TOP 8 der 836. Sitzung des Bundesrats am Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport

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1 Die Bayerische Staatsministerin der Justiz Dr. Beate Merk Es gilt das gesprochene Wort TOP 8 der 836. Sitzung des Bundesrats am Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport Telefon: 089/ presse@stmj.bayern.de Prielmayerstraße 7 Telefax: 089/ Internet: München

2 - 2 - Anrede! Seit wir uns hier im Mai dieses Jahres mit dem Gesetzentwurf befasst haben, hat die Thematik des Dopings im Sport immer weiter an Umfang und Dynamik zugenommen. Annähernd umfassende Erkenntnisse über die Dimensionen des Dopings im Sport haben wir zwar nach wie vor nicht. Fast tägliche Medienberichte über entdeckte Dopingfälle werfen aber grelle Schlaglichter auf das Phänomen. Im Profiradsport haben sich nach den Geständnissen des Pflegers D hont, der Beichten der Radrennfahrer Dietz, Aldag, Zabel und anderer sowie der immer neuen Dopingfälle bei der Tour de France die Ereignisse überschlagen.

3 - 3 - Betroffen ist nicht nur der Radsport. Um nur die Fälle positiver Dopingproben mehr oder weniger prominenter Sportler der letzten Jahre aufzulisten, würde meine Zeit nicht ausreichen. Nach einer aktuellen Dunkelfeldstudie haben in den messbaren Disziplinen Leichtathletik, Gewichtheben oder Schwimmen 38% der befragten Spitzensportler sicher, weitere 25% möglicherweise gedopt. Ferner haben uns die Ermittlungen der spanischen Justiz gegen den Arzt Fuentes gezeigt, dass der Handel und die Versorgung des Sportlers mit Dopingmitteln zumindest in einigen Bereichen des Spitzensports netzwerkartig und grenzüberschreitend organisiert sind.

4 - 4 - Wir müssen uns bei alledem bewusst sein, dass dies lediglich die Spitze des Eisbergs darstellen und dass Doping keineswegs auf den Spitzensport beschränkt ist. Gedopt wird auch im Breiten- und Freizeitsport mit einer traurigen Spitze in der Bodybuilding- und Fitnessszene, wo vor allem der Einsatz anaboler Steroide an der Tagesordnung zu sein scheint. Der Regierungsentwurf zur besseren Bekämpfung des Dopings im Sport hat spät, aber doch erkannt, dass die Bekämpfung des Dopings die Hilfe des Strafrechts benötigt. Bedauerlicherweise konnte man sich jedoch nicht dazu durchringen, ein Gesamtkonzept mit effektiven strafrechtlichen Regelungen vorzulegen, wie es Bayern in seinem Entwurf eines Anti-Doping-Gesetzes getan hat.

5 - 5 - Der Regierungsentwurf leidet schon deswegen an gravierenden Defiziten, weil er wie das geltende Recht weiterhin beim Arzneimittelgesetz ansetzt und kein eigenständiges Anti-Doping-Gesetz normiert. Es beschränkt außerdem die Besitzstrafbarkeit auf bestimmte, besonders gefährliche Arzneimittel in nicht geringer Menge und überlasst die besonders schwierige Bestimmung der nicht geringen Menge einer noch zu erstellenden Rechtsverordnung. Der Ansatz, den Besitz nur bei nicht geringer Menge unter Strafe zu stellen, ist abzulehnen.

6 - 6 - Lassen Sie mich die Gründe hierfür noch einmal kurz darstellen: Erstens ist das Hauptargument der Gegner, dass man die eigenverantwortliche Selbstschädigung nicht mit dem Verdikt der Strafbarkeit versehen dürfe, nicht haltbar. Richtig ist, dass man mit seinem Körper machen darf, was man will, dies allerdings nur im Grundsatz. Wenn in einem gesellschaftlich bedeutsamen Bereich verbreitet zu gesundheitsschädigenden bis hin zu lebensgefährlichen Praktiken gegriffen wird, dann darf der Staat dort auch mit Sanktionen eingreifen. Ich kann mich dafür auf das Bundesverfassungsgericht berufen. Nach dessen ständiger Rechtsprechung kann es ein legitimes Gemeinwohlanliegen sein, Menschen davor zu bewahren, sich selbst einen größeren persönlichen

7 - 7 - Schaden zuzufügen. Das gilt umso mehr, wenn wie auch beim Doping für die Gesellschaft Folgelasten entstehen. Denn die durch Doping gesundheitsgeschädigten Sportler belasten unter anderem die Krankenversicherung. Und nach den Ergebnissen einer im Zusammenhang mit dem Zwangsdoping in der ehemaligen DDR erstellten Studie gibt es sogar Anhaltspunkte dafür, dass es nach Anabolikamissbrauch bei ungeborenen Kindern zu Verkrüppelungen kommt. Zweitens sind wir mit der Erkenntnis konfrontiert, dass dort, wo Dopingmittel verfügbar sind, auch die Gefahr der Verstrickung weiterer Personen besteht. Berichte aus dem Sportlerlager über Begegnungen und Erfahrungs- und im Ernstfall auch Pillen- oder Spritzenaustausch auf dem Sportplatz oder in der Umkleidekabine liefern dafür Zeugnis. Gerade der Spitzensport entfaltet ferner Vorbildwirkung für

8 - 8 - andere, vor allem für junge Menschen. Wenn im Spitzensport Doping an der Tagesordnung ist, besteht die Gefahr, dass es der Breitensport nachmacht. Die Gefahr hat sich nach allem, was wir wissen, in der Lebenswirklichkeit realisiert. Drittens ist es im Sport so wie in anderen Lebensbereichen auch: Erst die Nachfrage schafft den Markt. Der Sportler ist nicht unwichtiges Glied einer Kette, sondern er ist eine, wenn nicht gar die Zentralgestalt des Dopinggeschehens. Gäbe es nicht den dopenden Sportler, so gäbe es auch die Versorgungsnetze mit Dopingmitteln nicht. Wenn wir den Netzwerken die Basis abgraben wollen, müssen wir auch beim Sportler ansetzen.

9 - 9 - Viertens und ganz wesentlich: Auch diejenigen, die einer weitgespannten Freiheit zur Selbstschädigung das Wort reden, tun dies nur unter der Voraussetzung, dass die Selbstschädigung autonom geschieht. Bei genauerem Hinsehen ist es mit der Selbstverantwortlichkeit beim Doping aber oftmals nicht weit her. Es geht vielfach um junge Menschen, die in ihrer Persönlichkeitsentwicklung nicht abgeschlossen sind. An dieser Stelle kommt fünftens der Belang der Chancengleichheit im Sport zum Zuge. Man kann offensichtlich in bestimmten Sportarten nicht bestehen, wenn man nicht zu Dopingmitteln greift. Das ist gerade in den Diskussionen um den Profiradsport immer wieder deutlich hervorgetreten. Angehörige des Teams Telekom aus den neunziger Jahren haben beklagt, sie seien ausgemustert

10 worden, weil sie Doping verweigert und deswegen nicht die von ihnen erwarteten Spitzenleistungen erbracht hätten. Die Dopingbekenner haben ihr Tun damit gerechtfertigt, dass ihnen die Italiener und Franzosen, die EPO schon früher zur Verfügung gehabt hätten, davongeflogen seien. Der (ehrgeizige) Sportler hat unter solchen Vorzeichen nur drei Möglichkeiten: Er dopt selbst, er findet sich mit hinteren Plätzen ab oder er hört mit dem Leistungssport auf. In einem dopingverseuchten Sport ist echte Autonomie nicht gewährleistet. Und das ist nicht hinnehmbar, zumal im Profisport davon die berufliche Existenz abhängen kann. Autonomie herzustellen, rechnet zu den ureigensten Aufgaben des Staates. Anrede!

11 Unsere Anträge, mit denen versucht wurde, die Positionen des bayerischen Gesetzesantrags zu einem Anti-Doping-Gesetz durchzusetzen, sind in den Ausschüssen abgelehnt worden. Ich bin Realist genug um zu wissen, dass sie auch hier derzeit keine Mehrheit finden würden. Ich bin jedoch auch überzeugt, dass das nun geschaffene Gesetz noch nicht den Schlusspunkt der gesetzgeberischen Maßnahmen gegen Doping darstellen wird. Bayern wird auch künftig für eine Strafbarkeit jeden Besitzes eintreten, um einen wirksamen Kampf gegen das Doping im Sport zu führen.