BAEDEKER WISSEN. WIKINGER Verwegene Gesellen VULKANE Feuer gegen Eis POLARLICHT Farbenspiel am Nachthimmel ISLANDPFERDE Robust und eigenwillig SLAND

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1 BAEDEKER WISSEN WIKINGER Verwegene Gesellen VULKANE Feuer gegen Eis POLARLICHT Farbenspiel am Nachthimmel ISLANDPFERDE Robust und eigenwillig SLAND

2 Baedeker Wissen Baedeker Wissen Baedeker Wissen... beleuchtet wichtige Hintergründe, erläutert spannende Daten und Fakten und bietet viele überraschende Erkenntnisse. Etwa die, dass in Island mehr als ein Zehntel des Landes von Eis bedeckt ist oder dass die Islandpferde eine besondere Gangart beherrschen e r t e Von Urgewalten geformt Feuer spuckende Vulkane, ewiges Eis: Willkommen in Island, willkommen in einem Land, in dem die Urgewalten der Natur Landschaften von atemberaubender Schönheit schufen. Seite 16 r Verwegene Gesellen Die Wikinger waren nicht nur gefürchtete Seeräuber, sondern auch ausgezeichete Schiffsbauer und kluge Händler. In Island gründeten sie im Jahr 930 eines der ältesten Parlamente der Welt, das Althing. Seite 32 t Auf Wikingerpferden über Lava und Eis»Gæðingur«, Traumpferd, nennen isländische Reiter ihre besten Reittiere. Wenn man die Tiere sattelt, bemerkt man die Energie in den lebhaften Augen, ihren Eifer. Aber erst beim Ritt durch die Wildnis fühlt man ihre Trittsicherheit, ihre weichen Gänge und ihre Nervenstärke. Seite 100 i o a i Kamera gegen Harpune Ökonomisch sinnvoll ist die Waljagd schon lange nicht mehr, dennoch befürworten sie noch immer fast zwei Drittel aller Isländer. Seite 176 o Klingende Töne aus dem Norden Mit Björk fing alles an ihr Erfolg bereitete vielen isländischen Musikerinnen und Musikern die Bühne. Seite 248 p Wohlige Wärme aus der Erde Über Reykjavík thront ein futuristisches Architekturkunstwerk namens»perlan«. Die Heiß wassertanks speichern das hochtemperierte Wasser aus dem Erd wärmekraftwerk Nesjavellir. Seite 254 a Die Versammlung freier Männer Der zum UNESCO-Welterbe zählende Nationalpark Þingvellir war Schauplatz vieler wichtiger Entscheidungen in der Geschichte Islands. Seite 304 p 2 u Magnetosphäre 3 u Polarlicht Eine»Aurora borealis«ist auf Island keine Seltenheit. Solche leuchtenden Gemälde am Himmel treten immer dann auf, wenn erhöhte Sonnenaktivität zu verzeichnen ist. Seite 118 Erde Magnetfeld (Van- Allen-Gürtel)

3 ISLAND Verlag Karl Baedeker

4 2 INHALT Top-Reiseziele Top-Reiseziele Die Liste der Sehenswürdigkeiten ist lang, doch wo liegen die Highlights in Island? Muss man Reykjavík besucht haben? Lohnt die Reise ins Landesinnere? Hat man mit der Umrundung Islands auf der Ringstraße alles Wichtige gesehen? Um Ihnen die Entscheidung zu erleichtern, haben wir hier für Sie zusammen gestellt, was Sie auf keinen Fall versäumen dürfen. u e t M M Þingvellir Hier tagte eines der ältesten Parlamente der Welt. Þingvellir zählt seit dem Jahr 2004 zum Weltkulturerbe der UNESCO. Seite 303 u M M Haukadalur Islands bekanntestes Geothermalgebiet. Der Geysir Strokkur stößt seine Fontänen im Minutentakt aus. Seite 158 e M M Reykjavík Die besten Museen des Landes befinden sich in der Hauptstadt Islands. Das Nachtleben Reykjavíks ist legendär. Seite 221 r M M Blaue Lagune Wellness pur auf der Halbinsel Reykjanes. Ein Bad im vulkanischen Umfeld gehört zu jeder Islandreise. Seite 216 i M M Gullfoss Der»Goldene Fall«gehört zu den beeindruckendsten Wasserfällen Islands. Seite 157 o M M Hekla Eine Landschaft im Wandel. Der aktive Vulkan Hekla sorgt mit regelmäßigen Ausbrüchen für Abwechslung. Seite 166

5 Top-Reiseziele INHALT 3 g : M M Jökulsárgljúfur Der»Grand Canyon«Islands Seite 181 ; M M Húsavík Die Wahrscheinlichkeit, Wale zu sichten, ist hier größer als anderswo an Islands Küsten. Seite 175 p M M Þórsmörk Wanderparadies bei den Gletschern Eyjafjalla- und Mýrdalsjökull Seite 319 a M M Landmannalaugar Heiße Quellen und traumhafte Wanderwege Seite 192 s M M Vatnajökull Skaftafell Ein Teil des größten Gletschers Europas ist als Nationalpark ausgewiesen. Seite 276 d M M Kverkfjöll Geothermalgebiet inmitten des ewigen Eises Seite 134 < M M Mývatn Die Mischung macht's: ein See, eine imposante Vogelwelt, Pseudokrater und geothermische Aktivität. Seite 199 = M M Westfjorde Wer Einsamkeit in faszinierender Landschaft sucht, ist hier richtig. Seite 295 > M M Látrabjarg Der größte Vogelfelsen im Nordatlantik Seite 297? M M Snæfellsnes Snæfellsjökull Der vergletscherte Vulkankegel des Snæfellsjökull auf der Halbinsel Snæ fellsnes gilt als der schönste Berg Islands. Seite 267? f M M Askja Ein Bad im milchweißen Wasser des Vitikraters bleibt unvergessen. Seite 134 g M M Dettifoss Der größte Wasserfall im Nordosten Islands Seite 183

6 4 INHALT Lust auf... Lust auf... Island ganz nach Ihrer persönlichen Interessenlage? Dann helfen Ihnen vielleicht diese Anregungen, bei denen Ihnen wahlweise heiß oder kalt werden sollte. Feuer Reykjavík Im Red Rock Cinema in Reykjavík werden Filme über die spektakulärsten Vulkanausbrüche Islands gezeigt. Seite 243 Heimaey Die Insel ist seit einem Vulkanausbruch im Jahr 1973 als»pompeji des Nordens«bekannt. Seite 283 Þorvaldseyri Im Besucherzentrum auf dem Hof Þorvaldseyri am Fuß des Vulkans Eyjafjallajökull kann man sich dessen spektakulären Ausbruch im Frühling 2010 vor Augen führen. Seite 321 Wasser Gullfoss Wasser von oben: die beiden Kaskaden von Islands berühmtestem Wasserfall Seite 157 Geysir und Strokkur Wasser von unten: die heißen Springbrunnen Geysir und Strokkur mit ihren Fontänen Seite 158 Blaue Lagune Mittendrin: die berühmte»blaue Lagune«südwestlich Reykjavíks Seite 216

7 Lust auf... INHALT 5 Wale Húsavík Erste Adresse in Sachen Wal beobachtung ist der malerische kleine Hafen Húsavík. Seite 175 EIS Vatnajökull Der Vatnajökull ist der Gigant unter den Gletschern Europas. Sein Eispanzer ist bis zu 1000 m dick. Seite 276 Wikinger Landnahmezentrum, Vikingaheimar Jeweils ein Muss: das»landnahmezentrum«in Borgarnes sowie das Museum»Vikingaheimar«Seiten 144, 213 Eiríksstaðir Im nachgebauten Wikingerlanghaus des Freilichtmuseums bekommt man einen guten Eindruck davon, wie die Wikinger früher lebten. Seite 273 Musik Akureyri Das ganze Jahr über gibt es hochkarätige Rock-, Pop- und Jazzfestivals. Berühmt ist auch das Kulturfestival in Akureyri. Seiten 126 Reykjavík Sinfonien, Opern und noch viel mehr bekommt man im neuen Konzerthaus Harpa geboten. Seiten 226

8 6 INHALT Inhaltsangabe Hintergrund 12 Fakten 13 Natur und Umwelt 16 Special: Von Urgewalten geformt 23 Bevölkerung Politik Wirtschaft 24 Infografik: Island auf einen Blick 28 Willkommen im Alltag 30 Geschichte 31 Eine Insel wird entdeckt 32 Infografik: Die Wikinger 46 Kunst und Kultur 47 Das kulturelle Erbe Islands 52 Berühmte Persönlichkeiten Erleben und Geniessen 60 Essen und Trinken 61 Guten Appetit! 65 Special: Das (Ver-)Speisen der Lämmer 66 Typische Gerichte 68 Feiertage, Feste, Events 69 Feste feiern 74 Mit Kindern in Island 75 Ferienspaß für die ganze Familie Perlan in Reykjavík: Schöner können Heißwassertanks nicht sein.

9 Inhaltsangabe INHALT 7 Lauschiges Plätzchen unter dem freien Himmel Islands: am Jökulsárlón 78 Shopping 79 Individuell und kreativ 81 Special: Islandpullover anders gestrickt 84 Übernachten 85 Flexibilität ist Trumpf 88 Besondere Hotelempfehlungen 90 Special: Ferien auf dem Bauernhof 92 Urlaub aktiv 93 Fit by Nature 97 Die wichtigsten Adressen 100 Special: Auf Wikingerpferden über Lava und Eis 102 Infografik: Islandpferde Reiten am Rand der Arktis Touren 106 Tourenübersicht 107 Unterwegs in Island 110 Tour 1: Eine runde Sache 114 Tour 2: In den Wilden Westen 116 Tour 3: Zu Gletschern und Geysiren 118 Infografik: Polarlicht Aurora Borealis 120 Tour 4: Island für Spezialisten

10 8 INHALT Inhaltsangabe Stimmungsvoll: auf dem Golden Circle zwischen Þingvellir und Laugarvatn Reiseziele von A bis Z 124 Akranes 126 Akureyri 134 Askja Kverkfjöll 139 Bakkagerði Borgarfjörður 141 Blönduós 143 Borgarnes 147 Djúpivogur 150 Egilsstaðir 153 Golden Circle 160 3D: Geysire 162 Hafnarfjörður 166 Hekla 168 Infografik: Vulkanismus Feuer gegen Eis 173 Höfn 175 Húsavík 176 Infografik: Wale Kamera statt Harpune 179 Hvammstangi 181 Jökulsárgljúfur 184 Kaldidalur 185 Kirkjubæjarklaustur 188 Kjölur Kjalvegur 192 Landmannalaugar 197 Melrakkaslétta 199 Mývatn

11 Inhaltsangabe INHALT Infografik: Energie Gelobtes Land der erneuerbaren Energien 206 Ostfjorde 210 Reykjanes 220 Reykjavík 226 Special: Konzerthaus Harpa 248 Special: Islands Musikszene Klingende Töne aus dem Norden 254 3D: Perlan Wohlige Wärme aus der Erde 256 Sauðárkrókur 262 Seyðisfjörður 264 Siglufjörður 267 Snæfellsnes Snæfellsjökull 274 Sprengisandur 276 Vatnajökull Skaftafell 283 Vestmannaeyjar 287 Special: Schwertwal Keiko Kein Happy End für den Filmstar 288 Vík í Mýrdal 292 Vopnafjörður Preiskategorien Restaurants (Preis für ein Hauptgericht ohne Getränk) AAAA = ab 4500 isk AAA = bis 4500 isk AA = bis 3000 isk A = bis 2000 ISK Hotels (Preis für ein DZ) AAAA = über isk AAA = bis isk AA = bis isk A = bis ISK Hinweis Gebührenpflichtige Servicenummern sind mit einem Stern gekennzeichnet: * Westfjorde 303 Þingvellir 304 Das Althing Die Versammlung freier Männer 311 Þjórsárdalur 316 3D: Museumsgehöft Þjóðveldisbær 311 Þjórsárdalur 318 Þórshöfn Langanes 319 Þórsmörk Praktische Informationen 324 Anreise Reiseplanung 326 Auskunft 328 Mit Behinderung in Island 328 Elektrizität 328 Geld 328 Gesundheit 329 Hochlandfahrten 331 Etikette 332 Medien 333 Mitternachtssonne 333 Nationalparks 334 Notrufe 334 Post Telekommunikation 335 Preise 335 Reiseveranstalter 336 Reisezeit 338 Sicherheit 338 Sprache 342 Toiletten 343 Verkehr 346 Zeit 347 Register 357 atmosfair 358 Verzeichnis der Karten und Grafiken 359 Bildnachweis 360 Impressum 364 Kurioses Island

12

13 Hintergrund Wissenswertes über die größte Vulkaninsel der Erde, über Land und Leute, Wirtschaft und Politik, Gesellschaft und Alltagsleben

14 Fakten

15 Natur und Umwelt HINTERGRUND 13 Natur und Umwelt Was sind Pseudokrater, was Solfataren oder Fumarolen? Wie funktioniert ein Geysir? Schrumpfen auch die isländischen Gletscher? Was macht das Islandpferd so besonders? Hat Island eine Armee? Wer besiedelte die Insel im Nordatlantik? Island ist erdgeschichtlich eine sehr junge Insel, die erst vor 20 Mio. Jahren aus dem Meer auftauchte. Ihre Existenz verdankt sie einem Hot Spot, an dem ständig Magma aus dem Erdinneren aufsteigt und dessen Zentrum unter dem Vatnajökull, dem größten Gletscher Europas, vermutet wird. Als ein Teil des Mittelatlantischen Rückens ist Island einer der wenigen Abschnitte, die aus dem Meer ragen. Der Rücken verläuft von Südwesten nach Nordosten über die Insel, ein rund 50 km breiter, geologisch höchst aktiver Streifen mit zahlreichen Vulkanen, heißen Quellen und Hochtemperaturgebieten. Nach der Theorie der Plattentektonik besteht die Erdoberfläche aus mehreren Platten, die auf dem darunter liegenden, flüssigen Magma schwimmen. An den Plattengrenzen ist die Erdkruste besonders dünn und bei Island driften zwei tektonische Platten auseinander. Abhängig von der Bewegungsrichtung der Platten, kommt es entlang der Grenzlinien zur Auffaltung von Gebirgen, zu Erdbeben und Vulkanausbrüchen oder zu einer Neubildung der Erdkruste. Entlang des Mittelatlantischen Rückens weichen die nordamerikanische und die eurasische Kontinentalplatte pro Jahr ungefähr zwei Zentimeter auseinander, wobei aufsteigendes Magma diese Lücke ständig wieder ausfüllt. Dass Island eine gespaltene Insel ist, kann man sehr gut entlang der Almannagjáschlucht bei Þingvellir sehen, die als kilometerlange Wunde die Landschaft durchzieht. Steile, zerklüftete Wände aus dunklem Basalt und enge Schluchten und Gräben prägen diese dramatische Landschaft. Nirgendwo sonst ist Geologie anschaulicher als hier an der Nahtstelle zweier Kontinentalplatten, wo man mit einem Bein in Europa und mit dem anderen in Amerika steht. Zur Geologie der Insel Gespaltene Insel Vulkane wie aus dem Lehrbuch Auf Island sind die Spuren des Vulkanismus allgegenwärtig. Durch 30 noch aktive Vulkane verändert sich sowohl die Oberfläche als auch die geologische Situation ständig. Wie aktiv die isländischen Fjaðrárgljúfur: Zwei Millionen Jahre alt ist diese imposante Schlucht, die der Fluss Fjarðra bei Kirkjubæjarklaustur schuf.

16 14 HINTERGRUND Natur und Umwelt Vulkane in den letzten 500 Jahren waren, lässt sich daraus ersehen, dass rund ein Drittel der von Vulkanen weltweit produzierten Lava auf Island ausgetreten ist. So ist es nicht verwunderlich, dass die Insel fast ausschließlich aus Basaltgestein, Tuff und Lava besteht. Vulkantypen Auf Island sind so gut wie alle Vulkantypen vertreten. Welche Form ein Vulkan hat, hängt von vielen Faktoren, wie der Menge und Temperatur der Lava oder der Zahl seiner Ausbrüche, ab. Grundsätzlich unterscheiden Wissenschaftler zwischen Spaltenvulkanen und Zentralvulkanen. Bei Spaltenvulkanen tritt die Lava entlang einer manchmal kilometerlangen Spalte aus, wobei auch durchaus kleinere Krater entstehen können, die unter Umständen zusammenwachsen. Beim Ausbruch auf den Westmännerinseln 1973 öffnete sich solch eine Spalte; die Feuerschlucht Eldgjá und die Laki-Spalte werden ebenfalls diesem Typ zugerechnet. Neben Spaltenvulkanen sind in Island auch Zentralvulkane, die in verschiedene Untergruppen eingeteilt werden, in großer Zahl zu finden. Am häufigsten kommen Stratovulkane vor, die an den hohen, perfekt geformten, relativ steilen Kegeln zu erkennen sind. Diese Vulkankegel sind in der Regel im Laufe mehrerer Ausbrüche entstanden. In Island geben sich Vulkane allerdings nicht immer auf den ersten Blick als solche zu erkennen, denn einige liegen unter Gletschern verborgen. Beispiele für Stratovulkane sind Snæfellsjökull, Eyjafjallajökull, Öræfajökull und der höchste Berg Islands, der Hvannadalshnúkur. Schildvulkane und Tafelberge Bei Schildvulkanen sind die Hänge sehr flach geneigt, manchmal sind sie deshalb in der Landschaft nur schwer als Vulkane zu erkennen. Entstanden sind sie durch Ausbrüche, bei denen dünnflüssige Lava und nur wenig Asche gefördert wurde. In Island ist dieser sonst eher seltene Typ recht häufig, nach der letzten Eiszeit sind rund 20 Schildvulkane entstanden. Der Skjaldbreiður bei Þingvellir ist ein typischer Schildvulkan, der diesem Vulkantyp den Namen gegeben hat. Ebenfalls vulkanischen Ursprungs sind Schlackenkegel, Aschekegel, Maare und Tafelberge. Letztere sind während der Eiszeit entstanden, als die Vulkane unter dem Eispanzer ausbrachen. Beispiele für solche Tafelvulkane sind Bláfjall, Búrfell, Þórisjökull und einer der schönsten Berge Islands, der Herðubreið. Pseudokrater Eindrucksvolle Beispiele sogenannter Pseudokrater sind am Mývatn und auf einem Lavastrom nördlich des Mýrdalsjökull zu finden. Pseudokrater sind keine echten Vulkane, denn sie haben keinen Schlot, durch den Lava austreten könnte. Sie entstanden durch Lavaströme, die über feuchten Untergrund oder flache Seen flossen. Durch die Hitze verdampfte das Wasser explosionsartig und sprengte dabei die darüber liegende Lava weg, was einen Krater hinterließ, der leicht mit einem Vulkan zu verwechseln ist.

17 Natur und Umwelt HINTERGRUND 15 Postvulkanische Phänomene An vielen Stellen Islands steigen Dampfsäulen auf, brodeln und blubbern heiße Schlammtöpfe vor sich hin oder bahnen sich warme Quellen und Flüsse ihren Weg an die Oberfläche. All dies sind Anzeichen postvulkanischer Aktivitäten, die auftreten, wenn sich geschmolzenes Magma im Erdinneren abkühlt und Gase und Dämpfe freisetzt. Diese dringen durch Spalten und Risse bis an die Erdoberfläche und führen dort zu spektakulären Landschaften. Spektakuläre Landschaften Solfataren gehören zu den schönsten und farbenprächtigsten Erscheinungen im Zusammenhang mit dem Postvulkanismus. Besonders eindrucksvolle Beispiele sind in Hochtemperaturgebieten wie dem Námafjall in der Nähe des Mývatn zu sehen. Solfataren entstehen, wenn in der Erde Grundwasser so weit erhitzt wird, dass es verdampft. Der Wasserdampf vermischt sich mit Gasen des Magmas und gelangt durch Spalten an die Oberfläche. Beim Austritt des C heißen Dampfgemisches lagert sich um die Austrittsöffnung Schwefel ab, der in allen Gelb- und Orangetönen leuchtet. Fumarolen sind ebenfalls Spalten, durch die Gase an die Oberfläche gelangen. Im Unterschied zu den Solfataren liegen sie in erster Linie direkt in oder an einem Vulkankrater. Die austretenden Gase, hauptsächlich Wasserdampf, sind sehr heiß und mit Säuren angereichert. Beim Austritt kühlt sich das Gas ab, dabei kristallisieren Eisen- oder Schwefelverbindungen in der Nähe der Austrittsöffnung aus, wodurch die umgebende Lava gelb, orange oder rot gefärbt wird. Solfataren Fumarolen Bei der Verteilung der heißen Quellen fällt auf, dass sie meist dort auftreten, wo schon lange keine vulkanische Aktivität mehr herrscht. Besonders häufig kommen sie in Ebenen, Tälern und Fjorden vor. Auch wenn die Vulkane in diesen Gebieten schon lange erloschen sind, gibt es doch noch genügend Restwärme, um das durch Spalten eindringende Grundwasser zu erwärmen. In bis zu 2000 m Tiefe erhitzt sich das Wasser durch den Kontakt mit dem heißen Gestein und gelangt in einem Kreislauf, der mehrere tausend Jahre dauern kann, irgendwann wieder an die Oberfläche. Heiße Quellen sind mineralienreich, sie enthalten Kochsalz, Natriumsulfat, Kalzium, Eisen, Fluor und Bor, aber auch gelöste Gase wie Sauerstoff und Stickstoff. Einige der rund 600 Thermalquellen, wie die Blaue Lagune oder die in Landmannalaugar, sind bekannte Touristenattraktionen, andere werden zum Heizen von Wohnungen, Schwimmbädern und Gewächshäusern genutzt. Wer an einem kalten, verregneten Tag irgendwo mitten in der Landschaft schon mal in einem heißen Pool gebadet hat, freut sich über diese angenehme Nebenerscheinung der postvulkanischen Aktivität. Heiße Quellen

18 Vulkanismus WISSEN Von Urgewalten geformt Feuer spuckende Vulkane, ewiges Eis. Raue Winde fegen durch raue Landschaften, dunkle Wolken bringen Regen. Wo Natur noch Natur ist, mitunter bedrohlich, pur, kein verhüllendes Vegetationsmäntelchen aus bunten Blumen und saftigem Gras. Willkommen in Island, willkommen in einem Land, in dem die Urgewalten der Natur Landschaften von atemberaubender Schönheit geschaffen haben. Gipfelglühen: Der Vulkan Hekla zeigt sein wahres Gesicht. Wer auf dem Flughafen Keflavík ankommt und sich auf den Weg nach Reykjavík macht, wird gleich mit Islands vulkanischer Vergangenheit konfrontiert, denn bis zu den Vororten der Hauptstadt führt die Straße durch ein vegetationsloses Lavafeld. Bei trübem Wetter wirkt es trostlos und lebensfeindlich, aber schon einige wenige Sonnenstrahlen verwandeln es in eine faszinierende Märchenlandschaft. Doch dies ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf die vielfältigen Formen des Vulkanismus, die allerorts auf den Besucher warten. Wer mit dem Schiff in Seyðisfjörður an der Ostküste der Insel ankommt, dem zeigt Island sein zweites, vom Eis geprägtes, aber nicht minder beeindruckendes Gesicht. Die bunten Häuser von Seyðisfjörður liegen an einem tief eingeschnittenen Fjord, eingerahmt von steilen Hängen mit vielfach gestuften Schichten aus Basalt und Schlacke. Den vulkanischen Ursprung kann Island auch hier nicht verleugnen, doch die Zeiten, als Feuer und Lava diese Landschaft formten, liegen in Ost island schon etwas länger zurück. Hier waren die Gletscher der letzten Eis

19 17 zeit die Landschaftsgestalter, haben tiefe Kerben in die Küstenlinie geschlagen und Fjorde wie aus dem Bilderbuch geschaffen. Atemberaubend und Egal, ob man in Keflavík oder Seyðisfjörður ankommt, genügend Zeit sollte man in jedem Fall mitbringen, denn Island lässt sich nicht»auf die Schnelle abhaken«. Schon die Straßen sorgen für ein gemächliches Reisetempo, denn Schotterpisten und zum Wollknäuel aufgefaltete schmale Asphaltbänder, die sich um Dutzende von Fjorden winden, zwingen den Reisenden zur Gemächlichkeit. Das ist auch gut so, denn das Panorama, das draußen vorbeizieht, ist sehenswert, oft sogar atemberaubend. Kaum ein Land der Erde ist so abwechslungsreich wie Island, das geologisch noch in den Kinderschuhen steckt und sich deshalb permanent verändert manchmal sogar höchst dramatisch durch Vulkanausbrüche oder Gletscherläufe. In den zahlreichen Hochtemperatur gebieten brodelt, dampft und zischt es unaufhörlich oder schießen Geysire ihre Wasserfontänen in den Himmel. Blubbernde Schlammtöpfe und Wasserlöcher, gelbe und ockerfarbene Dampfquellen und Sinterablagerungen bilden unwirkliche Mondlandschaften. Farbenprächtige Liparitberge, düstere Aschekegel, bizarre Vulkane, Pseudokrater und immer wieder Lavafelder mal schwarz, kahl und bedrohlich, dann wieder von dicken, grünen Moosteppichen überzogen prägen weite Teile der Insel. Neben den Vulkanen sind die Gletscher die größten Anziehungspunkte, denn allein der gewaltigste von ihnen, der Vatnajökull, ist größer als alle Gletscher des europäischen Festlandes zusammen. Eisige Zungen schieben sich von seinem riesigen Plateau zu Tal, bilden gewaltige Abbrüche, Höhlen und Lagunen, auf denen oftmals bizarr erodierte Eisberge schwimmen. unerwartet lieblich Aber Island hat auch ein überraschend liebliches Gesicht, das man der Insel im hohen Norden kaum zutrauen würde. Der schmale Küstenstreifen und einige Täler überraschen mit sattgrünen Wiesen, auf denen ungezählte Schafe grasen. Und auch der Mývatn, eigentlich ein geologisch unruhiges, von Vulkanen geprägtes Gebiet, wirkt mit seinen Inseln, Buchten und Landzungen wie eine grüne Oase. Auch wenn die Sonne selbst in Nordisland im Sommer noch für einige Minuten unter dem Horizont verschwindet die»echte«mitternachtssonne scheint nur auf der kleinen Insel Grímsey, wird es doch für einige Wochen nie richtig dunkel. Für die Einheimischen ist diese»lichtdusche«der lang ersehnte Ausgleich für die langen, dunklen Wintermonate. Und auch für Besucher aus dem Süden wirken die hellen nordischen Sommernächte fast wie eine Droge. Tag und Nacht verschmelzen in dieser Zeit zu einer Einheit, und wer schon mal die Stille der Nacht im Licht der Mitternachtssonne und die oft fantastischen Lichtstimmungen genossen hat, der möchte nie wieder darauf verzichten.

20 18 HINTERGRUND Natur und Umwelt Der größte Gletscher Europas Keine Relikte der letzten Eiszeit Unter dem Eis schlummert das Feuer Für Glaziologen ist Island ein Paradies, denn immerhin sind rund 11 % des Landes von Gletschern bedeckt. Mit dem Vatnajökull besitzt Island den größten Gletscher Europas, unter dessen bis zu 1000 m dicker Eisschicht sich eine zerklüftete Hochgebirgslandschaft befindet, die für die Ausbildung der teilweise riesigen Gletscherspalten auf seiner Oberfläche verantwortlich ist. An seiner Südflanke befindet sich der größte Talgletscher, der 18 km lange Breiðamerkurjökull. An solchen Gletscherzungen wird klar, dass Gletscher keine statischen Eisklötze, sondern ständig in Bewegung sind. Wie ein Strom aus riesigen Eisblöcken schieben sich die Gletscherzungen von der Schwerkraft angetrieben in Zeitlupe vom Plateau zu Tal. Einige Zungen kommen nur wenige Zentimeter pro Tag vorwärts, andere können sich auch schon mal ein paar Meter vorwärtsschieben. Durch dieses ständige Abfließen bilden sich auf der Oberfläche unzählige Risse, die scheinbar ungeordnet in alle Richtungen verlaufen. Im Inneren entstehen durch diese Bewegungen enorme Spannungen, und irgendwann reißt das Eis, und es entstehen bis zu 30 m tiefe Spalten. Noch tiefer im Inneren des Gletschers steht das Eis unter solch gewaltigem Druck, dass es sich elastisch verformt und deshalb nicht mehr wie das sprödere Eis an der Oberfläche zerreißt. Die isländischen Gletscher sind keine Relikte der letzten Eiszeit, sondern haben sich während der Kälteperiode vor rund 2500 Jahren gebildet. Ihre größte Ausdehnung hatten sie zwischen dem 14. und 19. Jahrhundert. In den letzten Jahren hat der Vatnajökull, wie viele andere Gletscher Islands und auch im restlichen Europa, an Masse Eisberge auf dem Jökulsárlón, Islands größtem Gletschersee

21 Natur und Umwelt HINTERGRUND 19 verloren. Unter dem Gletscher befindet sich der aktive Vulkan Grímsvötn, der 2004 letztmals ausgebrochen ist. Ein früherer Ausbruch, jener von 1996, war so heftig, dass zwei bis drei Kubikkilometer Eis schmolzen, die sich als mächtiger Gletscherlauf in die Skeiðarársandurebene ergossen und dabei riesige Eisblöcke mitrissen und Straßen und Brücken zerstörten. Auch beim Ausbruch des Eyjafjallajökull im April 2011 kam es zu kleineren Gletscherläufen. Das Wasser strömte aus der Gletscherzunge des Gígjökull. Dabei wurde der Gletschersee Lónið mit Vulkanasche und Sedimenten aufgefüllt und verschwand. Leben mit der Katastrophe Seit der Besiedlung Islands leben die Menschen mit der Gewissheit, dass sich jederzeit eine Naturkatastrophe ereignen kann. Vulkanausbrüche, Erdbeben und verheerende Gletscherläufe haben in der Vergangenheit immer wieder zu Zerstörungen geführt, große wirtschaftliche Schäden verursacht und auch Menschenleben gekostet. Die Geschichte Islands liest sich wie eine Aneinanderreihung von Katastrophen: Im Jahre 934 öffnet sich die Feuerschlucht Eldgjá und stößt große Mengen Lava aus bricht die Hekla aus, bis heute meldete sich der Vulkan noch weitere 168 Mal führt der Ausbruch der Laki-Spalte zur größten Katastrophe seit der Besiedlung der Insel. In der Zeit nach dem Ausbruch sterben rund Isländer ereignet sich ein intensiver Ausbruch der Hekla führen unterseeische Eruptionen vor der Südküste zum Auftauchen der neuen Insel Surtsey. Im Jahr 1973 schießen auf der Insel Heimaey aus einer sich plötzlich öffnenden, 1,6 km langen Spalte Lavafontänen. Dieser Ausbruch auf den Westmännerinseln richtet große Schäden an und führt zur zeitweisen Evakuierung der Bevölkerung. Im Jahre 1996 schmelzen nach einem Vulkanausbruch unter dem Vatnajökull Teile des Gletschers, was zu einem gewaltigen Gletscherlauf führt, der Teile der Ringstraße zerstört. Am 20. März 2010 bricht der Eyjafjallajökull (»Inselbergegletscher«) aus und sorgt in den kommenden Wochen weltweit für Schlagzeilen. In Island halten sich die Schäden zwar in Grenzen, nur eine Autobrücke wird zerstört, doch das Zusammentreffen der heißen Lava mit dem Eis des gleichnamigen Gletschers erzeugt gigantische Aschewolken, die im April in Europa den Flugverkehr lahmlegen. Vulkanologen befürchten seitdem einen Ausbruch des benachbarten Vulkans Katla, der in der Vergangenheit schon mehrfach wenige Jahre nach dem Eyjafjallajökull ausbrach. Überfällig ist auch die 50 Kilometer entfernte Hekla, die seit 1970 pünktlich alle zehn Jahre ausgebrochen ist, zuletzt im Jahr Und im Grimsvötn unterhalb der Eiskappe des Vatnajökull brodelt es nach Meinung von Experten ebenfalls bedenklich. Unter der Eiskappe brodelt es

22 20 HINTERGRUND Natur und Umwelt Nur wenige Farbtupfer Raubbau an der Natur Dezimierte Pflanzenvielfalt Flora Islands Die Vegetation Islands ist verglichen mit der in Mitteleuropa ausgesprochen spärlich. Die durch Wiederaufforstung entstandenen Waldflächen sind noch überschaubar. Die Vegetation besteht in erster Linie aus Moosen, die viele Lavaflächen überziehen, und Wiesen, die in erster Linie im Flachland und an der Küste zu finden sind. Ansonsten behaupten sich noch Zwergsträucher, Krüppelbirken, Erika und Preiselbeeren. An warmen Quellen und Bächen haben es die Pflanzen leichter, hier ist die Vegetation oft sattgrün. Für Farbtupfer in der Landschaft sorgen Kräuter wie der arktische Thymian, Wollgras, Storchschnabel, Engelwurz, Schafgarbe, Löwenzahn, Sumpfdotterblume, Sumpfveilchen und stängelloses Leimkraut. Vor den großen Eiszeiten im Tertiär, als ein erheblich milderes Klima auf der Insel im Nordatlantik herrschte, waren weite Landstriche von dichten Laub- und Mischwäldern bedeckt. Eichen, Buchen, Sumpfzypressen und Ulmen waren ebenso anzutreffen wie der nordamerikanische Mammutbaum. Dies lässt sich anhand fossiler Braunkohlelager und versteinerter Blätter belegen. Doch selbst nach der letzten Eiszeit und vor der Besiedlung durch den Menschen muss Island noch völlig anders ausgesehen haben. Die alten Schriften berichten, dass die Insel von den Bergen bis zum Meer bewaldet war. Schätzungen gehen davon aus, dass damals rund die Hälfte des Tieflandes mit Wäldern bedeckt war. Doch schon die ersten Siedler machten sich daran, den Wald zu dezimieren. Holz wurde zum Haus- und Schiffbau benötigt, zum Heizen und zur Verhüttung von Sumpferz. Was an jungen Trieben übrig blieb, fraßen die mitge brachten Schafe kahl. Wegen der rauen arktischen Bedingungen konnte sich die empfindliche Vegetation von diesem Raubbau nie wieder erholen, und so ist die heutige Gestalt der Insel auch ein Produkt von 1000 Jahren Siedlungsgeschichte. Die letzte Eiszeit hat nicht nur die Landschaft Islands ganz entscheidend mitgestaltet, auch die heutige Tier- und Pflanzenwelt ist ein Resultat dieser Kälteperiode. Mit dem Eis sind viele Pflanzenarten verschwunden, und wegen der isolierten Lage, des harten Klimas und der vulkanischen Aktivitäten ist nach der Erwärmung und dem Abtauen des Eispanzers nur relativ wenigen Arten die Neubesiedlung gelungen. Heute wachsen zwar rund 5000 verschiedene Pflanzenund Pilzarten auf Island, davon sind aber nur 440 höhere Blütenpflanzen, von denen einige erst mit Hilfe des Menschen nach Island kamen. Bis auf ganz wenige endemische Arten sind alle isländischen Pflanzen auch in Norwegen und auf den Britischen Inseln anzutreffen. Dass die Insel trotzdem häufig grün erscheint, liegt an den mit Moos bewachsenen Lavaflächen, denn Basaltlaven sind nährstoffreich und der ide

23 Natur und Umwelt HINTERGRUND 21 ale Untergrund für dicke Moosteppiche und Flechten. Ohne Vegetation bleiben dagegen die Rhyolith- und Obsidianlaven. Islands Tierwelt Auch die Tierwelt Islands ist nicht sehr artenreich. Vor der Ankunft der ersten Siedler war der Polarfuchs das einzige Säugetier auf der Insel. Sein riesiges Revier musste er sich nur mit denjenigen Tieren teilen, die durch die Luft oder auf dem Wasser mehr oder weniger zufällig auf die entlegene Insel gelangten. Insekten und Vögel gehörten sicher dazu, und hin und wieder trieb mal ein Eisbär auf einer Eisscholle vorbei, doch nie konnte sich einer zum Bleiben durchringen. Die Menschen brachten Schafe und Pferde und als blinde Passagiere höchstwahrscheinlich auch Mäuse und Ratten mit wurden einige Rentiere aus Norwegen eingeführt, die den Speiseplan der Isländer bereichern sollten. Die Tiere vermehrten sich gut. Noch heute leben rund 3000 von ihnen wild im Osten und Nordosten, ein bedeutender Wirtschaftsfaktor wie in Lappland wurden sie aber nie. Einige Nerze konnten sich von den Pelztierfarmen stehlen und dezimieren seither den Vogelbestand. Der Eisbär zu Gast Mit den ersten Siedlern kamen auch die ersten Pferde nach Island. Durch die isolierte Lage der Insel im Nordatlantik haben sich diese Ur- Islandpferde in den letzten 1000 Jahren praktisch nicht verändert. Um diese einzigartige Rasse zu bewahren, wurde schon auf dem Althing ein Gesetz erlassen, das den Import von Tieren verbot. Auch heute noch gilt dieses Importverbot. Selbst ein auf der Insel aufgewachsenes Islandpferd, das im Ausland war, darf nicht mehr zurück. Die Tiere sind bestens an die harten Bedingungen angepasst, sie sind klein, muskulös, ausdauernd, trittsicher und haben ein dichtes, im Winter zotteliges Fell. Über viele Jahrhunderte waren sie das einzige Fortbewegungsmittel auf der unwegsamen Insel, wobei eine Besonderheit, die vierte Gangart, der Tölt, das Reiten sehr bequem macht. Der Reiter wird nicht wie beim Trab aus dem Sattel gehoben, denn beim Tölt gibt es keine Schwebephase, es sind immer abwechselnd ein oder zwei Beine am Boden. Islandpferde, die neben Schritt, Trab und Galopp auch den Tölt beherrschen, werden»viergänger«genannt, diejenigen, die zusätzlich noch den Skeið, einen schnellen Passgang können, sind»fünfgänger«. Islandpferde Im Gegensatz zu den Landsäugetieren ist die Vogelpopulation zahlund artenreich. Anzutreffen sind unter anderem Schneehühner, Falken, Austernfischer, Goldregenpfeifer, Schneeammern, Rotdrosseln, Uferschnepfen, Küstenseeschwalben und besonders am Mývatn viele verschiedene Entenarten. Eines der beeindruckendsten Natur Gedränge auf den Vogelfelsen

24 22 HINTERGRUND Natur und Umwelt schauspiele Islands sind die Vogelfelsen an der Küste, auf denen jedes Jahr einige Millionen Seevögel brüten. Die Felsen sind streng hierarchisch organisiert, jede Art hat ihren festen Platz: In der Nähe des Wassers brüten die Gryllteisten, Krähenscharben und Dreizehenmöwen, darüber nisten die Eissturmvögel, die Trottellummen, die Tordalken und die Basstölpel. Die obersten Stockwerke belegen schließlich die wegen Typisch für die Nordhalbkugel: Papageitaucher der Auswirkungen des Klimawandels bereits in ihrem Bestand gefährdeten Papageitaucher. Von allen gleichermaßen gefürchtet wird die Große Raubmöwe (Skua). Fische, Wale und Robben In den Binnengewässern gibt es keine reinen Süßwasserfische, auch hier ist die Artenvielfalt gering. Die Menge an Lachsen, Forellen, Saiblingen, Aalen und Stichlingen ist in einigen Flüssen aber durchaus beachtlich. In den Küstengewässern finden rund 300 Fischarten gute Lebensbedingungen, von denen Dorsch, Hering und Lodde die größte wirtschaftliche Bedeutung haben. Gefangen werden aber auch Scholle, Heilbutt, Schellfisch, Steinbutt, Seehecht und Rotbarsch. In den Küstengewässern leben zudem Seehunde und andere Robben sowie mehrere Walarten. Auf den Walsafaris, die in erster Linie von der Halbinsel Snæfellsnes und von Húsavík starten, bestehen gute Chancen, Orcas, Schweinswale, Zwergwale, Buckelwale oder Finnwale zu sichten. Mit etwas Glück taucht sogar einer der äußerst seltenen Blauwale vor der Küste auf. Walfang Seit 2003 dürfen in Island Wale zu wissenschaftlichen Zwecken gejagt werden, seit 2006 ist sogar kommerzieller Walfang wieder in bestimmten Grenzen zulässig. Walbeobachtungsunternehmen verzeichneten in der Folgezeit einen Einbruch der Buchungen um 90 %. So könnte das Beharren Islands auf dem Walfang den Waltourismus und damit einen wichtigen Wirtschaftsfaktor ernsthaft gefährden. Die Wal- und Delfinschutz organisation WDCS geht sogar so weit zu behaupten, dass in Island eine Koexistenz von Walfang und Waltourismus nicht möglich ist, denn in der Vergangenheit wurden schon Zwergwale in der Nähe der Touristenboote bejagt. Dabei ist das starrköpfige Festhalten der Isländer an alten Traditionen ökonomisch kontraproduktiv, denn der Walfang von heute hat keine wirtschaftliche Bedeutung mehr und wird sie auch in absehbarer Zukunft nicht mehr erlangen. Die Kontroverse um den isländischen Walfang ist auch immer wieder ein Streitpunkt bei den Beitrittsverhandlungen Islands zur EU.

25 Bevölkerung Politik Wirtschaft HINTERGRUND 23 Bevölkerung Politik Wirtschaft Die Isländer sind die direkten Nachfahren der Wikinger, die von Norwegen aus die Insel im Nordatlantik besiedelt haben. Aber auch ein Schuss Keltenblut aus Großbritannien und Irland fließt in den Adern der heutigen Isländer. Die isländische Gesellschaft gilt als homogen, der Ausländeranteil ist wegen der restriktiven Einwanderungspolitik gering. Manchmal scheint es gar, als wäre jeder mit jedem verwandt. So ist es vielleicht auch nicht verwunderlich, dass sich viele Isländer mit Ausdauer und Begeisterung der Ahnenforschung widmen und jeder seinen Stammbaum viele Generationen zurückverfolgen kann. Die Isländer reden sich mit dem Vornamen an, so wie es schon zur Zeit der Landnahme war. Nur leben heute erheblich mehr Menschen in Island als früher, und so ist es doch etwas mühsam, in dem nach Vornamen sortierten Telefonbuch von Reykjavík nach jemandem zu suchen. Für die Isländer ist der Vorname wichtiger als der Nachname, der nach altgermanischer Tradition gebildet wird, indem an den Vornamen des Vaters bei Söhnen ein»-son«und bei Töchtern ein»-dóttir«angehängt wird. Einar Jónsson wird also Einar gerufen und ist der Sohn von Jón, Guðrún Egilsdóttir steht im Telefonbuch unter Guðrún, sie ist die Tochter von Egil. Restriktive Einwanderungspolitik Vom Armenhaus zum WohlfahrTSSTAAT Lange war Island eines der ärmsten Länder Europas. Erst im 20. Jh. vollzog sich der Wandel vom rückständigen Agrarstaat zur modernen Wohlfahrtsgesellschaft. Obwohl die Landwirtschaft wegen der geringen Nutzfläche und der kurzen Vegetationsperiode nie ertragreich war, lebte vor rund 100 Jahren noch die Hälfte der Bevölkerung auf Einzelhöfen entlang der Küste. Heute sind es weniger als 10 %. Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Islands nach dem Zweiten Weltkrieg wurde durch die sogenannte Aufbauregierung geprägt, die aus einer Koalition von bürgerlich-konservativer Selbstständigkeitspartei, Sozialdemokratischer Partei und Sozialistischer Einheitspartei bestand. Das vorrangige Ziel war, die Wirtschaft anzukurbeln und die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu verbessern. Die größten Investitionen flossen in die Fischerei und Fisch verarbeitende Betriebe. So verfügte das Land bald über eine der größten und modernsten Fischfangflotten der Welt. Die Zahl der Menschen, die in Fischerei und Fischverarbeitung tätig waren, nahm dennoch in der Folgezeit beständig ab, doch zeitweise bestritt Ohne Fisch kein Wohlstand

26 Island auf einen Blick WISSEN

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28 26 HINTERGRUND Bevölkerung Politik Wirtschaft Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert das Land über 90 % der Exporte aus diesem Wirtschaftszweig. Gefangen werden in erster Linie Kabeljau, Hering, Rotbarsch, Schellfisch und Heilbutt. Mit den Einnahmen aus der Fischerei finanziert Island einen Großteil seiner Rohstoff-, Lebensmittel-, Brennstoff- und Maschinenimporte. Um die Abhängigkeit von der Fischerei zu reduzieren, wurden einige energieintensive Industriebetriebe angesiedelt. Von Mitte der 1990er-Jahre bis 2008 war die isländische Wirtschaft stabil. Nach Jahren starken Wirtschaftsaufschwungs kam es zu Beginn des neuen Jahrtausends zu einer kurzfristigen Abschwächung. Island gehörte zu den Ländern mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt. Jedoch muss Island mit Ausnahme von Fisch, Energie und einigen kostenintensiv produzierten landwirtschaftlichen Erzeugnissen bis auf Weiteres die meisten Güter teuer importieren. Der Tourismus ist mittlerweile der wichtigste Devisenbringer. Mit rund 275 Mrd. Island-Kronen überflügelte er 2013 erstmals Fischfang bzw. Fischindustrie und erreichte einen Anteil von 15,4% am Bruttoinlandsprodukt. Nach dem Bankenkollaps von 2008 und dem tiefen Fall der Landeswährung ist Island als Reiseziel erschwinglich geworden. Die Zahl der ausländischen Touristen wuchs in den letzten Jahren zweistellig und erreichte 2013 einen neuen Rekord mit Gästen, darunter ca aus dem deutschsprachigen Raum. Krisenjahre Island wurde von der Finanzkrise 2008 schwer getroffen. Die Staatsschulden stiegen ins Unermessliche, der Wert der isländischen Krone stürzte ab, die Arbeitslosenrate näherte sich der 10-%-Marke. Im Herbst 2008 stand Island kurz vor dem Staatsbankrott. Es kam zu heftigen Protesten der Bevölkerung, die Politiker und Banker für die schlimme wirtschaftliche Lage verantwortlich machte. Die liberalkonservative Regierung musste zurücktreten. Die vorgezogenen Parlamentsneuwahlen im April 2009 führten zu einem deutlichen Linksruck. Neue Ministerpräsidentin wurde Jóhanna Sigurðardóttir. Sie stand einer Koalition aus Sozialdemokraten und Links-Grünen vor und strebte eine EU-Mitgliedschaft an. Die nunmehr wirksame Kontrolle der isländischen Banken und internationale Finanzhilfen führten ab Herbst 2009 zu einer zaghaften Erholung der isländischen Wirtschaft. Nach dem Ausbruch des Eyjafjallajökull im Frühjahr 2010 befürchtete man einen neuerlichen wirtschaftlichen Einbruch, der aber nicht eintrat. Stattdessen erlebte die Tourismusbranche einen bislang ungekannten Aufschwung (s.oben). Und auch in anderen Bereichen erholte sich die isländische Wirtschaft schneller als erwartet. Aus den Parlamentswahlen im April 2013 ging Bjarni Benediktsson siegreich hervor. Der Spitzenkandidat der Konservativen hatte sich als Gegner einer EU-Mitgliedschaft Islands hervorgetan. Schon erstaunlich: Gerade die Konservativen, die wenige Jahre zuvor für den Beinahe-Staatsbankrott verantwortlich ge

29 Bevölkerung Politik Wirtschaft HINTERGRUND 27 macht worden waren, sitzen heute wieder an den Schalthebeln der Macht in Island. Ministerpräsident wurde aber nicht der Wahlsieger Benediktsson, sondern Sigmundur Davið Gunnlaugsson von der Fortschrittspartei, der zweitstärksten Fraktion im Parlament. Eines gibt es in Island auch nach der Finanzkrise noch im Überfluss: Energie. Die Versorgung des Landes wird fast vollständig durch Wasserkraft und Geothermie gedeckt. Die niedrigen Strompreise locken immer mehr industrielle Großprojekte ins Land. Beispiel Aluminiumherstellung: Rund 40 % der Kosten entstehen hier durch den hohen Energieverbrauch. Daher lohnt sich die Verschiffung der Rohmaterialien aus Australien und Brasilien nach Island. Mittlerweile gibt es in Island mehrere große Aluminiumwerke. Und um die Energie für diese Anlagen zu erzeugen, müssen neue Kraftwerke und Staudämme gebaut werden. Aber spätestens seit der Fertigstellung des Kárahnjúkar-Staudamms (2006) im Osten Islands gibt es dagegen Proteste. Energie im Überfluss AuSSenposten im Nordatlantik Laut Verfassung steht der für vier Jahre direkt gewählte Präsident an der Spitze des Staates übernahm mit Vigdís Finnbogadóttir erstmals eine Frau das Amt des Präsidenten, sie war die erste Frau der Welt, die als Staatsoberhaupt gewählt worden ist. Sie wurde dreimal wiedergewählt und hatte das Amt bis 1996 inne, danach verzichtete sie auf eine erneute Kandidatur. Ihr Nachfolger wurde Ólafur Ragnar Grímsson. Die Regierung besteht aus dem Ministerpräsidenten und zehn Ministern. Das Parlament (Alþing) wird alle vier Jahre in acht Wahlkreisen gewählt und besteht aus 63 Mitgliedern. Die erste Frau an der Spitze eines Staates Die Parteienlandschaft wird bestimmt von der linksliberalen Fortschrittspartei, der konservativ-liberalen Unabhängigkeitspartei, der Sozialdemokratischen Partei und der Sozialistischen Volksallianz. Seit Gründung der Republik 1944 konnte keine Partei allein regieren, es mussten immer Koalitionsregierungen gebildet werden. Die Koalitionen von Konservativen und Sozialdemokraten ( ) führten über einen längeren Zeitraum zu innenpolitischer Stabilität, in den Folgejahren wechselten die Koalitionen dann häufiger. Parteien Die Mitgliedschaft in der NATO und die seit dem Zweiten Weltkrieg enge Bindung an die USA sind die wichtigsten Eckpfeiler der isländischen Außenpolitik. In der NATO spielt das Land als strategischer Außenposten im nordatlantischen Raum eine wichtige Rolle. Seit dem Abkommen 1951 unter hielten die USA in Keflavík einen nicht ganz unumstrittenen Luftwaffenstützpunkt, den sie erst 2006 aufgaben. Isländische Außenpolitik

30 28 HINTERGRUND Alltagsbegegnungen Willkommen im Alltag Wo und wie lernt man»echte«isländer kennen? Dazu einige Tipps von der Baedeker-Redaktion. Beim Praktikum auf dem IslandPFerdehof Viele Touristen in Island kommen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, und viele möchten reiten. Kein Wunder, dass auf isländischen Pferdehöfen immer wieder deutschsprachige Helferinnen und Helfer benötigt werden. Wer sich dafür interessiert, sollte sich gut mit Pferden und Menschen auskennen und sicher im Sattel sitzen. Familienanschluss ist garantiert. Es lohnt sich, bei den Höfen einfach per Mail anzufragen. Informationen beispielweise im Internet unter holl.is/praktikum und www. polarhestar.is. Solche und andere Jobs in Island vermittelt auch die Arbeitsvermittlung Ninukot, Síðumúli 13, Reykjavík, Tel , Als ehrenamtlicher Helfer im WalMuseum HúSAVík Bei Walfahrten assistieren, im Museum helfen, Führungen anbieten: Die Aufgaben für Helfer im Walmuseum sind vielfältig. Geld kann man hier zwar nicht verdienen, aber auf Wunsch wird eine Arbeitsstelle vermittelt, mit deren Hilfe man sich vor oder nach den Wochen des ehrenamtlichen Einsatzes das nötige Geld für den Aufenthalt verdienen kann. Gute Englischkenntnisse sind erforderlich. volunteer-program/