Fahrerassistenz und Wiener Weltabkommen. Professor Dr. iur. Bernhard Kempen Universität zu Köln

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1 Fahrerassistenz und Wiener Weltabkommen Professor Dr. iur. Bernhard Kempen Universität zu Köln

Fahrerassistenzsysteme können als Interventionssysteme entweder vom Fahrer aktiviert werden (fahrerinitiiert) oder vom System initiiert werden (systeminitiiert) und im Betrieb entweder

2 Fahrerassistenzsysteme können als Interventionssysteme entweder vom Fahrer aktiviert werden (fahrerinitiiert) oder vom System initiiert werden (systeminitiiert) und im Betrieb entweder vom Fahrer aktiv beeinflusst (übersteuerbar) oder vom Fahrer nicht mehr aktiv beeinflusst werden (nicht übersteuerbar). 26. Februar 2008 Professor Dr. Bernhard Kempen, Universität zu Köln 2

3 Das Rechtsproblem besteht darin, dass nach dem Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr (1968) jeder Fahrzeugführer sein Fahrzeug dauernd bzw. unter allen Umständen beherrschen muss. 26. Februar 2008 Professor Dr. Bernhard Kempen, Universität zu Köln 3

4 Das Wiener Übereinkommen ist ein unter dem Dach der Vereinten Nationen abgeschlossener völkerrechtlicher Vertrag, den 64 Staaten ratifiziert haben: Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Bahrain, Belarus, Belgien, Bosnien und Herzegowina, Brasilien, Bulgarien, Cote d Ivoire (Elfenbeinküste), Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien, Griechenland, Guayana, Iran, Israel, Italien, Jugoslawien (ehem.), Kasachstan, Kongo (Demokrat. Republik), Kroatien, Kuba, Kuwait, Lettland, Litauen, Luxemburg, Marokko, Mazedonien, Moldau, Monaco, Niger, Norwegen, Österreich, Pakistan, Philippinen, Polen, Rumänien, Russische Förderation, San Marino, Schweden, Schweiz, Senegal, Serbien und Montenegro, Seychellen, Simbabwe, Slowakei, Slowenien, Sowjetunion (ehem.), Südafrika, Tadschikistan, Tschechien, Tschechoslowakei (ehem.), Tunesien, Turkmenistan, Ukraine, Ungarn, Uruguay, Usbekistan, Zentralafrikanische Republik. 26. Februar 2008 Professor Dr. Bernhard Kempen, Universität zu Köln 4

5 Das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr löst mehrere vorher abgeschlossene Abkommen über den Straßenverkehr ab, ist in den Vertragssprachen chinesisch, englisch, französisch, russisch und spanisch, nicht aber in deutsch, verfasst, verpflichtet die Vertragsstaaten, die in ihrem Staatsgebiet geltenden Verkehrsregelungen mit denen des Übereinkommens in Einklang zu bringen. 26. Februar 2008 Professor Dr. Bernhard Kempen, Universität zu Köln 5

6 Das Wiener Übereinkommen im Wortlaut, Art. 8 Abs. 5: Every driver shall at all times be able to control his vehicle or to guide his animals. Tout conducteur doit constamment avoir le contrôle de son véhicule ou pouvoir guider ses animaux. 26. Februar 2008 Professor Dr. Bernhard Kempen, Universität zu Köln 6

7 Das Wiener Übereinkommen im Wortlaut, Art. 13 Abs. 1: Every driver of a vehicle shall in all circumstances have his vehicle under control so as to be able to exercise due and proper care and to be at all times in a position to perform all manoeuvres required of him. Tout conducteur de vehicule doit rester, en toutes circonstances, maître de son véhicule, de facon à pouvoir se conformer aux exigences de la prudence et à être constamment en mesure d effectuer toutes les manoeuvres qui lui incombent. 26. Februar 2008 Professor Dr. Bernhard Kempen, Universität zu Köln 7

8 Die Auslegungsfrage: - Sind die Art. 8 Abs. 5 und 13 Abs. 1 WVÜ so zu verstehen, dass systeminitiierte, nicht-übersteuerbare Fahrerassistenzsysteme nicht zum Straßenverkehr zugelassen werden dürfen? - Entscheidend für die Auslegung sind Wortlaut, systematischer Zusammenhang und Vertragszweck. 26. Februar 2008 Professor Dr. Bernhard Kempen, Universität zu Köln 8

9 Das Auslegungsergebnis nach dem Wortlaut: Jeder Führer muss bzw. jeder Fahrzeugführer muss ist dahingehend zu verstehen, dass es nicht um die Zulassungsfähigkeit von Fahrzeugen, sondern um die Verhaltenspflichten des Fahrers geht. control bzw. contrôler werden nicht nur mit beherrschen, sondern auch mit beaufsichtigen, überwachen, überprüfen übersetzt. 26. Februar 2008 Professor Dr. Bernhard Kempen, Universität zu Köln 9

10 Das Auslegungsergebnis nach dem systematischen Zusammenhang: Beherrschungspflichten befinden sich im Kapitel II des Übereinkommens, das Verhaltensanforderungen an den Fahrzeugführer enthält. Zulassungsspezifische Verpflichtungen befinden sich ausschließlich in den Kapiteln III und in Anhang Februar 2008 Professor Dr. Bernhard Kempen, Universität zu Köln 10

11 Das Auslegungsergebnis nach Sinn und Zweck des Vertrages: - Der Vertragszweck liegt darin, im Interesse der Verkehrssicherheit einheitliche Verkehrsregeln herbeizuführen. - Der Vertragszweck ist nicht, technischen Fortschritt durch Zulassungsregeln zu blockieren. 26. Februar 2008 Professor Dr. Bernhard Kempen, Universität zu Köln 11

12 Das Ergebnis: Das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr steht der Zulassung von Fahrerassistenzsystemen nicht entgegen. Dies gilt auch für systeminitiierte, nicht übersteuerbare Systeme. 26. Februar 2008 Professor Dr. Bernhard Kempen, Universität zu Köln 12

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