Evelyn Adunka. - Wien : Czernin-Verlag, S. ; 18 cm. - (Bibliothek des Raubes ; 9). - ISBN : EUR

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1 Österreich Österreichische Nationalbibliothek Geschichte allerlei für die Nationalbibliothek zu ergattern... : eine österreichische Institution in der NS-Zeit / Murray G. Hall ; Christina Köstner. - Wien [u.a.] : Böhlau, S. : Ill. ; 25 cm. - ISBN ISBN X : EUR 59.00, EUR (Subskr.-Pr. bis ) [8964] Nach dem 1998 vom österreichischen Parlament einstimmig beschlossenen Kunstrückgabegesetz haben auch die Bibliotheken des Landes begonnen, ihre Bestände systematisch nach Raubgut der NS-Zeit zu durchsuchen. Erste Ergebnisse lagen mit der Abhandlung von Evelyn Adunka 1 oder dem Ausstellungskatalog Geraubte Bücher 2 vor. Aus der intensiven Beschäftigung mit der eigenen unheilvollen Vergangenheit ist nun eine umfangreiche Darstellung der größten und wichtigsten Bibliothek Österreichs während des Nationalsozialismus entstanden. Die Verfasser betonen in der Einleitung die dringende Notwendigkeit, sich endlich der braunen Vergangenheit zu stellen und kritisieren zu Recht das jahrzehntelange Schweigen, Vertuschen und Verharmlosen. Die existierenden Abhandlungen zur Geschichte der ÖNB legen davon ein beredtes Zeugnis ab. So fand Ernst Trenkler im zweiten Teil seiner Geschichte der Österreichischen Nationalbibliothek 3 zwar durchaus kritische Worte, verschwieg aber viele Aktionen, an denen er selbst beteiligt war. Erstaunen kann dies eigentlich nicht weiter, denn die Beteiligten, ja sogar Täter der NS-Zeit deckten nur allzu gern den Mantel des Schweigens über ihre Versäumnisse und Untaten. Das war in der deutschen Bibliotheksgeschichts- 1 Der Raub der Bücher : Plünderung in der NS-Zeit und Restitution nach 1945 / Evelyn Adunka. - Wien : Czernin-Verlag, S. ; 18 cm. - (Bibliothek des Raubes ; 9). - ISBN : EUR Geraubte Bücher : die Österreichische Nationalbibliothek stellt sich ihrer NS- Vergangenheit ; [anlässlich der Ausstellung Geraubte Bücher. Die Österreichische Nationalbibliothek Stellt Sich Ihrer NS-Vergangenheit, vom 10. Dezember 2004 bis 23. Jänner 2005] / hrsg. von Murray G. Hall... [Österreichische Nationalbibliothek]. - Wien : Österreichische Nationalbibliothek, S. : Ill. ; 23 cm. - ISBN (vergr.) - Die Herausgeber des Ausstellungskatalogs erhielten am in Ludwigsburg den mit EUR dotierten 13. Antiquaria-Preis für Buchkultur Geschichte der Österreichischen Nationalbibliothek / hrsg. v. Josef Stummvoll. - Wien : Hollinek. - T. 2. Die Nationalbibliothek ( ) / von Ernst Trenkler. - Wien : Hollinek, XV, 308 S. : Ill. - (Museion ; N. F. Reihe 3).- ISBN Hier S für die Jahre

2 schreibung lange nicht anders. Man war sich keiner Schuld bewußt, hatte allenfalls still beiseite gestanden. Wie der zuletzt erschienene 6. Restitutionsbericht (2003/2004) belegt, ist diese Sichtweise trotz erdrückender Gegenbeweise immer noch nicht ganz überwunden. Das vorliegende Werk verdankt seine Entstehung also in erster Linie den intensiven Provenienzforschungen der letzten Jahre. Zwischen 1938 und 1945 unrechtmäßig erworbene Schriften sollen systematisch ermittelt und, wenn möglich, den rechtmäßigen Besitzern bzw. deren Erben zurückgegeben werden. Immerhin handelte es sich um rund Bände Raubgut (S. 184). Die Verfasser bieten allerdings wesentlich mehr als eine Erwerbungs- und Bestandsgeschichte. Das Schicksal der ÖNB nach der Annexion wurde ganz entscheidend durch den neu berufenen Generaldirektor Paul Heigl ( ) bestimmt. Ihm sind deshalb die Hauptkapitel IV Paul Heigl Generaldirektor der NB und V Die Personalpolitik Heigls gewidmet. Nach der sofortigen Absetzung und Inhaftierung des bisherigen Generaldirektors Josef Bick ( ) im März 1938, übernahm mit ihm ein überzeugter Nationalsozialist die Leitung der größten Bibliothek des Landes. Schon frühzeitig in völkischnationalen Bewegungen tätig, trat der promovierte Historiker mit Berufserfahrung als Archivar und Bibliothekar 1933 der verbotenen NSDAP bei, wurde nach dem Juli-Putsch 1934 entlassen und inhaftiert, schließlich 1935 nach Deutschland abgeschoben. Nach einem sehr kurzen Intermezzo an der Universitätsbibliothek Greifswald fand er dann eine Anstellung an der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin. Außerdienstlich engagierte er sich in der Deutschen Arbeitsfront und im Rassenpolitischen Amt. In der SS stieg er später bis zum Standartenführer (Oberst) auf. Weltanschaulich konnte Rudolf Kummer ( ), Referent für das wissenschaftliche Bibliothekswesen im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, zudem Freund und Gesinnungsgenosse Heigls, keinen geeigneteren Kandidaten für das höchste bibliothekarische Amt in der Ostmark finden. Heigls Ernennung in Wien war in Berlin schon lange vorbereitet und nach dem Einmarsch unmittelbar vollzogen worden. Einmal im Amt, konnte Heigl seine manische Besessenheit, den Bücherbesitz jüdischer Emigranten in die Nationalbibliothek zu bringen 4 ausleben. In die Bücherverwertungsstelle Wien (Kapitel VI) 5 strömte mißliebige und verbotene Literatur zu Tausenden. Im Rahmen der geplanten Entjudung des Buchhandels und Verlagswesens konfiszierte man etwa die Bücher des Phaidon-, des Zsolnay- und des Gottfried-Bermann-Fischer-Verlages sowie 4 Wie Anm. 3, S Im selben Kapitel (S. 97) kritisiert Trenkler Heigls unheilvollen Entschluss, sich einer tödlichen Abenteurerpolitik voll zu verschreiben. 5 Über diese berichtete auch Grit Nitzsche in: Jüdischer Buchbesitz als Raubgut : zweites Hannoversches Symposium / im Auftrag der Gottfried-Wilhelm-Leibniz- Bibliothek - Niedersächsische Landesbibliothek und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hrsg. von Regine Dehnel. - Frankfurt am Main : Klostermann, S. : Ill. ; 25 cm. - (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie : Sonderhefte ; 88). - ISBN : EUR 89.00, EUR (Reihen-Pr.) [8672]. - Vgl. die vorstehende Rezension in IFB Hier S

3 zahlreiche jüdische Privatbibliotheken, die den Besitzern von der Zentralstelle für Jüdische Auswanderung unter Leitung von Adolf Eichmann ( ) abgepreßt worden waren. Die Raubbücher sollten einerseits die Bestände der ÖNB stärken, andererseits aber auch an interessierte Bibliotheken weitergereicht werden, wobei Heigl immer darauf achtete, daß wichtiges Kulturgut der Ostmark möglichst nicht ins Altreich gelangte. Eifrig gesammelt wurde auch für die Führerbibliothek, die das von Hitler seit 1938 geplante, ebenfalls vorrangig aus Raubgut bestückte Führermuseum in Linz ergänzen sollte (Kapitel VII). Als Ergebnis der Provenienzforschungen bietet das umfangreichste Kapitel des Buches Die Sammlungen der Nationalbibliothek eine detaillierte Bestandsmorphologie. Gegliedert nach den einzelnen Abteilungen, allen voran die Druckschriftenabteilung, schildern uns die Autoren das Schicksal der beschlagnahmten, aber nur zu einem kleinen Teil eingearbeiteten Bibliotheken sowie noch mögliche Restitutionen. Eine Übersicht (S ) vermittelt dem Leser einen schnellen Überblick über die unrechtmäßigen Erwerbungen und den Stand der Restitutionsbemühungen. Wie man mit den Besitzern wertvoller Privatbibliotheken umging, mögen zwei Fälle exemplarisch verdeutlichen. Der renommierte Albanologe und Indogermanist Norbert Jokl ( ) 6 besaß eine sehr wertvolle Forschungsbibliothek von etwa 3000 Bänden. Als Jude 1938 aus seinem Amt als Bibliothekar an der Universitätsbibliothek Wien entlassen, wurde er schließlich 1942 nach Minsk deportiert, wo er umkam. Heigl bediente sich auch hier sehr gern. Leider waren in jüngster Zeit nur noch 170 Druckschriften und der wissenschaftliche Nachlaß auffindbar. Da Jokl keine Erben hatte, konnte, wenn auch als restitutionswürdig deklariert, nichts zurückgegeben werden. Ganz ähnlich erging es den Schwestern Richter, auch sie Jüdinnen und unverheiratet. Elise Richter 7 ( ) hatte sich als Romanistin an der Universität Wien einen Namen gemacht, Helene Richter 8 ( ) war als Anglistin und Theaterwissenschaftlerin tätig. Durch Entlassung Elises und durch die Juden abgepreßte Zwangsabgabe in finanzielle Not geraten, bot Elise die überwiegend romanistische Bibliothek der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln zum Kauf. Als sich Richter mit dem angebotenen Preis 6 Zu Jokl vgl. den Artikel in Verfolgung und Auswanderung deutschsprachiger Sprachforscher / Utz Maas. - Osnabrück : Secolo-Verlag cm [4416]. - Bd. 2. Biobibliographische Daten G - P (Q) Aufl S. - ISBN : EUR Rez.: IFB Hier S Zu Elise Richter s. "Vom Strudel der Ereignisse verschlungen" : deutsche Romanistik im "Dritten Reich" / Frank-Rutger Hausmann. - Frankfurt am Main : Klostermann, XXIII, 741 S. ; 24 cm. - (Analecta romanica ; 61). - ISBN Hier S Zu Helene Richter s. Anglistik und Amerikanistik im "Dritten Reich" / Frank- Rutger Hausmann. - Frankfurt am Main : Klostermann, S. : Ill. ; 24 cm. - S Kurzbiographien der von im Deutschen Reich lehrenden Anglistikprofessoren und -dozenten. - ISBN : EUR (herabgesetzt von EUR 59.00) [7542]. - Rez.: IFB Hier ad indicem.

4 von 4000 Reichsmark nicht einverstanden erklärte, versuchte es der damalige Direktor Hermann Corsten ( ) mit massivem Druck. Unterstützung fand er beim stellvertretenden Generaldirektor der Nationalbibliothek Robert Teichl, der sich zu der Äußerung hinreißen ließ Das Verhalten der beiden Jüdinnen entspricht durchaus ihrer Rasse und verdient schärfstes Vorgehen... (S. 272). Die Sammlung wurde einfach beschlagnahmt, ein Teil gelangte nach Köln, die NB hat zumindest einen Teil der Bücher bezahlt. Die verbliebenen Reste der Richter-Bibliothek sollen restituiert werden. Nach der Heimkehr Österreichs in Deutsche Reich erfolgte eine umfassende Neugliederung der Ministerien und schließlich deren Auflösung. Das Schicksal der oft recht ansehnlichen Behördenbibliotheken (Kap. IX) blieb damit ungewiß. Heigl bemühte sich hier wie auch bei aufgelösten Klosterbibliotheken (Kap. X) intensiv darum, an der Verteilung der Bestände beteiligt zu werden, was ihm aber nicht in allen Fällen gelang. Nach der Annexion verblieb nur noch ein Jahr im Frieden. Dann begann der Zweite Weltkrieg (Kap. XI). Auch für die ÖNB bedeutete dies stark reduziertes Personal durch Einberufungen zum Militärdienst, Luftschutzmaßnahmen gegen Bombenangriffe, aber im Gegensatz zur Universitätsbibliothek keine Auslagerungen, eingeschränkte Benutzungsmöglichkeiten usw. (Kap. XI). Paul Heigl konnte nun auch seine Finger nach ausländischem Buchbesitz ausstrecken. Als Kommissar für die jugoslawischen Bibliotheken konnten er und sein Mitarbeiter Hermann Gerstner ( ) 9 sich an dortigen Bibliotheks- und Verlagsbeständen bedienen. Mit Ernst Trenkler organisierte er noch 1944 einen umfangreichen Bücherraub im italienischen Triest, wo ihn Gauleiter Rainer und SS-Gruppenführer Globocnik einluden, allerlei für die Nationalbibliothek ergattern zu können (S. 429). Auch wenn die meisten gestohlenen Bücher in österreichische Bibliotheken gelangen sollten, blieben für Jürgens auf jeden Fall Massen (Kap. XII). 10 Als dann 1945 das Tausendjährige Reich zusammenbrach, hatte die ÖNB zwar nicht wie so viele andere Bibliotheken im Deutschen Reich riesige Zerstörungen ihrer Gebäude und Buchbestände zu beklagen, doch galt es nun, sich den Untaten der sieben großdeutschen Jahre zu stellen und, wenn noch möglich, rückgängig zu machen (Kap. XIII). Paul Heigl hatte sich im April 1945 durch Selbstmord der Verantwortung für sein Handeln entzogen. Mit anderen Belasteten wurde auch sein Stellvertreter Robert Teichl entlassen, der 1938 aus dem Amt gejagte Josef Bick wieder eingesetzt. Die rechtmäßigen Besitzer geraubter Bibliotheken, sofern sie überlebt hatten, konnten nicht unbedingt mit großem Entgegenkommen von seiten der ÖNB rechnen, wenn es um die Durchsetzung von Rückgabeforderungen ging. Zwar sorgten die Alliierten dafür, daß identifizierbares Raubgut so weit wie möglich restituiert wurde, eine aktive Unterstützung bei der Suche in den Bibliotheksbeständen unterblieb aber auf Jahre. 9 Zu den Aktivitäten in Belgrad an gleicher Stelle die Aufsätze von Christina Köstner (S ) sowie Paul Gerhard Dannhauer und Stephan Kellner (S ). 10 Anspielung auf die Reichstauschstelle in Berlin unter ihrem Leiter Adolf Jürgens.

5 In Anknüpfung an das Vorwort thematisiert das Schlußwort noch einmal die aktive Rolle der Bibliothekare, allen voran Paul Heigls, bei der Plünderung in- und ausländischer Bibliotheken sowie die bisherigen Versäumnisse der österreichischen Bibliothekshistoriographie. 11 Es ging den Autoren um das sehr verspätete Nachholen von Versäumnissen, um eine schonungslose Aufarbeitung einer dunklen Epoche der deutsch-österreichischen Bibliotheksgeschichte. Dabei waren sie aber strikt um Objektivität bemüht. Selbst der überzeugte Nationalsozialist und Antisemit Paul Heigl erfährt eine gerechte Behandlung, indem trotz aller negativen Charakteristika auf seine unbestreitbare bibliothekarische Kompetenz, sein Durchsetzungsvermögen und sein Engagement für die Bibliotheken Österreichs, speziell für seine Nabi, verwiesen wird. Sage und schreibe 1629 Fußnoten auf 80 Seiten belegen das äußerst intensive Quellenstudium und die mehr als solide Quellenbasis. Da die Anmerkungen allerdings am Ende der Darstellung plaziert sind, laufen sie Gefahr, vernachlässigt oder sogar ignoriert zu werden, was angesichts ihres zusätzlichen Informationsgehalts wirklich schade wäre. Ein Abdruck auf der jeweiligen Textseite konnte allerdings unmöglich realisiert werden. Dort war es wichtiger, die zahlreichen, das Geschriebene vorzüglich untermauernden Abbildungen unterzubringen. Ein ausführliches Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein Personenund Sachregister beschließen das Werk. Mit dieser fundierten Geschichte der damals drittgrößten Bibliothek im großdeutschen Reich liegt nun ein weiterer sehr wichtiger Beitrag zur Geschichte der Bibliotheken während des Nationalsozialismus vor. 12 Manfred Komorowski QUELLE Informationsmittel (IFB) : digitales Rezensionsorgan für Bibliothek und Wissenschaft 11 Man sollte aber nicht verschweigen, daß es schon vor Jahren einige wichtige Arbeiten über diese Periode in den wissenschaftlichen Bibliotheken des Landes gab. Etwa: Die Universitätsbibliothek Wien in der NS-Zeit / Walter Pongratz. // : In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekare (1988),2, S Geschichte der Universitätsbibliothek Graz / Manfred Hirschegger. - Wien, In der Geschichte der Universitätsbibliothek Wien / Walter Pongratz. - Wien, 1977 wird die NS-Zeit nur sehr kursorisch behandelt. 12 Den Forschungsstand zur Geschichte der Bibliotheken im Nationalsozialismus dokumentieren recht aktuell die beiden folgenden Publikationen: Das Bibliothekswesen im Nationalsozialismus : eine Forschungsstandanalyse / von Christine Koch. - Marburg : Tectum-Verlag, S. ; 21 cm. - ISBN : EUR Das bibliothekarische Gedächtnis : Aspekte der Erinnerungskultur an braune Zeiten im deutschen Bibliothekswesen / hrsg. von Sven Kuttner und Bernd Reifenberg. - Marburg : Universitätsbibliothek, S. ; 21 cm. - (Schriften der Universitätsbibliothek Marburg ; 119). - ISBN