Schwamm drüber... Schimmelpilzwachstum durch feuchte Luft im Wohnraum

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1 Schwamm drüber... Schimmelpilzwachstum durch feuchte Luft im Wohnraum Barbara Jugan Gerade in den letzten Jahren wird immer häufiger Schimmelpilzwachstum in Wohnräumen beobachtet. Dies kann auf viele Ursachen zurückzuführen sein. Leider kommt es in der Folge immer wieder zu strittigen Auseinandersetzungen zwischen Mieter und Vermieter über die Verantwortlichkeit des Schimmelbefalls. Folgender Artikel beschäftigt sich mit Schimmelpilzwachstum, das auf erhöhte Luftfeuchtigkeit in Wohnräumen zurückzuführen ist. Er geht kurz auf bauphysikalische Zusammenhänge und Arten der Schimmelpilze ein. Abschließend werden Ratschläge zur Beseitigung von Schimmelpilzen und zur Vermeidung erneuter Schimmelpilzbildung gegeben. Bauphysikalische Zusammenhänge Die uns umgebende Luft enthält stets Wasser in Form von unsichtbarem Wasserdampf. Die Größe der Wasserdampfmenge ist klimabedingt und wird im Rauminneren nicht unwesentlich von der Art der Nutzung bestimmt. Warme Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen als kalte Luft. So nimmt ein Kubikmeter Luft bei 0 C lediglich 4,8 g, bei 20 C aber 17,3 g auf. Der jeweilige prozentuale Anteil des maximalen Feuchtigkeitsgehaltes bei der jeweils herrschenden Temperatur wird als relative Luftfeuchte bezeichnet. Wenn die Luft den maximalen Feuchtigkeitsgehalt besitzt, spricht man von der Sättigung der Luft. Damit herrscht bei Sättigung der Luft eine relative Luftfeuchtigkeit von 100 %. In nachfolgender Abbildung sind die maximalen Wasserdampfgehalte bei verschiedenen Temperaturen eingetragen. 1

2 Abbildung 1: Maximaler Wasserdampfgehalt in Gramm pro Kubikmeter Luft bei verschiedenen Temperaturen Sinkt nun die Raumlufttemperatur unter die Temperatur, die für die vorliegende Wasserdampfmenge die Sättigungstemperatur darstellt, so fällt ein Teil des Wasserdampfes als flüssiges Kondensat aus. Gleiches gilt, wenn einem Raum plötzlich eine hohe Menge an Wasserdampf zugeführt wird. Dies kann beispielsweise während des Kochens oder Duschens erfolgen. Kondensat bildet sich zunächst dort, wo die Oberflächentemperaturen am niedrigsten sind. Ist die Oberfläche glatt und dicht, wie z.b. Fensteroberflächen, so ist das Kondensat deutlich sichtbar. Bei offenporigen rauhen Oberflächen fällt das Kondensat in den oberflächennahen Schichten aus und ist optisch zunächst kaum erkennbar. Um Kondensatausfall bei üblicher Nutzung von Wohnungen zu vermeiden, werden in der derzeit gültigen Norm DIN 4108, Wärmeschutz im Hochbau, Mindestwerte für den Wärmedurchlaßwiderstand (1/Λ) und Maximalwerte des Wärmedurchgangskoeffizienten (k- Wert) für Außenbauteile vorgegeben. Die Werte wurden so bemessen, daß bis zu einer Innenraumtemperatur von 20 C und 60 %er relativen Luftfeuchtigkeit eine dauernde oder langwährende Tauwasserbildung auf der Bauteiloberfläche mit großer Sicherheit ausgeschlossen wird. Da bei Altbauten diese Mindestdämmwerte oftmals nicht eingehalten werden, findet hier häufig, gerade an sehr schlecht gedämmten Bereichen, wie z.b. Heizkörpernischen, Kondenswasserausfall statt. Nicht selten ist aber auch zu beobachten, daß Kondensat im Bereich sogenannter Wärmebrücken ausfällt. Eine Wärmebrücke ist immer dann gegeben, wenn Wärmeenergie durch ein Bauteil aus dem Gebäudeinneren in größerem Maße als in der umgebenden Baukonstruktion an die Außenluft abgegeben wird. 2

3 Ein klassischer Fall einer Wärmebrücke stellt eine Außenecke dar. Hier steht, wie in Abbildung 2 verdeutlicht, der Fläche der warmen Gebäudeinnenecke eine wesentlich größere Außenfläche gegenüber. Logische Konsequenz dieser geometrischen Form ist im Vergleich zur geraden Wandfläche eine niedrigere Oberflächentemperatur im Bereich einer Außenecke im Rauminneren. Hinzu kommt im Vergleich zu anderen Wandflächen eine geringere Luftbewegung an Außenecken. Abbildung 2: horizontaler Schnitt durch eine Außenwandecke Neben Außenecken stellen Fenster- und Türleibungen und Heizkörpernischen häufig markante Wärmebrücken dar. Eine Möglichkeit, zerstörungsfrei Wärmebrücken zu ermitteln, bietet die Infrarot- Thermografie. Da mit der Thermografie großflächig gemessen werden kann, sind Wärmebrücken, also Bereiche mit einem erhöhten Wärmeverlust, deutlich erkennbar. In dem unten dargestellten Thermogramm sind die Außenecke und die Fensterinnenleibungen deutlich als Wärmebrücke erkennbar. IR - I ,0 C Abbildung 3: Thermografische Aufnahme einer Außenecke Oberflächentemperatur an Punkt 1: 13,8 C 16 Oberflächentemperatur an Punkt 2: 20,4 C :42:55 14,5 3

4 Heizen - Lüften Nachfolgender Tabelle kann entnommen werden, wieviel Wasser üblicherweise in Wohnräumen in Form von Wasserdampf freigesetzt wird. Tab.1: Abgabemengen von Feuchtigkeit in Form von Wasserdampf in Wohnräumen Topfpflanzen Trocknende Wäsche, geschleudert Wannenbad Duschbad Langzeitgericht Geschirrspülmaschine Waschmaschine Menschen Schlafen Haushaltsarbeit anstrengende Tätigkeit g/ Stunde 50 bis 200 g/ Stunde ca g/ Bad (etwa 1 Liter/ Bad) ca g/ Bad (etwa 1,5 Liter/ Bad) g/ Stunde Kochzeit ca. 200 g/ Spülgang ca. 250 bis 350 g/ Waschgang g/ Stunde ca. 90 g/ Stunde ca. 175 g/ Stunde Als Mittelwert der Wasserdampfproduktion eines Vier-Personen Haushaltes muß mit 10 Liter Wasser als Wasserdampf in der Raumluft gerechnet werden. Dies ergibt pro Woche etwa eine Menge von etwa einer Badewanne voll Wasser. Aufgrund falsch verstandener Energieeinsparbestrebungen wird einerseits oftmals zu wenig geheizt und andererseits nicht ausreichend bzw. nicht richtig gelüftet. Aber bei Gegenüberstellung der Werte von Abbildung 1 und Tabelle 1 wird sehr schnell deutlich, wie rasch in Wohnräumen selbst bei Raumtemperaturen von 20 C eine relative Luftfeuchtigkeit von 100 % erreicht wird. Die Notwendigkeit einer angepaßten und regelmäßigen Lüftung läßt sich aus diesen Zahlen eindeutig ableiten. Um den überschüssigen Wasserdampf aus einer Wohnung zu entfernen, sind sogenannte Luftwechselraten erforderlich. Diese Zahl gibt an, wie oft pro Stunde ein kompletter Luft-austausch erzielt wird. Der derzeit gültigen Wärmeschutzverordnung liegt eine Luftwechselrate von 0,8 zugrunde. Dies bedeutet, daß im Mittel einmal pro Stunde die Luft zu 80 % erneuert werden muß. 4

5 Die einfachste und für jeden praktikabelste Möglichkeit der Belüftung von Wohnräumen ist der Luftaustausch durch die Fenster. Der Luftaustausch sollte möglichst schnell, durch sogenanntes Stoßlüften, erfolgen. Nur so läßt sich ein Abkühlen von Bauteilen vermeiden, was z.b. als Folge bei Dauerkippen zu beobachten ist. Jedes ausgekühlte Bauteil braucht zur Erwärmung ein Vielfaches an Heizenergie, die zur Erwärmung von Raumluft benötigt wird. Bei vollständig geöffneten, gegenüberliegenden Fenstern kann innerhalb 1,5 Minuten bis 2 Minuten ein vollständiger Luftaustausch der feuchten warmen Luft gegen Luft, dessen relative Luftfeuchte geringer ist, erfolgen. Bei geschlossenen Fenstern und Türen findet ein vollständiger Luftaustausch erst nach mindestens 2 Stunden statt. Je dichter die Fenster sind, desto mehr geht dieser Wert und damit auch die Luftwechselrate gegen Null. Daher ist es als äußerst wichtig zu betrachten, bei Erneuerung von Fenstern, die Bewohner auf die Problematik eines ausreichenden und richtigen Heizungs- und Lüftungsverhaltens aufmerksam zu machen. Gerade bei Austausch von früher üblichen undichten Fenstern gegen Fenster, die dem heutigen Standard der Luftdichtheit entsprechen, ist zur Vermeidung von Feuchtigkeitsschäden eine Änderung der Nutzungsgewohnheiten unbedingt erforderlich. Um Feuchtigkeitsschäden zu vermeiden ist folgendes zu beachten: Stoßlüften (3-4 mal täglich) keine Dauerlüftung ausreichende Beheizung aller Räume kein Mitheizen anderer Räume Möbel vor Außenwände auf Abstand Schimmelpilzwachstum Wird nun von einem Bauteil mit niedriger Oberflächentemperatur über einen längeren Zeitraum hinweg Feuchtigkeit aufgenommen und nicht wieder in die Raumluft abgegeben, so ist die optimale Voraussetzung für Schimmelpilzwachstum gegeben. Schimmelpilzsporen aller möglichen Pilze befinden sich, wie Staubteilchen, ständig in unserer Atemluft. Konzentrationen bilden sich immer dort, wo ein bereits vorhandener Pilz Sporen produziert. 5

6 Findet der Schimmelpilz gute Wachstumsbedingungen, wie dies eine durchfeuchtete Wandoberfläche mit organischen Ablagerungen darstellt, so bildet der Pilz ein gewebeartiges Geflecht, das sogenannte Pilzmyzel. Verdichtet sich dieses Myzel, so werden stellenweise dunkle Flecken bemerkbar. Werden diese ersten Zeichen, die sogenannten Stockflecken, sichtbar, so spricht man üblicherweise vom Beginn des Schimmelpilzwachstums. Spätestens dann sollten erste Maßnahmen zur Feststellung, Diagnose und Beseitigung der Ursachen getroffen werden. In dem weiteren Wachstumsstadium werden die Fruchtkörper gebildet. Diese zeigen sich überwiegend in einem flächigen, filzigen Belag, der je nach Pilzart verschiedene Farben aufweist. In unserer Umwelt befinden sich mehrere hundert verschiedene Schimmelpilzarten mit sehr unterschiedlicher Wirkung auf den Menschen. Neben unschädlichen Pilzarten existieren hochgradig gesundheitsgefährdende Vertreter, wie zum Beispiel die Gattung Aspergillus fumigatus. Mit bloßem Auge lassen sich einzelne Arten nicht unterscheiden. Je nach Sensibilität der Personen können Schimmelpilze erhebliche allergische Reaktionen hervorrufen. Gerade bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem können folgenschwere Erkrankungen der Atemwege, der Augen und der Haut erfolgen. Aufgrund der inzwischen medizinisch nachgewiesenen gesundheitsgefährdenen Auswirkungen von Schimmelpilzen ist es dringend zu empfehlen, bereits bei ersten Anzeichen Maßnahmen zur Beseitigung zu ergreifen. Entfernung von Schimmelpilzen Hier sind Maßnahmen zur Entfernung der Schimmelpilze bzw. Abtötung des Schimmelpilzmyzels und Maßnahmen zur Beseitigung der Ursache des Schimmelpilzbefalls zu unterscheiden. Um Schimmelpilze zu entfernen, werden im Handel eine Reihe schimmelpilztötender Präparate angeboten. Die fungizide, pilztötende Wirkung dieser Mittel beruht derzeit in der Regel auf Chlor-Verbindungen. Das Bundesgesundheitsamt hat jedoch wiederholt vor den Gefahren häufiger Anwendung solcher Präparate gewarnt, da die Wohnräume mit neuen Giften belastet werden. Eine Alternative zur Entfernung der Schimmelpilze stellen bewährte Hausmittel wie dar. hochprozentiger Essig hochprozentiger, vergällter Alkohol (Spiritus) medizinischer Alkohol oder Salmiakverdünnung 6

7 Bei Anwendung dieser Produkte ist folgendes zu beachten: Lose Bestandteile des Pilzes und befallener Materialien trocken entfernen. Nur bei geöffnetem Fenster arbeiten. Die betroffenen Stellen gut und gegebenenfalls mehrmals tränken und mit einer Bürste kräftig abreiben. Schutzbekleidung tragen und Augen und Schleimhäute besonders gut schützen. Diese Mittel dienen zwar dazu, den Schimmelpilz abzutöten, wenn es jedoch nicht gelingt, die Ursache des Befalls zu beseitigen, wird ein erneutes Wachstum von Schimmelpilzen nicht vermeidbar sein. Um das Wachstum dauerhaft zu verhindern, wird empfohlen, die vom Schimmelpilzmyzel befallenen Bauteile, wie z.b. den Putz, zu entfernen. Wird der Schimmelpilz nur oberflächlich entfernt, so besteht generell die Gefahr, daß bereits bei geringem Feuchtigkeitsangebot, das selbst bei sehr umsichtiger Nutzung der Wohnung nie vermeidbar ist, erneut Schimmelpilzwachstum einsetzt. Eine dauerhafte und vollständige Vermeidung erneuten Schimmelpilzwachstums kann nur erzielt werden, wenn durch bauphysikalische Untersuchungen und Messungen die genaue Schadensursache ermittelt wird. Im Zuge dieser Untersuchungen, sind Feuchtigkeitsmessungen der Bauteile, Langzeitmessungen der Raumlufttemperatur und Raumluftfeuchtigkeit sowie Temperaturmessungen der Bauteiloberfläche, z.b. durch Infrarot-Thermografie unerläßlich. Erst nach Auswertung aller in den Messungen getroffenen Ergebnissen, ist es sinnvoll gezielt Sanierungsmaßnahmen, z.b. in Form von Wärmedämmungen oder Abdichtungsmaßnahmen zu treffen oder mit dem Bewohner ein angepaßtes Nutzungsverhalten abzustimmen. Autorin: Dipl. Ing. Univ. Barbara Jugan TÜV Süddeutschland Bau und Betrieb GmbH Business Unit Baumanagement Bautechnik München Tel.: 089 / Westendstraße 199 Fax: 089 / München Barbara.Jugan@tuev-sued.de 7