz lich mit einer be sen stiel ge ra den Frau aus Deutsch land auftauchte, die be haup tete, Kims Groß mut ter zu sein und ab jetzt die Ver ant wor tung für Kim zu tra gen. Nicht ein mal Weg lau fen nützte et was. Die Großmut ter hatte die Po li zei auf ih rer Seite und längst über Kims Kopf hin weg ent schie den, dass Kim mit ihr nach Ber lin flie gen sollte, um end lich an gemes sene Bil dung und Er zie hung zu be kom men. Ihr könnt euch vor stel len, wie schreck lich es für Kim war, als sie zu al lem Über fluss auch noch Ras pu tin zu rücklas sen musste. Nicht mal Fauch schaffte es, dem viel zu schnel len Flug zeug hin terherzuflie gen. Jetzt gab es nie man den mehr, der Kim Neu ig kei ten von Mama brin gen konnte, und Kim war in der frem den Stadt ganz auf sich al leine ge stellt. In Ber lin gab es zu Kims Ver wun de rung we der Meer noch Strand, da für aber ein un ge müt li ches Haus und die ver rück tes ten Re geln. Eine da von war der Groß mut ter be son ders wich tig : Kim sollte auf kei nen Fall das hin terste Zim mer auf dem Flur be tre ten. Dort lebte näm lich der Groß va ter, und 6

4 der war, nach al lem, was Kim von der Groß mut ter ge hört hatte, nicht bei bes ter Ge sund heit und obendrein ein schlim mer Kin der has ser. Ein schlim mer Kin der has ser al ler dings passte Kim bes tens in den Kram. Denn wenn Kim den Kin der has ser groß vater nur ge nug störte, dann würde er sie be stimmt zu rück nach Hause schi cken! Als Kim sich dann eines Ta ges heim lich in das Zim mer des Groß va ters schlich, wun derte sie sich aber sehr : Der Groß va ter war gar kein Kin der has ser. Er war viel mehr ei ner, der mit sei ner Maus Ami go sprach, an flie gende Dra chen glaubte und sich an fast gar nichts mehr er in nern konnte, nicht mal daran, dass er ein mal eine Toch ter ge habt hatte. Die bei den schlos sen sich so fort ins Herz. Und als Kim her aus fand, dass der Groß va ter sich ge nau wie sie selbst schreck lich nach dem Meer sehnte, war Kims Plan schnell ge fasst : So bald die Groß mutter aus dem Haus war, machte Kim sich mit dem Groß va ter auf den Weg zum Flug ha fen, um end lich zu rück nach Por tu gal zu flie gen, zur Strand bar, zum Meer, zu Marco und vor al lem zu Ras pu tin, der die ganze Zeit dar auf auf ge passt hatte, dass Fauchs Flügel un ver sehrt blie ben, da mit Kim ih ren Dra chen im Traum end lich wie der los schi cken konnte, um Neu ig kei ten von Mama ein zu ho len. 7

5 Zu sam men zu rück zu Hause K aum hatte Kim die Au gen auf ge schla gen, da wusste sie es schon : An die sem Mor gen war et was an ders. Die Luft war es nicht. Die roch wie im mer nach Meer und Strand. Auch die Sonne tat nichts Un gewöhn li ches. Sie streckte ihre gol de nen Fin ger durch die Rit zen der Ja lou sien und kit zelte Kim an der Nase. Und Ras pu tin lag da, wo er hin ge hörte, zu sam men ge rollt zwi schen Kims Fü ßen. An ders wa ren an die sem Mor gen ein zig und al lein die Ge räu sche. Zwi schen dem Rau schen der Wel len, dem Klim pern des Wind spiels und dem Ge brab bel aus Mar cos Ra dio war et was zu hö ren, das es hier vor her noch nie zu hö ren ge ge ben hatte : Groß va ters La chen. «Er ist wirk lich da!», rief Kim, kit zelte Ras pu tin mit der di cken Zehe wach und klet terte aus dem Bett, um wie ein Sand floh aus dem Fens ter auf den Strand zu sprin gen. Als sie zu sam men mit Ras pu tin auf die Ve randa zu lief, sah sie, dass nicht Marco in Ma mas al tem 8

6 Schau kel stuhl saß, son dern der Groß va ter. Und als Kim nä her kam, konnte sie er ken nen, dass er ge rade da bei war, aus Mar cos tro cke nen Ta bak bröseln eine Zi ga rette zu dre hen, über die Marco nur so staunte. «Die hat ja gar kei nen schwan ge ren Bauch», sagte Marco ver wun dert, und der Groß va ter ließ wie der sein gluck sen des La chen hö ren. «Es reicht schon, wenn ich einen Bauch habe», kicherte er, reichte Marco die Zi ga rette und lehnte sich zum Schau keln in den Stuhl zu rück. «Frü her», sagte er dann und schaute da bei in den Him mel, als wäre dort all das zu se hen, was der Groß va ter ver ges sen hatte, «da habe ich auch mal ge raucht. Zi gar ren. Aus Kuba. Sehr le cker. Aber dann hat sie mir das Rau chen ir gend wann ver bo ten.» «Sieht so aus, als würde Ihre Frau eine Menge ver bie ten», mur melte Marco, steckte die Zi ga rette an und paffte form voll en dete Krin gel in die Luft. Den ers ten fing Ras pu tin mit der Schnauze, den zwei ten schnappte sich Kim mit der Faust. «Gu ten Mor gen!», rief der Groß va ter fröh lich, ließ Kim auf sei nen Schoß krab beln und strich ihr die wir ren Haare aus der Stirn. «Als ich heute Mor gen wach wurde, wusste ich 9

7 gar nicht, wo ich bin», er zählte er dann. «Ich kannte das Bett nicht, ich kannte das Zim mer nicht, und auch die Ge räu sche wa ren so an ders.» Kim zup pel te die lange Haar strähne, die der Groß va ter sich über die glän zende Glatze ge kämmt hatte, zu einer Wurst zu sam men und strich sie nach oben. Jetzt sah der Groß va ter aus wie ein ku gel rundes Ein horn. «Hast du ge dacht, du träumst?», fragte Kim. Sie kannte die ses Ge fühl nur zu gut. Kim selbst hatte, sich eben beim Auf wa chen noch wie ver rückt dar über ge freut, dass we der die Strand bar noch Marco, noch der Groß va ter ein Traum wa ren, aus dem sie je den Mo ment auf wa chen konnte, um sich in dem viel zu gro ßen Bett in Ber lin wie der zu finden. «Ja», lachte der Groß va ter. «Ich habe wirk lich ge dacht, ich träume. Aber dann hat Amigo in seinem neuen Papp kar ton-bett ge ra schelt, und mir ist al les wie der ein ge fal len.» Erst jetzt ent deckte Kim, dass Amigo es sich in Groß va ters Hemd kra gen ge müt lich ge macht hatte und an einem Stück Ap fel knab berte. «Ich habe mich daran er in nert, dass ich im Meer ge ba det habe», sagte der Groß va ter. «Dass wir in der Düne ein La ger feuer ge macht ha ben. Und dass 10

8 die Mu schel augen von dei nem Dra chen ge nauso hell ge leuch tet ha ben wie die Stern schnup pen.» Als der Groß va ter jetzt wie der zum Him mel hochguck te, fiel das Ein horn aus Haa ren wie eine ab ge knickte An tenne nach un ten. «Und mir ist auch noch ein ge fal len, dass sie nicht mit uns hier herge flo gen ist», mur melte der Groß va ter und machte ein Ge sicht, aus dem Kim nicht wirk lich schlau wurde. 11