Cantate Psalm 98, 19,

Transkript

1 Cantate Psalm 98, 19, Psalm 98 1 Singet dem HERRN ein neues Lied, denn er tut Wunder. Er schafft Heil mit seiner Rechten und mit seinem heiligen Arm. 2 Der HERR läßt sein Heil kundwerden; vor den Völkern macht er seine Gerechtigkeit offenbar. 3 Er gedenkt an seine Gnade und Treue für das Haus Israel, aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes. "Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder", ruft der Beter des Psalm 19 und lädt seine Gemeinde zum Gotteslob ein. Kommt zum Lobgesang, kommt zur Anbetung, gebt Gott die Ehre! Ein großer Theologe des ausgehenden 19. Jahrhunderts, Wilhelm Herrmann, hat einmal gesagt: Von Gott können wir nur sagen, was er an uns tut. Gott erkennen heißt, seine Wohltaten erkennen. Und der noch bekanntere Theologe des 20. Jahrhunderts, Rudolf Bultmann, hat diesen Gedanken aufgenommen und formuliert: "Von Gott reden heißt von dem reden, was mich in meiner Existenz betrifft." Genau das tut der Beter des Psalms. Er hat Gottes Hilfe erfahren. Er hat Gottes Wohltaten an sich selber gespürt. Gott hat sich ihm kund getan in dem, wie er ihm geholfen hat. So erinnert er sich an Gottes Heil, an seine Wohltaten, an seine Gnade und Treue, die er wieder und wieder getan hat, die er, der Beter, wieder und wieder erfahren durfte. Von dieser Erfahrung des Heils Gottes kommt er her und stimmt sein Lob an. Weil er gemerkt hat, was ihm an Gutem widerfahren ist, findet er zum Lobpreis und zur Anbetung. Er kennt das Woher, den Ursprung seiner Heilserfahrung: es ist Gott, der Herr. Ihm lobsingt er, ihn rühmt er, ihm betet er an, weil Gott ihn nicht vergißt. Mit diesem Gotteslob stimmt er ein in das Loblied der ganzen Schöpfung, das das Heil seine Schöpfers preist. Der Beter dieses Plans hat erkannt: so wie Gott mir geholfen hat und noch immer hilft, so wird er endlich alle Welt retten, befreien und erlösen. "Er wird den Erdkreis richten mit Recht und die Völker mit Wahrheit." Der Psalm drückt eine Bewegung aus, die Bewegung von der Erfahrung des eigenen Heils zur Hoffnung auf Erlösung der Welt im Gotteslob des Glaubens. In diese Bewegung sind wir hineingenommen, wenn wir diesen Psalm nachsingen und nachbeten: "Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder!"

2 Psalm 19 2 Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und die Feste verkündigt seiner Hände Werk. 3 Ein Tag sagt's dem andern, und eine Nacht tut's kund der andern, 4 ohne Sprache und ohne Worte; unhörbar ist ihre Stimme. 5 Ihr Schall geht aus in alle Lande und ihr Reden bis an die Enden der Welt "Die Himmel erzählen die Ehre Gottes"! Nicht ich - die Himmel, "die Feste, das Weltall, verkündigt seiner Hände Werk". Nicht wir - das Universum: Sonne, Mond, Sterne, Welten aus Staub und Licht, erzählen die Ehre Gottes. Wie anders beginnt der Beter dieses Psalms sein Gotteslob. Nicht bei sich selber fängt er an, nicht bei seinem kleinen Leben, nicht bei seinen eigenen Erfahrungen, sondern bei dem Umfassendsten, was er kennt, bei Himmel und Erde, bei den Himmeln und den Welten. Die ganze Schöpfung möchte er in den Blick nehmen, wenn er vom Lob Gottes spricht. "Ein Tag sagts dem anderen und eine Nacht tut es der anderen kund". Der Rhythmus der Zeit, der Wechsel von Monaten, Tagen, Stunden, Sekunden, verkündet die Ehre Gottes. Die Herrlichkeit des Himmels und des Weltalls, das Licht und das Dunkel der Welten verkünden durch ihr Dasein die Herrlichkeit Gottes. "Ohne Sprache und ohne Worte, unhörbar ist ihre Stimme". Die Schöpfung preist und bezeugt Gott aus sich heraus, aus sich selber, ganz ohne unser Zutun. Das Gotteslob hängt nicht an uns, es ist nicht davon abhängig, ob wir Menschen an Gott denken, ob wir ihn und sein Tun lobenswert finden, ob wir oder einige von uns die Zeit und die Muße finden, Gott zu loben und ihn zu preisen. All dies sind kleine Nebensächlichkeiten. Denn das Lob Gottes geschieht ganz ohne uns, ohne all unser Zutun, sich selbst genügend, zwecklos, sinnlos, heillos, - ganz und gar unabhängig vom Menschen und seinem Bewußtsein und seinen Gedanken. Dieses Gotteslob steht staunend vor der Größe Gottes und erkennt die Winzigkeit unserer Menschlichkeit, die geringe Bedeutung unseres eigenen Gotteslobes angesichts der überwältigenden Größe des Himmels und der Erde, die aus sich selbst heraus ohne Worte und stumm die Herrlichkeit Gottes preisen und ihn anbeten. Es gibt nicht viele, die so bescheiden vom Menschen denken angesichts der Größe und Herrlichkeit Gottes. Gottfried Wilhelm von Leibniz etwa tat es, wenn er, der selber umfassend die Wissenschaften kannte, beim Betrachten der Welt von der "prästabilisierten Harmonie" sprach, die allen erkennbaren Weltgesetzen zu Grunde liege. Albert Einstein tat es, wenn er nach der umfassenden Formel, nach der Weltformel, suchte, die in mathematischer Genauigkeit und Schönheit die Einheit,

3 Harmonie und Symmetrie der Naturgesetze beweise. Die Gleichungen seiner Relativitätstheorie waren seine Weise, die Herrlichkeit der Schöpfung in den Naturgesetzen zu erkennen und ihr in der Schönheit der Mathematik Ausdruck zu verleihen. Darum konnte sich Einstein auch nicht mit der Quantentheorie anfreunden: "Gott würfelt nicht." Ihre Schönheit vermochte er noch nicht zu entdecken. Und Stephen Hawking tut es, wenn er Gott als Singularität der Singularitäten preist, in Raum und Zeit und doch ohne Raum und Zeit, wenn überhaupt man denn von Gott reden wolle und nicht besser schweigen. Diese Philosophen und Naturwissenschaftler haben es uns manchmal auf Grund ihrer umfassenden Kenntnis voraus: stumm zu werden angesichts der Größe Gottes, der Herrlichkeit der Welt und der Schönheit der Naturgesetze. "Die Befehle des Herrn sind richtig und erfreuen das Herz, das Gesetz des Herrn ist vollkommen und lauter." Die Naturgesetze selber, die unser Verstand aufspürt, führen zum Lob Gottes in seiner Schöpfung. Der Makrokosmos und der Mikrokosmos bezeugen so aus sich selber daraus die Herrlichkeit des Herrn für den, dem dafür die Augen gegeben sind zu sehen. Psalm Halleluja! Lobet im Himmel den HERRN, lobet ihn in der Höhe! 2 Lobet ihn, alle seine Engel, lobet ihn, all sein Heer! 3 Lobet ihn, Sonne und Mond, lobet ihn, alle leuchtenden Sterne! 4 Lobet ihn, ihr Himmel aller Himmel und ihr Wasser über dem Himmel! 5 Die sollen loben den Namen des HERRN; denn er gebot, da wurden sie geschaffen. 6 Er läßt sie bestehen für immer und ewig; er gab eine Ordnung, die dürfen sie nicht überschreiten. 7 Lobet den HERRN auf Erden, ihr großen Fische und alle Tiefen des Meeres, 8 Feuer, Hagel, Schnee und Nebel, Sturmwinde, die sein Wort ausrichten, 9 ihr Berge und alle Hügel, fruchttragende Bäume und alle Zedern, 10 ihr Tiere und alles Vieh, Gewürm und Vögel, 11 ihr Könige auf Erden und alle Völker, Fürsten und alle Richter auf Erden, 12 Jünglinge und Jungfrauen, Alte mit den Jungen! 13 Die sollen loben den Namen des HERRN; denn sein Name allein ist hoch, seine Herrlichkeit reicht, so weit Himmel und Erde ist. 14 Er erhöht die Macht seines Volkes. Alle seine Heiligen sollen loben, die Kinder Israel, das Volk, das ihm dient. Halleluja! "Lobt im Himmel den Herrn!" - "Lobt den Herrn auf Erden!" Der Beter dieses Psalms fügt beide Sichtweisen zusammen. Wie im Psalm 19 beginnt er beim Lobpreis der Herrlichkeit Gottes, wie ihn die Himmel selbst verkündigen. Der Himmel, der gesamte Kosmos mit all seinen Ordnungen, singt das Lob Gottes. Aber er wendet seinen Blick sogleich auch zur Erde. Fische, Vögel, Berge, Täler, - und mit all den Schöpfungswirklichkeiten zusammen werden auch wir, die Heiligen Gottes, zum Lob Gottes aufgerufen. Die Schöpfung lobt den Schöpfer aus sich selbst heraus, wir stimmen in das

4 Lob der Schöpfung ein, weil auch wir Geschöpfe sind. Aber wir sind ja noch mehr, wir sind Gottes eigenes Volk und werden die Heiligen genannt. Geheiligt aber werden wir durch das, was Gott an uns tut, was er getan hat an unseren Vorfahren, und was er tun wird an unseren Nachkommen. Sein Volk sind wir, weil er uns gerufen hat, herausgerufen, mit einem kostbaren Namen versehen und zu seinem Eigentum gemacht hat. Ihm gehören wir an, nicht nur als eine Geschöpfe, sondern als seine Kinder, die er liebt und mit all seiner Güte beschenkt. Das Lob des Schöpfers klingt nun zusammen mit dem Lob des Erlösers, der uns so viel Gutes tut. Da ist der Mensch als Teil der Schöpfung, - kann es ein größeres Wunder geben, als den Menschen selbst, als ein Menschenkind? Selbst alles Böse, das der Mensch tut und tun kann und tun wird, kann doch die Größe nicht zu decken, zu dem der Mensch eben auch fähig ist. Und eben diesen Menschen mit seinen Licht - und seinen Schattenseiten, mit Hoheit und mit Niedrigkeit, mit Großmut und mit Ängstlichkeit, mit Größe und mit Niedertracht, hat Gott zu seinem Kind bestimmt. In seinem Sohn Jesus Christus wurde er selber Mensch. In ihm nahm er teil an der ganzen Fülle der Geschöpflichkeit, um die Herrlichkeit der Schöpfung zu vollenden. Wenn wir den Lobgesang Gottes anstimmen, so loben wir den Schöpfer aller Welten, der doch zugleich uns ganz nahe gekommen ist, um uns zur göttlichen Herrlichkeit zu erheben. Gott gedenkt des Menschen, weil er den Menschen zu seinem Partner bestimmt hat. So loben wir denn Gott als Schöpfer und Vollender der Welt, als Schöpfer und Vollender des Menschen, als Schöpfer und Vollender unseres eigenen Lebens. "Alle seine Heiligen sollen loben, die Kinder Israel, das Volk, das ihm dient. Halleluja!" Amen Dr. Reinhart Gruhn, Andreasweg 4, D Minden dr.gruhn@martinigemeinde.de

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