P r e s s e. Die Bedeutung der künstlichen Wasserstraßen im Ruhrgebiet. Wasser- und Schifffahrtsamt Duisburg-Meiderich
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- Gerd Hoch
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1 Zeitung: Verbandszeitschrift des IWSV Datum: Juni 2005 Dipl.-Ing. Ernst Corinth, Die Bedeutung der künstlichen Wasserstraßen im Ruhrgebiet Geschichtliche Entwicklung Ohne leistungsfähige künstliche Wasserstraßen wäre die rasante Industrialisierung des Ruhrgebietes im letzten Jahrhundert kaum denkbar gewesen. Um 1850 entwickelte sich Bergbau und Stahlverarbeitung rasant. Es wurden preiswerte Transportmöglichkeiten für Kohle, Erze und andere Massengüter benötigt. Der Ruf nach einer wirksamen und leistungsfähigen Konkurrenz zur Eisenbahn wurde lauter. Damit verbunden wurden Forderungen erhoben, einen Wasserweg zwischen den in Nord-Süd-Richtung verlaufenden schiffbaren Flüssen Rhein, Ems, Weser und Elbe zu schaffen. Eine Vernetzung dieser Flusssysteme sollte durch den Rhein-Weser- Elbe-Kanal erfolgen. Mit dem preußischen Gesetz betreffend den Bau neuer Wasserstraßen..."vom 9. Juli 1886 wurde der Grundstein für die Epoche der künstlichen Wasserstraßen im Westen Deutschlands gelegt. Auf dieser Grundlage erfolgte der Bau des Dortmund-Ems-Kanals (DEK fertig gestellt), der schon in diesem Gesetz explizit als Baustein in der Verbindung vom Rhein zur Elbe genannt wurde. Nun konnte Kohle aus Ostwestfalen nach Emden und Erz zur Verhüttung nach Dortmund verschifft werden. Über die Anbindung des DEK an den Rhein wurde lange kontrovers von den verschiedenen Interessenten über unterschiedliche Trassen diskutiert. Mit dem preußischen Gesetz vom 1. April 1905 betreffend die Herstellung und den Ausbau von Wasserstraßen..." wurde diese Anbindung an den Rhein schließlich festgeschrieben. Der Rhein-Herne-Kanal (RHK fertig gestellt) wurde dabei durch das zentrale Ruhrgebiet geführt, wo der Kohlebergbau boomte und damit der Transportbedarf ständig wuchs; über den Datteln-Hamm-Kanal (DHK fertig gestellt) wurde das östliche Ruhrgebiet weiter erschlossen und die Wasserversorgung des Kanalnetzes aus der Lippe sicher gestellt. Schließlich wurde wegen der schon vor Baubeginn absehbaren Überlastung des RHK und des nach Norden wandernden Bergbaus weit vorausschauend der Wesel- Datteln-Kanal (WDK fertig gestellt) im Gesetz von 1905 verankert. Die heutige Bedeutung der Ruhrgebietskanäle Für Nordrhein-Westfalen ist die Binnenschifffahrt von herausragender Bedeutung. Mehr als Arbeitsplätze sind direkt oder indirekt von der Binnenschifffahrt abhängig. In Nordrhein- Westfalen wird mehr als 50 % des gesamten deutschen Binnenschiffverkehrsaufkommens abgewickelt. Die Zahlen sprechen für sich - in 2004 wurden an den Häfen NRW schiffseitig 125 Mio. t Güter umgeschlagen (Quelle: Statistisches Landesamt NRW) - zum Vergleich der Hamburger Hafen verzeichnete 2004 einen
2 Umschlag von 114 Mio. t -. Davon entfielen auf den Niederrhein 98 Mio. t (darunter Duisburg mit 49 Mio. t). Mit 25 Mio. Jahrestonnen leisten auch die Kanalhäfen des Ruhrgebietes einen bedeutenden Beitrag. Bild 1: Reger Schiffsverkehr auf dem Wesel- Datteln-Kanal Die Kanäle im Ruhrgebiet zählen zu den verkehrsreichsten künstlichen Wasserstraßen in Deutschland. Sie sind bedeutende Transportachsen vom, zum und durch das Ruhrgebiet. WDK und RHK bilden das Eingangstor zur einzigen Ost-West- Wasserstraßenverbindung über Hannover, Braunschweig, Magdeburg bis hin nach Berlin und weiter zur Oder. Sie verbinden das Ruhrgebiet über das Kanalnetz mit den deutschen Nordseehäfen und über den Rhein mit den ARA-Häfen sowie der südlichen Bild 2: Anzahl geschleuster Binnenschiffe 2004 Rheinschiene. Entsprechend hoch ist das Verkehrsaufkommen. An den Eingangsschleusen des WDK und RHK liegt das Transportvolumen bei 18 Mio. t/anno. Die dem Bundesverkehrswegeplan zugrunde liegende Verkehrprognose weist für den WDK ein Wachstum bis 2015 um 49 % aus. Im Jahr 2004 wurden an den Eingangsschleusen vom Rhein her in Friedrichsfeld (WDK) und in Duisburg (RHK) Binnenschiffe geschleust. Mit geschleusten Binnenschiffen an den Schleusen in Datteln wird deutlich, dass der WDK zu 75 % vom Durchgangsverkehr genutzt wird während der RHK mit seinen vielen Häfen auch heute noch durch starken Quell- und Zielverkehr gekennzeichnet ist. Der Sportbootverkehr auf den Ruhrgebietskanälen wurde erst 1990 endgültig frei gegeben. Er wird im Rahmen der Tourismusförderung stark vom Land Nordrhein-Westfalen gefördert, dennoch ist die Anzahl mit geschleusten Sportbooten/Schleuse eher bescheiden. Neben dem hohen Durchgangsverkehr findet an den Kanalhäfen im Ruhrgebiet ein bedeutender Umschlag von rund 25 Mio. Gütertonnen/anno statt. Dabei haben sich in den letzten Jahren die Schwerpunkte regional verschoben. Mit über 4,1 Mio. t hat sich der Raum Marl mit dem Hafen des Chemieparks Marl, dem Kohlehafen der Zeche Auguste Victoria und dem Hafen Brassert zur umschlagsstärksten Kommune entwickelt. Es folgen mit 3,7 Mio. t Gelsenkirchen mit bedeutendem Mineralölumschlag, Essen mit 2,4 Mio. t und Dortmund mit 2,3 Mio. t. Insgesamt ist der RHK der umschlagstärkste Kanal. Er verzeichnete 2004 ein Umschlagswachstum von 18,4 % auf 9,1 Mio. t. Mit den vielen Häfen an den Kanälen sind in erheblichem Maße Arbeitsplätze verbunden. Die Kanäle sind mit ihren Häfen unverzichtbare Standortfaktoren. So ist beispielsweise der Chemiepark Marl mit Arbeitplätzen ohne seinen Hafen nicht denkbar. Die Mengen, die hier verarbeitet werden, könnten nicht mit Bahn oder LKW transportiert werden.
3 Bild 3: Hafenumschlag in den Kanalhäfen des Ruhrgebietes 2004 Die wasserwirtschaftliche Bedeutung Die Wasserbewirtschaftung der Westdeutschen Kanäle wird von der Fernsteuerzentrale Wasserbewirtschaftung in Datteln mit modernster Fernwirk- und Leittechnik gesteuert. Sie sorgt dafür, dass in jeder der 13 Kanalhaltungen der Planfestgestellte Wasserstand gehalten wird. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Schifffahrt zu jeder Zeit mit voller Abladung und garantierter Brückendurchfahrtshöhe das Kanalnetz befahren kann. Das Kanalsystem hat aufgrund des hohen Schleusungswasserverbrauchs einen beachtlichen Wasserbedarf von im Durchschnitt 18 m3/sec. Über die Einspeisungsanlage in Hamm wird dem Kanalsystem Wasser zugeführt. An ca. 110 Tagen im Jahr kann so eine Vollversorgung des Kanalsystems mit bis zu 25 m3/sec erfolgen. In der übrigen Zeit (Entnahme weniger als 18 m3/sec) erfolgt eine Teilversorgung aus der Lippe mit Rückpumpbetrieb an den einzelnen Schleusen. In trockenen Zeiten, wenn die Lippe weniger als 10 m3/sec Wasser führt, ist die WSV verpflichtet zur Erhaltung des Ökosystems Wasser aus der Ruhr über die Pumpwerkskette des RHK in die Lippe einzuspeisen. Die Größe der bewegten Wassermenge schwankt im langjährigen Mittel um 550 Mio. m3/anno. Sie bedingt Pumpkosten zwischen 2,5-4,5 Mio. Euro/anno - je nach Ergiebigkeit und Verteilung der jährlichen Niederschläge und der Intensität des Schiffsverkehrs. Bild 4: Moderne Fernwirk- und Leittechnik in der Femsteuerzentrale Datteln. Bild 5: Kanalsystem mit Pumpwerksketten und Nutzem, Quelle: Wasserverband Westdeutsche Kanäle (WWK)
4 Neben der Aufgabe als Verkehrträger dienen die Kanäle auch dem Fernwassertransport für die Versorgung der Entnehmer aus Industrie, Landwirtschaft und einer Vielzahl von Kleinverbrauchern. So nutzen z. B. Kraftwerke Bild 6: Pumpwerk mit 5 Pumpen von je 5 m3/sec am RHK mit einer Leistung von 5000 MW Kanalwasser zur Kühlung und Wasserwerke versickern Kanalwasser ins Grundwasser, um Trinkwasser zu gewinnen. Die Nutzer sind im Wasserverband Westdeutsche Kanäle (WWK) zusammen geschlossen, der über eigene Pumpen in den WSV-Pumpwerken verfügt und die Wasserkosten abrechnet. Die Bedeutung der Kanäle für die Menschen des Ruhrgebietes Im Ruhrgebiet leben 5,3 Mio. Einwohner. Es ist nach Paris und London der drittgrößte Ballungsraum in Europa. Der RHK führt wie an einer Perlenkette durch die großen Ruhrgebietsstädte Duisburg, Oberhausen, Bottrop, Gelsenkirchen, Essen, Herne, Recklinghausen und Castrop-Rauxel. Nimmt man Dortmund am DEK dazu, so leben allein an dieser 60 km langen Kanalachse 2,5 Mio. Menschen. So ist es kein Wunder, dass die Kanäle im Ruhrgebiet für die hier lebenden Menschen besondere Bedeutung in der Freizeitnutzung haben, stellen sie doch einen durchgehenden Wasserweg mit einem sich an den Ufern entlang ziehenden Grünzug zur Verfügung. So werden die Betriebswege zum Radeln, Wandern und Joggen intensiv genutzt. Die Kanäle selbst bieten Kanu- und Rudervereine bis hin zum Olympiakader begehrte Trainingsstrecken. Mit Zechenschließungen und Rückzug der Montanindustrie sind insbesondere am RHK viele Industriebrachen entstanden. Mehr und mehr wird der Kanal nun als die gute Stube des Reviers erkannt. Das Umfeld am Kanal wird zunehmend von architektonisch anspruchsvollen Brücken bis hin zu Erlebnisräumen wie dem Amphitheater am Nordsternpark (ehemalige Zeche) gestaltet. Eine Reihe von Wohnen am Wasser- Projekten" an still gelegten Häfen und Industriebrachen ist in Planung. Vielerorts entstehen Marinas oder sind in der Planung. Schließlich wird derzeit das gesamte Gebiet von Duisburg bis Dortmund entlang der Emscher, des RHK und des DEK mit dem Masterplan Emscherlandschaftspark 2010 überplant. Dabei bilden Emscher und Kanäle die Hauptgrünachse von der andere Grünzonen abzweigen und an der Landschaftsparks gestaltet werden sollen. Bild 7: Amphitheater Nordsternpark am Rhein-Herne- Kanal, Quelle: Regionalverband Ruhr, Essen
5 In all diesen Prozessen steht die WSV in vielfältigen Beziehungen und es gilt die Interessen leistungsfähiger und funktionstüchtiger Wasserstraßen zu vertreten. Bei der Vielzahl von zu unterhaltenden WSV-Anlagen (Kanalbett, Schleusen, Brücken, Düker, Sperrtore etc.) im hochverdichtetem Ruhrgebiet mit seiner geballten Infrastruktur und den vielen Anlagen Dritter ergibt sich so ein vielfältiges Beziehungsgeflecht und ein ständiger Prozess gegenseitigen Gebens und Nehmens in der Umsetzung neuer Projekte. Bild 10: Typisch Ruhrgebiet: Geballte Infrastruktur A42, Emscher, RHK, Bahn mit Grünzone entlang des Kanals, Quelle: Regionalverband Ruhr, Essen Bild 8: Neue Fußgängerbrücke Ripshorst am Rhein-Herne-Kanal, Quelle: Regionalverband Ruhr, Essen Bild 9: Emscherlandschaftspark2010, Quelle: RVR Eng verbunden ist hiermit der begonnene Emscherumbau, mit Bau des Emscherabwasserkanals und anschließender Renaturierung der Emscher. Alles in allem wird seitens des Landes und der Kommunen das Ziel verfolgt, das Kanalumfeld zum attraktiven Standortfaktor für die Menschen im Ruhrgebiet zu gestalten.
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