Alle Bürger werden mein Bild, sobald eine bestimmte Hymne erklingt, verehren und damit mir allein huldigen.

Transkript

1 Grandios und tragisch So kann uns die Geschichte von Daniel und Nebukadnezar vorkommen. Sie enthält alles: Verbannung, Trennung, Treue, Liebe, Leiden, Prüfung, sogar grimmige Löwen, Feueröfen. Liebe Gemeinde, Daniel ist am Anfang noch ein Kind. Von Eltern, Familie verrät der biblische Erzähler kein Wort. Aber das wird erzählt: Daniel kann vertrauen. Auch im fremden Land, in der neuen Umgebung, in der neuen Sprache, in der anderen Kultur und Religion. Daniel kann vertrauen. Nebukadnezar ist ein erfolgreicher König in Babylon, innenpolitisch wie außenpolitisch. Und trotzdem beschleicht ihn immer wieder Angst um seine Macht. Sie verfolgt ihn bis hinein in seine Träume. Das bemerken seine Berater, nutzen es aus und setzen ihn unter Druck. Sie sagen: Du musst etwas tun. Die Leute müssen das Gefühl haben, der König ist so mächtig, er ist immer und überall da! Für sie da! Sie müssen dich verehren, sie müssen vor dir und deiner Macht Angst haben, das festigt deine Regierungsgewalt. Wenn du nichts tust, werden viele dich vergessen und einige versuchen, dich zu entmachten und zu stürzen. Was soll ich denn tun, will er wissen? Du brauchst ein Bild, eine Riesenstatue von dir. Du musst ein Dekret erlassen mit diesem Inhalt: Alle Bürger werden mein Bild, sobald eine bestimmte Hymne erklingt, verehren und damit mir allein huldigen. Und du brauchst Kontrolleure. Warum das? Die Kontrolleure werden alle, die deinem Erlass zuwiderhandeln, festnehmen und in den Feuerofen stecken oder den königlichen Löwen vorwerfen. Und der König, der ängstliche und mächtige, denkt diesen Worten nach. Sie fallen bei ihm auf fruchtbaren Boden. Meine Berater haben Recht. Diese riesige Statue muss Ausdruck meiner militärischen Stärke sein! Es muss ein Bild sein, das dazu führt, dass die Menschen mich fürchten, lieben und verehren. Der König lässt sich radikalisieren. Und sagt Ja zu diesem Vorschlag. Deshalb lässt er eine Statue gießen aus Gold zum Zeichen: Bei uns ist Reichtum, Herrlichkeit und Kraft. Vor unserer Macht sollen Gegner zittern. Wir haben Waffen und kriegsfähige Männer. Mit entschlossenem Blick präsentiere ich, Nebukadnezar, mich hier. Damit mein Volk sieht: Ich stehe ganz auf seiner Seite mit allem, was ich bin und kann. Ja, das soll mein Gesicht zeigen, das überall zu sehen ist. Text: Dan 3, 1, 4-6 Der König Nebukadnezar ließ ein goldenes Bild machen sechzig Ellen hoch und sechs Ellen breit und ließ es aufrichten in der Ebene Dura.

2 Als alle am Bild versammelt waren, rief der Herold laut: Es wird euch befohlen: Wenn ihr hören werdet den Schall der Posaunen, Trompeten, Harfen, Zithern, Flöten, Lauten und aller anderen Instrumente, dann sollt ihr niederfallen und das goldene Bild anbeten, das der König Nebukadnezar hat aufstellen lassen. Wer aber nicht niederfällt und anbetet, der soll sofort in den glühenden Ofen geworfen werden. 30 m hoch, 3 m breit. Das ist die Siegessäule des Königs Nebukadnezar. Wird sie wirken? Und wie war es Daniel ergangen seit seiner Ankunft in Nebukadnezars Babylon? Er war zusammen mit drei anderen Jungen aus Israel ausgewählt worden, am Hof des Königs zu leben und zu lernen. Es fand eine Art Casting statt: Wer lernt die neue Sprache schnell und leicht, wer kann sich in das babylonische Leben schnell integrieren? Daniel war bei den Gewinnern. Aber der Preis war hoch. Der König wollte die Jungen ganz für sich haben. Ganz. Er wollte sie nicht mit irgendeinem Menschen teilen müssen. Sie wurden zu Eunuchen gemacht. Dagegen sich zu wehren, gab es für die von ihren Familien ganz getrennten, deportierten Kinder keine Möglichkeit. Sind nicht die Kinder immer die größten Verlierer in Kriegen? Von den Machthabern hin und her gerissen. Dass Nebukadnezar die Jungen ganz für sich haben und auch ganz für sie sorgen wollte, das wurde unter anderem daran deutlich, dass die auserwählten Jungen am Königsmahl teilnehmen durften. Es war aber eigentlich ein Sollen und zuletzt ein Müssen. Denn: Daniel und seine Freunde sahen gleich, da werden Speisen aufgetischt, von denen, so haben wir es zu Hause gelernt, dürfen wir nichts zu uns nehmen, die tun uns nicht gut. Das babylonische Essen war nicht koscher. Was tun? Nein sagen oder einfach anpassen? Wir leben doch jetzt hier und werden jeden Tag mehr zu Babyloniern? Müssten wir dem König, der uns erwählt hat und gut ausbilden lässt, nicht dankbar sein und er isst doch auch von diesen Speisen! Warum sollen wir Einspruch erheben? Daniel und seine Freunde haben einen babylonischen Erzieher. Zu ihm haben sie schon Vertrauen gefasst. Aber er hatte Angst, Angst vor dem ängstlichen König. Wenn ihr nicht gut esst und schwach ausseht, werde ich bestraft. Mit den Drohungen des Königs ist nicht zu spaßen. Esst bitte, wenigstens mir zuliebe. Könnten wir es nicht so machen, fragt Daniel: Wir essen zehn Tage lang lediglich vom Gemüse und wenn wir dann geschwächt aussehen, dann essen wir auch das Fleisch. Wie die anderen hier. Nach zehn Tagen sahen die vier Jungen ganz gesund und kräftig aus. Nein und Halleluja. Das war eine wichtige Erfahrung für die vier Jungen. Man kann nein sagen und dann Gott loben: Halleluja! Jahre waren seitdem ins Land gegangen. Als das Standbild von Nebukadnezar aufgestellt wurde, war Daniel schon erwachsen. Ein diplomatisch- geschickter Innenpolitiker war Daniel geworden. Er hatte die Erfahrungen der Trennung und Deportation nicht vergessen, hat nicht im Stillen gedacht: Jetzt bin ich der Bestimmer, jetzt wird gemacht, was ich denke und sage, sondern er hat sich in

3 Menschen hineinversetzt, wenn sie ihn in Not und Sorge um Hilfe baten. Er schenkte ihnen Empathie. Und bald hat er in Nebukadnezars babylonischem Volk einen Beinamen bekommen: Daniel, der Geliebte. Daniel war in all den Jahren bei seinem Glauben an den Gott Abrahams geblieben. Der König wusste das. Das war für ihn kein Problem, Daniel war ihm ein enorm wichtiger Partner in der Regierungsarbeit geworden. Die Berater des Königs beobachten das enge Vertrauensverhältnis zu Daniel mit Eifersucht und Argwohn. Warum redet er so oft mit ihm, viel öfter als mit uns? Was wird aus uns? Der Neid nagt in ihren Herzen. Ich hab s, ruft einer! Erinnert euch! Der König hat doch bei Todesstrafe zwei Befehle erlassen: Wenn die Königs-Hymne erklingt, dann haben alle die Pflicht, vor dem goldenen Königs-Standbild niederzuknien und dem König mit Jubelrufen zu huldigen. Und: Es ist verboten, Bitten an einen Gott zu richten. Bittgebete werden an den König gerichtet. Er entscheidet, welche erfüllt werden. Als dieser Erlass kam, haben Daniel und seine Freunde miteinander beraten. Was tun? Sollen wir nicht einfach auch vor dem Bild niederfallen und nicht mehr zu Gott beten? Was würde dadurch anders? Wir haben es doch gut hier. Haben Einfluss und Freiheit. Sollten wir nicht aus Dankbarkeit mitmachen? Das ist das eine. Das andere: Unser Gott, der Ewige, hat er nicht durch die ganze Geschichte unseres Volkes hindurch uns das gesagt, was dem Leben gut tut und was die Freiheit schützt? Sollen wir ihm jetzt die Treue aufkündigen, weil sein Einfluss scheinbar nicht bis nach Babylon reicht? Daniel fragt: Lassen wir uns dann nicht kaufen durch die Wohltaten des Königs und werden zu korrupten Mitarbeitern des Königs? Ich bin für Nein und Halleluja! Unser Widerstand ist gewaltlos und zivil. Wir huldigen nicht und beten nicht zu Nebukadnezar. Wir beten zu Gott! Daniel begeht zusammen mit seinen Freunden zivilen Ungehorsam. Gierig geifernd inszenieren die von Neid zerfressenen Berater des Königs eine Spezialbeschattung gegen Daniel und berichten davon hinterhältig und gezielt absichtsvoll dem König. Als der versteht, um wen es da geht, erschrickt er zu Tode. Angst beschleicht wieder sein Herz. In der Nähe Daniels und in der Zusammenarbeit mit ihm, war meine Angst immer geschwunden. Er in die Löwengrube, seine Freunde in den Feuerofen? Kann ich keine Ausnahme machen und Nein sagen von wegen der Staatsraison? Du hast keine Wahl. Du musst konsequent sein, du musst dein Gesicht wahren und glaubwürdig bleiben. Du musst, sonst ist es bald um deine Macht geschehen. Du musst Gefangen in seiner eigenen Gesetzgebung.

4 Das Programm seiner hinterhältigen Berater zur angeblichen Sicherung seiner Macht raubt ihm jeden Denk- und Spielraum. Daniel und seine Freunde werden in die Todeshöhlen geworfen Text: Kap 6,17-24 Da befahl der König, Daniel herzubringen. Und sie warfen ihn zu den Löwen in die Grube. Der König aber sprach zu Daniel: Dein Gott, dem du ohne Unterlass dienst, helfe dir! Und sie brachten einen Stein, den legten sie vor die Öffnung der Grube; den versiegelte der König mit seinem eigenen Ring und mit dem Ringe seiner Mächtigen, damit nichts anderes mit Daniel geschähe. Und der König ging weg in seinen Palast und fastete die Nacht über und ließ kein Essen vor sich bringen und konnte auch nicht schlafen. Früh am Morgen, als der Tag anbrach, stand der König auf und ging eilends zur Grube, wo die Löwen waren. Und als er zur Grube kam, rief er Daniel mit angstvoller Stimme. Und der König sprach zu Daniel: Daniel, du Knecht des lebendigen Gottes, hat dich dein Gott, dem du ohne Unterlass dienst, auch erretten können von den Löwen? Daniel aber redete mit dem König: Der König lebe ewig! Mein Gott hat seinen Engel gesandt, der den Löwen den Rachen zugehalten hat, so dass sie mir kein Leid antun konnten; denn vor ihm bin ich unschuldig, und auch gegen dich, mein König, habe ich nichts Böses getan. Da wurde der König sehr froh und ließ Daniel aus der Grube herausziehen. Und sie zogen Daniel aus der Grube heraus, und man fand keine Verletzung an ihm; denn er hatte seinem Gott vertraut. Diese machttheologische und machtpsychologische Geschichte der Bibel ist in aramäischer Sprache aufgeschrieben worden. Aramäisch war damals die internationale Verkehrssprache. Die Rahmenerzählung von der Einnahme Jerusalems und der Deportation der Einwohner und den Visionen Daniels über die Geschichte Israels ist in hebräischer Sprache überliefert. Damit wird vielleicht angedeutet: Die Geschichte vom Nein und Halleluja Daniels ist eine, die nicht nur für Israel eine Bedeutung hat, sondern auch für andere Völker und politische Systeme, auch für uns. Schon im Danielbuch reicht der Bogen von Nebukadnezar über Darius bis zu Alexander, dem Großen. Und Daniel? Er blieb im Gespräch mit Gott. Huldigend und auch fordernd, je nachdem. Gegen Ende des Buches wird erzählt, wie er Gott selbst ein Nein zuruft, ein Nein und Halleluja zuschreit, weil er Gott wecken und aufrütteln will. Er schreit: Warum soll ich beten und jubilieren, wenn du nicht antwortest? Nein und Halleluja. Er betet weiter zu Gott, weil er erlebt hat, Gottes Ja und Amen ist unendlich vielgestaltig, total anders und frei und fremd wie der Wind, wie der Atem, der weht, wo er will. Ich glaube, so ist manchmal Gottes Antwort. Ohne Worte, ohne Bilder, aber mit der Einladung: Lebe, Ja und Amen. Nein und Halleluja!

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