Das Jahr des Hundes Hattersheim I Hofheim III 1879

Transkript

1 Das Jahr des Hundes Hattersheim I Hofheim III Gerstner, Wolfgang 2331 Dr. Bajorski, Leszek Knop, Jan 2035 Begri, Felix Fischer, Roger 1944 Meilinger, Claus Schnabel, Matthias Rauschenbach, Rainer Klein, Markus Muhic, Sulejman Bernhardt, Michael Füll, Klaus-Dieter Arnold, Mark Dr. Zunker, Reinhard Busch, Malte 1727 Fröhlich-Dill, Astrid 1767 Schluss mit Fortunas Füllhorn, spekulativen Opfern, Harakiri-Schach oder Herumgezocke in halsbrecherischer Zeitnot! Das Jahr des Hundes wurde am Wochenende im Reich der Mitte eingeläutet, dieses steht für Solidität, planvolles Agieren, Verlässlichkeit und Beständigkeit. Wer an den Eigenschaften des chinesischen 12-Jahres-Zyklus bislang gezweifelt hatte, wird nach diesem Mannschaftskampf reuevoll zu "Strategie und Plan" von Max Euwe oder "Stellungsbeurteilung und Plan" von Karpov / Mazukjevic greifen, um für die kommenden Monate bestens gewappnet zu sein. Unsere Hofheimer Schachfreunde traten ebenso wie wir in nahezu Bestbesetzung an, womit ein enges Match zu erwarten war. Dass am Ende nur einer der acht DWZ-Besseren die Siegespalme an seinem Brett würde erringen können, dokumentiert die Ausgeglichenheit, und auch insgesamt pendelte der Kampf beständig um ein Mannschaftsremis. Dabei kamen unsere Gäste etwas besser aus den Startlöchern, speziell die Schwarzbretter konnten durch die Bank weg mit der Eröffnung zufrieden sein. Insbesondere bei Rainer neigte sich die Waage sehr schnell dem Nachziehenden zu, nachdem unser Mann einer Vereinfachung ausgewichen war und seinen wichtigen Zentralbauern eingebüßt hatte. Auf der anderen Seite hatten aber auch wir an allen Schwarzbrettern vollen Ausgleich erzielt. Insgesamt hatten sich aber alle Partien ziemlich anspruchsvoll entwickelt. Einige Sorgenfalten gab es dann bei Jan. Sein Kontrahent hatte mutig einen Bauern für Initiative geopfert. Bei korrektem Spiel wäre die Kompensation zweifelhaft gewesen (Jahr des Hundes!), während Jan in schwierigem Terrain folgende Stellung erreichte:

2 Knop Begri Hier bot Jan sehr clever remis an. Weiß besitzt einen Mehrbauern und das Zentrum, dafür steht der König offen, die schwarzen Figuren sind aktiv und die weißen Schwerfiguren auf dem falschen Flügel versammelt. Ein konkreter Einschlag ist nicht zu sehen, so dass Schwarz nicht risikolos fortsetzen kann, aber Jan spürte, dass eher Schwarz am Drücker ist. Nach beinahe 50-minütigem Nachdenken willigte sein Gegner dann auch in die Punkteteilung ein. Clever war es insbesondere, weil Schwarz eigentlich nur einen Zug spielen kann, nämlich h6 23.e4 (Sonst fällt der Bh3). Nach Dxf4! (In der Analyse war Dc8 nicht ganz ausreichend.) 24.Dxf4 Sxf4 25.Sge6 Sxe6 26.Sxe6 Tf3 liegt die Initiative bei ausgeglichenem Material eindeutig auf Seite des Nachziehenden, aber erst einmal muss man diese Variante finden und zweitens als besser einschätzen als den halben Punkt. Wenig später wurden auch an den beiden angrenzenden Brettern die Punkte geteilt. Roger hatte eine gute Chance auf positionellen Vorteil ausgelassen und danach Sorgen, ob die Partie nicht ganz kippen würde. Wolfgang hingegen hatte 40 Minuten in völlig hanebüchene Kombinationsüberlegungen verschwendet und entschied sich dann für den Übergang in ein rein technisches Endspiel. Dabei wurden allerdings so viele Figuren getauscht, dass eine glatte Remisstellung entstanden war. Dann schlug das Jahr des Hundes erneut zu: Rauschenbach Schnabel

3 Weiß besitzt nicht den Hauch einer Kompensation für den materiellen Nachteil und insbesonder das schwarze Figurenspiel. Im ausgegangenen Jahr des Hahnes hätte dies dennoch zur Punkteteilung gereicht, denn nach Lc4+? (Nach d5! ist der Vorteil überwältigend, die Blechbüchse meldet +6) 29.Kg1 d5 hätte Rainer gewiss nicht 30.Lxe4! dxe4 31.Txd7 Dxg6 32.Sxg6 übersehen, und man kann sich wieder verteidigen. Nicht so im Jahr des Hundes, wo nach 30.Dg4? Se5 31.Dh3 Lxb4 die Partie ihr natürliches Ende nahm. Damit lagen die Trümpfe auf der Hofheimer Seite. Mark konnte leichten positionellen Vorteil vorweisen, während bei Malte das geschlossene Zentrum einen Bauernsturm auf beiden Seiten erwarten ließ, mit offenem Ende. Michael war zwischenzeitlich etwas unter Druck geraten, während Markus durch seinen immens schnell spielenden Gegner rein zeitlich enorm unter Druck gesetzt wurde. Es ergab sich folgende Stellung: Muhic - Klein Nach Sc4! 33.Lxc5 Lf8 spielt der weiße Mehrbauer keine große Rolle, der Sc4 wirkt sehr unangenehm auf den schwarzen Feldern. Bei nur noch knapp einer Minute für die verbliebenen 9 Züge geschah hingegen: cxb4?! 33.Lb6 (Dieser Läuferspieß scheint auf den ersten Blick zu entscheiden, aber...) b3 34.Dc1? (Besser wäre 34.Df2 Td7 35.Lxa5 Lh6, wo erstaunlicherweise der Besitz von d-linie und Diagonale sowie der Freibauer auf b3 Weiß zu großer Präzision zwingen. Auf jeden Fall kann man es gut weiter kämpfen.) Tc8? (Nun fehlt die Kompensation. Nach dem Hahnenschrei b2! 35.Db1 [nicht 35.Dxb2? Sc4 oder 35.Dc2? Db3] Td2 36.Lxa5 Dc4 nebst Lh6 sind plötzlich alle schwarzen Figuren aktiv, die weißen passiv. Hier muss Weiß schon enorm aufpassen, dass er nicht auf den schwarzen Feldern einem kombinierten Angriff erliegt. Dass der Computer bei Minusfigur schon Ausgleich sieht, spricht Bände.) 35.Lxa5, und nach überstandener Zeitnot fand sich Markus in einem glatt verlorenen Endspiel mit Minusfigur wieder. Damit hatten unsere Gäste fast sicher 3,5 Punkte auf ihrer Seite. Es lag nunmehr an unseren hinteren Brettern, das Blatt zu wenden. Dabei hatte sich vor allem Michaels Partie sehr erfreulich entwickelt. Aus bedrängter Situation heraus hatte er mittels Damentausch einen Freibauern geschaffen, der die schwarzen Kräfte überraschend intensiv band und das Gegenspiel limitierte. Die entscheidende Stellung wurde hier erreicht:

4 Bernhardt - Füll Die weißen Bauern scheinen blockiert, während sich die schwarzen nach a5 auf den Weg in Richtung Umwandlungsfelder begeben möchten. Verführerisch ist der Qualitätsgewinn 30.Tcd1?! Kf7 31.Ld5, aber nach Sb6! 32.Lxe6+ Kxe6 nebst Sd7 sind die weißen Bauern erst einmal gestoppt, während die schwarzen gefährlich werden können. Deshalb öffnet unser Teamcaptain zunächst Linien am Königsflügel: 30.Lh3! g6 31.g4 g5? (Schwarz musste fxg4 32.Lxg4 Kf7 spielen, wenngleich Weiß nun nach 33.Te3 b4 34.Th3 h5 35.Lxe6+ Kxe6 36.Tg3 eine neue Angriffsmarke ins Visier nehmen kann. Der geplante taktische Witz scheitert hingegen.) 32.gxf5 Th6 33.fxg5! (Hervorragend gekontert: Die weißen Freibauern entschädigen mehr als genug für die geopferte Figur.) Txh3 34.e6 Se5 35.d7 Td3 36.e7, und die Bauernumwandlung kostet Haus und Hof. Während am Ende bei sieben Partien ein dem Verlauf entsprechendes Ergebnis stand (auch wenn wir ein paar Zufallschancen ausgelassen hatten), ging nur Marks Duell durch einen klaren Fehler verloren: Dr. Zunker - Arnold Die Zeitnot ist vorbei, ein ausgeglichenes Turmendspiel entstanden. Wegen der Freibauern muss man sicher etwas Vorsicht walten lassen, was etwa mit 46.h4! Ke6 47.h5 möglich war. Weil nun die Drohung Tha1 akut wird, bleibt Schwarz kaum etwas Besseres als a5 48.Tha1 axb4 49.cxb4 Txa4 50.Txa4 bxa4 51.Txa4 Tb8, wonach am einfachsten 52.b5! in den Remishafen einlenkt. Es muss ein taktisches Versehen gewesen

5 sein, welches Weiß dazu verleitete, sofort auf der a-linie Drohungen aufzubauen: 46.Tha1? exf3+ 47.Kxf3 Txh3+ 48.Ke2? (Ein Unglück kommt selten allein: Während vermutlich 48.Kxf4? g5+ 49.Kf5 Tf3# übersehen wurde, greift nun noch der zweite Turm mit Schach ins Geschehen ein. Notwendig war 48.Kf2 Tah8, wenngleich Schwarz mit Mehrbauer gut auf Gewinn spielen kann.) Te8+ 49.Kd1 f3 50.axb5? (Das letzte Versehen., aber auch 50.Kd2 Th2+ 51.Kd3 f2 52.Tf1 Te1 53.Taa1 Txa1 54.Txa1 bxa4 55.Ke3 a3 verliert.) Te2, und Aufgabe wegen des undeckbaren Matts. Nun hing alles an Maltes Partie, die sich in beidseitiger Zeitnot (und beidseitigem Flügelangriff) wie folgt zugespitzt hatte: Busch - Fröhlich-Dill Der Minusbauern spielt eine eher marginale Rolle, zumal der Ba5 direkt hängt. Viel wichtiger ist, dass bei geschlossenem Zentrum der Springer eine dominante Rolle einnehmen kann. Mittels 38.Lg2 Dh5+ 39.Lh3 De2+ 40.Lg2 wäre hier ein Dauerschach das logische Ende gewesen, doch Malte möchte die Spannung aufrecht erhalten: 38.Ld1?! (Entbindet die Dame von der Deckung des Bc2, ist aber zumindest riskant, weil nun der Springer aktiviert wird.) Sa4 39.Dxa5 Le8? (Entzieht in Zeitnot den Läufer dem drohenden Schach auf c7. Mit mehr Zeit auf der Uhr wäre vielleicht Sb2! gefolgt, wonach Weiß die schwere Wahl zwischen 40.Dd2 Sxe2 41.Dxe2 La4 mit Bauernverlust und 40.Dc7+ Kg6 41.Dxc6 Sxd1 42.De8+ Kg5 43.Dg8+ Kh5 hat, wo Springer und Dame zumindest als gefährliches Duo auftreten.) 40.Dc7+ Df7 41.Dxf7+ Lxf7 42.Le1 c3 43.Le2?! (Wickelt in ein glattes Remisendspiel ab. Interessant war hier noch 43.Lg4! h5 44.Lh3, was den Lf7 dauerhaft an e6 bindet und Gegenangriffe auf c2 verhindert. Man muss allerdings erst noch nachweisen, dass nun der Königsmarsch von h3 nach b3 nach Einschaltung von a2-a3 Gewinnchancen eröffnet; im Jahr des Hundes eine durchaus gewagte Unternehmung. Jedenfalls ist die Verteidigung schwerer zu führen als der Angriff, aber nach dieser schweren Partie war beiden Seiten die Punkteteilung willkommen.) Lg6 44.Lb5 mit Remisschluss auf Grund der ungleichfarbigen Läufer. Unter dem Strich ein absolut gerechtes Resultat zweier Teams, die sich in komplizierten Partien wenig schenkten und gleiche Tagesform aufwiesen. Damit schiebt sich jedoch auch in der Tabelle wieder einiges enger zusammen.