Wiederaufnahme des Verfahrens - Neuerungstatbestand
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- Kristian Bauer
- vor 5 Jahren
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1 Wiederaufnahme des Verfahrens - Neuerungstatbestand Problemstellung: Kann ein in einem anderen Verfahren ergangenes späteres VwGH Erkenntnis, das die Rechtsansicht des beim UFS Abgewiesenen stützt, für diesen ein Wiederaufnahmegrund sein? Sachverhalt Im Erstverfahren betreffend Umschulungskosten wurde der Berufungswerber abgewiesen, da die Voraussetzungen der umfassenden Umschulung und Aufnahme einer Haupttätigkeit fehlten. Mit VwGH Erkenntnis vom , 2008/15/0321 anderes Verfahren wurde die Rechtsansicht zur Absetzbarkeit von Umschulungsaufwand geändert. Der Abgabepflichtige beantragt nun die Wiederaufnahme des Verfahrens mit Hinweis auf das VwGH Erkenntnis. Frage Ist die Wiederaufnahme durchzuführen? Was sind die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme auf Antrag gem 303 Abs 1 BAO? Die Wiederaufnahme des Verfahrens gem 303 Abs 1 BAO erfordert neben dem durch Bescheid abgeschlossenen, rechtskräftigen Verfahren Rechtsmittel nicht, oder nicht mehr zulässig, in lit a lit b lit c Urkundenfälschung, falsches Zeugnis, gerichtlich strafbare Tat, sonst wie erschlichen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen, die bisher ohne grobes Verschulden nicht geltend gemacht wurden Vorfragen von denen der Bescheid abhängig war wurden in wesentlichen Punkten anders entschieden, und dass die Kenntnis dieser (neuen) Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
2 Lösung laut Salzburger Steuerdialog 2012 Was sind Tatsachen Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Tatsachen im Sinne des 303 Abs 1 lit b BAO Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätten. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse (neuen Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden sind keine Tatsachen (vgl. VwGH , 2007/15/0262, mwn). Sanierbarkeit bisher unrichtiger rechtlicher Würdigung Die nachteiligen Folgen einer früheren unzutreffenden Würdigung oder Wertung des der Partei bekannten Sachverhaltes oder einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung lassen sich demnach bei unveränderter Tatsachenlage nicht nachträglich im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigen. Auch hat das Wiederaufnahmeverfahren nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse einer Partei im Verwaltungsverfahren zu sanieren, sondern soll die Möglichkeit bieten, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen (vgl. VwGH , 2008/15/0215). Ergebnis Das bedeutet, dass eine geänderte Rechtsprechung für sich keinen Wiederaufnahmsgrund (neue Tatsachen) darstellt. Geänderte höchstgerichtliche rechtliche Beurteilungen von Sachverhalten sind abgesehen vom Anlassfall nur auf offene Verfahren anwendbar. Bescheidaufhebung gem 299 BAO? Dagegen ist für eine Aufhebung eines Bescheides gemäß 299 BAO grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Aufhebung entscheidend. Soweit die Jahresfrist des 302 Abs 1 BAO noch nicht abgelaufen ist, wird in derartigen Fällen die Aufhebung des Bescheides nach 299 BAO wegen des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (als wichtigstes Ermessenskriterium) im Allgemeinen zu erfolgen haben. Aufwendungen bisher noch nicht geltend gemacht und amtswegige Wiederaufnahme gem 303 Abs 4 BAO Soweit Aufwendungen im Veranlagungsverfahren bisher noch nicht geltend gemacht wurden weil Kosten aufgrund der bisherigen Rechtslage gar nicht geltend gemacht werden konnten können sich bei Beibringung von entsprechenden Nachweisen die Voraussetzungen für eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens ergeben. Der Umstand, dass der Abgabepflichtige die Aufwendungen ursprünglich im Vertrauen auf die Richtigkeit einschlägiger Erlassaussagen nicht geltend gemacht hat, spricht keinesfalls gegen die amtswegige Wiederaufnahme.
3 Ergänzende Hinweise zur Wiederaufnahme auf Antrag gem 303 Abs 1 lit b BAO Sollten neue Tatsachen hervorkommen zweifellos der häufigste Antragsgrund für 303 Abs 1 BAO wäre auf das Nichtvorliegen eines groben Verschuldens und die drei Monatsfrist von dem Zeitpunkt an, indem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat ( 303 Abs 2 BAO) besonders zu achten. Grobes Verschulden (Ritz BAO Abs 7 BAO) liegt nicht vor, wenn Überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegen leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht grobes Verschulden des Vertreters ist dem Vertretenen anzurechnen, gilt auch für Organe juristischer Personen ein allfällig (grobes) Verschulden von Arbeitnehmern ist der Partei hingegen nicht anzulasten Dreimonatsfrist beginnt mit Kenntnis des Wiederaufnahmsgrundes und nicht erst mit dessen Beweisbarkeit zu laufen ist nicht verlängerbar Tage des Postenlaufes werden nicht eingerechnet ( 108 Abs 4 BAO)
4 Amtswegige Wiederaufnahme über Anregung Für die tägliche Praxis ist ganz erheblich, dass die Autoren des Salzburger Steuerdialoges 2012 verstärkt auf die Möglichkeiten der amtswegigen Wiederaufnahme gem 303 Abs 4 BAO hinweisen. Dies umso mehr, als diese nicht an die Fristen der Wiederaufnahme auf Antrag gem 303 Abs 1 BAO gebunden ist und durchaus auch auf Anregung erfolgen kann, ja erfolgen sollte. Laut Salzburger Steuerdialog 2012 ist auch für 303 Abs 4 BAO bei der Ermessensübung dem Ziel der Norm (Rechtsrichtigkeit der Besteuerung) Rechnung zu tragen, die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens fast stets zu verfügen. Die amtswegige Wiederaufnahme gem 303 Abs 4 BAO über Anregung ist eine Ermessensentscheidung der Behörde. Diese Ermessensübung ist im Erlass vom , BMF /0053-VI/2006, AÖF 192/2006 Abschnitt 3.2 geregelt. Nach dem Normzweck des 303 Abs 4 BAO ist idr dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit zu geben (vgl. zb VwGH , 99/14/0067). Dies gilt auch für sich zu Gunsten der Partei auswirkende Wiederaufnahmen. Die Wiederaufnahme ist bei geklärtem entscheidungserheblichem Sachverhalt grundsätzlich auch zu Gunsten der Partei zu verfügen. Der Umstand, dass der Abgabepflichtige die Frist zur Stellung eines Wiederaufnahmsantrages oder zur Einbringung einer Berufung versäumte, steht einer amtswegigen Wiederaufnahme nicht entgegen. Eine sich zu Gunsten der Partei nicht nur geringfügig auswirkende Wiederaufnahme von Amts wegen darf nur in Ausnahmsfällen unterbleiben, etwa wenn die Partei bewusst und gewollt überhöhte Besteuerungsgrundlagen (zb in Gläubigerschädigungsabsicht) vorgetäuscht hat. Amtswegige Wiederaufnahmen sind (als Folge nachträglich, nämlich nach Rechtskraft der Bescheide eingereichter Unterlagen) im Allgemeinen auch dann zu verfügen, wenn im abgeschlossenen Verfahren mangels Einreichung der Abgabenerklärungen die Bemessungsgrundlagen durch Schätzung ( 184 BAO) ermittelt wurden. Eine solche Wiederaufnahme könnte lediglich in besonders gelagerten Ausnahmsfällen unterbleiben, wenn etwa die Partei bereits mehrfach von derartigen Wiederaufnahmen "profitierte", dass ein Schätzungsverfahren unter Einhaltung der Verfahrensvorschriften (zb Parteiengehör, Begründung des Schätzungsergebnisses) abgewickelt wurde und die Einhebung der Abgabenforderung nicht im Sinn des 236 BAO unbillig (zb wegen Existenzgefährdung) ist. Ziel der Wiederaufnahme ist das insgesamt rechtmäßige Ergebnis (zb VfGH , B 2/96; VwGH , 99/13/0253). Die Rechtmäßigkeit der Verfügung der Wiederaufnahme kann somit davon abhängen, ob auch ein anderes Verfahren wiederaufgenommen wird. Nach VfGH , B 70/87, liegt ein Ermessensmissbrauch vor, wenn eine Wiederaufnahme nur für jenes Verfahrens verfügt wird, in dem sich steuerliche Auswirkungen zum Nachteil des Abgabepflichtigen ergeben, jedoch eine Wiederaufnahme für ein Jahr, wo sie sich zu Gunsten der Partei ausgewirkt hätte, unterlassen wird.
5 Berufung gegen amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens nach einer Betriebsprüfung Auch dieser Fall wurde anlässlich des Salzburger Steuerdialoges 2012 diskutiert. Es wurde gegen den Wiederaufnahmebescheid berufen, aber mit Einwendungen gegen den Sachbescheid begründet. Offensichtlich wurde wieder einmal übersehen, dass sich nach einer BP aus dem (kombinierten) Bescheid zwei völlig unterschiedliche Verfahrenskreise ergeben Erstens die Wiederaufnahme grundsätzlich Zweitens die Sachentscheidungen, die zur Wiederaufnahme geführt haben Beide sind getrennt mit Rechtsmittel bekämpfbar. Sollte etwa eine Wiederaufnahme wegen vermeintlicher oder tatsächlicher Geringfügigkeit als Ermessensüberschreitung (siehe obige Ausführungen zum Ermessen) qualifiziert werden, wäre eine Sachbescheidbekämpfung gar nicht mehr erforderlich. In der Praxis hat es sich als zweckmäßig erwiesen, auch bei vermeintlicher Geringfügigkeit neben der Wiederaufnahme auch die Sachentscheidung zu bekämpfen. Es wird natürlich auch Fälle geben, wo die Sachentscheidung rechtsrichtig ist, aber die steuerliche Auswirkung so gering, dass nur die Wiederaufnahme zu bekämpfen ist. Oder umgekehrt Fälle, wo die Sachentscheidung (zum Teil) rechtsirrig oder sachverhaltswidrig ist, aber vom Betrag her eine Wiederaufnahme nicht zu bekämpfen ist. Aber immer gilt Die wiederaufgenommenen Sachbescheide nach einer BP beinhalten zwei Verfahrenskreise, die sind getrennt zu prüfen, ob die Wiederaufnahme allein und/oder nur der Sachbescheid mittels Rechtsmittel zu bekämpfen sind. Eine Berufung gegen die Wiederaufnahme, begründet mit Argumenten gegen den Sachbescheid, lässt auf eher mäßige BAO-Kenntnisse schließen, ob in diesen Fällen ein Mängelbehebungsauftrag zu erlassen ist, hängt vom Einzelfall ab.
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