Leseprobe aus In der Welt zu Hause
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- Fabian Meinhardt
- vor 7 Jahren
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1 Leseprobe aus In der Welt zu Hause Das Club Interview Das erste Vorstellungsgespräch ist für viele Jugendliche eine sehr aufregende Angelegenheit, ein Termin, vor dem man sich gerne kurzfristig entschuldigen lassen möchte. Vielleicht hat der eine oder andere schon einmal ein Bewerbungsgespräch für einen Praktikumsplatz oder ähnliches geführt. Das erste Auswahlgespräch mit dem Jugenddienstbeauftragten des örtlichen Rotary Clubs ist jedoch ein etwas anderes Gespräch. Hier geht es nur bedingt um akademische Qualifikationen, sondern viel mehr um persönliche Qualitäten, die relevant für einen Jugendaustausch sind. Auch die Frage, ob die eigene Familie bereit ist, im Gegenzug einen Austauschschüler bei sich aufzunehmen, sollte hier geklärt werden. Man muss davon ausgehen, dass die meisten Vorauswahlgespräche entweder im Clubhaus des Rotary Clubs, im Anschluss an ein Meeting oder im Büro des Jugenddienstbeauftragten geführt werden. Ein sicheres, aber nicht überhebliches Auftreten kann hier schon viel entscheiden. Auf keinen Fall sollte man sich von der unbekannten Umgebung beeindrucken lassen und nicht die Hände in die Hosentaschen stecken, es sieht unpassend leger aus! Der erste Eindruck entscheidet häufig auf welcher Ebene das Gespräch geführt wird. Ein gepflegtes äußeres Erscheinungsbild mit einem Mittelmaß zwischen salopp und casual, kann schon ein entscheidendes Kriterium für den Verlauf des Gespräches sein, denn nach der Philosophie von Rotary sind die Jugendlichen,
2 die in den Jahresaustausch gehen, Botschafter ihres Landes, und da sollten sie fähig sein, sich dementsprechend zu zeigen! Mein Auswahlgespräch war, ehrlich gesagt, eine angenehme Überraschung. Mein Vater hatte einen Termin mit dem entsprechenden Rotarier ausgemacht und ihn zu uns nach Hause eingeladen. Mit leicht schwitzigen Fingern versuchte ich mir die Nervosität nicht anmerken zu lassen. Dankbar war ich, dass meine Eltern das Gespräch begannen und sich mit dem Herrn über den Austausch generell unterhielten. Sie kamen vom Groben ins Feine, und er erzählte etwas über seine Erfahrungen mit dem Jugenddienst und den Austauschschülern der vergangenen Jahre. Je interessanter der Gesprächsstoff wurde, desto mehr wagte ich, mich in das Gespräch mit einzubringen. Innerhalb von wenigen Minuten hatte sich das Gespräch auf mich gelenkt. Es waren keine tückischen Fragen, die dazu dienen sollten, ein psychologisches Profil von mir zu erstellen. Vielmehr hatte ich die Möglichkeit, meine Interessen vorzustellen, etwas über die Aktivitäten mit meinen Freunden zu erzählen und meine Vorstellungen vom Austauschjahr zu konkretisieren. Einige gezielte Zwischenfragen waren das einzige Anzeichen, dass es sich doch um ein Interview handelte. Warst du schon mal länger alleine fort von Zuhause, z.b. Sommercamp oder Ferienfreizeit? Du sagtest, dass du die Klasse 6 wiederholt hast, hast du dich da schnell in den Klassenverbund eingefunden? Was machst du, wenn du nicht in eine Stadt mit Einwohnern, sondern in ein kleines Dorf in Australien
3 eingeladen wirst? Warum willst gerade du in den Austausch? Manche dieser Fragen hatte ich mir natürlich schon im Vorfeld vorgestellt und Musterantworten ausgefeilt. Wer tut das nicht? Zum einen finde ich es nicht unlauter, sich auf ein Bewerbungsgespräch vorzubereiten, bei dem es um ein so wichtiges Ereignis wie den Jahresaufenthalt geht. Zum anderen ist es gar nicht schlecht, sich selbst einmal vor Augen zu halten, was die tatsächlichen Beweggründe für den Jahresaustausch sind! Andere Fragen, die bei Bewerbungsinterviews unserer Freunde gestellt wurden, waren: Das Distrikt Interview Wir haben eine Vielzahl von Interviews mit verfolgen können, und es ist immer wieder das gleiche Bild: Aufgeregte Jugendliche, die sich in kleinen Gruppen um die im Foyer aufgebauten Tische scharen. Mit der Intention, sich zu beruhigen, spricht einer dem anderen Mut zu, gibt Tipps zum Ruhig-bleiben und man kann das Adrenalin förmlich riechen. Eltern, besonders die Väter, geben mit ernster Mine noch letzte Ratschläge und Verhaltensanweisungen. Wahrscheinlich wird bei diesen Anweisungen noch einmal repetiert, was schon auf der ganzen Autofahrt zur Tagungsstätte besprochen wurde! Das obligatorische Zurechtlegen des Kragens oder der Krawatte bei den Jungen sind die letzten Korrekturen, bevor die Eltern sich für 10 Minuten von Töchtern und
4 Söhnen trennen müssen. Wer eigentlich nervöser ist, Bewerber oder Eltern, kann man nicht sagen, aber alle scheinen sich anders zu fühlen als sonst. Bei den Einzelinterviews kann es sich mit der Wartezeit etwas hinziehen, denn jedes Gespräch sollte ja so individuell und gründlich geführt werden wie möglich. Das ist natürlich für die Wartenden eine schreckliche Zeit und so manches Getränk gegen den trockenen Mund wird verzehrt Zum Ablauf des Gespräches können und wollen wir auch keine Hinweise geben, denn erstens hat jeder andere Vorstellungen von seinem Austausch, besitzt andere Qualitäten und ist unterschiedlich gut für bestimmte Länder geeignet und zweitens variieren die Fragen der Rotarier so stark, wie die Menge an verschiedenen Hobbys, die die Austauschschüler besitzen. Die besten Erfahrungen haben wir jedoch damit gemacht, wenn man sich ganz natürlich gibt und seine ehrlichen und konkreten Beweggründe nennt. Zu versuchen, sich mit auswendig gelernten Floskeln durchzumogeln, fällt auf und führt selten zum Erfolg. Aussagen wie: interessante Kultur, bezaubernde Flora und Fauna und die andere Mentalität der Leute, treffen doch auf wirklich jede Region zu. Hätte man einen zynischen Interviewer vor sich, könnte der einem Norddeutschen sogar ein Jahr in Bayern anbieten und umgekehrt und alle Vorstellungen des Bewerbers wären erfüllt! Zudem ist Kreativität in den Aussagen eine willkommene Abwechslung für den Interviewer und fällt bestimmt angenehm auf.
5 Listet man zu allgemeine Gründe für die Wahl seines Traumlandes auf, kommt häufig die Frage, ob diese Vorstellung an den Austausch nicht auch in einem anderen Land erfüllt werden könnte. Die Frage nach dem Grund für die Wahl eines Landes wird häufig als tückische Falle angesehen, womit die Interviewer versuchen, einen Bewerber von seinem Traumland abzubringen. Das ist jedoch eine nicht zutreffende Unterstellung, denn die Verfügbarkeit der Plätze in einigen Ländern ist so gering, dass nur wenige die Möglichkeit haben, dort ihren Austausch zu verbringen, und noch häufiger unterschätzen die Jugendlichen ihre Fähigkeiten, auch in Ländern, die eine stärkere Umstellung der Lebensverhältnisse von ihnen verlangen, zu bestehen. Viele Rebounds haben nach ihrem Austausch den Jugenddienstbeauftragten ihren herzlichsten Dank dafür ausgesprochen, dass sie nicht in die Trendländer geschickt worden sind, sondern ihnen ein so außergewöhnlicher Austausch ermöglicht wurde. Natürlich hatte meine Wunschliste auch Nordamerika und Australien beinhaltet, schließlich war das in meiner Zeit das Ziel eines jeden Austauschschülers, doch an dritter Stelle hatte ich ein Land genannt, das bei meinem Interviewer sofort auf Zustimmung traf Costa Rica! Bekannte hatten in den Sommerferien einen Freund in Costa Rica besucht, und ich hatte Fotos von den wunderschönen Sandstränden und Dschungellandschaften gesehen.
6 Das Thema des Interviews war fast ausschließlich Mittelund Südamerika. Wir redeten über die Problematik der Dritten Welt, über Exporte und Import über politische Instabilität und natürlich auch viel über meine heimischen Aktivitäten. Am Ende des Interviews wurde mir mitgeteilt, dass ich für die Region meines Drittwunsches vorgesehen war. Gott sei Dank, denn es war das aufregendste und spannendste Jahr meines bisherigen Lebens. Keiner sollte bei diesem Gespräch gegen seinen Willen einem gewissen Land zugeteilt werden, aber die Erfahrungen der letzten Jahre hat gezeigt, dass häufig die Einschätzung und Empfehlung der Interviewer die richtige Wahl war. Man kann keine Erfolg versprechenden Argumente für die einzelnen Länder herausstellen, denn es ist immer abhängig vom eigenen Typ, ob man für die Lebensumstände in einem Land geeignet ist oder nicht. Hinzu kommt, dass man im Alter von 15 oder 16 Jahren ruhig offen sein sollte für alles Neue.
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