Leitsatz: OLG Dresden, 2. StrafS, Beschluss vom , Az. 2 Ws 182/05
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- Reinhardt Hausler
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1 Leitsatz: Untätigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft; hier: Gegenvorstellung der Staatsanwaltschaft zu OLG Dresden, Beschluss vom Az.: 2 Ws 182/05, (abgedruckt in NJW 2005, 2791 ff.). Die Gegenvorstellung gibt keine Veranlassung zur Abänderung der Senatsentscheidung. OLG Dresden, 2. StrafS, Beschluss vom , Az. 2 Ws 182/05
2 2 Oberlandesgericht Dresden 2. Strafsenat Aktenzeichen: 2 Ws 182/05 5 KLs 116 Js 51416/99 LG Dresden 11 G Ws 203/05 GenStA Dresden Beschluss vom 12. September 2005 in der Strafsache gegen 1.) J H geboren am wohnhaft Verteidiger: Rechtsanwalt U S 2.) R K geboren am wohnhaft Verteidiger: Rechtsanwalt J K 3.) B M geborene G geboren am wohnhaft Verteidiger: Rechtsanwalt Dr. U B wegen Subventionsbetruges
3 3 hier: Gegenvorstellung der Staatsanwaltschaft Die Gegenvorstellung der Staatsanwaltschaft Dresden gegen den Senatsbeschluss vom 20. Juni 2005 wird nach Anhörung der Angeklagten als unbegründet zurückgewiesen. G r ü n d e : Die Einwände der Staatsanwaltschaft Dresden vermögen nicht zu überzeugen. 1. Der Senat bleibt bei seiner Auffassung, dass ihm eine Entscheidung in der Sache verwehrt wäre, selbst wenn man eine Untätigkeitsbeschwerde für zulässig halten wollte. Für diese Auffassung spricht noch folgender Umstand: Das Bundesjustizministerium hat mittlerweile einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem eine sogenannte Untätigkeitsbeschwerde in die Prozessordnungen eingeführt werden soll. Die Beschwerde soll bei dem Gericht erhoben werden können, bei dem das Ursprungsverfahren anhängig ist. Hält dieses die Beschwerde für berechtigt, so muss es innerhalb eines Monats Abhilfe schaffen, anderenfalls ist die Beschwerde dem nächsthöheren Gericht vorzulegen. Dieses ist befugt, das Ausgangsgericht zu Maßnahmen der Verfahrensbeschleunigung zu verpflichten. Eine Entscheidung des Beschwerdegerichts in der Sache ist jedoch auch nach diesem Entwurf gerade nicht vorgesehen. Zugleich ist dem Gesetzentwurf (vgl. dazu die schon im Senatsbeschluss vom 20. Juni 2005 erwähnte Hessische Gesetzesinitiative) auch zu entnehmen, dass nach Auffassung der Bundesregierung nach der jetzigen Gesetzeslage eine Untätigkeitsbeschwerde im Bereich der Strafprozessordnung nicht möglich ist. Ansonsten hätte es der beabsichtigten Regelung hier nicht bedurft.
4 4 Nur am Rande sei bemerkt, dass der Senat anhand der mit der Gegenvorstellung vorgelegten Aktenteile (lediglich Bl d. A.) inhaltlich eine Entscheidung gar nicht hätte treffen können. 2. Zu dem übrigen Vorbringen sei nur Folgendes angemerkt: a) Der Senat hat auf die gesetzgeberische Wertung der 154, 154 a StPO abgestellt, wie sie zuletzt in der Entscheidung des Großen Senats des Bundesgerichtshofs zur Zulässigkeit von Urteilsabsprachen (StV 2005, 311 ff.) zum Ausdruck gekommen ist. Der Große Senat hat insoweit zu dem Grundsatz der Prozessökonomie und zu dem Beschleunigungsgrundsatz, der ein Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips ist, Folgendes ausgeführt: "Beide Grundsätze können den Umfang der im Einzelfall gebotenen Aufklärungsbemühungen bestimmen. Das Gewicht der Strafsache sowie die Bedeutung und der Beweiswert weiterer Beweismittel sind gegenüber den Nachteilen der Verfahrensverzögerungen abzuwägen (BGH NJW 2001, 695). Die Rücksichtnahme auf die Belange der Verfahrensökonomie, namentlich bei drohender Verfahrensverzögerung, ist der StPO - wie jeder anderen Verfahrensordnung - durchaus nicht fremd (vgl. BGH NStZ 2004, 638; BGH wistra 2004, 475). So ist nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung eine Teileinstellung nach 154 Abs. 1 Nr. 2 StPO möglich, 'wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist'. Unter den gleichen Voraussetzungen können einzelne abtrennbare Teile oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen von der Verfolgung ausgenommen werden ( 154 a Abs. 1 Satz 2 StPO); diese Beschränkung der Strafverfolgung gestattet eine Reduzierung des Schuldspruchs (vgl. nur BGH NJW 2004, 2990, 2931)." Zu einer direkten Anwendung dieser Vorschriften, wie es die Staatsanwaltschaft in ihrer Gegenvorstellung mit Hinweis auf ein - allerdings wegen ihres Verfolgungswillens stets zu versagendes - Zustimmungserfordernis darlegt, verhält sich die Senatsentscheidung vom 20. Juni 2005 gerade nicht. b) Die Befürchtung der Staatsanwaltschaft, "Mehrfach- und Serientäter" würden unangemessen privilegiert,
5 5 ist unberechtigt. Dies belegt eine weitere gesetzliche Wertung: Das Strafgesetzbuch verlangt in 54 Abs. 1 Satz 3 StGB, dass bei der Bildung einer Gesamtstrafe "die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt werden" müssen. Bei Serienstraftaten, wie hier, hat der Bundesgerichtshof (BGHSt 24, 268, 269) grundlegend ausgeführt: "Das Gesetz stellt bei der Bemessung der Gesamtstrafe auf eine Gesamtschau aller Taten ab. Hierbei sind namentlich das Verhältnis der einzelnen Straftaten zueinander, insbesondere ihr Zusammenhang, ihre größere oder geringere Selbstständigkeit, ferner die Häufigkeit der Begehung, Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweisen sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen. Maßgeblich ist ferner die zusammenfassende Würdigung der Person des Täters, neben seiner Strafempfindlichkeit vor allem seine größere oder geringere Schuld im Hinblick auf das Gesamtgeschehen für die Frage, ob die mehreren Straftaten einen kriminellen Hang bzw. bei Fahrlässigkeitstaten einer allgemeinen gleichgültigen Einstellung entspringen oder ob es sich um Gelegenheitsdelikte ohne innere Verbindung handelt. Im Rahmen dieser Gesamtbewertung lässt sich vor allem auch der besonderen kriminellen Erscheinungsform des so genannten Serientäters Rechnung tragen. Zu dessen Gunsten kann dabei berücksichtigt werden, dass er trotz Aufdeckung seiner Straftaten und der Einleitung eines Verfahrens sein strafbares Verhalten bedenkenlos fortsetzt." Diesen Ausführungen, die nach wie vor Geltung haben, kann entnommen werden, dass bei Serientaten die Anzahl der einzelnen Taten nicht die Rolle spielt, die ihr die Staatsanwaltschaft hier beimessen will. Nur vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Strafzumessung auch verjährte Taten - wenn auch möglicherweise nicht mit dem gleichen Gewicht wie unverjährte Taten - zum Nachteil eines Angeklagten berücksichtigt werden dürfen (vgl. zuletzt wieder BGH, Beschluss vom 26. Juli StR 241/05 -).
6 6 c) Auch lässt sich aus der Entscheidung des Bundesgerichtshof vom 22. Dezember 1992 (BGH NJW 1993, 1279 f.) nichts für die Ansicht der Staatsanwaltschaft herleiten. Denn darin hatte der Bundesgerichtshof gar keine Veranlassung, zu den Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde im Einzelnen Stellung zu nehmen, weil im damaligen Fall die "Unterlassung" gerade nicht zur Folge hatte, dass das Hauptverfahren - auch nicht in absehbarer Zeit - nicht mehr hätte eröffnet werden können. d) Die Beschränkung auf Fälle "grob pflichtwidriger Untätigkeit" beruht darauf, dass sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 47, 109, 110) als auch der des Richterdienstgerichts des Bundes (beispielsweise) verzögerte Terminierungen oder z.b. auch als unangemessen lang gewertete Urteilsabsetzungszeiträume nur dann im Rahmen der Dienstaufsicht nach 26 Abs. 2 Deutsches Richtergesetz beanstandet werden dürfen, wenn dies losgelöst von einzelnen Rechtssachen oder Fallgruppen geschieht und wenn die Aufsichtsmaßnahme die Entschließungsfreiheit des Richters im Einzelfall unberührt lässt. Bei der Frage, ob ein Hauptverfahren eröffnet werden kann, handelt es sich um den Kernbereich richterlichen Wirkens, bei dem es dem Richter grundsätzlich überlassen bleiben muss, welchen der von ihm zu erledigenden vielfältigen Dienstgeschäfte er den Vorrang vor anderen einräumt, welche Mittel er im Einzelfall für die Förderung einer Rechtssache geeignet hält und welche Gründlichkeit er der Sachbearbeitung widmet.
7 7 e) Im Übrigen hat der Senat in seinem von der Staatsanwaltschaft beanstandeten Beschluss aufzuzeigen versucht, dass sich die Staatsanwaltschaft wegen ihrer "Zugehörigkeit zur grundrechtsgebundenen Staatlichkeit" nicht selbst auf die Rechtsweggarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG berufen kann (Krüger/Sachs in Sachs, Grundgesetz 3. Aufl. 2003, Art. 19 Rdnr. 114). Drath Schüddekopf Kuschel Vorsitzender Richter Richter am Richterin am am Oberlandesgericht Oberlandesgericht Landgericht
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