Der Geist der Caritas trägt und bewegt Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart

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1 Impulse Der Geist der Caritas trägt und bewegt Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart Caritas-Spiritualität in karitativen Verbänden, Diensten und Einrichtungen

2 Der Geist der Caritas trägt und bewegt

3 2 Vorwort Aktuelle gesellschaftliche, wirtschaftliche und kirchliche Wand lungsprozesse fordern die katholische Kirche und ihre Caritas in besonderer Weise heraus. Um hier nur einige Entwicklungen exemplarisch zu nennen: Familiäre Strukturen und soziale Netze lösen sich auf oder dünnen sich aus. Gegenseitige Unterstützungen in Familien, Nach - barschaften und Kirchengemeinden nehmen ab oder stoßen an Grenzen. Hilfen für Menschen sind nicht mehr selbstverständliche Akte christlicher Nächstenliebe, sondern werden gesellschaftlich als soziale Dienstleistungen definiert, die es zu organisieren gilt. Diese werden wie Waren gehandelt, einem scheinbaren Markt ausgesetzt. Auch die verbandliche Caritas hat sich diesen Heraus - forderungen zu stellen, wenn sie ihrem Auftrag und ihrer Verantwortung gerecht werden will. Sie muss einerseits wirtschaftlich agieren und will andererseits den eigenen Grund, die eigenen Beweggründe nicht verleugnen oder verlieren. Wie ist das möglich, wenn der wirtschaftliche Druck auf die Dienste und Einrichtungen steigt? Wie verbindet sich Christlichkeit mit fachlicher Professionalität und unternehmerischer Kompetenz? Letztlich: Was macht die Caritas gegenwärtig und zukünftig aus? Diese und weitere Fragen bewegen viele innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche und ihrer Caritas. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas kommen aus und bewegen sich in den vielfältigen gesellschaftlichen, kulturellen und kirchlichen Milieus. Führungskräfte und Mitarbeitende (hauptberufliche und ehrenamtliche) bringen somit unterschiedlichste religiöse und spirituelle Erfah - rungen und Kompetenzen in ihre Tätigkeit bei der Caritas ein. Und sie begegnen Rat- und Hilfesuchenden, Klienten, Patienten und Bewohnern, die nicht zuerst nach der konfessio nellen Grundausrichtung eines Unterstützungs an ge - botes fragen und vermutlich dennoch den besonderen Geist von Caritas schätzen oder erhoffen.

4 3 Die vorliegende Publikation Caritas-Spiritualität gewährt Einblicke und gibt erste Antworten. Sie ist das Ergebnis des gleichnamigen Projektes Caritas-Spiritualität, das im Jahr 2008 im und durch den Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart im Rahmen des strategischen Zieles Eigensinnig Caritas bildet Profil gestartet wurde. Auf der Suche nach der christlichen Profilierung von Caritas wandten sich die Projektverantwortlichen an die Mitglieder des Diözesancaritasverbandes. Sie wollten Beispiele für aktuelle spirituelle Grundhaltungen und Entwicklungs pro - zesse auf- und wahrnehmen, mit denen sich karitative Trä - ger, Einrichtungen und Dienste innerhalb der Diözese Rot - ten burg-stuttgart beschäftigen. Beein druckend sind die Anzahl und die Vielfalt der eingegangenen Beiträge, auch wenn nicht alle diözesanen Ca - ritas-organisationen, korporativen Mitglieder und Fach ver - bän de in der begrenzten Zeit einen Text verfassen konnten. Die Leserinnen und Leser erwartet ein in Ausmaß und Tiefe überzeugendes Zeugnis zeitgemäßer Caritas: von grundsätzlichen Überlegungen zu Spiritualität und Ca ritas, der Skizzierung karitativer Unternehmenskulturen und ihrer Konzepte, bis zur spezifischen Kultur der Begeg nung mit Klienten und Mitarbeitenden. Die Beiträge veranschaulichen: Menschen der Caritas handeln oft ganz selbstverständlich aus einem spezifischen Geist heraus. Sie sind in ihrem Engagement und in ihrer Leidenschaft für andere Menschen bewegt von einer Geisteshaltung, die in der Liebe Gottes zu den Menschen gründet. In der beschriebenen Caritas-Spiritualität spiegeln sich Grundhaltungen, Lebenseinstellungen, Werteorientierungen und -kulturen von Mitarbeitenden und Organisationen. Vielfältig ist Spiritualität in der Caritas anwesend, oft in verborgener Weise präsent und implizit wirksam. Die vorliegende Publikation will dazu beitragen, Spiritualität in der Caritas explizit zu machen. Lebendige und gelebte Spiritualität wird hier sicht- und fassbar. Die Publikation leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Sprach- und Kommu ni kations fähigkeit von Spiritualität im Caritas ver - band der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Caritas-Spiritualität stärkt die Identität von Caritas und die Ge meinschaft von Caritas-Organisationen, korporativen Mit gliedern und Fachverbänden. Im Blick auf den Grund und den Sinn von Caritas wird die gemeinsame Wurzel und der einander verbindende Ursprung von Caritas lebendig: Der Geist, der in der Caritas weht und die Akteure bewegt, ist der christliche Geist der Liebe (deus caritas est). Unser Dank gilt allen, die sich mit Beiträgen an dieser Pub - likation beteiligt haben und damit dem christlichen Profil der Caritas in der Diözese Rottenburg-Stuttgart neue Be - weg- und Strahlkraft verleihen. Wir hoffen und wünschen, dass diese Publikation Gespräch, Austausch und weitere Entwicklungen zu einer Caritas-Spiritualität unter den Mitgliedern des Diözesancaritasverbandes anstoßen und fördern wird. Idee und Gestaltung des Projektes Caritas-Spiritualität lag in den Händen einer kleinen Projektgruppe von Mitar bei - ten den in der Geschäftsstelle des Diözesancaritas ver - bandes, denen mein herzlicher Dank und Glückwunsch zum erfolgreichen Projektabschluss gilt: Herr Franz-Josef Scholz, Frau Dorothee Steiof, beide in der Stabstelle Ca - ritas theologie und Herr Bernhard Slatosch, Fachbereichs - leiter Personalpolitik. Zuverlässige Zu- und Mitarbeit leisteten Herr Thomas Wilk, Bereich Kommunikation und Marketing im Diözesancaritasverband und Frau Anke Wöhrle in der Lek toratsarbeit. Allen sei herzlich gedankt. Vorstand des Caritasverbandes der Diözese Rottenburg-Stuttgart Msgr. Wolfgang Tripp Diözesancaritasdirektor

5 4 Inhalt Wolfgang Tripp Vorwort 02 Caritas-Spiritualität grundsätzliche Überlegungen 06 Dorothee Steiof Caritas-Spiritualität ein Beitrag zur spitzenverbandlichen Profilbildung 07 Joachim Reber Sigrid Zinnecker Ottmar Fuchs/Dorothee Steiof Mitarbeiterseelsorge, spirituelle Bildung und spirituelle Kultur Theologische Anmerkungen 10 Maßlose Spiritualität Gedanken zur Spiritualität in Organisationen 16 Caritas-Spiritualität als Moment einer missionarischen Pastoral Theologische Impulse und Leitfragen 19 Caritas-Spiritualität Unternehmenskultur 22 Johannes Blaurock/Jürgen Kunze Woran man uns erkennen kann: Gemeinsam glauben Das christliche Unternehmen Stiftung Haus Lindenhof 23 Susanne Herzog Nicht mehr, sondern anders die Ausrichtung unserer Arbeit am christlichen Menschenbild 26 Alfons Maurer Hubert Bernhard/Norbert Rapp Joachim Reber Seelsorge in der stationären Altenpflege Konzeptionelle Grundlegung und einrichtungsbezogene Umsetzung 32 Weggemeinschaft von Kloster Heiligenbronn und stiftung st. franziskus heiligenbronn 38 Mitarbeiterseelsorge, spirituelle Bildung und spirituelle Kultur Praktische Anmerkungen 44 Br. Peter Berg/Br. Alfons M. Vom Bruder Vorsteher und Superior zum heutigen Hausoberen Michels/Thomas Wigant Eine ordensspezifische Leitungsaufgabe im Krankenhaus 47 Thomas Brobeil Aus unseren Worten erkennt man unser Herz. (Vinzenz von Paul) Entwicklung von Leitlinien für Führungskräfte Grundhaltungen für barmherziges Handeln im Umgang miteinander auf der Basis der geistigen Werke der Barmherzigkeit 52 Caritas-Spiritualität Kultur der Begegnung 55 Birgitta Negwer Familien stärken mitten im Alltag Achtsam für Gott und die Menschen 56

6 5 Christa Brand Susanne Herzog/Ingrid Wiesler Susanne Herzog Gabriele Hönes Achim Wicker Besuchsdienste Geben und Nehmen in Gottes Geist Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im karitativen Dienst 60 Ein Dach über dem Kopf und ein Obdach der Seele Wie Sozialarbeit und Spiritualität zusammengehören 63 Mutter vom Guten Rat eine zeitgemäße Verbandspatronin IN VIA Katholischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit Diözese Rottenburg-Stuttgart e. V. 67 Ganzheitlich pflegen Spiritualität und Seelsorge in der Katholischen Sozialstation Tübingen 74 Wir haben Zeit, Zeit für Sie! Zentren des Zuhörens in Horb und Freudenstadt 77 Ottmar Ackermann/ das habt ihr mir getan. Wolfgang Lohner Spiritualität in der Arbeit mit wohnungslosen Menschen 81 Peter Grundler Elisabeth Kehle Anke Schmitzer Mitten im Leben Spiritualität in der (Alltags-)Arbeit einer Caritas-Region 84 Zeiten schützen Räume eröffnen Das Zentrum für karitativ-diakonische Spiritualität Tabor im Kloster Reute 87 Beruf und Berufung finden Spiritualität in der Katholischen Fachschule für Sozialpädagogik Stuttgart 89 Caritas-Spiritualität aktuelle Projekte 92 Martin Schwer In Hülle und Fülle Religionssensible Erziehung in den katholischen Diensten und Einrichtungen der Erziehungshilfen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart 93 Hans-Peter Häußermann/ Im Geiste des Propheten Iris Horstmann Die Initiative Habakuk Rechte haben, Recht bekommen 98 Schlussimpuls 102 Wolfgang Tripp Geh und handle genauso! Caritas-Spiritualität eine missionarische Kirche lernt lieben, handeln und glauben 102 Anhang 106 Autoren-/Autorinnenverzeichnis 108

7 6 Caritas-Spiritualität grundsätzliche Überlegungen Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart e. V. Diözesangeschäftsstelle Stabstelle Caritastheologie Der Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart ist die Zusammenfassung und Ver - tretung der verbandlichen Caritas in Württemberg. Als Spitzenverband der freien Wohl - fahrts pflege vertritt der Diözesancaritasverband rund katholische Einrichtungen und Dienste in allen Sparten der sozialen und pflegerischen Arbeit. Die Einrichtungen und Dienste verfügen insgesamt über Plätze und betreuen weit über Menschen pro Jahr. In ihnen sind Mit ar bei terinnen und Mitarbeiter hauptamtlich und Frauen und Männer ehrenamtlich beschäftigt. Als Träger von neun Ca - ri tas-re gio nen mit insgesamt 41 Caritas-Zentren ist der Caritas verband der Diözese Rottenburg-Stuttgart flächendeckend in der Diö zese aktiv. Die Stabstelle Caritastheologie der Diözesangeschäftsstelle un ter stützt auf verschiedenen Ebenen Prozesse der christ lichen Profilierung des Verbandes und seiner Mitglieder (Theo lo gische Grundlagenreflexion, Spiritualität, Seelsorge und Caritas im Le - bens raum). Schwarzwald-Gäu Schwarz- wald-alb- Donau Ludwigsburg- Waiblingen-Enz Stuttgart Heilbronn- Hohenlohe Fils-Neckar-Alb Ulm Biberach Ost-Württemberg Bodensee- Oberschwaben Kontakt: Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart Stabstelle Caritastheologie Strombergstraße 11, Stuttgart Tel.: 0711/ info@caritas-dicvrs.de Internet:

8 7 Dorothee Steiof Caritas-Spiritualität ein Beitrag zur spitzenverbandlichen Profilbildung Das Thema Spiritualität der Caritas ist von der Frage nach dem christlichen Proprium karitativen Handelns nicht zu trennen: Was heißt christliche Nachfolge heute? Was ist das Wesentliche von Caritas? Für diesen Prozess der Profilbildung braucht es jedoch Kriterien, die sich aus der Botschaft des Evangeliums, der Grundlage jeder Caritas, speisen. Der folgende Beitrag möchte daher zuerst drei wichtige theologische Grundorientierungen benennen, die sich in den verschiedenen verbandlichen Diskussions - prozessen der letzten Jahre herauskristallisiert haben. Im zweiten Teil werden exemplarisch Orte der aktuellen Um - set zung und Konkretisierung dieser Grundorientie rungen vorgestellt. Grundorientierungen für eine Spiritualität der Caritas Das Fundament christlicher Spiritualität: Gnade vor Auftrag Gottes Ja zum Menschen kennt keine Bedingungen Christlicher Glaube wird im Kontext von Caritas sehr schell mit dem Auftrag zur Nächstenliebe und dem Anspruch, diese möglichst gut und perfekt zu gestalten, in Ver - bindung gebracht. Dies ist richtig und für unser Selbst - verständnis unverzichtbar. Aber aus christlicher Perspektive liegt in diesem Anspruch nicht die erste Botschaft unseres Glaubens: diese zeigt sich viel eher in dem Bewusstsein, sich in aller Be - grenztheit, in den Momenten der Stärke, aber auch der Schwäche, des Scheiterns und der Schuld, von Gott ge - tragen zu fühlen und zu wissen. Christlicher Glaube spricht den Menschen gerade in dieser Begrenztheit ihre Würde und das Zutrauen Gottes zu. Es ist das Vertrauen auf die be dingungslose Liebe Gottes zu allen Menschen in ihren jeweiligen Kulturen, Religionen oder persönlichen Glau - bens einstellungen. Diese Liebe gilt jedem Menschen, jedem Mitarbeitenden! 1 Wir nennen diese unverdiente Liebe auch Gnade: vor Gott stehen zu dürfen, ohne jede Vorleistung, trotz aller Schuld so lautet ein geflügeltes Wort. Alles, was im Weiteren zum Verhältnis von Glauben und Handeln gesagt werden kann, ist als Ausfaltung dieser Grundbotschaft zu verstehen. Christliche Spiritualität zielt daher nie an, etwas Neues aus eigener Kraft schaffen zu müssen. Der Akzent liegt viel eher darauf, sich einer Wirklichkeit anzuvertrauen, die längst da ist: der Gegenwart Gottes. Aus der Quelle dieser Gottesliebe Caritas zu gestalten, bildet den Kern der spirituellen Profilierung eines christlichen Verbandes nicht die Forderung nach einem Mehr des Leistens. Der Auftrag ist das Zweite, nicht das Erste! Aus dieser Erfahrung des Getragenseins in der Gottesliebe wächst die Bereitschaft zur sensiblen Wahrnehmung von Not, zum helfenden Engagement und zum anwaltschaft - lichen Streiten für die Rechte von benachteiligten Men - schen. Karitatives Tun macht diese Liebe für andere Men - schen erfahrbar. Ihre letzte Quelle liegt in Gott. Vor Gott begrenzt sein dürfen Hiermit ist ein weiterer Aspekt verbunden: Gott ist kein Gott der Ideale! Die provozierende Kraft des christlichen Glaubens zeigt sich in der Unvernunft Gottes, gerade den Menschen in ihren Begrenzungen seine Botschaft und die Sorge um die Mitmenschen anzuvertrauen. In ihrem karitativen Einsatz dürfen sich die Mitarbeitenden von diesem Zuspruch gehalten wissen. Die Bibel berichtet von vielen Beispielen dieses Zutrauens Gottes gerade zu den gewöhnlichen und alles andere als perfekten Menschen: Der Prophet Elija flieht vor Angst in die Wüste und wünscht sich den Tod, da er sich kraft- und mutlos fühlt (1 Kön 19,4); die Jünger verstehen Jesus oft nicht, obwohl sie ihn doch täglich begleiten; während seines Leidens am Ölberg schlafen sie; Petrus verrät Jesus schon wenige Stunden nach dessen Gefangennahme und genau auf diesen Fels will Gott seine Kirche bauen... Als Handlungsorientierung ergibt sich Die bewusste Wahrnehmung, Wertschätzung und Pflege von Orten, Zeiten und Beziehungen in den karitativen Organisationen und Verbänden, in denen Spuren dieser Gottesliebe spürbar werden: z. B. in Erfahrungen des Getragen seins oder der Anerkennung. Die Beförderung von Strukturen und Maßnahmen, die solche Erfahrungsmöglichkeiten begünstigen natürlich immer mit dem Wissen, solche Erfahrungen nie machen bzw. planen zu können. 1 Vgl. im Folgenden z. B. die Konzeption des Zentrums für karitativ-diakonische Spiritualität Tabor in Reute vom oder Ottmar Fuchs, Sieben Thesen zur missionarischen Pastoral, 2008 (unveröffentlichtes Manuskript).

9 8 Caritas-Spiritualität als eine Kultur der Unterbrechung Der doppelte Sendungsauftrag Ein zweiter Aspekt ergibt sich als Konsequenz dieser theologischen Fundierung von Caritas. Wenn karitatives Han - deln in der bedingungslosen Liebe Gottes zu den Men - schen wurzelt, dann gestaltet sich karitative Spiri tualität immer als ein Ausbalancieren zwischen zwei Polen: zum einen zwischen Zeiten, in denen sich die Mitarbeitenden in ihrem Tun von und für Gott unterbrechen lassen; in denen sie innehalten, Kraft schöpfen, sich erinnern, besinnen, sich einfach körperlich ausruhen oder in Stille und Gebet die Quellen spüren, aus denen sie handeln ; zum anderen zwischen Zeiten, in denen sie sich in wachsamer Aktivi tät ganz dem Dienst am Nächsten zuwenden. Oder, wie Ottmar Fuchs formuliert: Wir haben einen Sen dungs - auf trag zur Ruhe und zur Tat! 2 Diese Zeiten der Unter - brechung können vielfältige Formen annehmen: ein kurzer Au genblick des Innehaltens vor dem Computer am Ar - beits platz, die eingeplante Pause nach einem Be ratungs - gespräch, genügend Freiraum während einer Klausur ta - gung, um sich gemeinsam über Motivation und Sinn des eigenen Tuns auszutauschen, oder die Teilnahme an Be - sinnungs tagen. Er fahrungen der Unterbrechung und engagiertes Handeln im Alltag beide Bewegungen gehören konstitutiv zu einer christlich profilierten Caritas und sind Teil der caritasspezifischen Fachlichkeit: Sich der eigenen Quellen zu vergewissern, ist kein Luxus, den sich karitative Mitarbeitende erst dann leisten können, wenn zufällig noch Zeit übrig bleibt oder alles Wichtige getan ist. Es ist nie alles getan! Sich diese Zeiten des Heraustretens aus dem Alltäglichen zu nehmen und sich für die Liebe Gottes zu öffnen, hat seinen Wert an sich genauso wie die Hinwendung zum Nächsten. Beide Bewegungen haben ihre eigene Würde und Notwendigkeit. Caritas-Spiritualität entsteht im Spannungsfeld dieser beiden Pole. So bleiben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sensibel und wachsam für die Schätze im Acker des Alltags (vgl. Mt 13,44 46) der Blick weitet sich für eine neue Sicht auf Gott, die Welt und den Mitmensch. 3 Biblische Ermutigung Ermutigung für solch eine Spiritualität der Unterbrechung findet sich im Verhalten Jesu selbst: Das fünfte Kapitel des Lukasevangeliums berichtet von dieser Dynamik von Ruhe und Tat gerade im Moment intensivster Beanspruchung: Sein Ruf verbreitete sich immer mehr, so dass die Menschen von überall herbeiströmten. Sie alle wollten ihn hören und von ihren Krankheiten geheilt werden. Und dann unvermittelt: Doch er zog sich zurück an einen einsamen Ort, um zu beten. Kurz darauf fährt der Text fort: Eines Tages, als Jesus wieder lehrte... Und die Kraft des Herrn drängte ihn dazu, zu heilen... 4 Die Identität von Caritas liegt also nicht nur im Handeln, sondern gerade in dem Miteinander von Ruhe und Tat, von Unterbrechung und Engagement im Alltag. Es versteht sich von selbst, dass diese Dynamik nicht immer harmonisch aufzulösen ist. Unterbrechungen des Gewohnten haben einen Preis! Sie brauchen Mut und Unterstützung vonseiten der Kolleginnen und Kollegen, der Führungs ver - antwortlichen, der Organisationsstrukturen und der sie prä genden Organisationskulturen. Spannung von Ruhe Heraustreten aus dem Alltag Tat Handeln im Alltag Christliches Profil }von Caritas Als Handlungsorientierung ergibt sich Die Unterstützung der Mitarbeitenden und Organi sa - tionen, diesen doppelten Sendungsauftrag in ihrer karitativen Arbeit als selbstverständlichen Teil ihrer Identität erfahren und leben zu können. Caritas-Spiritualität als Entdeckungs - spiritualität Die Begegnung mit Gott und Mitmensch, von Glaube und Leben, von Evangelium und den Erfahrungen der Men - schen, ist ein lebendiger Prozess, in dessen Rahmen die 2 Vgl. Ottmar Fuchs, Thesen, bes Vgl. auch die Definition von Fulbert Steffensky: Spiritualität ist gebildete Aufmerksamkeit. In: Ders., Schwarzbrot-Spiritualität, Stuttgart 2006, 19). 4 Vgl. auch den Hinweis bei Ulrike Hudelmaier, zu verkünden und zu heilen (Lk 9,2). Entwurf eines humanwissenschaftlich und biblisch begründeten Handlungsmodells zur Stärkung der gemeindlichen Diakonie (Tübinger Perspektiven zur Pastoraltheologie und Religionspädagogik, Bd. 27), Berlin 2006,

10 9 christliche Verwurzelung des Handelns immer erst entdeckt werden will. Die Anforderungen des karitativen Tuns sind nicht (nur) Anwendungsfälle von Glauben, sondern Lernorte, in denen im Dialog von Glauben und Leben erst gefunden werden kann, was jetzt gerade zu tun ist, was jetzt gerade Nachfolge Jesu bedeutet. Orte der Caritas sind Orte des Leben- und Glaubenlernens. In einem offenen Suchprozess setzen sich die Mitarbeitenden immer neu dem Geheimnis von Gott und Mensch aus. Karitative Spiritualität zeigt sich als eine Dynamik des ständigen Blick wechsels: Mit den Augen des Evangeliums blicken wir auf unsere Gegenwart und alltägliche Arbeit, mit den Erfahrungen dieses Alltags blicken wir wieder zurück auf das Evangelium. Caritas-Spiritualität ist Ent deck ungs - spiritualität das permanente Abenteuer, sich dem Wir - ken Gottes anzuvertrauen und sich aus vertrauten Sicht - weisen bzw. Handlungsroutinen herausreißen zu lassen. 5 Glaube Offener Suchprozess im Dialog von Leben } Christliches Profil von Caritas Als Handlungsorientierung ergibt sich Die Eröffnung und Pflege von Zeiten und Räumen des Dialogs zwischen Glauben und Leben bzw. zwischen der Botschaft des Evangeliums und den gegenwärtigen Erfahrungen der Mitarbeitenden im karitativen Feld. Die Eröffnung und Pflege von Zeiten und Räumen für den Dialog der Mitarbeitenden untereinander mit ihren unterschiedlichen konfessionellen, religiösen, kulturellen und weltanschaulichen Prägungen, in denen die stete Frage nach dem Grund und Sinn karitativen Tuns ihren Ort findet. Etappen auf dem Weg einer spitzenverbandlichen Profilbildung Wenn eine Spiritualität der Caritas in der Erfahrung des Getragenseins durch die bedingung slose Liebe Gottes ihre tiefste Wurzel findet, sich gerade in der Spannung von Ruhe und Tat, von Heraus treten aus und wieder Eintreten in den Alltag zeigt und als offener Suchprozess im Dialog von Glaube und Le - ben zu verstehen ist, dann braucht es konkrete Gestaltungsformen, Zeiten, Räume und Begleiterinnen und Begleiter, die diese Dyna - mik unterstützen und sie nicht allein bei den einzelnen Mitar beitenden als Verantwortung belassen. Das Ziel Ei - gensinnig Caritas bildet Profil im Rahmen der strategischen Ziele 2006/2008 des Caritasverbandes bringt dieses Anliegen zum Ausdruck: Der Diözesancaritasverband trägt dazu bei, die Marke Caritas in ihrem Eigen-Sinn zu stärken (Identität), in dem die karitativen Einrichtungen in der Diözese als Orte sichtbar werden, an denen die Menschenwürde geachtet, Solidarität erfahrbar und die Hilfe zur Selbsthilfe gestärkt werden (Spiritualität). Exemplarische Initiativen zur Umsetzung dieses Zieles im Rahmen der oben skizzierten Grundorientierungen seien zum Schluss kurz genannt: Die Einrichtung der Stabstelle Caritastheologie im Diö - zesan caritasverband, die auf vielfältigen Ebenen Pro - zesse der theologischen Profilierung des Verbandes und seiner Mitglieder unterstützt. Die Begründung eines Netzwerks für Theologen und Theologinnen im Caritasverband, die sich zu gemeinsamer Reflexion und Diskussion caritastheologischer Fra - ge stellungen treffen. Mit der Gründung des karitativ-diakonischen Zentrums Tabor eröffnet der DiCV, gemeinsam mit den Trägern und Verbänden Mitarbeitenden Zeiten und Räume zur spirituellen Stärkung und Suche (siehe ausführlichen Beitrag in diesem Band S. 87 ff). Das aktuelle Projekt Caritas-Spiritualität verfolgt das Ziel, die Ressourcen der an vielen Orten gelebten Spiritualität in der Caritas der Diözese Rottenburg-Stuttgart sichtbar zu machen. Dazu gehören z. B. die vielfältigen Ent wick - lungen karitativer Träger zur Intensivierung der Mit ar - beiterseelsorge, zur Vertiefung der spirituellen Kompe - tenz der haupt- und ehrenamtlichen Mitar beitenden und zur Erweiterung der religiös-liturgisch-spirituellen An ge - bote für Klientinnen und Klienten, Bewohner/innen und zu Betreuenden in der Jugend-, Alten-, Behin der ten hilfe. Weitere Etappen werden folgen. Alle verbindet das Bestreben, der Suche nach dem Wesentlichen von Caritas einen konkreten Ort in den Alltagsvollzügen des Verbandes zu geben. So bleibt das Evangelium in der Caritas eine gute Neuigkeit, neu jeden Tag 6. 5 Vgl. z. B. Rainer Bucher, Neuer Wein in alte Schläuche? Zum Innovations - bedarf einer missionarischen Kirche, in: Matthias Sellmann (Hg.), Deutschland Missionsland. Zur Überwindung eines pastoralen Tabus (QD 206), Freiburg i.br. 2004, Madeleine Delbrêl, Gebet in einem weltlichen Leben. Übersetzt und mit einem Vorwort versehen von Hans Urs von Balthasar, Einsiedeln 1993, 87.

11 10 Der Caritasverband für Stuttgart e.v. Der Caritasverband für Stuttgart e.v. ist der Wohlfahrts verband der katholischen Kirche in der Lan deshauptstadt Stutt gart und mit rund hauptamtlichen und ca. 625 ehrenamtlichen Mit - arbeiterinnen und Mitarbeitern einer der größten Träger der freien Wohl fahrts pfle ge in der Re gion. Zu seinen Zielen und Aufgaben gehören Unter stüt - zung für Men schen in Not, anwalt - schaftliches Handeln für benachteiligte Menschen und Mitgestaltung der sozialen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Stuttgart. Der Ca ritas verband für Stutt - gart e.v. ist aktiv in folgenden Be reichen: Arbeit verschiedene Arbeitsprojekte und Werkstätten für Lang - zeit arbeitslose, Jugendliche ohne Ausbildungs chancen Armut, Wohnen und Schulden mehrere Beratungsstellen, Wohnheime für Männer, Frauen und junge Erwachsene sowie Schuldner be ra - tung Behindertenhilfe diverse Wohn- und Betreuungsangebote, entlastende Dienste für pflegende Angehörige sowie eine Bildungsund Begegnungsstätte Hilfen für alte Menschen vier Altenpflegeheime mit Kurzzeit-, Tages- und Dauer - pflege, eine Sozialstation und Begegnungsstätten für Senioren Jugend- und Familienhilfe breites Spektrum an Hilfen: in Beratung und Betreuung, Schulsozialarbeit Migration zwei Migrationszentren Sucht- und sozialpsychiatrische Hilfen Begegnungs- und Beratungsstellen, Wohn gelegen - heiten mit individuellen Betreuungsmöglichkeiten STUTTGART Wir sind vor Ort! Schwarzwald-Gäu Schwarz- wald-alb- Donau Ludwigsburg- Waiblingen-Enz Stuttgart Kontakt: Caritasverband für Stuttgart e. V. Strombergstraße Stuttgart Tel: info@caritas-stuttgart.de Internet: Heilbronn- Hohenlohe Fils-Neckar-Alb Biberach Ost-Württemberg Ulm Bodensee- Oberschwaben Joachim Reber Mitarbeiterseelsorge, spirituelle Bildung und spirituelle Kultur Theologische Anmerkungen Spiritualität der Caritas In vielen sozialen Organisationen und Einrichtungen christlicher Trägerschaft rückt das Thema Spiritualität in den letzten Jahren zunehmend ins Zentrum der Auf merk - samkeit. Dies hängt zum einen mit einer verstärkten Suche nach dem jeweils eigenen (christlichen, kirchlichen, konfessionellen) Profil zusammen, welche unter sich verschärfenden Marktbedingungen im Sozialbereich eingesetzt hat. 1 Zum anderen wird Spiritualität aber auch als wichtige Ressource und Kraftquelle für die Mitar beiter/innen selbst erkannt, um den beruflichen Anfor derungen und Be - lastungen standzuhalten. Die gelebte Spiritualität der Mit - ar beiterinnen und Mitarbeiter tritt dabei als ein Schlüs - selfaktor in den Blick, sie wird neu entdeckt als Kapital der Caritas, das es zu pflegen und zu fördern gilt. 2 Was meint Spiritualität? Nun ist Spiritualität ein durchaus schillernder Begriff. Er hat eine eigene, lange Diskussionsgeschichte und die De - fi nitionsvorschläge sind fast so zahlreich wie die Dis kus - sionsteilnehmer. Je nachdem, mit welchem In teresse je - mand in die Diskussion eintritt, wird sie oder er mög - licherweise eine bestimmte Bestimmung von Spiri tualität vornehmen wollen, wird philosophische, psychologische, 1 Dass in dieser Entwicklung für die Caritas durchaus Chancen liegen, darauf wurde und wird von verschiedener Seite hingewiesen. Vgl. dazu: Hans- Jürgen Marcus, Gesellschaft im Umbruch: Kirche muss Kurs halten, in: Deutscher Caritasverband (Hg.), neue caritas Jahrbuch 2005, Freiburg 2004, 38. Hans-Jürgen Marcus betont in seinem Beitrag: Man kann fragen, ob es nicht gerade die Marktsituation ist, die neue Chancen für die Profilfrage eröffnet.... Die caritativen Unternehmen [haben] nur dann Zukunft..., wenn sie ihre christliche Verortung als zentrale Herausforderung ihrer Zukunfts - sicherung sozusagen im Sinne einer klaren Marktpositionierung begreifen. 2 So etwa Rainer Krokauer: Angesichts dessen, dass das Profil sozial-caritativer Einrichtungen immer mehr an der bewusst gelebten Spiritualität... [der Mitarbeiter/innen und Mitarbeiter; J.R.] hängt, gilt es, diese als unschätzbares,kapital und Innovationspotenzial für die eigene Einrichtung zu sehen, mit dem bewusst und sorgsam umzugehen ist. In: Rainer Krockauer, Spiritualität,Kapital der Caritas, in: Deutscher Caritasverband (Hg.), neue caritas Jahrbuch 2001, Freiburg 2000, 35.

12 11 theologische Deutungen in den Mittelpunkt rücken und dabei seinen Fokus auf spezifisch christliche oder gerade nicht-christliche Momente richten. Nichts desto trotz müssen wir hier eine Begriffsklärung vornehmen, soll unser Nachdenken über eine Spiritualität der Caritas vor einem gemeinsamen Verständnishorizont geschehen. Ich schlage vor, dabei von zwei Leitideen auszugehen: Spiritualität ist zunächst ein formaler Begriff. Er bezeichnet eine Art und Weise, etwas zu tun oder zu sein. Spiritualität ist kein spezieller Teilbereich im Leben oder Arbeiten, sondern das Gesamtkonzept des Arbeitens oder Lebens. Dazu ein paar Erläuterungen: Ein selektives Spiri tuali - tätsverständnis ist nicht selten das vorherrschende. Es gibt so diese Vorstellung verschiedene Felder und Auf - ga ben in der sozialen Arbeit, die mit der erworbenen beruflichen Kompetenz bearbeitet werden. Irgendwo daneben kann man unter Umständen auch noch etwas Spiri - tuelles machen, eine Kerze entzünden oder einen Got - tesdienst feiern (lassen). Dazu muss man aber ein spiritueller Mensch sein, oder zumindest einen solchen herbeiholen, der dann irgendwelche spirituellen Angebote macht. Und je mehr ein Mitarbeiter sich für religiös unmusi kalisch (Jürgen Habermas) hält, desto schneller wird er sich von einer derartigen Aufgabe dispensieren. Demgegenüber wird hier ein ganzheitliches Spiritualitäts - ver ständnis vertreten. Es wird davon ausgegangen, dass die Spiritualität nicht ein Lebens- und Arbeitsbereich ne - ben anderen ist, sondern gerade die Art und Weise, sein Leben zu führen (Lebens-Spiritualität) und seine berufliche Aufgabe zu gestalten (Berufs-Spiritualität). Spiritualität ist keine religiöse Sonderwelt, die abseits vom Alltag in den Ein richtungen und Diensten stattfindet, sondern sie ge - winnt genau in diesem Alltag ihre Gestalt. 3 Im Letzten ist die Spiritualität einer Person, Einrichtung oder Organisation die Art und Weise, wie sie ihr Leben insgesamt gestaltet, die Werte, an denen sie sich ausrichtet, die Dinge, die ihr heilig sind. Meine Spiritualität ist das, woran ich mein Herz hänge. Denn das, so hat es Martin Luther einmal formuliert, woran dein Herz hängt, das ist dein Gott. Um nicht weniger geht es beim Thema Spiri - tualität : um das, woran mein Herz hängt, um den Geist ( spiritus ), aus dem heraus ich lebe, arbeite und meine Beziehungswelt forme. 3 Von daher wird auch die Formulierung Spiritualität der Caritas (und analog: Spiritualität der Führung, Spiritualität der Altenpflege, Spiritualität der Suchthilfe etc.) gegenüber der Begrifflichkeit Spiritualität in der Caritas bevorzugt. Geht man von einem solchen existenziellen Spiritualitätsverständnis aus, bedeutet dies zunächst und zuerst: Es gibt keinen unspirituellen Menschen. Jeder hat eine Art, sein Leben und seine Arbeit zu gestalten. Jeder lebt und arbeitet aus einem bestimmten Geist heraus. Und jeder prägt eben dadurch die Spiritualität der Caritas mit. Die große Kunst wird sein, die vielfältigen, je eigenen Spiritualitäten bewusst zu machen und in einen fruchtbaren Dialog zu bringen. Damit haben wir noch keine ge - meinsame Spiritualität, wir haben damit auch noch keine christliche Spiritualität; aber wir haben uns ernsthaft auf den Weg gemacht zu einer Spiritualität, die mehr ist als eine schöne Formulierung auf Papier, und mehr als das Steckenpferd von ein paar spirituellen Spezialisten. 4 Geist und Profil Die Frage nach der Spiritualität und die Suche nach dem Profil hängen unmittelbar zusammen. In gewissem Sinne wird schon Jesus damit konfrontiert. Das Johan nes - evangelium berichtet zu Beginn (Joh 1,35 42), als Jesus Menschen zu Aposteln beruft, von zwei Jüngern, die an ihn zunächst die Frage richten: Meister, wo wohnst du? Wo wohnst Du? das ist nicht die Frage nach Straße oder Gebäude. Es ist die Frage nach der Atmosphäre, die Jesus um sich aufbaut. Seine Antwort lautet lapidar: Kommt und seht! Sie gehen mit ihm und das, was sie in seinem Haus erfahren, wird zum ausschlaggebenden Ar - gument für ihre Bereitschaft, ihr Leben in seine Nach folge zu stellen. Im Grunde spiegelt die Suche nach dem Profil der Caritas die gleiche Frage wieder: Wo wohnst du? Das heißt: Welche Atmosphäre, welcher Geist herrscht bei euch? In welches Haus trete ich ein, wenn ich mich als Mit - arbeiter/in entscheide, meine Lebenszeit, meine Energie, meine Gefühle, meine Person in euren Dienst zu stellen? In welches Haus trete ich ein, wenn ich mich als Klient/in mit all meinen Lebensbrüchen euch anvertraue? Und die Antwort geben nicht Hochglanzbroschüren, feine Leitbilder oder elegante Internetauftritte. Die Antwort kann nur sein: Kommt, und seht! Seht, wie wir in unserem Altenheim miteinander und mit den Bewohnern umgehen. Spürt, welche Atmosphäre in unserer Beratungsstelle herrscht. Atmet etwas von dem Geist, der in unseren Wohn heimen und Werkstätten weht. Das, was Menschen bei uns erleben, das, was in den verschiedenen Häusern, sozialen Diensten, Besprechungen und Konferenzen tatsächlich spürbar wird, das ist unser Profil. Nichts sonst. 4 Dagegen: Mark LaRocca-Pitts, Walking the wards as a spiritual specialist, in: Harvard Divinity Bulletin, 3/2004.

13 12 Christliche Spiritualität Im christlichen Selbstverständnis ist der Geist, der Leben und Arbeiten prägt, der Heilige Geist. Jesus nennt ihn einen Beistand, der für immer bei euch bleiben soll (Joh 14,16). Seit dem Pfingstereignis der Urkirche trauen Christen in ihrem Leben dem Geist Gottes. Vielleicht nicht als Ereignis solch spürbarer Wucht, aber doch in Form wegweisender Zeichen, in Form heilsamer Begegnungen, neuer Perspektiven, neuen Mutes. Und christliche Spiri - tualität wird am Ende wohl dies sein: das Vertrauen auf den Beistand Gottes, den Heiligen Geist. Damit ist nicht gemeint, dass ich nun in die Passivität versinke und nur noch auf Wunder hoffe. Aber es bedeutet doch, dass ich bei allem eigenen Schaffen und Tun auch mit Geschenken Gottes das, was man Gnade nennt rechne. Und in dieser Balance zwischen Tat und Gnade, zwischen Handeln und Geschehenlassen stellt sich als innere Haltung vielleicht das ein, was Romano Guardini einmal den Humor der Erlösten genannt hat. Es wird gut sein, diesem Humor der Erlösten in der sozial-karitativen Ar beit Raum zu geben. Damit daraus ein liebevoller Blick ent springt, der vom Menschen nicht mehr als Mensch - liches erwartet, weil er das Übermenschliche von Gott erhofft. Spiritualität und spirituelle Kultur Sicherlich, der Geist weht, wo er will (Joh 3,8). Welche Spiritualität eine Organisation oder Einrichtung tatsächlich ausbildet, ist nur bis zu einem bestimmten Punkt planbar, darüber hinaus gibt es immer auch etwas Unverfügbares. An einem Ort kann glücken, was am anderen misslingt, ohne dass daran im vordergründigen Sinne jemand oder etwas schuld ist. Auf der anderen Seite setzt die Gnade aber, wie es die Theologie formuliert, die Natur voraus (gratia supponit naturam et perfecit). Und das mag für die Spiritualität in sozialen Einrichtungen ebenso gelten. Es wird sinnvoll sein, bestimmte Rahmenbedingungen schaffen, die es dem Geist Gottes nicht unnötig schwer machen. Spiritualität ist in diesem Sinne durchaus auch eine Frage der Kultur. Nun gedeiht eine spirituelle Kultur selbst in karitativen Or - ganisationen christlicher Provenienz nicht von selbst. Sie bedarf der sorgenden Verantwortung und der bewussten strukturellen Verortung und Vernetzung in der Or ga - nisation. Dazu wurden und werden vielerorts Konzepte entwickelt, Strukturen geschaffen, Kooperationen eingegangen. Einen Weg, diese Herausforderung anzugehen, hat der Caritasverband für Stuttgart in Kooperation mit sechs Einrichtungen der Paul Wilhelm von Keppler-Stif - tung beschritten: die Einrichtung einer eigenen Stelle Mit - arbeiterseelsorge und spirituelle Bildung. Das Projekt Mitarbeiterseelsorge und spirituelle Bildung Im zweiten Teil dieser Publikation wird dieses Projekt noch etwas genauer vorgestellt werden (siehe S. 46 ff). Grund - sätzlich möchte das Angebot, ganz allgemein gesagt, Mit - ar beiterinnen und Mitarbeiter aller Ebenen unterstützen und begleiten bei der Sinndeutung ihrer Erfahrungen und Er lebnisse im Beruf. Es möchte Möglichkeiten aufzeigen, die Arbeit im Sinne des christlichen Welt- und Men schen - bildes zu gestalten. Und es möchte Strukturen und Pro - zesse so mitgestalten, dass sie einer spirituellen Unter neh - mens kultur dienlich sind. Ver ankert ist die Mitar beiter seel - sorge und spirituelle Bil dung in ihren Aufgaben auch im neuen Leitbild des Caritas verbands für Stuttgart, wo die Aus prägung einer spirituellen Kultur ausdrücklich als Un - ter nehmensziel ge nannt wird: Spiritualität hat im Alltag ihren festen Platz, sie prägt das Profil der Einrichtungen und Dienste. 5 Mitarbeiterseelsorge und spirituelle Bildung: zwei Ziele Der betriebswirtschaftliche Grundsatz form follows function gilt auch in Bezug auf die Mitarbeiterseelsorge und spirituelle Bildung. Erst wenn klar ist, wozu etwas gemacht werden soll, kann überlegt werden, was diesem Ziel dient. Was aber sind die Ziele, denen sich die Mitar beiter seel - sorge und spirituelle Bildung verpflichtet weiß? Was soll am Ende als Ertrag stehen? Und wem soll dieser Ertrag zugute kommen? Dass es bei der Zielformulierung im Hinblick auf Spiri - tualität und Seelsorge in karitativen Organisationen nicht selten eine gewisse Unschärfe und Unaus gegorenheit gibt, soll eine kleine Anekdote veranschaulichen: Vor einiger Zeit wurde ich zu einer Diskussions ver anstaltung einer großen diakonischen Einrichtung eingeladen. Der Bogen, unter dem die Tagung stand, war wieder einmal die Suche nach dem besonderen, eigenen, spirituellen Profil. Ich war an gefragt zum Thema: Seelsorge für und durch Mit - arbeitende. Auf den ersten Blick liest sich diese Frage - stell ung relativ unverdächtig. Es geht irgendwie um Seel - sorge und irgendwie um Mitarbeiter/innen. Und irgendwie wird das für und das durch schon miteinander zu tun haben. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber doch ein 5 Das Leitbild des Caritasverbands für Stuttgart, 2007; Rubrik: Unsere Ziele.

14 13 gravierender Unterschied. Seelsorge für Mitarbeitende zu leisten ist etwas grundsätzlich anderes, als durch sie seelsorgerlich tätig zu werden. Im ersten Fall ist die Seelsorge ein Dienst, der den Mitarbeitenden zukommen soll, der ihnen selbst etwas Gutes sein will; sie sind Adressaten und Ziel der Seelsorge. Im zweiten Fall ist die Seelsorge etwas, für das die Mitarbeitenden ihrerseits in den Dienst genommen werden sollen, eine (zusätzliche) Aufgabe also, die an deren zugute kommt. Es lohnt sich sehr, hier von vorneherein klar zu unterscheiden. Beides hat seinen Sinn und sein Recht. Das eine ist nicht auf das andere zu reduzieren und nicht für das andere zu funktionalisieren. Und nicht zu - letzt be darf beides eigener struktureller Voraus set zungen. 6 Ich trete dafür ein, für die Mitarbeiterseelsorge und spirituelle Bildung zwei Zielhorizonte zu benennen: einen externen und einen internen. Im ersten Fall soll die Tätigkeit einen Nutzen für den output der Caritas bringen. Ihr Er - trag dient mittelbar oder unmittelbar den Klientinnen und Klienten, Bewohnerinnen und Bewohnern oder den Ko - opera tionspartnern (Kommune, Staat, Kirche ). Im zweiten Fall dagegen bleibt der Ertrag im Unternehmen, er kommt den Mitarbeitenden selbst zugute. Mutatis mutandis kann man die spirituelle Bildung dem outputorientierten Ziel zuordnen; die Mitarbeiterseelsorge dagegen zielt vor allem auf eine Wirkung nach innen. In der Arbeit mehr Mensch werden Mein Eindruck ist, dass es vielen Organisationen und Ein - richtungen leichter fällt, vom Nutzen für Be woh ner/innen oder Klientinnen und Klienten her zu argumentieren. Dass Mitarbeiterseelsorge (und anders spirituelle Bildung) auch den Mitarbeiterinnen und Mit arbeitern etwas bringt, wird wohl bemerkt. Aber darf man darin einen Selbst - zweck sehen? Muss nicht sogleich darauf verwiesen werden, dass dies dann ja auch der Arbeit zugute kommt? Hier lohnt es sich, einen Blick auf das christliche Grund - verständnis von Arbeit überhaupt zu werfen. Er wird zeigen, dass sich christliche Unternehmen gerade dadurch auszeichnen, dass sie den Wert ihres Tuns nicht nur vom Ertrag für andere her definieren. Ein bedeutsamer theologischer Text, der sich mit Wesen und Wert der Arbeit aus christlicher Sicht auseinandersetzt, ist die Enzyklika Laborem exercens von Papst Johannes Paul II. aus dem Jahr Das Anliegen dieses Schreibens zielt auf eine (neue) Ethik der Arbeit, die der personalen Würde des arbeitenden Menschen entspricht. Johannes Paul II. geht dabei von der kirchlichen Tradition aus, die die menschliche Arbeit im biblischen Herr - schaftsauftrag (Gen 1,28) verankert sieht: Wenn dieser [der Mensch; J.R.],,als Gottes Abbild als Mann und Frau geschaffen, die Worte hört:,seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde und macht sie euch untertan, so beziehen sich diese Worte zwar nicht direkt und ausdrücklich auf die Arbeit des Menschen, weisen ihn jedoch zweifellos indirekt schon darauf hin als auf eine Tätigkeit, die er in der Welt zu verrichten hat. Ja, sie zeigen bereits ihr tiefstes Wesen auf. Der Mensch ist unter anderem deshalb Abbild Gottes, weil er von seinem Schöpfer den Auftrag empfangen hat, sich die Erde zu unterwerfen und sie zu beherrschen. Indem er diesen Auftrag erfüllt, spiegelt der Mensch und jeder Mensch das Wirken des Wel ten - schöpfers selber wider. (LE II,4) Das Christentum sieht darin den Auftrag zur Welt - gestaltung im umfassenden Sinne. Durch seine Arbeit Arbeit als Gesamtbegriff für das geistige und körperliche Schaffen des Menschen baut der Mensch das Ge - schaffene im Sinne Gottes weiter. Die Naturwelt wird zur Menschenwelt, zur Lebenswelt der Person. Entscheidend für das weitere Verständnis ist nun eine Differenzierung, die die Enzyklika anbringt: Sie unterscheidet zwischen dem objektiven und dem subjektiven Sinn von Arbeit. Der objektive Sinn der Arbeit liegt in dem, was sie als Objekt hervorbringt; in den Produkten also, den Dienst leistungen, den Prozessen uvm. Neutestamentlich gesprochen wären das die guten Früchte, die aus der Arbeit erwachsen zum Nutzen für andere. Dieser objektive Sinn der Arbeit ist für das Christentum aber nicht der einzige und am Ende auch nicht der entscheidende. Arbeit hat auch einen subjektiven Sinn, d. h. eine Bedeutung für den Menschen, der sie tut. Sie ist ein Weg für ihn, sein Personsein zu verwirklichen. Als Person arbeitet er und vollzieht die verschiedenen Handlungen, die zum Arbeitsprozess gehören; und unabhängig von ihrem objektiven Inhalt müssen diese alle der Verwirklichung seines Menschseins dienen, der Erfüllung seiner Berufung zum Personsein, die ihm eben aufgrund seines Menschseins eigen ist. (LE II,6) Der Papst verwendet für diesen zweiten Sinn von Arbeit eine schöne Formulierung: In der Arbeit mehr Mensch werden. Die Arbeit ist ein Gut für den Menschen für sein Menschsein, weil er durch die Arbeit nicht nur die Natur umwandelt und seinen Bedürfnissen anpasst, son dern auch sich selbst als Mensch verwirklicht, ja ge - wissermaßen,mehr Mensch wird. (LE II,9) 6 Meines Erachtens gibt es auch in manchen Seelsorgekonzepten eine gewisse Vermischung. Die verschiedenen Zielgruppen werden z. T. nicht klar genug als solche benannt. Meist wird die Mitarbeiterseelsorge der Bewohnerseelsorge zu- und untergeordnet

15 14 In der Arbeit mehr Mensch zu werden setzt eine innere und äußere Freiheit voraus. Es setzt voraus, dass der Mensch Herr über seine Arbeit ist. Zu betonen, dass der Mensch Herr über seine Arbeit bleiben muss und nicht umgekehrt, die Arbeit Macht über den Menschen gewinnen darf, ist gerade in der heutigen Zeit nicht überflüssig. Zu oft kommt es vor, dass scheinbare Sachzwänge materieller oder psychologischer Natur dieses Grundverhältnis umkehren. So wichtig Karriere, Wirtschaftskraft, Unternehmenszahlen sein mögen, ihr Wert bleibt immer relativ: bezogen auf die personale Entwicklung des Menschen. In Abwandlung des Jesus-Wortes vom Sinn des Sabbat-Gebotes (Ex 20,8 11; Dtn 5,12 15) formuliert Johannes Paul II.: Die erste Grundlage für den Wert der Arbeit [ist] der Mensch selbst, ihr Subjekt. Hiermit verbindet sich so - gleich eine sehr wichtige Schlussfolgerung ethischer Natur: So wahr es auch ist, dass der Mensch zur Arbeit bestimmt und berufen ist, so ist doch in erster Linie die Arbeit für den Menschen da und nicht der Mensch für die Arbeit. (LE VI,6) Auch in der sozialen Arbeit gibt es vermeintliche oder tatsächliche Sachzwänge, die der Gefahr einer schleichenden Funktionalisierung der Mitarbeitenden Vorschub leisten. Die Geschichte der kirchlichen Caritas kennt denn auch Zeiten, in denen eine Spiritualität der Selbst aus - beutung (Isidor Baumgartner) zur herrschenden Ar beit - sethik geworden ist. Das scheinbar soziale Gesicht dieser Arbeitsauffassung, der Hinweis auf die Not lei denden, denen der Einsatz zugute kommt, hat hier lange das zerstörerische Moment überdecken können. Wirklich christlich aber ist das nicht, im Gegenteil: Es ist eine subtile Form der Vergötzung der (sozialen) Arbeit. Die Enzyklika wählt harte Worte, um zu zeigen, dass kein Nutzen und sei er noch so sozial den Verschleiß des arbeitenden Men schen rechtfertigt. Gleichviel, welche Arbeit der einzelne verrichtet, und unterstellt, diese Arbeit habe ein vielleicht starken Einsatz erforderndes Ergebnis, auf das das Bemühen abzielt, so kommt dennoch diesem Ergebnis kein eigener und endgültiger Wert zu. Ziel der Arbeit, und zwar jedweder Arbeit bleibt letztendlich doch immer der Mensch selbst. (LE II,6) Konsequent nimmt die Enzyklika nicht nur die äußeren Anforderungen, sondern auch die innere Haltung in den Blick, die Art, wie jemand sich der Arbeit verschreibt. Wir sprechen gerne von high-performance, von Topleistern mit überdurchschnittlichem Arbeitspensum oder ganz altmodisch vom Fleiß. Und gerade in der sozialen Arbeit gibt es durchaus ein gewisses Ethos, ein bisschen mehr zu machen, nicht auf die Stunden zu schauen etc. Aber eine hohe Arbeitslast ist aus christlicher Sicht für sich ge - nommen noch keine Tugend. Die hervorgebrachten Ergeb nisse sind nur die eine Hälfte, die zur Bewertung steht die andere ist das, was dabei mit dem eigenen Menschsein geschieht. Christliche Unternehmen tragen hier eine besondere Verantwortung, die innere Arbeits be - reit schaft ihrer Mitarbeiter/innen nicht zur (Selbst-)Aus beu - tung verkommen zu lassen. [Es gibt eine] moralische Verpflichtung, den Fleiß als Tugend mit einer sozialen Ordnung zu verbinden, die es dem Menschen erlaubt, in der Arbeit,mehr Mensch zu werden, statt sich ihretwegen zu erniedrigen und nicht nur seine Körperkräfte zu verbrauchen (was ja wenigstens zu einem gewissen Grad unvermeidlich ist), sondern sogar seine ureigene Würde und Personalität verletzt zu sehen. (LE II,9) Was folgt daraus für die Mitarbeiterseelsorge und die spirituelle Bildung? Vor allem die Mitarbeiterseelsorge wird in einer besonderen Weise zum Anwalt dieser subjektiven Dimension von Arbeit werden. Sie wird immer und immer wieder darauf hinweisen, dass zu einem christlichen Profil sozialer Einrichtungen nicht nur die guten Früchte gehören. Christliche Unternehmen haben ein zweites Ziel, das den Produkten ebenbürtig ist: die Mitarbeitenden und Mitarbeitende meint hier alle, vom Praktikant bis zum Vorstand sollen selbst mehr Mensch werden. Die kontinuierliche Reflexion darüber, ob und inwieweit ich mehr Mensch werde, ist in der sozialen Arbeit längst nicht selbstverständlich. Es braucht Momente der Un ter - brechung, Zeiten und Räume des bewussten Heraus- und Zurücktretens, um sich selbst in den Blick zu bekommen. Die spirituelle Kultur einer karitativen Einrichtung wird sich nicht zuletzt dadurch beglaubigen, dass sie heilsame Unterbrechungen, in denen das Menschsein der Mit - arbeitenden zum Thema werden kann, zulässt und fördert. Mitarbeiterseelsorge, spirituelle Bildung, spirituelle Kultur Im Verlaufe des Projekts haben sich drei große Arbeitsschwerpunkte herausgebildet, die sich inhaltlich und von den Zielen, die sie verfolgen, deutlich voneinander unterscheiden. Der eine Bereich fällt unter das Stichwort Mitarbeiterseelsorge. Er umreißt ein Bündel konkreter Dienstleistungen für Mitarbeitende, die alle der persönlichen Stärkung und dem seelischen Wachstum dienen. Der Zielsatz, dem sich die Angebote verpflichtet wissen, lautet: In der Arbeit mehr Mensch werden (s.o.). Der zweite Tätigkeitsbereich steht unter der Überschrift Spirituelle Bildung. Hier geht es um die Gestaltung und

16 15 Steuerung von Lern- und Bildungsprozessen. Seine Zielgröße soll spirituelle Kompetenz genannt werden. Die dritte Säule der Tätigkeit bezieht sich nicht mehr auf Personen, sondern auf Strukturen und Prozesse. Es geht in ihr um die Mitgestaltung von Elementen, in denen die Spiri tualität des Unternehmens Caritas konkret wird, also etwa: Rahmenbedingungen, Kommunikationsprozesse, formelle und informelle Verhaltenscodices, ausgewählte Projekte und Prozesse etc. Zielgröße ist hier die spirituelle Kultur. 7 Alle drei Tätigkeitsfelder wollen auf ihre Weise mithelfen bei der Gestaltung einer heilsamen Spiritualität der Caritas. Die Hoffnung ist, dass die Bereiche und Einrichtungen der Caritas für viele Menschen Mitarbeiter/innen, Klientinnen und Klienten, Bewohner/innen, Partner/innen zu Erlebnisräumen werden, wo etwas spürbar wird von dem Geist, den wir den Heiligen den heil machenden Geist nennen. 8 7 Eine ausführlichere Studie, die die theoretischen Grundlagen darstellt und die im Projekt gemachten Erfahrungen auswertet, erscheint im Frühjahr 2009: Joachim Reber, Spiritualität in sozialen Unternehmen. Mitarbeiterseelsorge, spirituelle Bildung, spirituelle Kultur, Stuttgart Siehe dazu auch die Rede von Bischof Dr. Gebhard Fürst beim Be geg - nungstag mit den Verantwortlichen der karitativ tätigen Einrichtungen Die missionarische Kirche und ihr konkret karitatives Profil, gehalten in Weingarten am 19. September 2008.

17 16 Caritasverband der Diözese Rotten burg-stuttgart e. V. Diözesangeschäftsstelle Leitung Verbands- und Strategieentwicklung Der Caritasverband der Diözese Rotten - burg-stuttgart ist die Zu sam men - fassung und Vertretung der verbandlichen Caritas in Würt - tem berg. Als Spit zen ver - band der freien Wohl - fahrtspflege vertritt der Diö ze san cari - tas verband rund 1900 katholische Einrichtungen und Dienste in allen Sparten der sozialen und pflegerischen Arbeit. Die Einrichtungen Schwarzwald-Gäu Schwarz- wald-alb- Donau Ludwigsburg- Waiblingen-Enz Stuttgart Heilbronn- Hohenlohe Fils-Neckar-Alb Biberach Ost-Württemberg Bodensee- Oberschwaben und Dienste verfügen insgesamt über Plätze und betreuen weit über Menschen pro Jahr. In ihnen sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hauptamtlich und Frauen und Männer ehrenamtlich beschäftigt. Als Träger von neun Caritas-Regionen mit insgesamt 41 Caritas-Zentren ist der Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart flächendeckend in der Diözese aktiv. Die Leitung Verbands- und Strategieentwicklung des Diö - zesan caritasverbandes beschäftigt sich mit Zukunfts- und Grundsatzfragen im Kontext des Verbandes, konzipiert und begleitet Strategieentwicklungsprozesse und trägt zur Lösung komplexer Problemstellungen auf Verbandsebene bei. Ulm Kontakt: Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart Leitung Verbands- und Strategieentwicklung Strombergstraße Stuttgart Tel.: info@caritas-dicvrs.de Internet: Sigrid Zinnecker Maßlose Spiritualität Gedanken zur Spiritualität in Organisationen Kein Wort aus dem christlichen Umfeld hat während der letzten Jahre in der breiten Öffentlichkeit so viel an Boden gewonnen wie Spiritualität. Kaum zählbare Veröffent lich - ungen umkreisen Spiritualität: ein Modewort zur Be zeich - nung höchst disparater Angebote, Übungen, Traditionen, Zustände, Gefühle und Wirklichkeits deu tungen. Da Spiritualität gegenwärtig eine höchst schillernde Ver - wendung findet, könnte Maßlosigkeit als eines ihrer Merk - male genannt werden. Viele, auch gegensätzliche und einander ausschließende Phäno mene werden als Spiritualität klassifiziert. Klö ster - liche Lebensformen, Exerzitien und Einkehrtage oder die geist liche Rhythmik des Kirchenjahres, aber auch der Tanz der Derwische, die dem Indianischen nachempfundene Naturandacht oder die hohe Schule des Zen, ferner auch Garten- und Wohnraumgestaltung nach dem Muster des Feng Shui oder das Wir-Gefühl auf der Tribüne des VfB- Stadions lassen sich unschwer unter dem Oberbegriff der Spiritualität durchdeklinieren. In profanen Lebensbereichen wird das Spirituelle längst von Esoterik, Horoskopastrologie oder Parapsychologie be ansprucht. Aber nicht nur die Ausdehnung in das Profane macht Spiritualität fast unbeschreiblich, so ist im Lexikon für Theologie und Kirche zu lesen: Da S. nur in persönlicher Mentalität lebt, gilt zuerst: Es gibt so viele S.en wie es spirituelle Menschen gibt. 1 Allein die Bedeutungsvielfalt und die Unbestimmtheit des Begriffes Spiritualität, verbunden mit dem Anspruch an unterschiedliche Wirkungsebenen, lassen Spiritualität allzu oft zu einem unspezifischen Etwas werden. Der Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart versucht, die Spiritualität - entgegen dem Trend der Zeit - nicht nur als persönliche Lebensäußerung zu begreifen, sondern holt die Spiritualität in die Organisation und erwartet Wirkung auf unterschiedlichen Handlungsebenen indem die karitativen Einrichtungen in der Diözese als Orte sichtbar werden, an denen die Menschenwürde geachtet, 1 Josef Sudbrack. V. Typologien. In: Walter Kasper (Hg). Lexikon für Theologie und Kirche. Freiburg i. Br S Bd. 9.

18 17 Solidarität erfahrbar und die Hilfe zur Selbsthilfe gestärkt werden. 2 Vieldeutiges, wie eben Spiritualität, führt im Unternehmen, in der Organisation zu der Frage nach Kriterien, also nach fundierten Prüf- und Unterscheidungsmerkmalen. Der Be - darf, Realität zu gestalten, Komplexität in Machbares und Verstehbares zu übersetzen, der Wunsch nach Steuerung und Management ist konstitutiv für Organisationen. Input und Output müssen kontrolliert werden, damit die be - grenzt zur Verfügung stehenden Ressourcen möglichst wirkungsvoll eingesetzt werden können. Das ist unstrittig. Stra tegie entwicklung, Organisations- und Personal - entwicklung, Qualitätsmanagement, Balanced Scorecard, Risikomanagement, Budgetierung, Benchmarking und andere Kennzahlensysteme sind dafür etablierte Metho - den und Instrumente. Spätestens seit Spiritualität als profilbildendes Phänomen oder auch strategisches Gut der Caritas (wieder) entdeckt wurde 3, gibt es Versuche, auch Spiritualität zu messen, zu managen, vergleichbar zu machen, zu controllen. Es wird probiert, Spiritualität zur cashcow in Port folio - strategien zu verarbeiten, mit der Balanced Scorecard in mindestens vier Perspektiven zu zerlegen, um sie anschließend über Maßnahmen und Kennzahlen wieder zusammenzufügen. In Qualitätshandbüchern finden sich sezierte Teile von Spiritualität Seiten füllend in Prozessen dokumentiert. In der Personalentwicklung wird inzwischen spirituelle Kom petenz als Kernkompetenz der Mitarbeitenden in karitativen Einrichtungen postuliert. Auch ökonomisch gibt es die Notwendigkeit, Spiritualität zu vermessen hinsichtlich ihres Marktwertes, der Inves ti - tions kosten, der potenziellen Renditesteigerung; denn Spiri tualität scheint keinen messbaren marktgängigen Preis zu haben. Fehlen nur noch eher geometrisch orientierte Fragen, die Antworten verlangen zu Umfang, Höhe, Breite, Tiefe, Fläche, Durchmesser, Radius der Spiritualität und einen neuen Satz des Pythagoras anstreben. Und auch physikalisch könnte das spezifische Gewicht von Spiritualität, (zur Erinnerung: das Verhältnis der Ge - wichtskraft eines Körpers zu seinem Volumen) interessieren. Trotz aller Bemühungen, Versuche und Ergebnisse, wurde der Durchbruch im Vorhaben Spiritualität zu vermessen, zu operationalisieren, zu standardisieren oder managerabel zu machen, noch nicht erreicht. Dennoch ist es erforderlich, Maßstäbe zu finden, mit denen man messen und wer- ten kann, damit keine willkürlich subjektivistischen Stand - punkte oder rein individuelle Einschätzungen zum ge - nerellen Maßstab werden. Spiritualität als maßloses, nicht messbares Phänomen ge - sehen, lässt sich folgendermaßen charakterisieren: Spiritualität ist kaum mit herkömmlichen Kategorien und Instrumenten zu fassen, allenfalls sind Oberflächen be - schreibungen, Strukturen und Rahmen bedingungs ge - füge zu skizzieren. Spiritualität birgt eine kaum beschreibbare Vielfalt an inhaltlichen wie auch praktizierten Formen. Spiritualität hat eine enorme Bindungskraft und breitet sich weiter aus. Vielleicht könnte die an dieser Stelle zunächst eintretende Sprachlosigkeit mit einer Analogie überbrückt werden: In der botanischen Welt kann bei fast allen Pflanzenarten deren Vermehrung beobachtet werden, wozu viel Wissen über die Eigenschaften der Pflanzen erforderlich ist. Interessanterweise sind gerade Eigenschaften und Popu - lation des Gewöhnlichen Löwenzahns noch nicht vollständig erkundet, da sich durch die Befruchtung jeweils die genetische Struktur ändert, so dass er in vielfältigen, für das bloße Auge nicht unterscheidbaren Formen auftritt. Trotzdem erkennen wir den Löwenzahn mit seinen satten gelben Blüten wieder und als Pusteblume löst er Ima - ginationen aus, ganz zu schweigen von seiner unerschöpflichen Verbreitung. Das heißt, Löwenzahn vermehrt sich, obwohl er nicht rundum beobachtbar und vermessbar ist. Jede Analogie hat ihre Grenzen, dennoch soll das An - regende herausfiltriert werden: Spiritualität als maßloses Phänomen gedacht, kann existieren und wachsen, auch ohne exakte Steuerung, Planung und Übersicht; eine gleichermaßen beruhigende wie beunruhigende Vorstellung. Die Frage bleibt, wie Wachstum und Wirkung von Spiri tua - lität in Organisationen beeinflusst werden können. Auch bleibt die Ungewissheit, ob Spiritualität mehr Geltung und Bedeutung in Organisationen erlangen würde, wenn es mehr objektivierbare Maßstäbe für sie gäbe. Schließlich er - kennen wir den Löwenzahn ja wohl nur deswegen, weil wir gelernt haben, wie er aussieht auch ohne ihn bis ins Letzte zu verstehen. 2 Aufmerksam Entschieden Eigensinnig. Strategische Ziele Herausgeber: Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart e. V. Stuttgart. Juni Die aktuelle Neuthematisierung von Spiritualität... erwächst... aus den Alltagserfahrungen der Sozialen Arbeit selbst, die neu nach dem Geist von Menschen und Organisationen fragen lassen.[...] Im Schatten einer dominant gewordenen Ökonomisierung Sozialer Arbeit zeichnet sich so unverkennbar eine Renaissance spiritueller Fragestellungen ab. Rainer Krockauer. Diakonische Spiritualität. In: Rainer Krockauer, Stephanie Bohlen, Markus Lehner (Hg.): Theologie und Soziale Arbeit. München S. 320.

19 18 Spiritualität in all ihrer Maßlosigkeit ist nicht gänzlich unbeobachtbar oder ohne Einfluss. Vielmehr müssten sich die Be obachtungsformen und Steuerungslogiken auf diese spezifischen Bedingungen einstellen. Das LernZentrum Saarbrücken versucht das Spezifische zu berücksichtigen und hat einen Prüfzyklus christlicher Spiri tualität entwickelt, der das Maßlose konkretisiert. Er - fahrbarkeit ist darin das zentrale Motiv. Spiritualität wird über die Frage erschlossen, wie es gelingen kann, Er fah - rungen zu vermitteln, die Menschen in der Begegnung mit Jesus von Nazaret gemacht haben. Vier Situationen lassen sich biblisch identifizieren, die, wenn sie in den individuellen und organisatorischen Kon - text übertragen werden, eine eigene spirituelle Dynamik entfalten. Im LernZentrum wurden zu diesen vier Er fah - rungs-archetypen Unterbrechung, Einladung, Berührung und Sendung unterstützende Haltungen für die Mitar bei - tenden und Führenden herausgearbeitet. Um jedoch jene exis tenziellen Erfahrungssituationen hervorzubringen, müssen in einer Organisation Anlässe geschaffen und vorbe reitende Strukturen eingeführt werden. Anhand der drei Merkmale (Grunderfahrungen, Haltungen, Strukturen) wird, nach der Idee des LernZentrums, christliche Spiritualität zyklisch überprüfbar und dadurch zum fortwährenden individuellen und organsiationalen Lern pro - zess: Grunderfahrungen Haltungen Strukturen Unterbrechung Achtsamkeit Reflexions-Kultur Einladung Dankbarkeit Feedback-Kultur Berührung Barmherzigkeit Fehler-Kultur Sendung Gelassenheit Projekt-Kultur Spiritualität soll hier nicht als Leistung missverstanden werden. Unterbrechung, Einladung, Berührung und Sen dung sind Angebote, besser noch Geschenke. Die Organisation antwortet idealtypisch darauf mit Struk - turen, die Selbstreflexion, Lernfähigkeit, Ver söhnungs be - reitschaft und Innovationsfähigkeit im Sinne des Evangeliums fördern. 4 An diesem Modell ist zu sehen: Wenn wir Spiritualität als normative und identitätsstiftende Größe auf der jeweiligen Organisationsebene, in den karitativen Angeboten und Dienstleistungen und auf der personalen Ebene denken, dann wächst die Komplexität von Spiritualität auch in Bezug auf Steuerung und Evaluierung. Aus der Formenund Bedeutungsvielfalt von Spiritualität entstehen, je nachdem, worauf der Fokus gerichtet wird, neue Zusam men - hänge, die einer nach Objektivität strebenden Be - obachtung zugänglich sein können. Vier Beispiele: Wird die Vielgestaltigkeit von Spiritualität in den Mittelpunkt gestellt, könnte ein beobachtbares Kriterium von Spiri - tualität Ausdrucksformen von Spiritualität bei Einzelnen, in Teams, in Organisationen sein. Läge der Fokus mehr auf der Gemeinschaftsverträglichkeit von Spiritualität und weniger auf der Individualität, wäre ein Indikator, der dies sichtbar macht, die gemeinschaftsunterstützenden Sozialformen, die eine Auseinandersetzung mit Spiritualität fördern. Würde Spiritualität mit Paul Zulehner beschrieben als Ver - wirk lichung des Glaubens unter den konkreten Lebens be - dingungen, könnte der Blick auf bestimmte Lebenslagen ge richtet werden: Welche Unterstützung (Angebote) im Glau bensvollzug geben die einzelnen Einrichtungen ihren Be wohnern, Patientinnen, Hilfebedürftigen in bestimmten Lebenslagen (z. B. Räume, Ästhetik, Riten, Symbole, Ta gesstruktur...)? Ginge es um das Sinnstiftende, könnte als Maßstab, spirituelle Deutungsangebote in der helfenden Beziehung, in der Arbeit... herangezogen werden. Daraus lassen sich Ziele, Maßnahmen, Strukturen entwickeln. Gleichzeitig wird die inhaltliche Heterogenität von Spi ri tualitäts-konzepten durch Handlungsvollzüge karitativer Arbeit widergespiegelt. Erst die Suche nach den Potenzialen und Dimensionen einer karitativen Spiritualität kann das Maßlose, nicht Mess bare überwinden. Wenn Soziale Arbeit über das Gegebene nicht hinausdenkt und hinausgeht, gäbe sie sich selbst auf, wäre sie doch vor der Normativität des Faktischen nicht mehr zu retten. 5 Die Aufgaben des Diözesancaritasverbandes bestehen folglich darin, sich mit der Maßlosigkeit von Spiritualität entlang der Querschnittsaufgaben des Verbandes Moni - to ring/strategieentwicklung, Koordination/Vertretung und Modellbildung/Modellmarketing auseinander zu setzen. Der Diözesancaritasverband kann nicht darin verweilen, Angebote und Modelle zu entwickeln und durchzuführen, 4 Thomas Schmidt. Qualitätskriterien auf dem Prüfstand. Zur Spiritualität kirchlicher Krankenhäuser. In: Krankendienst 5 (2005). 5 Michael N. Ebertz. Es muss doch etwas Höheres geben - Transzendenz - erfahrungen und Soziale Arbeit. In Rainer Krockauer, Stephanie Bohlen, Markus Lehner (Hg.). Theologie und Soziale Arbeit. München S. 67.

20 19 um die persönliche Spiritualität der Mitarbeitenden zu entfalten, dies ist zunächst bei jedem einzelnen Träger zu verorten. Die Aufgabe des Verbandes geht darüber hinaus, nämlich Spiritualität als Phänomen zu beobachten und deren Wir - kung und Wachstum zu bewerten, um daraus Schlüsse zu ziehen, welche Maßnahmen erforderlich werden. Spiritualitätskonzepte sind zu rezipieren, um diakonische Spiritualität als eigene Größe herauszuarbeiten. Diako - nische Spiritualität braucht Gemeinschaftsformen, kollektive Interpretationen und Erlebniswelten, die zurück in das Alltagshandeln in die Organisationen fließen. Jedoch darf den einzelnen Mitarbeitenden nicht Verantwortung für das Spiritualitätsverständnis ihrer Einrichtung zugemutet werden. Die maßlose Spiritualität verleitet schnell dazu, indivi- dualisiert zu werden und dadurch wird sich eher das Maß - lose verbreiten, nicht das Spirituelle. Organisationstheoretisch zusammengefasst: In diesem Sinne geht es auf Verbandsebene unter anderem darum, die sinnbezogenen Muster, die aus den geteilten, die Ver - bandsidentität gewährleistenden caritaskulturellen Werten und Normen hervorgegangen sind, als die grundlegenden Merkmale des gemeinsamen Bezugsrahmens von Spiri - tualität zu verdeutlichen. 6 6 Vgl. Probst, G. Organisation. Strukturen, Lenkungsinstrumente, Entwicklungsperspektiven. Landsberg/Lech S Ottmar Fuchs/ Dorothee Steiof Caritas-Spiritualität als Moment einer missionarischen Pastoral Theologische Impulse und Leitfragen Spiritualität, Pastoral, Mission? Drei Begriffe, die zurzeit immer wieder in Verbindung mit Caritas genannt werden. So spricht z. B. Bischof Fürst in seiner Neujahrsansprache 2008 vom Weg der Volkskirche hin zu einer missionarischen Kirche im Volk und weist in diesem Prozess der Caritas ein wichtige Rolle zu. Hierbei stellen sich viele Fragen: Wie verhält sich karitative Tätigkeit zur Pastoral der Kirche? Ist Caritas missionarisch? Wie ist Mission im Geiste des Evangeliums zu verstehen? Der Caritasverband Rottenburg-Stuttgart hat sich daher auf einer Ver an - staltung für Führungskräfte unter dem Titel Missio- narische Caritas?!? mit diesen Fragen beschäftigt. 1 Als Referent gab Professor Ottmar Fuchs von der Katholisch- Theologischen Fakultät in Tübingen hierzu wichtige Impulse. Im Folgenden werden wesentliche Inhalte des Vortrags von Professor Fuchs und der anschließenden Diskussion mit den Teilnehmenden wiedergegeben. Pastoral Den Begriff Pastoral verwendete man früher gemeint ist die Zeit vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil ( ) ausschließlich für die Tätigkeit der Priester. Als Inhalt der Pastoral galt die Glaubensunterweisung (Katechese), Seelsorge, die Spendung der Sakramente und Fragen der Lebensführung (Moral). Auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist dann ein weiterer Begriff von Pastoral entwickelt worden: Pastoral im Sinne des Zweiten Vaticanums umfasst nun alle getauften Gläubigen (nicht nur die Hauptamtlichen oder Priester). Auch der Inhalt der Pastoral wird nun ganzheitlicher verstanden: Die Kirche bezeichnet mit Pastoral alle Erfahrungen und Handlungen der Gläubigen, die sich sowohl auf die Gottesliebe als auch auf die Nächstenliebe beziehen. Mit Pastoral meinen wir daher nicht nur die Feier der Sakramente und die Verkündigung des Glaubens, sondern ebenso den Bereich von Nächstenliebe und Diakonie (Caritas). All diese Vollzüge gehören zur Pastoral der Kirche. Daher gilt: Caritas ist Pastoral! Karitatives Handeln verwirklicht die Pastoral der Kirche. 1 Gemeint ist der Führungskräfte-Dialog vom Juni 2008 im Zentrum für karitativ-diakonische Spiritualität Tabor in Reute.

21 20 Die bedingungslose Liebe Gottes zu allen Menschen als Quelle und Orientierung Quelle und Orientierung für diese Pastoral ist die bedingungslose Liebe Gottes zu allen Menschen, wie sie in den Taten und Worten Jesu Christi, dem guten Hirten erfahrbar wird. Diese Liebe Gottes gilt allen Menschen unabhängig davon, ob diese Menschen an Gott glauben oder der Kirche angehören. Glaube ist keine Bedingung seiner Liebe! Gottes Liebe ist wie Gott selbst universal und grenzenlos! Sie kennt kein wenn, dann...! Diese bedingungslose Liebe ist der erste Inhalt des christlichen Glaubens. Aus christlicher Perspektive lässt sich daher das Wort Glaube folgendermaßen übersetzen: Ein Bewusstsein von der bedingungslosen Liebe Gottes zu allen Menschen haben und aus diesem Bewusstsein heraus leben. Mission (lat. = Sendung ) Missionarische Caritas Was könnte auf diesem Hintergrund Mission bzw. missionarische Caritas bedeuten? Wie können Mitarbeitende der Caritas im Sinne des Evangeliums missionarisch handeln? Jede Rede von Mission bezieht sich auf einen Glauben, wie er oben skizziert wurde: Dass alle Menschen von Gott bedingungslos geliebt sind! Diese Liebe ist Inhalt und Ziel jedes missionarischen Handelns. Mission bedeutet, diese bedingungslose Liebe für Menschen erfahrbar werden zu lassen. Gelebte Caritas hat daher in sich missionarische Qualität. Eine missionarische Dynamik entfaltet sich hierbei in zwei Richtungen: Missionarisches Handeln schöpft aus der Quelle dieser Erfahrung der bedingungslosen Liebe Gottes zu allen Menschen. Die erste Frage an eine missionarische Caritas lautet daher: Wie können wir uns als Mitarbeitende gegenseitig bestärken, dieser bedingungslosen Liebe zu trauen, dieses Geschenk der Liebe Gottes anzunehmen und aus dieser Liebe heraus zu leben? Wie können wir Zeiten und Räume finden, diese Quelle immer wieder neu aufzusuchen und sie uns schenken zu lassen? Wo bekommen wir Kraft bzw. was hilft uns, die eigene Mission zu leben? Wie es die Geschichte der Fußwaschung im Jo h a n nes - evangelium anschaulich zeigt (vgl. Joh 13): Wie können wir wie Petrus das Vertrauen entwickeln, dass Gott selbst uns in Jesus Christus die Füße waschen möchte? Mission bezeichnet zweitens: Caritasmitarbeiter/innen sind Gesandte! Wir alle sind gesandt, diese Erfahrung der Gottesliebe an andere Menschen weiterzuschenken in Wort und Tat (Caritas). Mission benennt hierbei die Dynamik der notwendigen Weitergabe dieser Erfahrung. Die Rede von einer missionarischer Caritas bringt zum Ausdruck: Caritas ist immer notwendig! Wir können damit nie aufhören! Es drängt uns, Nächstenliebe allen Menschen zugute kommen zu lassen, auch wenn wir wissen, dass nie alle Menschen erreicht werden können. Es gibt eine Verfasstheit der Welt, für die der Mensch nicht alleine verantwortlich ist. Karitatives Handeln steht daher immer in der Spannung zwischen faktischer Unmöglichkeit und prinzipieller Notwendigkeit (vgl. Mk 16,15) 2. Diese Spannung kann nie aufgelöst werden. In einer missionarischen Caritas stellt sich daher die Frage: Was ist unsere Sendung? Wofür möchten wir stehen? Wo sehen wir unsere Verantwortung? Wichtige Aspekte einer missionarischen Caritas mögliche Missverständnisse Gnade vor Auftrag: Mission ist kein Überforderungsprogramm (1) Die bedingungslose Liebe Gottes schenkt das Vertrauen, vor Gott nichts tun oder leisten zu müssen: Wir sind uns geschenkt! Aus dieser Erfahrung speist sich unsere Sendung zu den Menschen. Erst aus dieser Erfahrung heraus wird Hingabe möglich. Zu einer missionarischen Caritas gehören daher immer wieder Momente der Ruhe und der Unterbrechung, um sich für diese Erfahrung der Liebe zu öffnen, sich ganz Gott zuzuwenden und um auszuruhen von den An - strengungen der Arbeit. Jesus selbst hat diese Spannung von Aktivität einerseits und den ebenso not wendigen Momenten des Rückzugs, des Aus - ruhens und des Gebets andererseits vorgelebt, obwohl er um die vielfältige Not in seiner Umgebung wusste (vgl. z. B. Lk 5,15 16). Und er lädt auch seine Jünger zu solchen Momenten ein: Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus. (Mk 6,31). 2 Ottmar Fuchs, unveröffentlichtes Manuskript: Sieben Thesen zur missionarischen Pastoral, 2.

22 21 Caritas hat daher einen doppelten Missionsauftrag: zur Ruhe und zur Tat, damit die Pastoral nicht in selbstzerstörerischem Aktivismus erstickt und ihre Wurzeln in der Gnade Gottes verliert, und damit aber auch umgekehrt die Pastoral sich nicht in Trägheit zur Ruhe setzt und das Erreichte, das doch immer Vorletztes ist, als Letztes betrachtet. 3 (2) Eine missionarische Caritas ist eine Caritas, die sich für das Wohl der Menschen verausgabt, auch wenn diese Menschen sich nicht für den Glauben an die unbedingte Liebe Gottes öffnen oder sich in die Kirche integrieren können bzw. wollen. Karitatives Tun darf mit der Entlastung geschehen, dies weder im Griff haben zu können noch zu müssen. Solch eine Öffnung bleibt Geschenk und ist nicht steuerbar. Mission ist nicht mit Mitgliederwerbung zu verwechseln: Nicht die Kirche, sondern die Liebe ist das Ziel, auch für die Kirche. 4 (3) Die Gegenwart Gottes ist nicht auf den Raum der Kirche beschränkt. Der Satz Gott kommt vor dem Missionar fasst diesen Glauben an die universale Gegenwart Gottes in der Welt pointiert zusammen. Mission ist keine Einbahnstraße, sondern ein Be geg - nungs- und Kommunikationsgeschehen (= eine Spiritualität des Entdeckens und Empfangens, nicht nur des Gebens). Eine missionarische Caritas begleiten die Fragen: Wo entdecken wir in unserem karitativen Handeln Spuren der Gottesgegenwart? Was empfangen wir von den Men - schen, denen wir begegnen? Wie verändern uns diese Erfahrungen? 3 Ebd., 3. 4 Ebd., 6.

23 22 Caritas-Spiritualität Unternehmenskultur Stiftung Haus Lindenhof Die Stiftung Haus Lindenhof hilft alten und behinderten Menschen, selbstbestimmt und würdevoll zu leben. Wohnen, Pflege, Bildung und Arbeit sind Schwerpunkte ihres Engagements. Die Stiftung wurde 1971 als gemeinnützige GmbH gegründet und 1986 in eine kirchliche Stiftung umgewandelt. Heute hat sie in Ostwürttemberg 1200 Mitarbeiter in 22 Einrichtungen bzw. Angeboten für rund 1400 Menschen. Zur Stiftung Haus Lindenhof gehören: vier Wohneinrichtungen mit Wohngemeinschaften zwei Werkstätten für Menschen mit Behinderung ein Förder- und Betreuungsbereich für schwerstbehinderte Menschen ein Kompetenzzentrum Arbeit eine private Schule für Menschen mit geistiger Behinderung in Schwäbisch Gmünd zwei Beratungsstellen für Menschen mit Behinderung zehn Altenpflegeheime sowie acht Betreute Seniorenwohnanlagen Schwarzwald-Gäu Schwarz- wald-alb- Donau Ludwigsburg- Waiblingen-Enz Stuttgart Heilbronn- Hohenlohe Fils-Neckar-Alb Ulm Biberach Ost-Württemberg Bodensee- Oberschwaben Kontakt: Stiftung Haus Lindenhof Lindenhofstraße Schwäbisch Gmünd Tel.: Internet:

24 23 Johannes Blaurock/Jürgen Kunze Woran man uns erkennen kann: Gemeinsam glauben Das christliche Unternehmen Stiftung Haus Lindenhof Wir verstehen uns als kirchlich-karitatives Unternehmen, das sich den modernen gesellschaftlichen Heraus forde - run gen stellt und das Zusammenleben von Menschen in der Region Ostwürttemberg aktiv mitgestaltet. Im Folgenden möchten wir skizzieren, aus welchen Quellen sich unsere Arbeit als Stiftung Haus Lindenhof speist und wie unser Glaube und unsere christliche Kultur die Ausrichtung des Unternehmens prägt. Die Menschen in der Stiftung begegnen sich in gegenseitiger Achtung. Der Auftrag zur Wahrung der Schöpfung hat einen hohen Stellenwert. Deshalb wird in den Diensten und Einrichtungen ökologisches Handeln gefördert. Diese Grundlagen vermitteln die handlungsleitende Orien tierung der Stiftung. Strategische Quellen des Unternehmens gemeinsam glauben Die Stiftung Haus Lindenhof hat, wie jedes (kirchliche) Un - ternehmen, strategische Handlungsquellen 1. Da runter sind Routinen, Wissen, Beziehungen usw. zu verstehen, die die Stärken der Organisation und deren Orientierung ausweisen. Für die Stiftung Haus Lindenhof gehören dazu die Sat - zung, 2 unser Leitbild 3 und unsere Seelsorge konzeption 4. Die Stiftung Haus Lindenhof wurde als Institution der katholischen Kirche gegründet, um den Auftrag Jesu Christi, den Nächsten zu lieben, zu erfüllen. Dieser Charakter der Stiftung ist zu wahren. Dieser Auszug aus der Satzung der Stiftung dient nicht nur der Selbstauskunft und -bindung, sondern auch der Einordnung und Annahme durch/in die Kirche. In den Grundlagen der Stiftung Haus Lindenhof vom Mai 2005 wird unter dem Stichwort Menschenbild vermerkt: Nach biblisch-christlicher Auffassung ist jeder Mensch einzigartig von Gott geschaffen und geliebt. Den Menschen wurde die Schöpfung anvertraut, um sie zu pflegen und zu entwickeln. Aus diesen Grundsätzen ergeben sich Werte und Handlungsleitlinien, die bei der Erfüllung des Stiftungszweckes zu berücksichtigen sind. Jeder in der Stiftung ist für die Menschen da, die die Hilfen, Angebote, Dienste und Einrichtungen der Stiftung in Anspruch nehmen. Alle setzen sich engagiert und parteiisch für sie ein. In den Diensten und Einrichtungen wird Arbeit von hoher Qualität erbracht. Lebendige christliche Kultur Die konsequente spirituelle und kirchliche Ausrichtung der Stiftung Haus Lindenhof schlägt sich nieder in einer lebendigen christlichen Kultur, die wir bereits in unserer Seel - sorge konzeption Leben begleiten ausgiebig verdeutlichten. Die 2007 überarbeitete Seelsorgekonzeption lässt das christliche Profil konkret im Alltag sichtbar und erlebbar werden. Es ist gute Tradition in der Stiftung Haus Lindenhof, dass auch diese Konzeption nicht am grünen Tisch oder im stillen Vorstandskämmerchen erarbeitet und verabschiedet wurde. Sie entstand im Dialog mit interessierten Mit ar - beiterinnen und Mitarbeitern aus allen Bereichen und allen hierarchischen Ebenen unter fachkundiger externer Be - gleitung. Die Seelsorgekonzeption ist Ausdruck des ge - mein samen Glaubens und des Bestrebens, diesen Glauben im Alltag zu leben. Gemeinsam glauben heißt, immer wieder die eigene Arbeit auch auf den Prüfstand der eigenen Werte und Überzeugungen zu stellen. Gemeinsam glauben heißt aber auch, dass alle Akteure sich immer wieder als Glaubens ge mein - schaft an einen Tisch setzen und auf Augenhöhe miteinander kommunizieren. Der gemeinsame Glaube ereignet und zeigt sich vielfältig, z. B.: in Gottesdiensten und Jahresfesten bei Feiern und bei traurigen Anlässen (Krankheit und Tod) 1 Vgl. Urs Jäger, unveröffentlichter Vortrag auf dem vierten Symposium der Stiftung Haus Lindenhof, 15. April Aktuelle Fassung vom 12. Juli Die sogenannten Grundlagen, Mai Seelsorgekonzeption der Stiftung Haus Lindenhof, Leben begleiten, 2007.

25 24 auf Pilgerfahrten bei Besinnungstagen auf verschiedenen Ebenen und mit unterschiedlichen Beteiligten Spiritualität heißt für uns aber nicht, über den Alltag zusätzlich noch eine fromme Spur zu legen. Spiritualität heißt für uns, dass unsere tägliche Arbeit durchdrungen ist vom Geist Gottes. Dies macht sich z. B. fest: in Planungsveranstaltungen und Strategiekonferenzen in der Art und Weise, wo, wann und wie wir miteinander kommunizieren in unseren Publikationen und unserer Werbung beim Umgang mit Menschen und im Führungskonzept (vielleicht noch konkreter: im Umgang mit Erfolgen, aber auch Fehlern und Schwächen) bei Transparenz im Alltag und im Umgang mit Geld Tradition der Stiftung Haus Lindenhof Unsere Tradition ist die eines kirchlichen Trägers, entstanden aus der christlichen Nächstenliebe und als subsidiärer Beitrag in einem Sozialstaat, der den verschiedenen weltanschaulichen Gruppen die Chance bietet, aus ihrem Selbstverständnis heraus Hilfen zu leisten und deren Art und Weise zu bestimmen. Diese Träger haben sich in den letzten 150 Jahren stark verändert; dies gilt auch für die nur etwas über 30 Jahre alte Stiftung. Unsere Aufgabe ist es, mit unseren persönlichen und un - ter nehmerischen Mitteln und im Kontext der jeweiligen Epoche den Menschen Gottes Liebe zu zeigen und möglichst erfahrbar zu machen. Unsere fachliche Profes sio na - lität steht im Dienste dieser Aufgabe. Wir handeln als Ge - mein schaft Glaubender, unabhängig davon, wie viele von uns dies bewusst tun. Wir laden alle Mitarbeiter/innen von Anfang an ein, diesen Weg mitzugehen. Wenn wir uns als Teil von Kirche in der Zeit verstehen, er - fordert dies, sich stets an neue Rahmenbedingungen an - zu passen. Es ermöglicht aber auch, immer wieder neue Wege auszuprobieren und auszuloten, wie wir unseren Ei - gensinn leben. Soziale Dienstleistungen anzubieten, ist Sinn und Zweck unseres Unternehmens. Unsere originäre Kern kompetenz aber ist es, Sinn zu schaffen 5. Daran müssen und wollen wir uns orientieren. Wir reflektieren fortlaufend unsere eigene Arbeit in Fach - tagen und Symposien öffentlich. Damit laden wir kontinuierlich Kolleginnen und Kollegen anderer befreundeter Träger, kommunale Verbände oder Politiker ein, Ent - wicklungen und Trends kritisch zu hinterfragen. Wir suchen und pflegen den engen Kontakt zu Kirchen ge - meinden und dem Gemeinwesen. Wir werben um ehren- amt liche Mitarbeiter/innen und beteiligen uns an gemeindeintegrativen Maßnahmen und Modellen und bieten so bürgerschaftlich Engagierten Raum, sich zu entfalten, bieten Sicherheit (z. B. Haftungsfragen) und persönlich bereichernde Begegnungen. Markenzeichen Caritas/Stiftung Haus Lindenhof woran man uns über Qualität und Fachlichkeit hinaus erkennt Wir verstehen uns als soziales Unternehmen. Vor dem Hintergrund der katholischen Soziallehre greifen wir den Impuls der Politik auf, das bisherige subsidiär-korporative Hilfe system, dessen Teil wir traditionell sind, voranzubringen bzw. weiterzuentwickeln. Wir sind aufgewachsen in einem Wohlfahrtssystem, das stets wuchs und wir haben uns an hohe Standards ge - wöhnt. Es ist erfreulich, dass es diese gibt und es lohnt sich, für ihren Erhalt zu kämpfen. Es blockiert aber auch un sere Prozesse, mittels derer wir uns auf die Ve r än de - rungen einstellen. Unser Ziel ist es, unsere Identität durch Wand lungs fähig - keit zu wahren, wie es in einem Ausspruch von Wolf Bier - mann anklingt: Nur wer sich ändert, bleibt sich treu. Wir setzen uns mit der ganzen begrifflichen Welt des Un - ternehmertums, von Wettbewerb und Strategiebildung, von Effizienz und Rendite aktiv auseinander. Ein Schlüssel - be griff hierbei ist beispielsweise Kunde : Damit verknüpft ist die Vorstellung, er steuere Märkte, er genieße Wahl frei - heit und Souveränität, Qualitätsbewusstsein, Marken in te r - esse und Warenüberblick, Kaufkraft und Marktmacht. Dies trifft längst nicht auf alle Personen zu, die Dienste und Ange bote der Stiftung derzeit nutzen. Wir sehen es deshalb sehr kritisch, alle Menschen auf das Etikett Kunde zu reduzieren. Darüber hinaus müssen wir noch mehr lernen, nicht nur von Märkten zu sprechen, sondern uns in ihnen auch zu bewegen. Wir müssen aber auch kritisch würdigen und prüfen, ob es Märkte nach obigem Verständnis überhaupt gibt und wie sie funktionieren. Denn es geht nicht nur um Wettbewerb allein! Es geht um die ganze Palette der Fragen: Marktordnung, Transparenz, Preisbildung, Mono - pole, Nachfragestrukturen, Kunden, Anbieter usw. Wir streben an, dass soziale Märkte es uns als karitativen Unternehmen ermöglichen, preiswerte und bessere Dienst leistungen anzubieten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sichere Arbeitsplätze anzubieten. Wir treten ein für geordnete Sozialmärkte mit fairen Markt - bedingungen. Die Nutzer müssen das Angebot kennen, 5 Vgl. auch Rainer Öhlschläger, Vortrag auf dem vierten Symposium der Stiftung Haus Lindenhof, 15. April 2008.

26 25 die Qualität der Leistungen beurteilen und Wahl - möglichkeiten haben. Dies zu ermöglichen, gerade wenn der Kunde z. B. ein Mensch mit einer Behinderung oder ein alter Mensch mit Demenz ist, ist eine große Heraus - forde rung, der wir uns stellen. Helfer und Anwalt für Menschen Wir verstehen uns nicht nur als Helfer, sondern auch vielmehr als Anwalt für Menschen. Kirchlich geprägtes Unternehmertum heißt, sich nicht ausschließlich wirtschaftlichen Prinzipien zu unterwerfen. Es geht nicht alleine darum, Geld verdienen zu müssen, sondern vielmehr sich intermediär auch der Gesellschaft, den Nutzern von so zialen Dienstleistungen, der Kirche usw. zugeordnet zu verstehen als eine Art Selbsthilfe-Bürgerschaftsfirma. Transparenz und Glaubwürdigkeit sind deshalb für uns nicht nur Marketingargumente, sondern bringen unsere ethische Ausrichtung als soziales Unternehmen und helfende Organisation zum Ausdruck. Wir erkennen an, dass Markt und Wettbewerb eine Möglichkeit sind, die Er - bringung sozialer Hilfen effektiv und effizient zu gestalten und gerade durch erfolgreiches Wirtschaften dazu beizutragen, dass ausreichende und qualitativ gute Hilfen zur Ver fügung stehen. Wir ergänzen dieses unternehmerische Engagement durch unsere soziale Verantwortung als Unternehmen und durch unsere sozialanwaltliche Rolle. Wir wollen damit auch ein Modell für menschengerechtes Wirtschaften aufzeigen. Qualität und Fachlichkeit sind für uns selbstverständlich. Wir entwickeln uns und unsere Organisationen beständig weiter. Dies ist ebenso Teil unseres christlichen Grund ver - ständnisses, wie das Bestreben, dass in unseren Ein rich - tungen jeder Mensch, der unsere Dienste in Anspruch nimmt, eine hohe Qualität für sein Geld erwarten kann. Darüber hinaus darf jeder und jede, der/die zu uns kommt, er fahren: Unsere Arbeit als gemeinsam Glaubende und Han delnde ist getragen von Selbstannahme, Vertrauen und Wertschätzung. neue Wege zu suchen und dann auch gemeinsam zu gehen. Letztlich wird hier ein wichtiger Unterschied zum Wirtschaftsunternehmen deutlich: Wir können und wollen diesen Weg nur als Dienst- und Glaubensgemeinschaft gehen. Die Ideen und unternehmerischen Ziele können nicht von den konkreten Menschen getrennt werden. Dabei nehmen wir bewusst in Kauf, auch Umwege zu gehen. In diesem Sinne verstehen wir uns als lernende Organisation. Wir haben Überlegungen aufgenommen, der Stiftung Haus Lindenhof in Schwäbisch Gmünd-Bettringen ein spirituelles Zentrum zu geben. Einen Ort, der die Mitte unseres Glaubens und unserer Ausrichtung symbolisiert. Dieses Projekt soll aber nicht nur einen Kirchenraum für die Einrichtungen am Stammsitz der Stiftung entstehen lassen. Es ist ein Vorhaben, bei dem sich viele gemeinsam mit vielen anderen Menschen in unterschiedlichen Verant wor - tungen und Aufgaben auf den Weg machen, ihrem ge - mein samen Glauben ein sichtbares Zeichen zu geben. Diese Haltungen legen den Grund für Fachlichkeit und Qualität. Aus dieser Basis heraus erleben wir die alltägliche Arbeit durchdrungen von der Kraft des heiligen Geistes. Spiritualität als Kraft für die Zukunft Die spirituelle Kraft der Zukunft heißt für die Stiftung Haus Lindenhof: Gemeinsam mit allen (möglichen) Beteiligten

27 26 Die Vinzenz von Paul ggmbh Soziale Dienste und Ein - rich tungen In vier Regionen bietet die gemeinnützige Vinzenz von Paul ggmbh Soziale Dienste und Einrichtungen zahlreiche Pflegeeinrichtungen, Dienste, Sozial stationen, betreute Wohnungen und Hausgemeinschaften für Seniorinnen und Senioren sowie Hilfeangebote für hörgeschädigte Menschen. Unter der Devise Le bens qualität und Selbstbestimmung beraten, pflegen, versorgen und be - treuen die Mitar bei - terinnen und Mitar - beiter Menschen mit Unterstützungsbedarf und deren Angehörige. Die fachlich professionelle Pflege umfasst auch Intensivpflege und spezielle Begleitung für Demenzkranke. Für die steigende Zahl älterer Menschen gestaltet man bei Vinzenz von Paul nachhaltige Zukunftskonzepte: Inno - vative Pflege- und Wohnformen werden umgesetzt, bürger schaftliches Engagement wird aktiviert und gemeinsam mit der jeweiligen Gemeinde vor Ort werden tragfähige und bedarfsgerechte Hilfenetze entwickelt. Die Vinzenz von Paul ggmbh ist eine Gesellschaft der Vinzentinerinnen des Klosters Untermarchtal, der vinzentinischen Ordensgemeinschaft in der Diözese Rottenburg- Stuttgart ( Angebote für ältere Menschen bestehen in den Re gio - nen Allgäu, Schwäbisch Gmünd, Sig ma ringen/tübingen und Stuttgart Hilfen für hörgeschädigte Menschen bestehen in Schwä bisch Gmünd, Ravensburg und Biberach Kontakt: Geschäftsführer: Jörg Allgayer Vinzenz von Paul ggmbh Soziale Dienste und Einrichtungen Gänsheidestraße Stuttgart Tel.: info@vinzenz-von-paul.de Internet: Schwarzwald-Gäu Schwarz- wald-alb- Donau Ludwigsburg- Waiblingen-Enz Stuttgart Heilbronn- Hohenlohe Fils-Neckar-Alb Ulm Biberach Ost-Württemberg Bodensee- Oberschwaben Susanne Herzog Nicht mehr, sondern anders die Aus richtung unserer Arbeit am christlichen Menschenbild Die Vinzenz von Paul ggmbh Soziale Einrichtungen und Dienste 1997 treffen die Vinzentinerinnen des Kloster Unter - marchtal eine große Entscheidung: Um ihre Werke und Einrichtungen nachhaltig zu erhalten, führen sie Kliniken, Heime und Zentren in drei gemeinnützige Gesellschaften über. Die Vinzenz von Paul ggmbh Soziale Einrichtungen und Dienste (VvP) wird gegründet und besteht zu diesem Zeitpunkt aus den Seniorenzentren Carl-Joseph in Leutkirch, St. Vinzenz in Wangen, St. Anna in Schwäbisch Gmünd und ebenfalls in Gmünd dem Hörge schä dig - tenzentrum St. Vinzenz. Schon nach zwei Jahren be - kommt das Unternehmen Zuwachs. Das Josefinenstift in Sigmaringen wird von den Heppenheimer Vinzenti nerinnen an die VvP übertragen. Die kommunalen Ein richtungen in Meßkirch und Legau stoßen hinzu. Entscheidungskriterium für die Übergabe ist ausdrücklich die Orientierung der VvP an christlichen Werten. Weitere Einrichtungen kommen rasch dazu, stationäre Ein - richtungen wie ambulante Dienste und kundenorientierte Dienstleistungen. So werden heute von der Gesellschaft Soziale Einrichtungen und Dienste der Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Vinzenz von Paul in Untermarchtal e. V. 15 Pflegeeinrichtungen mit ca Plätzen und fünf ambulante Pflegedienste mit ca Kunden betreut, sowie 500 betreute Wohnungen und eine Einrichtung für hörgeschädigte Menschen mit 65 Plätzen. In vier Regionen mit den zwölf Versor gungs - gebieten Stuttgart, Tübingen, Schwäbisch Gmünd, Sig - maringen, Meßkirch, Wald, Krauchenwies, Bad Saul gau, Langenenslingen, Wangen und Kißlegg, Ar genbühl, Legau und Leutkirch arbeiten ca Mitarbeiter/innen. Zahlen, zwischen denen sich vielfältiges Leben verbirgt.

28 27 Das Seelsorgekonzept Nicht mehr, sondern anders Menschen, die eine Einrichtung der VvP für ihre pflegebedürftigen Angehörigen wählen, sagen oft: Hier weht ein guter Geist! Dieser gute Geist hat Tradition. Und die VvP trägt Sorge, dass er nicht verweht. Die Schwestern des Heiligen Vinzenz von Paul wollen Gottes Barmherzigkeit und Güte sichtbar und erfahrbar machen. Diese vinzentinische Spiritualität wird im Alltag gelebt (Leitbild der barmherzigen Schwestern 1997) auch im Arbeitsalltag der zahlreichen Einrichtungen der barmherzigen Schwestern. Nicht erst seit der Gründung der Vinzenz von Paul ggmbh Soziale Einrichtungen und Dienste ist es Praxis, dass auch angestellte Mitar bei te rin - nen und Mitarbeiter die Sorge für das körperliche Wohl - ergehen und für wirtschaftliches Handeln verantwortlich tragen. Die Seelsorge in ihrem ritualisierten Vollzug und im täglichen Dienst aber wird beim Start der ggmbh noch weitgehend von den Schwestern getragen. Ab dem Jahr 2000 entwickeln die Oberinnen in den Se - nioren zentren diese Praxis weiter Schwester Edith Schillsott übernimmt die Federführung dafür. Sie spüren, dass sie mit dem Rückgang der Schwestern in den Ein - richtungen Sorge dafür tragen müssen, dass der gute vinzentinische Geist nicht verloren geht. Ihr Ziel ist es, dass auch angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Verant - wortung für eine aus dem Glauben mitbestimmte Praxis und Seelsorge in den Einrichtungen übernehmen sollen. Ein Seelsorgekonzept wird entwickelt und der Prozess für die Qualitätsentwicklung Seelsorge auf allen (Hierarchie-)Ebenen angestoßen. Im Jahr 2006 wird die Konzeption als Qualitätshandbuch Seelsorge verabschiedet und der Ordner mit Grundlagen, Standards und An - regungen an alle Wohnbereiche und Sozialstationen verteilt. Mitarbeiter/innen werden geschult für den spirituellen, seelsorgerlichen Blick auf Menschen und Institution. Zusätzlich zu den Materialien im Qualitätshandbuch gibt es seit 2007 die sogenannten Impulskarten. Diese geben den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Hilfestellung, um über gelebte und erlebte Werte, Haltungen und Grundein stell - ungen in ihrem Dienst, in Besprechungen und im Arbeits - alltag ins Gespräch zu kommen. In einem Kartenständer werden die Impulskarten im Alltag sichtbar gemacht. In der Präambel der ggmbh heißt es: In den Einrichtungen und Diensten der Vinzenz von Paul ggmbh Soziale Einrichtungen und Dienste richten wir unser Tun am Christlichen Menschenbild aus. Seelsorge ist für uns Sorge untereinander und ein von Achtung und Respekt vor der Lebensgeschichte und der persönlichen Situation des Anderen geprägter Umgang mitei- nander orientiert am Beispiel Jesu Christi. Seel sorger - liche Begleitung der Bewohner, Kunden, Mitar bei - terinnen und Kollegen findet im Arbeitsalltag nach dem Grundsatz Nicht mehr, sondern anders statt. Seel - sorge ist dann keine zusätzliche Aufgabe, sondern eine innere Haltung der Leitung und der Mitar bei terin nen und Mitarbeiter. Wir möchten in unseren Ein richtungen und Diensten das durch die Ordens schwestern über Jahr - zehnte gelebte spezifische Christ liche lebendig halten. Anderen Glaubens richtungen ge genüber begegnen wir offen und tolerant. Seit November 2002 sind in Wohnbereichen und Sozial - stationen Begleiterinnen und Begleiter der Seelsorge aktiv. Sie besuchen zur Einführung in ihre Aufgabe ein dreitägiges Einführungsseminar in zwei Kursabschnitten. Re gio - nale Gruppen geben Raum für Fortbildung, Austausch und Begleitung. Jährliche Tage der Begleiter/innen bieten den Rahmen für Fallarbeit und biblische, spirituelle, seelsorgerliche Weiterbildung. Seit 2006 begleite ich als Beraterin der Geschäftsleitung die Entwicklung der Seelsorge und bin für die Aus- und Fortbildung der Begleiter/innen zuständig. Im Alltag der Einrichtung kommt den momentan 75 Be - gleiterinnen und Begleitern der Seelsorge eine besondere Rolle zu. Gemäß dem Leitsatz Nicht mehr, sondern anders haben sie nicht zusätzliche Aufgaben zu bewältigen, sondern sind aufmerksam für religiöse und spirituelle Be dürfnisse von Bewohnerinnen, Kunden, Angehörigen, Kolleginnen und Kollegen. Sensibel nehmen sie seelsorgerliche Fragen auf und bringen sie ins Pflegeteam ein. Aus dem, was sie an religiösen Bedürfnissen wahrgenommen haben, leiten sie im Gespräch ihre Handlungen und Ange bote ab. Die Begleiter/innen kennen die Mög lich - keiten seelsorgerlicher Hilfen und wissen um die spirituellen Angebote, die für den Lebensraum Pflegeheim oder Pflegdienst gefragt und angemessen sind. Der Kontakt zur Kirchengemeinde, zum zuständigen Pfarrer sowie zu den ehrenamtlichen (Besuchs-) Diensten wird zum Wohl der Be wohner/innen genutzt. Die Seelsorge in den Einrichtungen steht auf vier Säulen: Seelsorge ist Auftrag aller Mitarbeiter (Leitlinien 2004). In jedem Wohnbereich und in jeder Sozialstation soll es mindestens zwei Begleiter/innen der Seelsorge geben, die für eine Seelsorge im Alltag besonders sensibilisiert sind. In jedem Haus gibt es eine Mitarbeiterin oder einen Mit - ar beiter, die oder der mit einem (kleinen!) Dienst auftrag die Verantwortung für die Seelsorge hat. Zu den Aufgaben der örtlichen Kirchengemeinde gehört auch die Seelsorge in den Einrichtungen für Senioren in ihrem Gebiet.

29 28 Bei der jährlichen Seelsorgekonferenz entwickeln die Ver - ant wortlichen für die Seelsorge gemeinsam mit den Ein - rich tungsleiterinnen und -leitern, den Regionalleiterinnen und -leitern sowie der Geschäftsleitung das Quali täts - merkmal Seelsorge weiter. Zudem setzen sich die Leitungs kräfte der Häuser seit 2008 gezielt in zweitägigen Ver anstaltungen mit der Frage auseinander, was ge - schieht, wenn das Evangelium in die Einrichtung kommt (Ubi Caritas). Der spirituelle Blick der Begleiter/innen der Seelsorge In den Einführungskursen, während der Tage der Be - gleiter/innen und bei meinen Besuchen in den Re gio - nalgruppen erlebe ich viele hochmotivierte Mitar bei ter/in - nen. Sie bringen Befähigungen mit: Meist werden sie für die Aufgabe der Begleiter/in der Seelsorge angefragt, weil sie Antennen für religiöse und spirituelle Zeichen haben. Und sie bringen Motivation mit: Sie sind bereit und willens, ihre seelsorgerlichen Fähigkeiten zu schulen und in religiösen Fragen und Handlungen Neues für sich und ihr Handlungsfeld zu lernen. Da fällt die Botschaft davon, Gott nahe zu sein, wenn ich nahe bei den Menschen bin, auf be reiteten, fruchtbaren Boden, wächst und gedeiht und bringt sichtbare Früchte für Bewohner, Kundinnen, An ge - hörige, Kolleginnen und Kollegen und für sich selbst. Als Bild für ihre Rolle als Begleiterin der Seelsorge haben die Frauen im letzten Einführungskurs sprechende Bilder zusammengetragen: Herz, Sonne, Ruhepol, Ohr/ Mund/ Auge, offene Sinne Ihre Haltung, mit der sie ihren Dienst im Alltag tun ist vielversprechend: ich bin Sonne im All tags - getriebe, ich bin Sprachrohr für das, was hinter den artikulierten Worten liegt, ich bin das offene Ohr für unausgesprochene Bedürfnisse, ich bin ein Krug für Gottes Wert - schät zung, ich öffne mein Herz für Gott und für die Menschen, ich verwurzele mich in Gott und strahle Ruhe in den hektischen Alltag. Diese innere Haltung entfaltet ihre Wir kung im ganz alltäglichen Geschäft der Pflege. Deshalb legen wir in den Fortbildungen einen Schwerpunkt darauf, diese spirituelle Grundhaltung zu stützen und zu üben, wie sie sich in der Kommunikation mit Bewohnern und Kollegen entfalten kann. Rückmeldungen der Begleiter/innen, wie sie ihr Tun erleben, sind Zeugnis für eine gelebte Caritas-Spiritualität: Friede und Ruhe kehrt ein, in mir und im Bewohner, wenn der Spiritualität Raum gegeben wird. Wenn ich sehe, dass die Augen der Bewohner glänzen und sich die Herzen öffnen, erfüllt mich das und bestärkt mich. Die Gestaltung der Feste im Kirchenjahr auf dem Wohnbereich, für die wir uns Mühe machen, lässt mich selbst das Kirchenjahr anders, bewusster erleben. Wenn ich mit der Haltung der Seelsorge auf die Be - wohner zugehe, stimmt mich das zufrieden, macht es mich froh. Obwohl ich dasselbe tue, erlebe ich die Begegnungen tiefer und intensiver, wenn ich aus meinem Glaubens - grund heraus handle. Ich erlebe Gott bei meiner Arbeit, wenn sich Ängste lösen, wenn ich in strahlende Bewohneraugen blicke, wenn Ruhe und Zufriedenheit einkehrt, wenn ich das Ge fühl geben kann, ein bisschen zu Hause zu vermitteln. Ich empfinde Dankbarkeit, zusammen mit den Be woh - nern Spiritualität und Gottes Nähe erfahren zu können. Nicht immer geht der Grundsatz Nicht mehr, sondern anders in der täglichen Arbeit auf. Es braucht auch zeitliche Ressourcen, um sich über religiöse und spirituelle Bedürfnisse auszutauschen, Handlungen zu entwickeln und den Bewohnerinnen und Bewohnern Möglichkeiten für ihre Seele anzubieten. So gibt es in einer Einrichtung Z -Stunden (also Zusatzstunden), in denen die Be - gleiter/innen der Seelsorge ganz frei auf seelsorgerliche Be dürfnisse eingehen können und z. B. mit einer Be - wohnerin allein in die Kapelle fahren oder auch mal ein Eis essen gehen können oder die Zeit für die Gestaltung des Maialtars und die Vorbreitung täglicher kleiner Mai an - dachten nutzen können. Dass es sich lohnt, ist an der Zu - friedenheit der Mitarbeiter/innen und der Be wohner/innen abzulesen. Darüber hinaus dient es der Profilierung der VvP als christlicher Einrichtung. Caritas-Spiritualität wird sichtbar Ich habe verschiedene Mitarbeiter/innen der VvP gebeten, aus ihrer Praxis zu beschreiben, wo und wie sie die Ver - bindung zwischen Spiritualität und karitativem Tun besonders erleben und auch gestalten. Ein Fächer mit verschiedenen Dimensionen entfaltet sich, von spiritueller Un ter - brechung im Alltag bis zur Begleitung Sterbender und einem würdigen Abschied. Seelsorgekoffer Roswitha Birk, Fachkraft, Begleiterin der Seelsorge, Legau Die Salzkristalllampe taucht den Raum in warmes Licht. Es duftet nach Rosen. Die Gesichtzüge von Frau M. entspannen sich und ihr Atem wird ruhiger. Ihr Sohn sitzt am Bett und hält ihre Hand. Auch wenn es ihm schwerfällt und er immer wieder seine Tränen unterdrücken muss, erzählt er

30 29 ihr von seinem Tag. Dabei streicht er ihr über Haar und Wangen. Es ist schwer für ihn: seine Mutter liegt im Sterben. Lampe und Düfte sind Gegenstände des Koffers, den die Be gleiter/innen der Seelsorge in der Senioreneinrichtung Vinzenz von Paul in Legau zusammengestellt haben. Der Inhalt dieses Seelsorgekoffers wird bei einer Ver - schlechterung des Gesundheitszustandes oder in der aktiven Sterbephase eines Bewohners eingesetzt. Neben der Salzkristalllampe gibt es eine elektrische Duft - lampe. Als Duftöle kommen Rose, Melisse und Neroli (Orangenblüten) zum Einsatz, die klassischen Loslass- Düfte. Gebrauchsanweisung und Reiniger für Duftlampen sind beigelegt. Das Inhaltsverzeichnis weist weiterhin aus: Holz- und Metallkreuz, Weihwassergefäß mit Pinsel, kleines weißes Deckchen, große mit sakralen Ornamenten bestickte Tischdecke sowie Teelichtglas. Ersatzteelichte und ein Gasfeuerzeug sind ebenfalls darin. Dazu gibt es noch CDs mit leiser Musik und verschiedene Broschüren, z. B. Gebete für ältere Menschen, Worte des Trostes oder Würdig sterben mit eindrucksvollen Bildern. Nach Möglichkeit werden in einem Gespräch die Wünsche der Angehörigen geklärt. Es kann durchaus sein, dass nur einige Komponenten des Seelsorgekoffers zum Einsatz kommen. Doch Salzkristalllampe und Düfte werden immer als angenehm empfunden. Auch fühlt sich mancher An - gehörige durch Lesen der Gebete und Texte mit dem Sterbenden verbunden. Die Utensilien werden nach dem Verscheiden eines Bewohners im Zimmer gelassen. Sie helfen Angehörigen, sich von ihrem Familienmitglied im angemessenen Rahmen zu verabschieden. Erst wenn der Bestatter den Verstorbenen abgeholt hat, kommt alles in den Koffer zurück. Verbrauchte oder fehlende Materialien werden bei den Seelsorgebegleiterinnen und -begleitern an gefordert und ergänzt. Ein entsprechender Hinweis klebt im Deckel des Koffers. Die Pflegekraft betritt das Zimmer. Sie hat inzwischen den Nachttisch mit der bestickten Decke geschmückt. Neben einem schlichten Holzkreuz steht ein Schälchen mit Weihwasser. Jetzt zündet sie ein Teelicht an. Zusammen mit Herrn M. spricht sie ein Gebet. Es tut ihm gut, dass er in einer würdevollen Atmosphäre von seiner Mutter Abschied nehmen kann. 1 1 Im Seelsorgekoffer, der auf jeder Station zur Verfügung steht, finden sich: 1 kleineres Holzkreuz, 1 kleines Metallkreuz, 1 elektrische Salzkristalllampe, 1 elektrische Duftlampe,1 Weihwassergefäß mit Pinsel, 1 Teelichtglas mit Teelicht ( und 3 Reservelichter), 1 weißes Deckchen klein, 1 große mit kirchlichen Ornamenten bestickte Tischdecke, 3 extra bespielte CDs, drei Broschüren: Gebete älterer Menschen Würdig sterben Worte des Trostes, Duftöle: Loslassdüfte: Rose, Melisse, Neroli (befinden sich jedoch im Medikamentenschrank und werden über die Schichtleitung abgefragt), Gebrauchsanweisung Duftlampe, Reiniger für Duftlampe. Raum für Abschied Schwester Marzella Krieg, Ergotherapeutin, Verantwortliche für die Seelsorge, Schwäbisch Gmünd Es ist nicht nur die Zeit, die wir brauchen, um einen Ver - storbenen gut zu verabschieden, sondern auch ein Raum, in dem die Persönlichkeit des Verstorbenen Raum hat. So musste eine Lösung für die Verstorbenen in Doppel - zimmern gefunden werden. Es war gerade in Doppel zim - mersituationen so, dass die verstorbenen Mitbe woh - ner/innen möglichst unauffällig und diskret in den für Ver - storbene vorgesehenen Aufbahrungsraum gebracht wurden. So blieb Bewohnern, Angehörigen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern keine Zeit, um Abschied zu nehmen. Ein Leben und ein Begleiten nahmen so ein abruptes Ende, dass es, trotz stationsinterner Abschiedsfeier, bedrückend wirkte. Um diesen Belastungen entgegenzuwirken wurde nach Möglichkeiten gesucht, eine neue Abschiedskultur zu entwickeln und Leben und Tod mehr auf dem Wohn be - reich zu verankern. Die Überlegungen im Pflegeteam führten schließlich dazu, dass ein Raum innerhalb des Wohn - bereichs geschaffen werden sollte, der frei zugänglich ist, der zum Verweilen und Gebet einlädt. Es wurde ein Pfle - gearbeitsraum umgestaltet, der nun Raum für Ab schied, Trauer und Dankbarkeit für gemeinsame Zeiten bietet. Dies wird von Angehörigen sehr geschätzt, weil in diesem Raum nochmals Begegnung stattfindet. Da sind Be - wohner/innen die ebenso trauern oder aus ihrer Per - spektive von der gemeinsamen Zeit berichten. Für jeden Bewohner und jede Bewohnerin wird beim Ein - zug ins Haus eine Lebensseite gestaltet, in der ein Bild, Geburts- und Namenstag sowie das Lieblingsgebet ein - getragen werden. Diese Lebensseite wird herausgelegt und in das Trauerbuch übernommen, das durch die Trauergäste ergänzt werden darf. Dieses Trauerbuch ist immer in dem Abschiedsraum aufgelegt. So hat der A b - schied einen würdigen Raum bekommen und die Trauer einen Ort, der lebendig ist. Abschiedsbuch im Haus für Senioren in Langenenslingen Schwester M. Edith Schillsott, Verantwortliche der Seelsorge, Bad Saulgau Im Haus für Senioren wohnen 28 betagte, pflegbedürftige Frauen und Männer. Mit dem Einzug beginnt für sie ein neuer, letzter Lebensabschnitt. Ihr bisheriges Alleinsein entwickelt sich zu einem Miteinander und Füreinander. Hoffnungen und Wünsche werden ausgesprochen; Freude und Schmerz, Beschenktwerden und Loslassen prägen die verbleibenden Wochen, Monate, Jahre.

31 30 Ein Schwerpunkt im Haus für Senioren ist die Begleitung Sterbender. Eine offizielle Verabschiedungsfeier für die Verstorbenen schließt sich an. Sie bietet Raum für Wehmut und Trauer, für den Auferstehungsglauben, für Worte des Dankes und der Weggemeinschaft. Zum Andenken an die Verstorbenen (Heimgegangenen) führen die Begleiterinnen der Seelsorge liebevoll ein Ab - schieds buch. Der abgegriffene Einband des Spiralbuches deutet auf eine regelmäßige Benützung durch viele Interessierte hin. Ein Zitat eröffnet die Einträge: Die Hoffnung gibt die Kraft zum Weiterleben, die Liebe gibt die Stärke zur Überwindung der Trauer, der Glaube ist das tröstende, durch Wolken strahlende Licht. Für jede/n Verstorbene/n erfolgt nun ein handschriftlicher Ein trag. Diese Aufzeichnungen charakterisieren pointiert die Persönlichkeit und halten die Erinnerung an die Ein ma - lig keit der Verstorbenen wach. Auszugsweise einige Beispiele: Herr T. konnte wunderbar erzählen und bewahrte sich seine Neugierde. Er sagte immer: Na, so was. Frau A. war eine lebenslustige Frau. Die Krankheit raubte ihr schnell die Kraft. Ihr war nur eine kurze Zeit in unserem Hause beschieden. Die Kaiserin, so wurde Frau K. von den Be woh - nerinnen und Bewohnern genannt. Ihr gefiel diese Anrede. Sie wusste genau, was sie wollte und hat es dann auch getan Frau K. hatte eine schöne Zeit bei uns, bis sie schwer erkrankte. Sie starb im Beisein einer Sterbe begleiterin. Die jeweiligen Texte sind mit einem Foto oder einem Sterbebildchen oder einer Todesanzeige und einem passenden Symbol ergänzt und verziert. Das Abschiedsbuch liegt auf einem Tischchen bei der Sitz - gruppe im Eingangsbereich des Hauses. Täglich blättert Herr A. in diesem Buch und verweilt bei einer bestimmten Seite. Eine Mitarbeiterin fragte Herrn A., warum er täglich dieses Buch anschaue. Darauf antwortete Herr A. mit einem Zwinkern in den Augen: Weil ich jeden Tag meine Frau sehen möchte. Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde (Hermann Hesse). Eine Begleiterin der Seelsorge erzählt dazu: Immer wenn ich das Abschiedsbuch in die Hände nehme und mir die Seiten der Verstorbenen anschaue, kriege ich eine Gänsehaut. Es berührt mich ganz tief, dass sie nicht vergessen sind, sondern einen Platz haben bei Gott und in unserer Erinnerung. Ich bin überzeugt, dass es ganz wichtig ist, dass wir das Buch liebevoll und schön gestalten. Abschiednehmen von verstorbenen Bewohnern: Abschiedsfeier/Abschiedskreis Schwester Irmgard Zehnter, Verantwortliche der Seelsorge, Leutkirch Es geht um den Abschiedskreis im Seniorenzentrum Carl- Joseph, den wir schon fast zehn Jahre umsetzen. Nach dem Tod einer Bewohnerin oder eines Mieters suche ich immer das Gespräch mit den Angehörigen. Auf die Frage, was die nächsten Schritte sind, gebe ich Hilfe und Aus - kunft. Unser Angebot im Hause ist der Abschiedskreis. Von den Menschen, die hier bei uns gelebt haben und Kontakte aufgebaut haben, wollen wir uns ganz bewusst verabschieden. Das geschieht in dem Wohnbereich, in dem sie gewohnt oder gepflegt wurden. Wichtig ist uns dabei, nochmals den Menschen in unsere Mitte zu nehmen. Dabei tauschen wir uns aus über Begegnungen, Erinnerungen an gemeinsame Stunden. Wir beten, wir singen, hören Gedichte sowie Psalmen und Schrifttexte. Bei katholischen Bewohnerinnen und Bewohnern beten wir auch den Rosenkranz in der Hauskapelle. Bei evangelischen Christen gestalten wir eine Wortgottesfeier mit Psalmen und Schrifttexten. Ein Gottesdienst wird mit der Kirchengemeinde abgestimmt oder zunehmend in der letzten Zeit auch in unserer Hauskapelle gefeiert. So bekommt der Abschied von einem Menschen in unserer Einrichtung einen würdigen Ort, an dem alle miteinander trauern, sich erinnern und auch Hoffnung schöpfen können gelebte Spiritualität, die auch Lebenshilfe ist. Unterbrechung im Alltag Ingrid Göser, Fachkraft, Leutkirch im Gespräch mit Susanne Herzog Unterbrechung im Alltag, so nennen wir alles das, was wir im Alltag der Bewohner tun, um Gottes Welt durchscheinen zu lassen. Im ganz normalen Pflegealltag, im Tages - ablauf der Bewohner durchbrechen wir den Alltag und öffnen ein Fenster zum Himmel. Das sind die Tischgebete, die Abendgebete, die den Be - wohnern lieb geworden sind und die wir nicht vergessen dürfen. Dann ausdrückliche Gottesdienstbesuche und die Kirchenbesuche mit Bettlägerigen in der Sonderstuhlliege als wichtiges Element, aus der die Bewohner wieder Kraft schöpfen für den Alltag. Klar, dass wir die persönlichen Gedenktage würdig begehen, Namenstag und Geburtstag feiern. Wir haben einen Namenstagskalender und einen Geburtstagskalender aufgehängt. Aber auch so ganz normale Tätigkeiten wie alte Volkslieder singen, Tischspiele, Kartenspiele, Kuchen backen, Brezeln

32 31 backen über Früher und Heute reden sind oftmals ganz innige Momente. Die Advents- und Weihnachtszeit ist ganz besonders wichtig. Wir gestalten einen Krippenweg, lesen Ge - schichten, singen Adventslieder, backen Plätzchen, sitzen zusammen und versuchen vieles so wie früher zu machen. Dann sind die Bewohner mit einem glücklichen Strahlen in den Augen ganz dabei. Auch Ostern als wichtigstes christliches Fest hat unsere besondere Beachtung. Wir binden Palmen, beten die Kreuz wegandacht, gestalten eine Osterkerze, backen Osterlämmer und natürlich dürfen die Ostereier nicht fehlen. An Fasnacht komme ich als Clown zur Arbeit. Es ist un - glaub lich, wie leicht die Arbeit in der Rolle von der Hand geht und wie sich die Bewohner von der guten Laune des Clowns anstecken lassen. Ein weiterer Höhepunkt ist die Gestaltung des Maien - monats. Mit den mobilen Bewohnern pflücken wir Blumen und grüne Zweige. Gemeinsam gestalten wir im Wohn - zimmer einen Maialtar. Dieses Jahr war er fünfstöckig. Eine Mariendarstellung und Kerzen schmücken den Altar. Für alle ist es etwas Besonderes, Wunderschönes. Je den Tag müssen wir eine kleine Maiandacht halten, die Be wohner freuen sich immer wieder an dem schönen Altar, auch die Kolleginnen gehen heiter in den Tag. Schade, dass der Mai so schnell vorbei war. Wir hätten unser Kleinod noch gerne länger gehabt. Unterbrechung im Alltag, das ist wie im Alltag über Gottes Liebe stolpern. Frau Göser, die ihren Glauben als Quelle ihrer Arbeit mit den alten Menschen versteht, hat für sich den Satz des Heiligen Vinzenz als Lebensmotto gewählt: Habe dein Herz bei Gott und arbeite mit den Händen, und sie setzt neben der Pflege viele Ressourcen ein, um den Alltag im Wohn bereich so zu gestalten, dass Gottes Geist spürbar wird. Abschluss Nicht mehr, sondern anders die Vinzenz von Paul ggmbh Soziale Einrichtungen und Dienste bleibt dran, die geistige Dimension in den Herzen der Mitarbeiter/innen und in den institutionellen Strukturen zu verankern. Der vinzentinische Geist weht weiter.

33 32 Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung Die Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung wurde am 1. Januar 2000 vom Caritas - verband der Diözese Rottenburg- Stuttgart als Trägerin von Ein - richtungen der Alten- und Krankenpflege ge gründet. Gute Pflege hat für die Keppler-Stiftung den Men schen als ganzen im Blick und vollzieht sich in Achtung und Wert - schätzung seiner Le - bens geschichte (s. Slogan Das ganze Leben ). Die Paul Wilhelm von Keppler- Stiftung beschäftigt rund Mitarbeiterinnen und Mit arbeiter. Schwerpunkt in den Aufgabenfeldern bildet die Al ten hilfe: die Stiftung betreibt 21 Seniorenzentren in Ba den- Württemberg für ca pflegebedürftige Men schen. Ambulante Dienste, Be - treutes Wohnen und ein stationäres Hospiz sind weitere Tätigkeitsfelder. Die Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung ist eine kirchliche Stiftung privaten Rechts. Kontakt: Schwarzwald-Gäu Schwarz- wald-alb- Donau Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung Warmbronner Straße Sindelfingen Tel.: geschaeftsstelle@keppler-stiftung.de Internet: Ludwigsburg- Waiblingen-Enz Stuttgart Heilbronn- Hohenlohe Fils-Neckar-Alb Ulm Biberach Ost-Württemberg Bodensee- Oberschwaben Alfons Maurer Seelsorge in der stationären Altenpflege Konzeptionelle Grundlegung und einrichtungsbezogene Umsetzung 1 Pflegeeinrichtungen und die Entwicklung einer Konzeption Bewohnerseelsorge Die Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung ist Trägerin von 21 stationären Pflegeeinrichtungen in Württemberg. Im Jahr 2003 haben die Einrichtungen der Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung ein stiftungsweites Projekt der Seelsorge auf den Weg gebracht. Aufgrund des deutlichen Rück - gangs der Ressourcen der Kirchengemeinden sollte eine Rahmenkonzeption für die Bewohnerseelsorge entwickelt werden, die es ermöglicht, das Niveau der Seelsorge mindestens zu erhalten und, wenn möglich, weiterzuentwickeln. Eine interdisziplinäre Projektgruppe erarbeitete ei - nen Entwurf, der in verschiedenen Gremien und Gruppie - rungen beraten und diskutiert wurde. Aus diesem Kon - sultationsprozess sind viele Impulse und Ergänzungen in die Konzeption aufgenommen worden. Im Sommer 2005 wurde dann die Rahmenkonzeption Der Mensch ist der Weg. Evangeliumsgemäße Seelsorge für die Be woh - nerinnen und Bewohner in den Altenzentren der Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung verabschiedet. Diese Rah - menkonzeption wird von der Diözese unterstützt und befürwortet. Danach wurde sie allen evangelischen und katholischen Pfarrern in den Kirchengemeinden zugeleitet, in deren Einzugsbereich sich die Altenzentren der Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung befinden. Die Rah men kon - zeption wurde dann in allen Einrichtungen Verant - wortlichen und Interessierten aus den Kirchengemeinden und Einrichtungen ausführlich vorgestellt und beraten. Ziel dieser Gespräche war es, erste Vereinbarungen zur Um - setzung zu treffen. Seit dieser Einführungsphase im Herbst 2005 sind viele lokale Projekte und Maßnahmen entstanden. Inzwischen gibt es etwa 80 Mitarbeiter/innen und 1 Der Text basiert auf einem gleichnamigen Artikel in: Alfons Maurer/Joachim Reber (Hg.), Bleibe bei uns, Herr. Gottesdienste und Rituale in Einrichtungen der Altenpflege, Stuttgart 2008.

34 33 Ehrenamtliche, die in den Einrichtungen seelsorglich tätig sind. Etwa 60 Mitarbeiter/innen und Ehrenamtliche haben an einer geeigneten Qualifizierungsmaßnahme teilgenommen. Die Rahmenkonzeption ist in allen Einrichtungen der Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung in der Umsetzung. Im Folgenden werde ich auf Rahmenbedingungen einer ge - genwärtigen Bewohnerseelsorge in Pflege ein richtun gen, auf einige konzeptionelle Inhalte sowie auf einrichtungs - bezogene Konkretisierungen eingehen. Bedarf einer spezifischen Seelsorge mit Hochbetagten und Pflegebedürftigen In Baden-Württemberg lebten im Jahr 2007 ca ältere und hochbetagte Menschen in stationären Alten - pflege inrichtungen (bundesweit waren es im Jahr 2007 etwa 0,7 Millionen). Hinzu kommen mindestens noch einmal so viele ältere Menschen, die in Seniorenwohnanlagen mit einem Betreuungsangebot wohnen. Mehr als ein Viertel der Bevölkerung in Deutschland ist heute schon älter als 60 Jahre. Die Zahl der Hochbetagten (d. h. Men - schen, die älter als achtzig Jahre sind) bewegt sich auf etwa 5% der Bevölkerung hin, das sind mehr als vier Millio - nen Bundesbürger. Gemäß der vielfach beschriebenen demografischen Entwicklung wird der Anteil der älteren, hochbetagten und damit auch pflegebedürftigen Men - schen weiter steigen. Der Bedarf einer spezifischen Seel - sorge für diese Gruppe der Hochbetagten und Pflege be - dürftigen ist groß. Sie sind darauf angewiesen, dass die Seel sorge zu ihnen kommt, da sie in der Regel nicht mehr zu den Gemeindehäusern und Kirchen kommen können. Hochbetagte haben einen Anspruch auf die bestmögliche Erhaltung und Entfaltung ihrer Lebensqualität. Dies gilt auch und ohne Einschränkung für das Wohnen in stationären Pflegeeinrichtungen. Zur Lebensqualität gehört neben dem körperlichen Wohlbefinden, Essen und Trinken, sozialen Kontakten, auch und vor allem die Beachtung der Würde und der Selbstbestimmung im täglichen Leben und der Bereich Religiosität und Sinngebung. Religiosität und Sinn gebung bezieht sich auf das Bedürfnis der meisten Menschen, ihr Leben als sinnvoll zu erfahren. Dies kann im persönlichen Glauben an Gott zum Ausdruck kommen, aber auch in anderen Dingen, die als existenziell und sinnstiftend erlebt werden (z. B. wichtige persönliche Be - ziehungen, Nächstenliebe etc.). Der religiöse Bereich ist für diese Menschen notwendig, um sich im geistigen Gleich - gewicht zu erleben. Die Forschung zur Lebens quali tät spricht hier von spirituellem Wohlbefinden (spiritual wellbeing). Die Teilhabe und Teilnahme am religiösen Leben hat für viele Bewohnerinnen und Bewohner in Pflege - einrichtungen eine ganz wesentliche und nicht ersetzbare Bedeutung. Wer diesen Menschen keine religiösen Ange - bote macht, verletzt ein menschliches Grundrecht und kommt einer kirchlichen Grundaufgabe nicht nach. Seelsorge in der Altenhilfe Seelsorge meint jeglichen spirituell ausgerichteten Dienst am Menschen, der nicht nur um bestimmter Zwecke und Vorteile willen getan wird, sondern auf das ganzheitlich verstandene Wohl anderer Menschen und das Gelingen ihres Lebens ausgerichtet ist (Konrad Baumgartner). Die Sorge um einen anderen Menschen gründet dabei bereits wesentlich im Miteinander und Füreinander des alltäglichen Lebens. Die Sorgen und Nöte der heutigen Menschen sind auch die Anliegen der Kirche und der Kirchengemeinden. So beschreibt es das Zweite Vatikanische Konzil gleich im ersten Satz ihrer Pastoralkonstitution Die Kirche in der Welt von heute : Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Die konkrete Lebenswelt und Lebenserfahrung des älteren Menschen ist damit der Ort der Menschen- und Gottes be - geg nung. Dies setzt eine realistische und eingehende Wahr nehmung der Lebenswelt der pflegebedürftigen Menschen voraus. In der Kultivierung des Lebensmilieus der älteren Men - schen in den Einrichtungen sieht die Kirche eine wichtige Aufgabe (vgl. Pompey). Stationäre Alteneinrichtungen sind danach im Lebensraum einer Gemeinde zu verankern. Da - mit verbinden sich eine Reihe von Aufgaben für die Kirchen gemeinden: die Kooperation der Kirchen ge - meinden mit den ambulanten und stationären Einrich - tungen der Altenhilfe, Mitarbeit von Gemeindemitgliedern im Heimbeirat, Organisation der Angehörigenarbeit, Be - suchsdienste, Gottesdienste, seelsorgliche Angebote für Gruppen, seelsorgliche Gespräche mit Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Angehörigen, Krankensalbung, Trauergruppen, Begleitung von Angehörigen, Seelsorge an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, usw. Pompey sieht auch eine politische Funktion: Die Kirchengemeinden sollen zusammen mit karitativen Trägern der Altenhilfe ein - richtungen in den Gemeinden und in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit die Stimme für die alten Menschen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen erheben. Pflegeheimseelsorge nimmt also das Heil des Menschen

35 34 In der Entwicklung einer Rahmenkonzeption Be woh ner - seel sorge in der Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung wurde von folgenden Grundlagen ausgegangen: (1) Grundlage ist das ganze Leben. Dies ist der Slogan der Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung, der als Kurzformel die Tätigkeit und das Grundanliegen der Einrichtungen in der Pflege und Betreuung zum Ausdruck bringt: Pflege und Betreuung und damit auch die Seelsorge hat den ganzen Menschen im Blick und zwar in jeder Phase seines Lebens, auch wenn er auf Unterstützung und Hilfe angewiesen ist. (2) Grundlage ist das christliche Menschenbild. Die Kon - zeption nimmt Maß an der Person und dem Werk Jesu Christi. In Jesus hat sich Gott als einer offenbart, der sich auf die Seite der Menschen gestellt und sich auf die Menschen eingelassen hat und deren Heil will. (3) Grundlage ist die Biografie des Menschen. Der einzelne Mensch und seine soziokulturelle Prägung ist der Bezugspunkt jeder Seelsorge. Die Bewohnerseelsorge setzt bei den Erinnerungen und Erfahrungen der indivian Leib und Seele in einem umfassenden Sinn in den Blick und ermöglicht die Deutung der Lebenserfahrungen der älteren und hochbetagten Menschen aus dem christlichen Glauben und zwar durch Gottesdienst, Feier der Sakra mente, Schriftlesung und Begleitung in Krankheit und Sterben. Mit Gottesdienst sind hier alle Formen einer gottesdienstlichen Feier gemeint, nicht nur die Eucharistie. Seelsorge im Umbruch Nun befindet sich die Seelsorge in den beiden großen Kirchen in Deutschland erheblich im Umbruch. In der katho lischen Kirche kam es in den letzten Jahren zu er - heblichen Konzentrationsprozessen in den Kirchen ge - meinden. Mehrere Pfarreien bilden nun eine Seelsorge ein - heit. Immer weniger hauptamtliche pastorale Mitar - beiter/innen stehen immer mehr Aufgaben gegenüber. Die Gemeindeseelsorge muss Angebote in den Einrichtungen der Altenhilfe reduzieren und sich auf liturgische Grund - dienste beschränken. Demgegenüber nimmt der Bedarf einer spezifischen Seelsorge in den Einrichtungen der Alten hilfe quantitativ und qualitativ zu. Quantitativ, weil die Zahl der Pflegebedürftigen steigt. Qualitativ, weil die Pflege bedürftigen auch inhaltlich eines spezifischen An - gebots bedürfen. In einem Pflegeheim leben heute Menschen, bei denen eine Versorgung und Betreuung im häus lichen Bereich nicht mehr angemessen möglich ist: Menschen mit erheblicher körperlicher Pflegebedürftigkeit (und oftmals Immobilität) oder mit chronifizierten psychi - schen Störungen oder mit demenziellen Erkrankungen. Seel sorgliche Formen und Angebote müssen sich am körperlichen und geistigen Zustand der Bewohnerinnen und Bewohner orientieren. Darum sind in den Einrichtungen der Altenhilfe vor allem auch sehr individuelle oder gruppen bezogene Angebote notwendig. Auch inhaltlich gibt es für die Seelsorge Heraus forde - rungen: Gerade am Lebensende stellen sich häufig Themen und Fragen ein, die einer individuellen Einlassung und Begleitung bedürfen. Die Annahme, ältere Menschen seien religiös leichter zu befriedigen als Menschen in anderen Lebensphasen, ist empirisch nicht haltbar. Oft braucht es gerade viel Zeit und Geduld, um an die rumorenden Lebens- und Glaubensfragen heranzukommen und sich damit angemessen auseinanderzusetzen. Der Wunsch, das eigene Leben im Rückblick zu verstehen, ist meist genauso groß wie die Hilflosigkeit, mit noch offenen und ungeklärten Themen oder Konflikten in der Biografie angemessen umgehen zu können. Hilfestellungen durch qualifizierte seelsorgliche Gesprächsführung sind hierbei meist unabdingbar. Die Seelsorge bei demenziell Erkrankten (z. B. Alzheimerkranken) steckt noch ganz am Anfang. Hier gilt es, aufgrund des vorhandenen Verlustes des Kurz zeit - ge dächtnisses und des sich abzeichnenden Verfalls der Persönlichkeit neue Zugänge und Formen der Seelsorge zu entwickeln. Ohne eine weitgehende Einbeziehung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Pflege und von Ehrenamtlichen in den Einrichtungen in die Angebote der Seelsorge wird es nicht möglich sein, zukünftig inhaltlich angemessene und auch ausreichend viele seelsorgliche Angebote in den Ein - richtungen der Altenhilfe durchzuführen. Waren es bisher die Kirchengemeinden, die in den Einrichtungen der Altenhilfe als Träger und Anbieter von Seelsorge unter Einbeziehung von Ehrenamtlichen und gelegentlich auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die federführende Rolle inne hatten, so ist es zunehmend oft umgekehrt: Die Initiative geht von der Einrichtung aus. Qualifizierte Mitar - bei terinnen und Mitarbeiter gestalten in Kooperation und Abstimmung mit den Kirchengemeinden das seelsorgliche Le ben. Die pastoralen Hauptamtlichen der Kirchen ge - meinden treten nur noch punktuell in Erscheinung. Die seelsorglichen Angebote in der Einrichtung werden mit diesen abgestimmt. Die konkrete Umsetzung übernehmen ehrenamtliche und hauptamtliche Personen aus den Ein - rich tungen. Den Mitar beiterinnen und Mitarbeitern und den Ehrenamtlichen kommt damit eine neue Rolle zu, was deren Selbstbewusstsein stärkt. Andererseits fällt es manchen Kirchengemeinden und insbesondere Pfarrern noch schwer, mit diesen Veränderungen umzugehen. Grundsätze der Bewohnerseelsorge

36 35 duellen Lebensgeschichten an. (4) Grundlage ist Ökumene und weltanschauliche Offen - heit. Die Seelsorge steht ganz im Zeichen der Ökumene und dem Respekt vor den religiösen und weltanschaulichen Verwurzelungen der Bewohnerinnen und Bewohner. (5) Es gilt der Grundsatz, dass die Seelsorge im Zu sam - men wirken mit dem sozialen und kirchlichen Umfeld ge schieht. Die Seelsorge in den Einrichtungen erfolgt in enger Abstimmung mit den kirchlichen und religiösen Verantwortlichen und Akteuren im sozialen Umfeld der Einrichtung. (6) Die Konzeption der Bewohnerseelsorge ist ein Teil einer umfassenden Betreuungskonzeption in den Ein - richtungen der Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung. Der Sozialdienst der Einrichtung ist für Seelsorge und deren Umsetzung in der Pflegeeinrichtung verantwortlich. Themen der Seelsorge Seelsorge setzt unmittelbar im Lebensbereich und im alltäglichen Leben der Bewohnerinnen und Bewohner an. Thematisch verwirklicht sich somit der seelsorgerliche Auf - trag in den Einrichtungen der Altenhilfe in verschiedenen Bereichen (vgl. Rahmenkonzeption der Seelsorge Der Mensch ist der Weg ): Unmittelbar religiös-kirchliche Inhalte Je nach örtlicher Tradition ist der religiöse Bereich und ggf. das kirchliche Brauchtum sehr vielfältig. Meistens aber nicht immer ist eine konfessionelle Beheimatung der Be - wohnerinnen und Bewohner gegeben, die auch im hohen Alter wichtig ist. Andererseits ist aber auch eine große ökumenische Offenheit wahrzunehmen sowie die Bereitschaft, an den traditionellen religiösen Formen aller Konfessionen teilzunehmen (z. B. Eucharistie bzw. Abendmahl). Der religiöse Bereich konkretisiert sich u. a. in folgenden An - lässen: Feier der Eucharistie bzw. des Abendmahls, öku - me nischer Gottesdienst, Andacht, Meditation, Rosen - kranz gebet, Eucharistische Anbetung, Gottesdienste mit demenzkranken Menschen, Begleitung zum Gottesdienst, Krankensalbung, Krankenkommunion, Tischgebet, seelsorgerliches Gespräch, Beichte, abendlicher Impuls (Lied/Text/Gebet), Einbindung der Bewohnerinnen und Be - wohner in die Kirchengemeinde, Gestaltung von Fest - zeiten im Jahreskreis (Advent, Weihnachten, Ostern, Mai - monat, Pfingsten, Martinsfest, Nikolaustag usw.). Leben in Gemeinschaft Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen (Genesis 2,18: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt ). Der Ein - zug in eine Seniorenwohnanlage oder in eine stationäre Pflege einrichtung bedeutet oft das Verlassen eines ge - wachsenen sozialen Netzes. So gilt es im betreuten Wohnen oder im Pflegeheim, in eine neue Gemeinschaft hinein zufinden und gleichzeitig möglichst viele Kontakte von früher aufrechtzuerhalten. Die Kirchengemeinden können das Erleben von Gemeinschaft im Heim oder der Wohnanlage durch Feste und Veranstaltungen sehr unterstützen. Besuchsdienste von Ehrenamtlichen können hier eine wichtige Funktion erhalten. Die persönliche Lebensgeschichte Die persönliche Lebensgeschichte, die Bewohnerinnen und Bewohner ins Pflegeheim oder in die Senioren wohn - anlage mitbringen, ist ein großer (Erfahrungs-)Schatz, manch mal zugleich auch eine große Last. Da oftmals (be- sonders bei demenziell Erkrankten) das Langzeit ge - dächtnis im Vordergrund steht, bietet es sich an, die verschiedenen Bereiche der Lebens geschichte anzusprechen und in die Gegenwart hereinzuholen. Die Methoden der Biografiearbeit und der Erinnerungspflege haben sich bewährt und fördern oft Erstaunliches zutage. Die persönliche Lebensgeschichte gilt es zu würdigen und zugleich Mög lichkeiten der Versöhnung bei Ungeklärtem anzubieten. Gesundheit und Krankheit Wer pflegebedürftig ist, ist auf vielfache Hilfe und Unter - stützung bei den Verrichtungen des täglichen Lebens an - gewiesen. In der täglichen Unterstützung kann der Pflege - bedürftige unmittelbar die Sorge für sein Wohlergehen erfahren. Die Körperpflege zielt auf das Wohlbefinden des Menschen. In einer guten und professionellen Pflege be - ziehung hat Freundlichkeit und Zuneigung, Rück sicht - nahme und Verständnis Platz. Die Mitarbeiterinnen und Mit ar beiter der Pflege erleben ganz nah, was die Be - wohnerinnen und Bewohner bewegt. Ihnen werden Sor - gen, Nöte, Anliegen, Glückserfahrungen mitgeteilt. Da mit sind sie schon unmittelbar in ein seelsorgliches Wirken eingebunden. Besonders hilfreich und ausdruckstark ist es, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflege auch explizit seelsorgliche Angebote übernehmen. In der Pflege fließen viele Bereiche der Seelsorge zusammen, in denen wirklich menschliche Begegnung geschieht und der Le - bens qualität der Bewohnerinnen und Bewohner gedient wird, also auch heilende Begegnung stattfindet oder stattfinden kann. Essen und Trinken Essen und Trinken ist eine Dimension von Lebensqualität. Damit ist aber nicht nur die elementare Nahrungs auf - nahme gemeint, sondern auch der Rahmen, in dem Essen

37 36 und Trinken stattfindet: Hierzu gehört die Tisch ge mein - schaft, der Service bei Tisch, die Gestaltung und Deko - ration des Tisches und der Räume sowie auch die Art und Weise, wie den Bewohnerinnen und Bewohnern das Essen serviert und gereicht wird. Hierin liegt oft der Schlüssel für das Wohlbefinden und die Wertschätzung der Person. In der Gestaltung einer freundlichen und kommuni kativen Tischkultur verwirklicht sich somit auch der christliche Auftrag einer beziehungsstiftenden Ge mein - schaft. Damit wirken auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Küche und Hauswirtschaft mit am geistigen Wohlbefinden der Bewohnerinnen und Be - wohner. Brauchtum und Kultur Lebensqualität im hohen Alter wird auch von der Erinnerung und dem Wiedererkennen geprägt: Angebote kultureller Veranstaltungen (z. B. Kunst, Theater und Musik) und die Praxis verschiedener in einer Einrichtung ge übter Kulturen (Begrüßungskultur, Verabschie dungs - kultur, Brauchtumspflege, Feste und Feiern usw.) dienen dem Erhalt und der Würdigung dessen, was im Leben vieler Bewohnerinnen und Bewohner Bedeutung bekommen hat. Die Gestaltung ihrer persönlichen Gedenktage (Ge- burts tag, Namenstag, Hochzeitstag, Todestag des Partners usw.) unterstreicht die Bedeutung und Würde der einzelnen Personen. Kultur des Sterbens In der Regel beginnt für die Bewohnerinnen und Bewohner mit dem Einzug in eine Einrichtung der Altenhilfe die letzte Lebensphase. Sterben und Tod sind eine präsente Erfah - rung. In stationären Pflegeeinrichtungen sterben derzeit jähr lich etwa ein Drittel bis die Hälfte der Bewohnerinnen und Bewohner. Jede Einrichtung der Altenhilfe hat eine Kultur des Sterbens, der Sterbebegleitung und der Unter - stützung, eine Hilfe im Sterben (und nicht zum Sterben) zu entwickeln. Dies ist eine der wichtigsten Aufgaben der Seelsorge in den Einrichtungen der Altenhilfe. Hier ist eine unkomplizierte und reibungslose Kooperation von Pflege - kräften (ggf. palliativer Versorgung), Angehörigen, seelsorglich Tätigen, Hospizdiensten und Sitzwachen nötig. Im Umgang mit Sterbenden zeigt sich, ob eine Einrichtung eine christliche Kultur des Lebens und der Botschaft Jesu Christi auf den Weg gebracht hat. Kultur der Verabschiedung Zur Seelsorge in Einrichtungen der Altenhilfe gehört auch eine Kultur der Verabschiedung: Der würdevolle Umgang mit dem Körper des Verstorbenen und angemessene Formen und Rituale des Abschiednehmens sind ein letztes Zeichen der Wertschätzung für den Verstorbenen. Unter den Bewohnerinnen und Bewohnern bestehen und entwickeln sich nachbarschaftliche Beziehungen und freundschaftliche Kontakte. So ist es für Mitbewohnerinnen und -bewohner bedeutsam, dem Verstorbenen in einem würdevollen Rahmen ein ehrendes Gedenken zu geben. Gleich zeitig kann es für sie tröstlich sein zu erfahren, welche Wertschätzung der Person über den Tod hinaus entgegengebracht wird. Mithilfe eines entsprechenden Um - gangs mit Sterben und Tod wird unterstrichen: Zentral für den christlichen Glauben ist die Überzeugung, dass der Tod nicht Ende, sondern der Beginn eines neuen Lebens ist. Hilfreich sind Verabschiedungsfeiern für verstorbene Bewohnerinnen und Bewohner in der Gemeinschaft der Wohngruppe bzw. im Rahmen der Hausgemeinschaft in der Hauskapelle, die Einbeziehung von Angehörigen in die Verabschiedungsfeier, ein Totenbuch mit Fotos, ein Jahresabschiedsgottesdienst usw. Zur Organisation von Seelsorge Wer seelsorgliche Angebote in Einrichtungen der Altenhilfe will, muss diese organisieren und die Seelsorge selbst in den Abläufen der Einrichtung verankern. Seelsorge muss zunächst ein Bestandteil des Leitbildes und der Kultur der Einrichtung sein. Nicht zwingend, aber sehr hilfreich ist es, wenn ein Seelsorgekonzept vorliegt, in dem Aufgaben, Themen und Zuständigkeiten definiert sind. Seelsorge kann als eine (besondere) Form der sozialen Betreuung verstanden werden. Nur wenn die Leitung der Einrichtung die Seelsorge ausdrücklich wünscht und befördert, wird sie in einer Einrichtung gedeihen. Zusätzlich empfiehlt es sich, einen Verantwortlichen in der Einrichtung zu benennen, der die seelsorglichen Angebote und gottesdienstliche Feiern koordiniert und die Abstimmung mit den Kirchengemeinden vornimmt. Für die Durchführung von Gottesdiensten müssen ausreichend Personen vorhanden und bereit sein. Die in der Seelsorge Tätigen, Ehren - amtliche und Hauptamtliche, treffen sich regelmäßig zu Absprachen und zu gemeinsamen Fortbildungen. In der Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung bleibt die Seel - sorge eingebunden in die Leitungskonzeption und Organisationsstruktur. Inhaltlich ist Seelsorge verankert in den Leitsätzen wie auch in der strategischen Zielsetzung: Der Bewohner ist Ausgangs- und Zielpunkt der Leis tungs - erbringung. Diese Zielsetzung wird in unterschiedlichsten Konzep tionen (Pflege-, Betreuungs- und Hauswirt schafts - kon zeption) sowie auch in einem Schwerpunktprozess Lebens qualität konkretisiert und umgesetzt. In der Betreuungskonzeption sind fünf große Bereiche entfaltet, die vom Sozialdienst der Einrichtung verantwortet werden: (1) Soziales Leben in der Einrichtung, (2) Gemein wesen -

38 37 orientierung, (3) Arbeit mit Ehrenamtlichen, (4) Bera tung/ - psycho soziale Betreuung und (5) Seelsorge. Für den Bereich der Seelsorge wurde eigens die Seel - sorge konzeption entwickelt. Damit sind in jeder Ein rich - tung die Zuständigkeiten für die Seelsorge klar. Meist hat sich ergänzend eine Arbeitsgruppe Seelsorge in den Ein - rich tungen etabliert, die beratend und koordinierend die Aktivitäten der Seelsorge im Blick behält. Stiftungsweit gibt es spezielle Fort- und Weiterbildungen für die seelsorglich Tätigen: Qualifizierungskurse, Spezial - kurse (z. B. Gottesdienste für demenziell Erkrankte), Oasen tage für seelsorglich Tätige, etc. Einmal jährlich treffen sich die seelsorglich tätigen Ehrenamtlichen und Mit - arbeiter/innen in einer Konferenz zum Erfah rungs aus - tausch. Ein kleiner Baustein der Seelsorge ist auch, dass inzwischen mehrere Einrichtungen kleine Konvente von Schwestern beschäftigen, die sich sehr gerne auch im seelsorglichen Bereich einbringen. Die Darstellung klingt immer runder als die Praxis. Die Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung ist bisher im Bereich der See lsorge den Weg der kleinen Schritte und der konkreten lokalen Projekte gegangen und setzt dabei vor allem auf Nachhaltigkeit. Seelsorge ist eine tägliche Aufgabe. Bis auf die Bereitstellung einer Fachberatung Seelsorge, die von Einrichtungen als Unterstützung und Beratung bei konkreten Themen der Seelsorge angefragt werden kann, werden alle Aktivitäten der Bewohnerseelsorge aus eigenen Ressourcen abgedeckt und findet somit innerhalb der festgelegten Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen statt. Folgende Veränderungen im Blick auf die Seelsorge in den Einrichtungen der Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung sind zu beobachten: (1) Die Seelsorge ist alltäglicher und wesentlich selbstverständlicher geworden. (2) Die Seelsorge ist ein konstitutiver Bestandteil der Arbeit geworden, der auch eigenständig und auf eigene Initiative in der Einrichtung stattfindet; es wird nicht mehr auf das Kommen der Hauptamtlichen der Kir - chen gemeinden gewartet. (3) Die seelsorglich tätigen Mitarbeiter/innen und Ehren - amtlichen sind deutlich selbstbewusster geworden. set zung sind Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter und Ehren amt - liche, die in der Einrichtung seelsorglich tätig sind. Diese Personen bedürfen (sofern sie nicht bereits über eine fundierte pastorale Ausbildung verfügen) einer Quali fizierung, in der sie auf ihre Tätigkeit vorbereitet werden, einer Be - gleitung in ihrem Tun und einer kontinuierlichen Fort bil - dung. Gerade im Blick auf die spezifischen Anforde rungen bei schwerstpflegebedürftigen und demenzkranken Men - schen ist der Fortbildungsbedarf sehr hoch. Eine dritte Voraussetzung betrifft die Ausstattung in der Ein richtung der Altenhilfe. Wünschenswert ist ein sakraler Raum (Haus kapelle). Unabdingbar sind jedoch eine Reihe von Gegenständen, wie liturgische Utensilien für gottesdienstliche Feiern, Gesangs- und Gebetbücher usw. Eine vierte Voraussetzung ist eine gute Abstimmung und Ko operation mit den Kirchengemeinden. Hier geht es vor allem darum, die knappen Ressourcen möglichst optimal für die Be - wohnerinnen und Bewohner zum Einsatz zu bringen. Das Profil einer spezifischen Seelsorge für Pflegebedürftige und Hochbetagte zeichnet sich gegenwärtig erst im An - satz ab. Dieses gilt es (weiter) zu entwickeln. Literatur Isidor Baumgartner, Heilende Seelsorge, Konkretionen und Reflexionen zur mystagogisch-therapeutischen Dimension der Seelsorge, in: Walter Fürst/Isidor Baumgartner, Leben retten. Was Seelsorge zukunftsfähig macht, München 1990, Konrad Baumgartner, Seelsorge, in: Lexikon der Bioethik, hrsg. im Auftrag der Görres-Gesellschaft von Wilhelm Korff/Lutwin Beck/Paul Mikat, Gütersloh 2000, Bd. III, Alfons Maurer/Joachim Reber (Hg.), Bleibe bei uns, Herr. Gottesdienste und Rituale in Einrichtungen der Altenpflege, Ostfildern Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung, Der Mensch ist der Weg. Evangeliumsgemäße Seelsorge für die Bewohnerinnen und Bewohner in den Altenzentren der Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung. Rahmenkonzeption, Sindelfingen Heinrich Pompey, Art. Altenheim/Pflegeheim, in: Lexikon der Bioethik, hrsg. im Auftrag der Görres-Gesellschaft von Wilhelm Korff, Lutwin Beck und Paul Mikat, Gütersloh 2000, Bd. I, Voraussetzungen für Seelsorge Eine spirituelle Kultur und Seelsorge in Einrichtungen der Altenhilfe bedürfen bestimmter Bedingungen und Voraus - setzungen innerhalb der Einrichtung. Sehr hilfreich ist hierbei das Vorliegen eines Seelsorgekonzeptes, in dem die The men, Organisation, Zuständigkeiten und Vorraus set - zungen geregelt sind. Eine zweite unabdingbare Vorraus -

39 38 stiftung st. franziskus heiligenbronn Die stiftung st. franziskus heiligenbronn ist eine kirchliche Stiftung öffentlichen Rechts. Sie wurde 1991 auf Betreiben der Franziskanerinnen von Heiligenbronn durch Bischof Dr. Walter Kasper errichtet, um die sozialen Aufgaben des 1857 gegründeten Klosters Heiligenbronn verantwortungs voll fortzuführen und zukunftsfähig weiterzuentwickeln. Heute ist die Stiftung mit den Aufgabenfeldern Be hin der - ten hilfe, Altenhilfe sowie Kinder- und Jugendhilfe im südlichen Baden-Württemberg vertreten. Das Ziel der Stif tung ist es, die betreffenden Personenkreise darin zu unterstützen, ihr Leben soweit als möglich selbstständig in die Hand zu nehmen und ihr Lebensglück zu gewinnen. Dazu bietet die stiftung st. franziskus heiligenbronn ein kom plexes Dienstleistungsangebot am - bulanter und stationärer Dienste von der Beratungsstelle über Schulen und Aus bildungs - angebote bis hin zu Wohn- und Arbeits - mög lichkeiten. Zu - Schwarzwald-Gäu Schwarz- wald-alb- Donau Ludwigsburg- Waiblingen-Enz Stuttgart Heilbronn- Hohenlohe Fils-Neckar-Alb Biberach Ost-Württemberg 2007 konnte das Kloster Heiligenbronn zusammen mit den Einrichtungen auf eine 150-jährige Geschichte zurückblicken. Dieses Jubiläumsjahr haben Schwestern ge mein - schaft und Stiftung veranlasst, gemeinsam zurückzublicken und nach den Wurzeln ihrer Aufgaben und nach den Mo tiven der Gründer zu fragen. Vor 150 Jahren gab es einen großen Bedarf, Kindern, die kein Zuhause hatten, dieses Zuhause zu geben. Aus diesem Grund schuf der Vikar David Fuchs 1857 eine Rettungsanstalt für die ver- Bodensee- Oberschwaben sammen mit dem Kloster Hei ligen - bronn kann die Stif - tung auf eine mehr als 150-jährige Erfah - rung in der sozialen Ar - beit zu rück blicken. Heute versteht sie sich als leistungsfähiges und modernes Sozialunternehmen, dessen Orientierung und Motivation auf der christlichen Botschaft gründet. Ulm Kontakt: stiftung st. franziskus heiligenbronn Kloster Schramberg Tel.: info@stiftung-st-franziskus.de Hubert Bernhard/Norbert Rapp Weggemeinschaft von Kloster Heiligenbronn und stiftung st. franziskus heiligenbronn Wenn eine Ordensgemeinschaft eine sozial-karitative Auf - gabe wahrnimmt, geht jeder Beobachter selbstverständlich davon aus, dass hinter dem alltäglichen Handeln eine christliche Vision und ein tief gelebter Glaube an Jesus Christus steht. So steht auch in der 2002 neu gefassten Lebensordnung der Schwestern von der Buße und der christlichen Liebe von Heiligenbronn: Wir bekennen, dass der Sohn Gottes durch seine Menschwerdung sich gleichsam mit jedem Menschen verbunden hat. (Vaticanum II, Redemptor hominis, Art 13.) Deshalb begegnen wir wie Franziskus den ausgegrenzten und erniedrigten Menschen in Ehrfurcht. In ihnen begegnet uns Christus. In ihnen begleiten wir den Herrn durch unsere Zeit. So nehmen wir uns Leid, Un mensch - lich keit und Un gerechtigkeit zu Herzen. 1 Nachdem die Heiligenbronner Franziskanerinnen 1993 ihre Dienste und Einrichtungen an die 1991 vom Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart gegründete stiftung st. franziskus heiligenbronn zugestiftet haben, stellt sich die Frage, wie sich ihre Spiritualität in die Stiftung hinein tradiert und weiterentwickelt hat. Dieser Frage will sich der vorliegende Beitrag vorrangig zuwenden. Kindern eine Chance geben 1 Lebensordnung der Schwestern von der Buße und der christlichen Liebe von Heiligenbronn (2002), 48.

40 39 waisten und verwahrlosten Kinder des Schwarzwaldes. Gleich zeitig rief er eine Schwesterngemeinschaft des Franzis kanischen Dritten Ordens ins Leben, die ihn bei der pädagogischen Arbeit unterstützte. Gemeinsam mit David Fuchs sahen die Schwestern hierin eine Aufgabe, benachteiligten Kindern Chancen zu eröffnen. Weltanschauliche Grundlage für diese Chancengleichheit ist die gleiche Würde aller Menschen, weil alle uneingeschränkt und in gleicher Weise Gottes Ja geschenkt bekamen und immer wieder bekommen. Nun reden ja viele Menschen von Chancengleichheit, meinen aber damit zuallererst den Kampf um ihre eigenen, an - geb lich fehlenden Chancen. Die Schwestern haben durch ihr klösterliches Leben eine Lebensform gewählt, die aus der Erkenntnis und dem Vertrauen heraus schöpfen kann, dass sie ihren Platz im Leben, ihre Chancen nicht er - kämpfen müssen, sondern dass ihnen dies bereits ge - schenkt wurde. Und aus diesem Beschenktsein heraus hatten sie auch die Freiräume, die es ihnen ermöglichten, den Blick auf andere zu richten, die gewisse Hilfe brauchten, um diese Chancengleichheit zu erfahren. Die Schwes - tern haben den menschenfreundlichen Gott zur Mitte ihres Le bens gemacht und dadurch die Menschen wichtig ge - nommen. Diese Grundhaltung kann als ein Schatz gesehen werden, den die Schwestern gepflegt haben und den sie gleichsam an die Stiftung weitervererbt haben als Ge - schenk, aber auch als Verpflichtung. Aus der Vergangenheit Zukunft wachsen lassen Als sich die Heiligenbronner Schwesterngemeinschaft in den achtziger und Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahr hunderts die Frage stellte, wie angesichts fehlenden Schwestern nachwuchses und sich ändernder Rahmen be - dingungen die Dienste und Einrichtungen für sinnesbehinderte Menschen weitergeführt werden sollen, wurde zu - sam men mit dem Bischöflichen Ordinariat die insti tu tio - nelle Trennung von Schwesterngemeinschaft und Einrich - tungen durch die Errichtung einer kirchlichen Stiftung des öffent lichen Rechts ins Auge gefasst. Der Weg zu dieser Ent scheidung war ein geistlicher Prozess, der von der Schwesterngemeinschaft sorgfältig gestaltet wurde, sich den kritischen Fragen stellte und mithilfe einer geistlichen Be gleitung einen Konsens suchte. Sr. M. Dorothea Thomalla schreibt darüber: Der wichtigste Anstoß war die Bereitschaft, sich der äußeren Realität zu stellen, dass wir auf Dauer die soziale Einrichtung nicht halten können. Ihre Zukunft zu sichern war eine gemeinsame und vorrangige Ent schei - dung. Diese brachte auf der geistlichen und lebensmä- ßigen Ebene Einschnitte und Veränderungen mit sich. Die Schwestern hatten ja fast 140 Jahre lang Herzblut und alle Kraft in die Arbeit mit den sinnesbehinderten Men schen eingebracht. Jetzt übernahmen andere die Leitung, machten manches anders. Die soziale Arbeit gab in diesen Jahren Identität. Was jetzt? Dieser Schritt zur Stiftung trug die Entscheidung mit sich, diese Identi - tät aufzugeben, ohne zu wissen, was dann sein wird. 2 Für die Schwestern selbst ging es darum, ihre Identität, ihre Berufung neu zu finden. Dies fanden sie zum einen in der bewussten Gestaltung des geistlichen Lebens. Das eigene Leben Gott hinhalten, für die Menschen in der Stiftung, in Kirche und Welt in Gebet und Leiden einstehen, wurde als tiefe Berufung erfahren. 3 Zum anderen war es der Blick auf den Ort Heiligenbronn als alten Wallfahrtsort, zu dem Menschen schon immer mit ihren Anliegen und Nöten kamen. Vertrauen und Verlässlichkeit Im Rahmen der Zustiftung war es den Schwestern wichtig, nicht nur materielle Güter, Immobilien und Kapital der stiftung st. franziskus heiligenbronn zuzustiften, sondern auch die nichtmateriellen Güter, ihr bisheriges Charisma 4, also die Bitte um den Segen Gottes den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stiftung zukommen zu lassen. In diesem Zusammenhang war es den Schwestern wichtig, dass Kloster und Stiftung sich räumlich nahe bleiben und auch darüber hinaus eng miteinander verbunden sind. Sr. Franziska Teufel, die damalige Generaloberin, hat im Rahmen der Zustiftung auf ein gutes Miteinander von Klos - ter und Stiftung gesetzt und sich dazu folgendermaßen geäußert: Darum ist es gut, dass wir Schwestern hier am Ort bleiben, auch wenn wir nicht mehr in der Stiftung arbeiten können. Unsere Aufgabe wird es bleiben, durch unseren Gebetsdienst die behinderten Menschen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Anliegen der Stiftung mit versöhntem, wohlwollenden Herzen zu begleiten. 5 Die Zusammenarbeit war von Anfang geprägt von Ver - trauen und Verlässlichkeit. So war es beispielsweise gleich zu Beginn ein großer Vertrauensvorschuss der Klos ter lei - 2 Sr. Dorothea Thomalla, Exemplarischer Abschied und Aufbruch einer Schwesterngemeinschaft, in: Impulse für die Pastoral, Freiburg 2008, Vgl. ebd., Genauer steht da: aus Wohlwollen gespendete Gabe. 5 Sr. M. Franziska Teufel, Begrüßung beim Festakt zur Zustiftung am 1. Juli 1993, 3. Unveröffentlicht

41 40 tung, dem Vorstand der Stiftung vom Januar 1992 bis zur Zustiftung Mitte 1993 ohne Manage ment vertrag die Ge - schäftsführung der noch klostereigenen Einrichtungen zu übertragen. Glauben braucht Zeiten und Orte Nach 15 Jahren haben sich in diesem Miteinander die un - ter schiedlichsten Formen und Gelegenheiten entwickelt, die insgesamt dazu beitragen, dass die Stiftung vieles von ihren Wurzeln, gerade ihren spirituellen Wurzeln, bewahren und befruchtend in ihre Aufgabenfelder hineintragen konnte. Ein wichtiger Baustein ist dabei die bereits im Zu stif - tungs vertrag festgelegte Absicht, für die Wieder belebung der Wallfahrt geeignete räumliche Voraussetzungen zu schaffen. Als Ergebnis eines intensiven Planungs pro - zesses entstand 1997 als Gemein schaftsprojekt von Klos - ter und Stiftung das Haus Lebensquell. Das Haus Lebensquell ist gleichermaßen offen für Wall - fahrer und Gäste von außen, aber auch für Menschen, die mit den Aufgabenfeldern der Stiftung verbunden sind: Mit - ar beiterinnen und Mitarbeiter, Betroffene, Angehörige, Ehren amtliche, Freunde und Partner. Das Angebot reicht von Besinnungstagen für Einzelne und Gruppen über thematische Angebote bis hin zu Einzel - exerzitien. Das Anliegen dieser Angebote ist es, die Spiri - tualität und das Charisma des Ortes Heiligenbronn den Men schen zu erschließen. In ihrer Lebensordnung haben die Schwestern dies so formuliert: Im Blick auf die Schmerzhafte Mutter Gottes am Heiligen Bronnen im Heiligen Geist ganz Wohnung und Bleibe des Vaters und des Sohnes werden, um anderen neue Familie und Heimat zu sein 6. Dieser Grundgedanke des Wallfahrtsortes Heiligenbronn ist älter als Kloster und Stiftung und prägt beide. Aus vielen Rückmeldungen wird deutlich, dass dieses Charisma le bendig ist, dass Menschen bei sich selbst, bei Gott an - kommen, zur Ruhe kommen, sie zutiefst ein Stück Heimat er fahren und somit Wunden heilen können. Gäste von außen erleben meist die Spiritualität eines Ortes un mittelbarer als Menschen, die am Ort selbst wohnen und arbeiten. Besucher werden angesprochen von der Quelle. Anhand der Tonplastiken des peruanischen Künstlers Raul Castro setzen sie sich in der Ausstellung zum Leben Jesu mit ihrem eigenen Leben auseinander. Da das Haus Lebensquell mitten im Gelände steht, begegnen sie ganz selbstverständlich Menschen mit Behin de - rungen. Sie erzählen im Gespräch vom liebevollen und 6 Lebensordnung der Schwestern von der Buße und der christlichen Liebe von Heiligenbronn (2002), 42. einfühlsamen Umgang der Mitarbeiterinnen und Mitar - beiter mit den behinderten Menschen. Der Aufenthalt in Heiligen bronn ist für sie nicht nur ein Weg in die Inner - lichkeit, sondern eine Teilhabemöglichkeit am Leben der Menschen mit Behinderung, aber auch ein Kennen lernen der gelebten Caritas als kirchlicher Wesens äuße rung. Häufig finden sie dadurch den Mut, sich den eigenen Gren zen, Behinderungen und Wunden zu stellen. Die Be - geg nung mit dem gelebten Evangelium hier am Ort hilft ihnen zur Begegnung mit dem Evangelium im eigenen Leben. Ein neues Bewusstsein für die Würde und den Wert jedes Men schen nehmen viele Gäste mit in ihren Alltag zurück. Gerade auch für die Anliegen und Aufgaben sozialer Ein - richtungen wie der stiftung st. franziskus heiligenbronn sind sie durch ihren Aufenthalt neu sensibilisiert. Die Schwestern, vor allem die alten Schwestern, sehen es als ihren geistlichen Auftrag, alle Menschen, die hier leben und arbeiten oder die als Gäste im Haus sind, im Gebet zu begleiten. Dieses stellvertretende und fürbittende Gebet wird gerne angenommen und als Geschenk angesehen. Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen die Angebote im Jahresprogramm von Haus Lebensquell offen, nach Ab sprache finden auch eigens Besinnungstage für verschiedene Bereiche oder Gruppen statt. Nach anfänglichen Bedenken, ob denn am Arbeitsplatz Abstand zum Alltäglichen möglich ist, melden einzelne Mitar beiterinnen und Mitarbeiter nach solchen geistlichen Einkehrtagen z. B. zurück: Ich wusste gar nicht, welche Schätze es hier am Ort gibt, Es tut gut, Heiligenbronn auch mal von einer anderen Seite kennenzulernen, Nun habe ich an der Quelle oder in der Hauskapelle einen Ort ge funden, an dem ich mich in einer Pause zurückziehen kann, Ich spüre neu die Kraft des Ortes und des Ge - betes, Ich bekomme Abstand von der Arbeit, Ich kann wieder klarer sehen was wichtig ist, wenn bei der Arbeit alles drunter und drüber geht. Ein Team von Schwestern, Mitarbeiterinnen und Mitar bei - tern bietet regelmäßig Besinnungstage für Bewoh ne rinnen und Bewohner der Stiftung an. Dies wird sehr gerne angenommen. So wird versucht umzusetzen, wozu im Hausprospekt von Haus Lebensquell eingeladen wird: Im alltäglichen Miteinander, im Gebet und Gespräch, in der Meditation und Begegnung die eigenen Quellen neu zu entdecken, Gemeinschaft zu erleben, das Wort Gottes zu hören, Sein Reich zu erfahren. Wir laden ein, aus dem Brunnen des Evangeliums zu trinken: das eigene Leben in Beziehung bringen zu Jesus von Nazareth, entlang der Tonplastiken von Raul Castro Zeugnis geben, einander teilhaben lassen am eigenen Glauben

42 41 Menschen mit Behinderungen begegnen die eigenen Behinderungen und Fähigkeiten neu verstehen lernen geschwisterlichen Umgang mit der Schöpfung üben einfach leben als Alternative zum konsumorientierten Lebensstil Gastfreundschaft erleben im Sinne von Franziskus: Wenn es dir gut geht, dann komm. begleitendes Gebet der Schwestern Kraft schöpfen für den Alltag. 7 Kleine Zeichen mit großer Wirkung Neben solchen großen Zeichen der Gemeinsamkeit gibt es aber auch viele kleine Impulse, die zu einem guten und befruchtenden Miteinander beitragen und durch die die Stiftung spirituell gestärkt wird. Ein wesentliches Fundament für eine gegenseitige tragfähige Beziehung war sicher der Umstand, dass Mitarbeiterinnen und Mitar - beiter und der Stiftungsvorstand ihre Büros über einen Zeitraum von mehr als 13 Jahren im Hauptgebäude des Klosters hatten. Somit waren sie mitten im Kloster präsent. Le ben, Wohnen, Arbeit und zum Teil auch die Freizeit ge - meinsam mit den Schwestern, mit Bewohnerinnen und Bewohnern und Mitarbeitenden dies gehörte zum Alltag. Dies führte zu vielen hilfreichen Begegnungen mit Schwestern, die sich dadurch fast täglich ergeben haben und die immer wieder zum Austausch, zu kürzeren oder auch längeren Gesprächen oder aber auch nur zu einem Gruß geführt haben in gegenseitiger Achtung und auf gleicher Augenhöhe. Es ist einfach motivierend und erfüllt mit Dankbarkeit, wenn frühmorgens eine Schwester zu mir sagt, dass sie heute schon ein Vaterunser oder eine Fürbitte für mich persönlich gebetet oder gesprochen hat. Oder dass die Schwestern alle Anliegen der Stiftung ins Gebet eingeschlossen haben. Hier liegt eine besondere Stärke für die Arbeit der Stiftung. Die Entscheidung der Schwestern für die Übergabe ihrer Ein richtungen an die Stiftung war keine Entscheidung gegen diese Einrichtungen, sondern für sie und für die Men schen, die von diesen Einrichtungen begleitet werden. Es ging ihnen darum, das, was ihnen früher ihr ureigenstes An liegen war, zu sichern und in eine gute Zukunft zu führen. Diese Entscheidung fand in einer Zeit statt, die eher zu Ängst lichkeit und Zurückhaltung Anlass gab als zu hoffnungsvollen und mutigen Schritten. Generaloberin Sr. M. Judith Kaupp hat dies bei der Eröffnung des Jubiläums - jahres mit einem Text von Dom Helder Camara ausgedrückt: Die Hoffnung, die das Risiko scheut, ist keine Hoffnung. Hoffen heißt, an das Abenteuer der Liebe glauben, Vertrauen zu den Menschen zu haben, den Sprung ins Ungewisse tun und sich ganz Gott überlassen. Getrennt und doch gemeinsam Um diesen Willen zu einer gegenseitig befruchtenden Zu - sam menarbeit auch umzusetzen, braucht es zweifellos auch geeignetere Formen. Solche Formen finden sich beispiels weise in der Mitarbeit von Schwestern in der Arbeit der Stiftung, in der Mitwirkung der Klosterleitung und von Superior Rolf Oster im Stiftungsrat, in regelmäßigen Ge - sprächen zwischen Generalrat und Vorstand, in Jahres ge - sprächen für das Haus Lebensquell, in regelmäßigen Informationen über aktuelle Entwicklungen, im gemeinsamen Feiern von Festen, z. B. dem Franziskusfest oder dem Stiftungsfest, welches jährlich am 1. Juli gefeiert wird und regelmäßig an die Zustiftung erinnert und die Anliegen der Zustiftung wachhält. Auch die Namensgebung von Pro jekten bedeutet sowohl Wertschätzung gegenüber der Schwesterngemeinschaft als auch eine ständige Ausein - andersetzung mit unseren Wurzeln und mit den Anliegen der Gründerpersönlichkeiten. So trägt beispielsweise das Haupt gebäude des Kinder- und Familien zen trums in Villingen-Schwenningen den Namen des Gründers von Kloster und Einrichtungen, David Fuchs, oder das zentrale Wirtschafts- und Versorgungsgebäude den Namen der ersten Oberin, Elisabetha Glöckler. Im Stadt teil Heiligen - bronn wurde die Bonaventura-Hauser-Straße nach der 1992 verstorbenen Generaloberin be nannt, die den Pro - zess zur Errichtung der Stiftung gemeinsam mit dem da - ma ligen Superior Peter Schmid zielstrebig vorangebracht hat. Der Nikolaustag hat sich seit der Zu stiftung zu einer herz lichen Begegnung von Schwestern und Vorstand entwickelt. Die Vorstände besuchen alle Schwestern in den Konventen und in der Pflegestation zusammen mit der Generaloberin und danken jeder Schwester persönlich für ihre Unterstützung und ihr Gebet und informieren diese über Anliegen, Probleme und Entwicklungen der Stiftung. Spiel mit dem Leben Das bereits erwähnte Jubiläum zum 150-jährigen Be - stehen von Kloster und Einrichtungen war ein weiterer Meilenstein der gemeinsamen Geschichte von Schwes - 7 Geistliches Zentrum Haus Lebensquell, Schramberg-Heiligenbronn, o. J.

43 42 tern gemeinschaft und Stiftung und gleichzeitig durch die übers Jahr verteilten Veranstaltungen eine große spirituelle Erfahrung. Einer der Höhepunkte dieses Jubiläumsjahres war das Geistliche Musiktheater David Fuchs Spiel mit dem Leben 8. Der Franziskanerpater Helmut Schlegel verfasste aus den nackten geschichtlichen Daten zur Ge - schichte Heiligenbronns und des Klosters ein Musik- und Theaterspiel, das den Einsatz für das Leben und den Traum von einer menschlichen Welt und erfüllenden Got - tes suche in lichten und poetischen Worten und Liedtexten zum Ausdruck bringt. Das Musiktheater schlägt dabei einen oft überraschenden Bogen zu Erzählungen der Bibel wie zur heutigen Welt, in der Kinder nach wie vor in Gefahr sind, zu Opfern zu werden. In dem von Dekanats kir chen - musiker Rudi Schäfer vertonten Gesamt kunst werk, wie es die örtliche Presse beurteilte, ereignete sich Teilhabe und Zusammenwirken vieler Akteure im wörtlichen Sinn: Der Bewohnerchor InTakt aus Heiligenbronn, eine Panto - mimegruppe gehörloser junger Menschen aus Rottweil, seh- und hörgeschädigte Schülerinnen und Schüler, Kinder aus der Kirchengemeinde Heiligenbronn, Teil - nehmer der Theaterwerkstatt Schramberg, s Chörle aus Heiligenbronn, die Schola Schramberg mit Band, der Arbeits kreis David Fuchs, Ordensschwestern, Mitarbei - terinnen und Mitarbeiter der Stiftung, Profis und Laien, insgesamt rund 100 Mitwirkende begeisterten in drei Auf füh - rungen ein beeindrucktes Publikum. Neben Schaus piel - szenen, artistischen Einlagen, Szenen im Publikum und vor dem Saal überzeugten vor allem die Lieder, die stimmungsvoll vertont waren. Dieses Musiktheater war zweifellos ein einmaliger Höhe - punkt, der bei den Mitwirkenden und dem zahlreichen Publikum Spuren hinterlassen hat und noch lange im Ge - dächtnis bleibt. In den Geschichten und Szenen dieses Musik theaters wurde von den Visionen von Kloster und Stiftung vermutlich mehr spürbar, als in noch so ausgefeilten Dokumenten. Sinn finden im Beruf Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie wir für unseren Alltag Impulse bekommen können und angeregt werden, innezuhalten und uns zu besinnen. Aus dem Projekt Sich finden im Beruf Sinn finden im Beruf und entsprechenden Besinnungstagen des Bereiches Behindertenhilfe Er - wachsene heraus hat sich ein dreiköpfiges Autorenteam gefunden, das bereits seit vier Jahren monatlich an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Bereiches eine E- Mail verschickt unter dem Motto Moment mal. Diese E- Mail will nicht das bereits übervolle -Postfach zusätzlich verstopfen, will nicht noch mehr und noch schneller, will keine Antwort, sondern will zum Nach den - ken aufrufen, will ein Zeichen setzen, ein Pause zeichen, ein Merkzeichen, vielleicht eine Art modernes Kreuz zeichen. Es beinhaltet einen kleinen Text, der ansprechen soll mitten im Dienst, mitten aus der Arbeit heraus, der Gefühle treffen will, Ängste, Bedürfnisse, Visionen der Kolleginnen und Kollegen. Seine Themen heißen Gelassenheit, der zielvereinbarte Mensch, Glück gehabt oder zwischen Himmel und Erde. Auch im Autorenteam kommt die enge Verbindung zwischen Schwesterngemeinschaft und Stif - tung zum Ausdruck. Teilhaben und Teilgeben 15 Jahre nach der Zustiftung der Dienste und Einrich - tungen für sinnesbehinderte Menschen vom Kloster Heili - gen bronn an die stiftung st. franziskus heiligenbronn kann gesagt werden, dass diese Weitergabe einer karitativen Aufgabe gelungen ist und Kloster und Stiftung in den neuen Zuständigkeiten zu einem guten Miteinander gefunden haben. Die Spiritualität der Franziskanerinnen ist auch heute noch in der stiftung st. franziskus heiligenbronn le - bendig, sei es durch die gemeinsame Suche nach den Wurzeln, durch gemeinsame Gottesdienste und Feiern im Kirchenjahr, durch vielfältige gemeinsame Aktivitäten und Ange bote, durch die lebendige Ausgestaltung des Ortes Heiligenbronn als geistliches Zentrum der Stiftung, durch spirituelle Begleitung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder durch die religionspädagogische Arbeit in den Schulen und die seelsorgerliche Begleitung in besonderen Le bens situationen. Nach der Zustiftung haben sich die Schwestern in besonderer Weise darum bemüht, die Be - gleitung der Wallfahrer zu intensivieren und dadurch ihre Spir itualität zu pflegen und weiterzuentwickeln. Dies kommt auch der Stiftung, ihren Mitarbeiterinnen und Mit - arbeitern zugute, wobei hier zweifellos ein Schwerpunkt am Ort Heiligenbronn liegt. Die weitere enge Verbun den - heit fand ihren Ausdruck schließlich sowohl im Leitbild der Stiftung 9 als auch in der Lebensordnung der Schwes tern Vom Musiktheater wurde ein Mitschnitt erstellt, der auf DVD mit oder ohne Gebärdenübertragung erhältlich ist. 9 Lebendig sein lebendig bleiben lebendig werden. Leitbild der Stiftung St. Franziskus Heiligenbronn. Schramberg Heiligenbronn 1998, Lebensordnung der Schwestern von der Buße und der christlichen Liebe von Heiligenbronn (2002), 59.

44 43 Liedtexte aus dem Musiktheater David Fuchs Spiel mit dem Leben Ich trage einen Schatz in mir 1. Ich trage einen Schatz in mir, zwar hören meine Ohren nicht, doch hab ich andere Talente: ich spüre mehr als Worte sagen, ich kann in den Gesichtern lesen, was eines Menschen Herzen fühlt. 2. Ich trage einen Schatz in mir, zwar sehen meine Augen nicht, doch hab ich andere Talente: Ich kenne Menschen an der Stimme, Töne und Klänge haben Farben, die Welt ist eine Symphonie. 3. Ich trage einen Schatz in mir, zwar sind mir Aug und Ohr verschlossen, doch hab ich andere Talente: ich kann mit Haut und Haaren spüren, kann Gottes Schöpfung schmecken, riechen, ich bin in meinem Herzen reich. Wir fangen an, die neue Welt zu bauen Wir fangen an, die neue Welt zu bauen wir spielen leicht und zärtlich unser Spiel: das Leben wagen, unserm Gott vertrauen, und lieben Liebe gibt es nie zu viel. 1. Fest auf dieser Erde stehen, spüren, wie der Boden trägt, Sorge tragen, dass die Menschheit Gottes Schöpfung schützt und pflegt. 2. Arme weiten und berühren eines Menschen Herz und Hand, mutig eine Brücke bauen, weit bis an der Erde Rand. 3. Schauen, lächeln, Nachbarn grüßen, Leben teilen, Brot und Zeit, miteinander Frieden bauen, einstehn für Gerechtigkeit. 4. Freude in den Himmel schreiben, lichtes Band am Firmament, Leben atmen, Liebe spüren, aufrecht gehn, weil Gott uns kennt. 5. Geist und Sinn zu Gott erheben, der das Leben sorgsam lenkt, singend uns im Tanze wiegen, tun, wozu das Herz uns drängt. Beispiele für die monatliche -Aktion Moment mal Moment mal Heiligenbronn, den Liebe Mitarbeiterinnen, liebe Mitarbeiter! Es ist Monatsmitte, wir senden Ihnen wieder einen Moment mal-text zum Nachdenken. Schneeschmelze Warten dass sich etwas verändert dass neues Leben kommt auf Sonne erste Wärme auf der Haut auf Wind warmer Wind in den Haar auf Blumen, die sich getrauen, aufzublühen auf den aufsteigenden schweren Duft, der nach Erde riecht auf die ersten Lieder aus der Vogelwelt Die Übergänge aushalten zwischen Müdigkeit und Lebenskraft zwischen Zurückhaltung und Tatendrang zwischen grau in grau und Lebenslust Dabei sein wenn gelacht wird wenn Humorvolles sich ereignet wenn die Natur mich einlädt, dem Wachsen und Blühen zuzuschauen wenn Veränderungen anstehen ganz dabei sein wenn Heimbewohner mich brauchen mich wenn es gilt, eine Herausforderung anzunehmen wenn es gilt, nichts zu tun außer bei mir selber zu sein Herzliche Grüße senden Ihnen Uli Sieber Gruppe Birgitta, Dzenana Schlieter Gruppe St. Anton/Odilia, Schwester M. Reinhildis Haag Gruppe Ulrika

45 44 Joachim Reber Mitarbeiterseelsorge, spirituelle Bildung und spirituelle Kultur Praktische Anmerkungen Das Projekt Mitarbeiterseelsorge und spirituelle Bildung Im ersten Teil wurde dargelegt, vor welchem theologischen Horizont sich das Projekt Mitarbeiterseelsorge und spirituelle Bildung des Caritasverbands für Stuttgart e.v. in Ko operation mit Einrichtungen der Paul-Wilhelm von Keppler-Stiftung bewegt (vgl. S. 10 ff.). Hier nun soll in aller Kürze etwas über die technische Umsetzung berichtet werden. Das Pro jekt wurde im September 2005 begonnen und war zunächst auf drei Jahre angelegt. Die Finanzie - rung erfolgte zur Hälfte aus Eigenmitteln der beteiligten Or - ga nisa tio nen und zur Hälfte über Zuschüsse einer diözesanen Stif tung (Veronikastiftung). Besetzt wurde die Stelle mit dem Theologen und Philosophen Dr. Joachim Reber, der als Ständiger Diakon der Diözese Rottenburg-Stuttgart für den Projektzeitraum freigestellt wurde. Die organisato - rische Einbindung erfolgte in den Bereich Zentraler Ser - vice/personal und Organisation des Caritasverbands für Stutt gart. 1 Wie dargelegt, entwickelten sich im Laufe der Tätigkeit drei Aufgabenschwerpunkte, die sich von den Inhalten und den notwendigen Rahmenbedingungen deutlich voneinander abheben: Mitarbeiterseelsorge, spirituelle Bildung und etwas, das unter den Arbeitstitel spirituelle Kultur gefasst worden ist. Einige Leistungen, die sich konkret unter diesen Überschriften verbergen, seien, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, im Folgenden aufgeführt: Da sind zum einen persönliche Angebote, die Mitar bei - tende individuell nutzen können. Dazu gehören Einzel ge - 1 Ursprünglich sollte die Stelle nur unter dem Titel Mitarbeiterseelsorger firmieren. Sie wurde aber gleich zu Beginn in Mitarbeiterseelsorge und spirituelle Bildung umbenannt. Dahinter stand die Überlegung, dass Mitarbeiter seelsorger vor allem mit einem Beistand bei Krisenerlebnissen assoziiert werden könnte, die Mitarbeiterseelsorge also vorwiegend als eine Art geistlicher Ergänzung des weltlichen Betriebssozialdienstes gesehen würde. Die Erfahrung hat gezeigt, dass diese sprachliche Horizont er weite - rung richtig war. Sicherlich gehört zur Tätigkeit auch die Begleitung in Krisenzeiten. Der bei weitem größere Teil der Arbeit besteht aber in Bildungsund Beratungs angeboten, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrer beruflichen Professionalität und in ihrer alltäglichen Lebensgestaltung unterstützen. Darüber hinaus wird das outputorientierte Ziel der Tätigkeit (s. o.) durch spirituelle Bildung weit besser abgebildet. spräche zur Orientierung in Berufs-, Lebens- oder Glau - bens fragen, seelsorgerliche Begleitung über einen län - geren Zeitraum oder auch Beistand bei Krisen er lebnissen. Ort und Zeit werden dabei nach Wunsch vereinbart, die Gespräche stehen unter dem Schutz der Schweigepflicht. Auf der anderen Seite stehen gezielte Angebote für Teams, Be reiche oder Einrichtungen. Bewährt haben sich Ge - sprächsrunden oder Gesprächsforen zu aktuellen The - men, die im Arbeitsalltag auftauchen. Typische The men sind etwa: Umgang mit Erwartungen, Familie und Beruf, Wie wir miteinander umgehen, Nähe und Dis - tanz oder Verstrickungen und Schuldgefühle. Diese Run den bieten Zeit und Raum, darüber vor dem Hintergrund der eigenen Weltanschauung oder des (christlichen) Glaubens nachzudenken und miteinander ins Ge - spräch zu kommen. Oftmals kann man dafür bestehende Strukturen (etwa Teamsitzungen, Übergaben etc.) gut nutzen. Sehr fruchtbar ist es, wenn Fallbeispiele in die Ge - sprächsrunden eingebracht und analysiert werden. Auch berufsethische Fragestellungen im Pflegebereich etwa aus dem Feld der medizinischen Ethik können so gefasst und diskutiert werden. Intensiver vom Umfang und Inhalt her sind spirituell profilierte Klausurtagungen, die ein Thema aufgreifen, das für die Mitarbeiter/innen von grundlegender Bedeutung ist. Beispiele sind etwa: Was kostet mich Kraft was gibt mir Kraft? oder das Thema Spiritualität der Führung. Noch tiefer auf das eigene Selbstverständnis zielen Be - sinnungs- oder Oasentage und Exerzitien. Hier tritt nicht mehr allein das berufliche Tun in den Blick, sondern das eigene Menschsein und die persönliche Lebensgestaltung als solche. Derartige Angebote werden sowohl individuell für Teams, Bereiche, Einrichtungen gestaltet als auch offen aus geschrieben. Ort und Zeit variiert, von kurzen Veran - stal tungen im Haus bis hin zu mehrtägigen Aufenthalten in Bildungshäusern und Klöstern; und einmal waren wir so - gar für einige Tage auf der Nordseeinsel Schier monnikoog. Gezielt werden verschiedene Bildungsprozesse angestoßen und begleitet. Dazu gehören Seminare und Work - shops, etwa zum christlichen Menschenbild, zur christlichen Sozialethik oder zur Spiritualität in der sozialen Arbeit. Eine niederschwellige Form solch spiritueller Bildungs - arbeit bieten spirituelle Impulse bei Fachtagungen oder regelmäßig erscheinende kleine Artikel in Mitarbeiter - zeitschriften oder auf der Homepage. Einige davon sind nachzulesen unter Es wird angestrebt, durch Vernetzung mit verschiedenen Hoch schulen, die Teilnahme an Netzwerken und Tagungen oder die Übernahme eigener Lehraufträge, den Anschluss an die aktuelle caritaswissenschaftliche Diskussion zu halten und die Entwicklungen selbst mitzugestalten (Stich -

46 45 wort: Theologie der sozialen Arbeit ). Dazu gehört u. a. ein regelmäßiges Seminar an der Katholischen Fachhoch - schule Freiburg zum Thema Spiritualität in sozialen Ein - richtungen. Schließlich gibt es auch explizite Prozessbegleitungen. In mehreren Altenpflegeeinrichtungen etwa wird der Prozess Sterbe- und Trauerkultur durch Beratung (Steuerungs - gruppe) und diverse Veranstaltungen unterstützt. Frucht - bar ist hierbei eine Vernetzung mit verschiedentlich laufenden Palliativ-Care-Pojekten und Kooperationen mit der Hospiz bewegung. Verschiedene Teams nahmen den Dienst als Unterstützung bei Abschieds- und Umbau pro - zessen in Anspruch. Weitere Herausforderungen sind Per - so nalentwicklungs- und Basisqualifizierungsprozesse, in denen spirituelle Bildungsinhalte zu verankern sind, oder die Mitgestaltung des Prozesses Interkulturelle Öffnung (IKÖ) des Caritasverbands für Stuttgart. Eine eigene Form der Prozessbegleitung schließlich erfolgt seit August 2007 durch die Einbindung in die Leitungskonferenz der Caritas (Vorstand und erste Führungsebene). Im Sinne eines spirituellen coachings geht es hier um die Förderung einer in der Organisationskultur verankerten Führungs-Spiritualität. Befürchtungen und strukturelle Sicherungen Insgesamt wurde das Vorhaben, eine derartige Stelle einzurichten, von der ganz überwiegenden Zahl der Mit ar - beiter/innen begrüßt und als Wertschätzung ihnen und ihrer Arbeit gegenüber gewertet. Es gab aber zwei Res - senti ments, die als relativ typisch gelten dürfen. Es ist notwendig, ihnen frühzeitig durch inhaltliche Akzente, aber auch grundsätzlich durch bestimmte strukturelle Rahmen - setzungen Rechnung zu tragen. Spion und Einpeitscher Eine Befürchtung war, die Stelle könnte dazu genutzt werden, Mitarbeiter/innen im Auftrag der Leitung auszuhorchen oder ihnen gezielt Botschaften von oben zu vermitteln. Dieser Befürchtung kann neben der faktischen Art der Arbeit vor allem durch zwei strukturelle Sicherheits mecha - nismen begegnet werden: der inhaltlichen Weisungsfreiheit und der Schweigepflicht. Alle seelsorgerlichen Gespräche mit Einzelnen oder in Teams, stehen grundsätzlich unter dem Schutz der Schweige pflicht. Sie garantiert, dass nichts nach außen geht, es sei denn, die Gesprächspartner möchten dies aus drücklich. Im Kern gilt dies ebenso für alle Bil dungs - veranstaltungen, da sich in ihnen die Mit ar bei ter/innen nicht selten auch persönlich öffnen. Zum Zweiten ist wichtig, dass Mitarbeiterseelsorge und spirituelle Bildung inhaltlich weisungsungebunden erfolgt. Es ist beispielsweise nicht möglich, dass eine Füh rungs - kraft den Mitarbeiterseelsorger in ein Team schickt, um es auf Linie zu bringen. Welches Ziel verfolgt werden soll, entscheiden die Gesprächspartner selbst, es wird nicht von Dritten vorgegeben. Und das letzte Ziel ist immer das Mehr-Mensch-Werden, nicht die bessere Ar beits leistung. Dies unterscheidet die Mitarbeiter seelsorge u. a. von einer Supervision. Beides Schweigepflicht und Weisungsunabhängigkeit machen das systemkritische Potenzial der Mitar beiter - seel sorge und spirituellen Bildung aus. Sie sind auch der Grund, warum die Stelle nicht mit Führungsfunktionen verbunden werden kann. Würden Führungskräfte mit dieser Auf gabe betraut, kämen sie in einen Rollenkonflikt, der nicht zu lösen ist. Missionar Die zweite Befürchtung ist zugleich die heikelste. Sie basiert bei nicht wenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf verletzenden Erfahrungen. Es ist die Befürchtung, die Mit arbeiterseelsorge und spirituelle Bildung diene vor allem dazu, sie christlich, kirchlich oder katholisch zu machen; es sei also eine besonders straffe Form caritasinterner Missionierung. Verfolgt man die caritas- und kirchenpolitischen Dis kus sio - nen der vergangenen Jahre, so wird man diese Be fürch - tung nicht einfach von der Hand weisen können. Es gibt in der Tat gewisse Bestrebungen, auf ein mehr oder minder homogenes weltanschauliches (christliches, kirchliches, katholisches) Profil der Mitarbeiter/innen hinzuarbeiten, spätestens bei der Auswahl der Führungskräfte 2. Auf der anderen Seite besteht faktisch eine weitgehende religiöse und weltanschauliche Pluralität sowohl der Mitar beitenden als auch der Klientinnen und Klienten wie der Be woh - ner/in nen. Und im Sinne einer kultursensiblen so zialen Ar - beit wird diese Pluralität durchaus als Chance, wenn nicht gar als Notwendigkeit gesehen. 3 Je nachdem, welchen Ansatz man favorisiert, ergibt sich für die Mitarbeiterseelsorge und spirituelle Bildung eine grundsätzlich andere Zielsetzung. Im ersten Fall wird sie ver suchen, das spezifisch Christliche bekannt zu machen, dafür zu werben, Anknüpfungspunkte bei den persön - 2 Vgl. dazu: Das Profil sozialer Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft im Kontext von Kooperationen und Fusionen. Eine Handreichung des Verbandes der Diözesen Deutschlands und der Kommission für caritative Fragen der Deutschen Bischofskonferenz, Arbeitshilfen Nr. 209, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2007, 21. Dieses Profilpapier der DBK fordert unter anderem, dass grundsätzlich nur kirchlich sozialisierte Führungspersönlichkeiten, ohne die ein christliches Profil der Einrichtung nicht darstellbar wäre, in Leitungspositionen berufen werden. 3 Siehe z. B.: Theresia Wunderlich, Die Chancen überwiegen, in: neue caritas, 18/2007,

47 46 lichen Lebenskonzepten der Mitarbeitenden zu suchen, anonym Christliches aufzuspüren etc. Im zweiten Fall wird sie daran arbeiten, die Reflexions- und Sprach fähig - keit bezüglich der eigenen Lebenskonzeption zu stärken, die Empathie für unterschiedliche Menschen- und Welt - bilder zu fördern; unter Umständen wird sie auch dazu er - mutigen, aus der eigenen Lebenssicht heraus Zeugnis zu ge ben. Leitwerte, an denen sich die spirituelle Bildungsund Begleitungsarbeit in diesem Verständnis ausrichtet, sind existenzielle Tiefe und Authentizität. Für welche Option man sich am Ende auch entscheidet: man wird gut daran tun, von der faktischen Pluralität an Menschen- und Lebensbildern auszugehen. Man wird auch gut daran tun, die Spiritualität eines Menschen nicht im Formalen zu suchen (Kirchenzugehörigkeit, So - ziali sation, Familienstand ), sondern im dem, was je - mand für die eigene Existenz wirklich als bedeutsam an - sieht. Und man wird gut daran tun, den Entwürfen, wie Men schen ihr Leben gestalten so unterschiedlich sie auch sein mögen eine grundsätzliche Wertschätzung ent gegenzubringen. Fazit und Ausblick Nach gut drei Jahren lässt sich sagen, dass das Angebot Mitarbeiterseelsorge und spirituelle Bildung insgesamt gut angenommen wird. Die Rückmeldungen sind durchweg positiv. Offenbar wird die Möglichkeit, über sich selbst und seine Arbeit nachzudenken und zu sprechen und zu verschiedenen Fragen und Themen, die dabei auftauchen, Impulse zu erhalten, als Bereicherung erlebt. Die Entscheidung, die Stelle in das Organisationsgefüge der Caritas einzubinden und die Angebote passgenau auf die Gegebenheiten vor Ort abzustimmen, erweist sich als sinnvoll. Ist das Interesse an zentralen Veranstaltungen eher mäßig, werden (kürzere) Inhouse - Angebote häufig in Anspruch genommen, quer durch alle Bereiche sozialer Arbeit und auch durch alle Hierarchieebenen hindurch. Mittlerweile gibt es an verschiedenen Stellen regelmäßige Kooperationen. Das Ziel, die Mitarbeiterseelsorge und spirituelle Bildung als Arbeitsmittel zu etablieren, auf das die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Gestaltung ihrer Aufgaben und bei der Reflexion über ihr Mehr- Mensch-Werden ganz selbstverständlich zurückgreifen, rückt näher. Seit September 2008 hat die Mitarbeiterseelsorge und spirituelle Bildung den Projektstatus verlassen und ist in den Regelbetrieb übergegangen. Sowohl aufseiten der Diö zese Rottenburg-Stuttgart als auch aufseiten von Caritas und Keppler-Stiftung wurden neue Schritte getan. Die Er fahrung zeigt, dass die Stelle sowohl von der strukturellen Anlage als auch von der inhaltlichen Profilierung her durchaus Pilotcharakter trägt. Es lassen sich an ihr Perspektiven gewinnen, wie eine spirituelle Profilbildung (kirchlicher) sozialer Unternehmen gelingen kann. Und sie kann als eine Konkretion verstanden werden, die Wand - lung einer Volkskirche zur missionarischen Kirche im Volk (Bischof Dr. Gebhard Fürst) pastoral zu begleiten 4. 4 Eine ausführlichere Studie, die die theoretischen Grundlagen darstellt und die im Projekt gemachten Erfahrungen auswertet, erscheint im Frühjahr 2009: Joachim Reber, Spiritualität in sozialen Unternehmen. Mitarbeiterseelsorge, spirituelle Bildung, spirituelle Kultur, Stuttgart 2009.

48 47 Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim ggmbh Das Caritas-Krankenhaus in Bad Mergentheim ist ein sogenanntes Krankenhaus der Zentralversorgung im Norden Baden-Württembergs (Main-Tauber-Kreis), etwa 40 km südlich von Würzburg. In 13 Haupt fach - ab teilungen werden jährlich rund Patienten stationär und mehr als Patienten ambulant behandelt. Mehrheitsgesellschafter ist der Barmherzige Brüder Trier e. V. Als weitere Gesellschafter engagieren sich die Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul aus Untermarchtal sowie der Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stutt gart. Unser Ziel ist die Heilung der uns anvertrauten kranken Menschen und ihre Begleitung in allen Phasen der Krankheit. Als Krankenhaus in christlicher Trägerschaft fühlen wir uns dabei einem ganzheitlichen Menschenbild verpflichtet. Unser Auftrag, um dessen Um set - zung sich mehr als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen, ist der karitative Dienst am Menschen zeitgemäß umgesetzt mit modernster Technik, hoher Kompetenz und vor allem mit Menschlichkeit. Schwarzwald-Gäu Schwarz- wald-alb- Donau Ludwigsburg- Waiblingen-Enz Stuttgart Heilbronn- Hohenlohe Fils-Neckar-Alb Biberach Ost-Württemberg Ulm Bodensee- Oberschwaben Kontakt: Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim Uhlandstraße 7, Bad Mergentheim Tel / info@ckbm.de Internet: Br. Peter Berg/Br. Alfons M. Michels/Thomas Wigant Vom Bruder Vorsteher und Superior zum heutigen Hausoberen Eine ordensspezifische Leitungsaufgabe im Krankenhaus Kurzer Blick in die Geschichte der Kongregation der Barmherzigen Brüder Die Kongregation der Barmherzigen Brüder von Maria Hilf wurde 1850 durch den seligen Bruder Peter Friedhofen in Koblenz gegründet; der Ordensgründer verband mit dem sozial-karitativen Engagement gleichzeitig das Apostolat, Menschen zu Gott zu führen. 1 Die Anfänge bestanden, wie in anderen vergleichbaren karitativ tätigen Ordensgemeinschaften, aus der ambulanten Pflege, aus denen vielerorts schnell stationäre Ein rich - tungen entstanden für körperlich und psychisch er krankte Menschen. Bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts waren es fast aus schließlich Barmherzige Brüder, die in der Zu sam men - arbeit mit Ärzten, Ordensschwestern und wenigen Hilfs - kräften in unseren Einrichtungen für die Be handlung und Be treuung der Kranken zuständig waren. Als Kran ken - pfleger, Operationsassistenten, Masseure und medizinische Bademeister, als Zahnärzte, Apotheker und Ausbilder in den eigenen Krankenpflegeschulen, als Köche und Hand werker, als Gärtner und Landwirte lebten und arbeiteten die Barmherzigen Brüder in den ordenseigenen Ein - richtungen. Verantwortlich für die Leitung des jeweiligen Hauses war der sogenannte Bruder Vorsteher. In unserer Trägerschaft war es über viele Jahrzehnte üb - lich, dass die Leitung der Einrichtungen vor Ort durch Mit - brüder sichergestellt wurde. Der Bruder Vorsteher leitete gleich einem guten Hausvater die Geschicke des Hauses und verkörperte als Ordensbruder gleichsam Eigentümer und Dienstgeber in seiner Person und in seinem Wirken. 1 Vgl. Schreiben von Peter Friedhofen an Domvikar Liehs, Brief 6 vom 07. März 1850.

49 48 Neuen Herausforderungen gerecht werden Mit dem zahlenmäßigen Rückgang der Ordensmitglieder und dem Anstieg der beruflichen Spezialisierungen im Ge - sundheits- und Sozialwesen stieg die Zahl der Mitar - beitenden, so dass heute in den Einrichtungen der BBT- Gruppe (Einrichtungen in denen der Barmherzige Brüder Trier e.v. Träger oder in der Rechtsform der GmbH Alleinbzw. Mehrheitsgesellschafter ist) ein Verhältnis von knapp 50 Ordensbrüdern zu ca Mitarbeitenden besteht. Aus dem zahlenmäßigen Rückgang der Brüder und dem damit verbundenen Rückzug aus vielen bisherigen Aufgaben und Positionen, einhergehend mit dem größer werdenden sozial-karitativen Unternehmen entstanden neue Fragestellungen. Fragen nach dem bisherigen und zu künftigen Selbstverständnis und der damit verbundenen Rolle als Barmherziger Bruder mitten in der Welt stehend 2. Fragen nach einer gemeinsamen Zukunftsvision, in einer sich rasch verändernden Zeit, mit stets neuen Heraus forderungen. Das Generalkapitel der Barmherzigen Brüder hat sich 1995 wie 2001 eindeutig dafür ausgesprochen, die Trä ger - rolle für die sozial-karitativen Einrichtungen (Kran ken - häuser, Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe mit Werkstätten und einer Psychiatrie) weiterhin wahrzunehmen; ein deutliches Bekenntnis zur Fortführung des Or - densauftrages in der heutigen Form, der unternehmerisch organisierten Caritas, mit der Wahrnehmung der dazu gehörenden Führungs- und Organisations ver ant wor tung. Eine Entscheidung, die mit Blick auf die Abnahme der Zahl der eigenen Ordensmitglieder sicherlich als ein Spagat zu bezeichnen ist. Als Barmherzige Brüder sind wir der Überzeugung, dass unser Gründungs- und Ordensauftrag überzeitlich aktuell ist 3. Dies bedeutet, dass die Fortführung des von unserer Spiritualität und unserem Charisma geprägten Auftrags nicht von der aktuellen Anzahl der Ordensmitglieder oder von auftretenden Problemen und Schwierigkeiten gesellschaftlicher oder sozialpolitischer Art abhängig gemacht werden kann. Die überzeitliche Aktualität liegt darin begründet, dass es sich hier um eine Wesensäußerung der Kirche handelt nämlich der Caritas bzw. der Diakonia. Den Ordensauftrag gemeinsam in die Zukunft führen Dies fordert uns heraus, christlich motivierte Mitarbeiter zu befähigen, den christlichen Auftrag in unserem Sinne und noch an unserer Seite in die Zukunft zu führen. Dazu braucht es in der Leitung des christlichen Unter - nehmens den Gesandten als den versierten theologisch-spirituellen Leader. Mit dem Titel des Hausoberen gehört dieser zum Füh - rungs team des Direktoriums, das mit dem Kauf männi - schen Direktor, dem Pflegedirektor und dem Ärztlichen Direktor die Krankenhausleitung darstellt. Als Gesandter in die Dienstgemeinschaft hält er den be - sonderen Charakter des christlichen Unternehmens im Be wusstsein und sorgt für die Integration in das Alltags - geschehen. Diese Aufgabe lässt sich nur aus einer entsprechenden Leitungsposition heraus gestalten. Wo kirchlich draufsteht, soll spürbar Volk Gottes drin sein, so formuliert es Dr. Georg Betz im Rahmen eines Vor - trages bei der Jahresversammlung Katholischer Ein - richtungen in der Diözese Regensburg. Für ihn steht fest: ein kirchliches Profil kommt, wächst und reift aus der Ausrichtung auf den hin und von dem her, den wir in der Kirche unseren,herrn und Meister,,Lehrer und Führer nennen. Denn immer dort wurde Caritas faszinierend, wo Christus in die Mitte kam, das Hinhören und Hinschauen auf ihn hin ge pflegt, die Kenntnis seiner Absicht und seines Willens vertieft wurde und die Idee Volk Gottes neu zu Be wusst - sein kam. Gott in den Alltag karitativer Einrichtungen einlassen In einer Erzählung der Chassidim heißt es: Wo wohnt Gott? Mit dieser Frage überraschte der Kosker einige gelehrte Männer, die bei ihm zu Gast waren. Sie lachten über ihn: Wie redet ihr! Ist doch die Welt seiner Herrlichkeit voll! Er aber beantwortete die eigene Frage: Gott wohnt, wo man ihn einlässt. Die Aufgabe des Hausoberen ist es, Gott einzulassen und zwar in unseren konkreten Alltag! Aber nicht irgendeinen Gott, sondern den Gott des Lebens, der uns liebende, mit uns gehende, fühlende und mit uns leidende Gott, der sich uns in Jesus Christus offenbart hat. Hausoberer sein bedeutet, aus diesem Geist, aus dem Geist Jesu zu handeln. Und das in ganz alltäglichen Situationen, den schönen und frohen und den lustigen, aber auch in Problemund Konfliktsituationen, in Not und Trauer. Hausoberer zu sein heißt nicht eine heile Welt zu hüten, sondern verantwortlich an ihr mitzuwirken. 2 Vgl. Lebensform der Barmherzigen Brüder von Maria Hilf, 2. Kapitel, Vgl. Predigt von Papst Johannes Paul II. anlässlich der Seligsprechung von Peter Friedhofen, 1985.

50 49 Mit Blick auf den Vorsteher schrieb Peter Friedhofen in sein Vermächtnis: Darum muss der Vorsteher umsichtig sein. Ja ich möchte sagen, er muss neunundneunzig Dinge im Auge haben und das Hundertste darf er nicht unbeachtet lassen. Der Vorsteher soll geistig sein und soll auch scharf denken und (er) muss auch sanftmütig sein. Wie schön ist es, wenn die Brüder ihren Vorsteher als einen fröhlichen Mann antreffen und ihn stets so erblicken. Freilich, hierzu gehört viel, das ist wahr. Allein das ist ja sein Amt! 4 Christus-Nachfolge, der nicht gekommen ist, um sich be dienen zu lassen, sondern um zu dienen und der als ihm getan erachtet, was wir einem seiner geringsten Brüder tun. 6 Blick in die Praxis Wie sieht die Praxis aus? Um diese Frage soll es im folgenden Abschnitt aus der Perspektive des Hausoberen im Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim, Thomas Wigant, gehen. Vermitteln Fördern Mitgestalten Wir nehmen die Verantwortung für das Erbe unseres Or - dens gründers wahr und werden, wie es der Titel der Konzeption für den Hausoberen besagt, mit Tradition die Zukunft gestalten. Wobei wir Tradition im Sinne von Jean Jaurès verstehen, der sagt: Tradition bewahren heißt nicht, Asche aufbewahren, sondern eine Flamme am Brennen halten. Entsprechend dieser Konzeption ist der Hausobere In - teressensvertreter der Ordensgemeinschaft, Förderer der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Berufs gruppen, Mitgestalter der Unternehmenskultur, Ansprechpartner für die Anliegen von Patienten, Bewohnern, Mitarbeitenden und Angehörigen, Beschwerde-Manager; er ist zuständig für verschiedene Fachbereiche bzw. Abteilungen und übt ge meinsam mit dem Kaufmännischen Direktor die Dienst - geberfunktion aus. 5 In einem Netzwerk sind die Hausoberen der BBT-Gruppe organisiert, treffen sich zu gemeinsamen Tagungen, Exerzitien, Ordensfesten, prägen die Spiritualität in den Ein richtungen mit und erleben sich in einer spannenden und herausfordernden Aufgabenstellung. Bis auf einen sind alle Hausoberen in unseren Ein rich - tungen mittlerweile keine Ordensbrüder mehr und doch sind sie mit uns, der Ordensgemeinschaft, Garanten für die Fortführung unseres christlich-sozialen Engagements, sie legen mit uns Zeugnis ab und sie werden die Zukunft unserer Einrichtungen mitprägen, im Sinne der Botschaft von Papst Johannes Paul II: Ihre Krankenhäuser und Altenheime sind nicht nur Aus - druck menschlicher Solidarität mit den Armen und Hilfs - be dürftigen, sondern sind Zeugnis ihrer konkreten 4 Vgl. Vermächtnis Bruder Peter Friedhofen, Nr Auszug aus der Konzeption Ziele und Selbstverständnis der Ordens ge mein - schaft der Barmherzigen Brüder von Maria Hilf, in Bezug auf die Hausoberen. 6 Aus der Predigt von Papst Johannes Paul II. anlässlich der Seligsprechung von Peter Friedhofen, Hausoberer für das Caritas-Krankenhaus gesucht Beim Lesen dieser Anzeigenüberschrift kann man, je nach beruflichem Hintergrund, verschiedene Assoziationen haben. Eher nicht kirchlich Gebundene wie eine mit mir befreundete Ärztin fragen beim Lesen dieser Zeile, ob hier eine Bedienung für die Krankenhauscafeteria gesucht wird. Dass hinter der Bezeichnung Hausoberer ein Ordens hintergrund steht, habe ich immerhin vermutet. Meine Neugier, die Anzeige weiterzulesen war geweckt, was ein Hausoberer im Direktorium eines großen Kranken - hauses nun konkret zu tun hat. Nach vielen Jahren als Klinikseelsorger und schließlich als Ethiker an einer Uniklinik hat mich die Herausforderung dieser eigensinnigen Rolle in der Leitung eines kirchlichen Krankenhauses sehr angesprochen. Seit zwei Jahren bin ich nun Hausoberer im Direktorium des Caritas-Kran - kenhauses Bad Mergentheim, einem großen Krankenhaus der Zentralversorgung im Nordosten Baden-Württem - bergs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen sich im Jahr um rund stationäre und ambulante Patienten. Der Hausobere ist in der Tat ein eigensinniges Projekt des Ordens der Barmherzigen Brüder von Maria-Hilf. Einige Eindrücke aus zwei Jahren in dieser Rolle möchte ich als Beitrag aus der Praxis den Ausführungen der Barm - herzigen Brüder Br. Peter und Br. Alfons Maria im ersten Teil dieses Beitrags hinzufügen. Der Eigen-Sinn beginnt damit, dass ein sozial-karitativ tätiger Orden nicht im Beklagen seiner schrumpfenden Mit - gliederzahl verharrt. Vielmehr haben die Brüder für sich die berühmten Zeichen der Zeit erkannt und dem von ihnen aus dem Evangelium abgeleiteten Auftrag mehr Raum eingeräumt, als der Sorge um die eigene Existenz. Dieser Sen dungsauftrag hat mit zupackender Nächstenliebe zu tun, die sich eine andauernde Nabelschau eigener Strukturen nicht genehmigen will.

51 50 Unternehmenskultur und Ordensspiritualität Zugleich wird mit der Etablierung der Hausoberenrolle in die Einrichtungen der BBT-Gruppe ein ordensspezifisches Verständnis von kooperativer Leitung hineingetragen. Bei allem noch anzusprechenden Klärungsbedarf, weil die Profilierung der Hausoberenrolle noch nicht abgeschlossen ist, spüre ich die ehrliche Auseinandersetzung der Barmherzigen Brüder, Unternehmenskultur und Ordens - spiritualität in Einklang miteinander zu bringen. Sie greifen damit eine Bewegung auf, die außerhalb und innerhalb kirchlicher Strukturen mit der Suche nach Wertorientierung in Unternehmensleitung zu tun hat. 7 Teamorientierung, Ko - operation, Delegation, Subsidiarität all diese Prinzipien schwingen mit, wenn die Geschäftsordnung vier Personen gleichberechtigt Leitungsverantwortung im Direktorium des Krankenhauses gibt. In vielen Köpfen der Mitarbeiter, auch in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit, existiert immer noch ein Bild von Krankenhausleitung, das den Kran kenhausdirektor, also den Chef des Betriebes kennt, der traditionell ein Ökonom ist. Die Geschäftsführung des Barmherzige Brüder Trier e. V. erwartet dagegen, dass alle wichtigen Entscheidungen des vierköpfigen Direktoriums im Konsens getroffen werden. So werden die Perspektiven der Medizin, der Pflege, des Kaufmännischen und der Theo logie und Ethik gemeinsam in die Verantwortung ge - nommen. Dem Hausoberen kommt im Direktorium die Rolle der Moderation zu. Diese Form der Teamleitung kann nur gelingen, wenn jedes Mitglied in der Hausleitung ein Interesse daran hat, die jeweils anderen drei in ihrer Rolle groß werden zu lassen. Dazu bedarf es eines großen Vertrauens ineinander, das von verlässlichem und regelmäßigem Austausch lebt. Gelingt dieses Team leitungs modell, ergeben sich aus diesem Leiten aus verschiedenen Perspek tiven enorme Chancen. Der Orden der Barm - herzigen Brüder gibt seinen Hausoberen weitere Rollen - impulse mit auf diesen Weg: Impulsgeber und Vermittler, Visionär und Bewahrer, Initiator und Integrierer soll der Haus obere sein. All diese hehren Begriffe dürfen meiner Meinung nach nicht dazu führen, aus dem Hausoberen eine Art spirituellen Troubleshooter zu machen. Es geht darum, Menschen mitzunehmen, ihnen Verantwortung an dem gemeinsamen Unternehmen zu geben. So versteht sich von selbst, dass Haus oberen tätigkeit vor allem in vielfältigen Begegnungen geschieht. 7 Beispielhaft sei auf die Dissertation des Benediktinerpaters Johannes Claudius Eckert mit dem Titel Dienen statt Herrschen (Stuttgart 2000) verwiesen, der am Beispiel der BMW AG Gemeinsamkeiten zwischen Ordensspiritualität und Unternehmenswelt untersucht. Wertebewusstsein lebendig halten Sicher gehört zur Klarheit einer Rolle auch die Zuordnung konkreter Verantwortungsbereiche, wie in meinem Fall der So zialdienst, die Berufsfachschule, die Unternehmens - kommu nikation nach innen und nach außen, die Rolle des Ansprechpartners für die Seelsorge beider Konfessionen. Gemeinsam mit dem Kaufmännischen Direktor gilt es, die Dienstgeberfunktion in ihren verschiedenen Facetten zu leben sowie das Krankenhaus externen Partnern gegenüber zu vertreten. Hinter der Zuordnung klarer Lei - tungsbereiche steht das Anliegen, Leitungsvollmacht konkret werden zu lassen. Dies lässt sich mit der Frage veranschaulichen: Für was ist der Hausobere verantwortlich? Ich frage weiter: Für was steht der Hausobere? Natürlich für die Ordensgemeinschaft der Barmherzigen Brüder. Die Brüder wiederum stehen für eine Form der Nachfolge und Verantwortung für Menschen, aus dem Verständnis des Evangeliums heraus: Dem Menschen in seiner Hilfs - bedürftigkeit, egal in welchen Lebenslagen heilend nahe zu sein. In Zeiten, in denen im Gesund heits wesen mit jedem Cent gerechnet werden muss, der Men sch oft genug als Kostenfaktor gesehen wird, in Zeiten, in denen gesellschaftlich der Konsens im Schwinden begriffen ist, was wir unter einem Guten Leben und einem Guten Sterben verstehen, sind neue Spannungsfelder entstanden. Mit diesen Spannungsfeldern meine ich die Grat - wanderung zwischen Ethik und Ökonomie, zwischen dem Respekt vor der Autonomie des Menschen und einer Ethik der Fürsorge um der Würde des Menschen willen. Der Hausobere hat die Aufgabe, dieses Wertebewusstsein und das Ringen um richtige Entscheidungen lebendig zu halten. Nach zwei Jahren als Hausoberer bin ich nach wie vor von dieser Rolle fasziniert. Was als mutige Entscheidung des Ordens der Barmherzigen Brüder aus Trier in den General - kapiteln von 1995 und 2001 seinen Anfang nahm, gilt es nach dem Sammeln der Erfahrungen in der Praxis zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Dies geschieht innerhalb des BBT e.v. seit Herbst 2008 in einem geplanten Pro zess gemeinsam mit dem Orden. Themen werden be - sonders die weitere Klärung und Zuordnung des Profils der Hausoberen zu dem der Kaufmännischen Direktoren so - wie die Anbindung der Hausoberen zur Ordens ge mein - schaft der Barmherzigen Brüder sein. Der erste Themen - schwerpunkt soll der Zuordnung der beiden Führungs - rollen dienen und der möglichen Gefahr vorbeugen, dass zwischen beiden Rollenträgern ein Konkurrenz verhältnis entsteht. Das zweite Thema soll Ordensbrüdern wie Haus - oberen, die bis auf einen nicht mehr dem Orden angehören, ermöglichen, umeinander zu wissen. Das gute gegen-

52 51 seitige Vertrauen ist auch künftig wichtige Ar beits grund - lage für Hausobere. Ein guter Patron für dieses Unter - fangen ist der selige Peter Friedhofen, auch er ein eigensinniger Mensch. Gegen anfängliche Widerstände der Kirche hat er die Gründung des Ordens der Barm herzigen Brüder von Maria-Hilf auf den Weg gebracht, weil er seiner Vision treu blieb. Wo kommen wir denn hin, wenn jetzt schon Laien die Leitungs aufgaben wahrnehmen, die bislang von Ordens - brüdern in ihren Einrichtungen selbst wahrgenommen wurden? Die eine oder andere kritische Stimme mag so fragen. Eine eigensinnige Antwort stammt aus der Feder des Schweizer Theologen Kurt Marti: Wo kämen wir hin, wenn jeder fragte, wo kämen wir hin? Und keiner ginge, um zu schauen, wohin man käme, wenn man ginge

53 52 Vinzenz von Paul Hospital ggmbh, Rottweil Seit 1898 steht das Vinzenz von Paul Hospital Rottenmünster als Ein - richtung der Ge nossenschaft der Barmherzigen Schwes tern vom heiligen Vinzenz von Paul, Untermarchtal, im Dienst für psychisch kranke Menschen. Seit 1997 wird das Vin zenz von Paul Hos - pital (ehemals Kran - kenhaus Rot ten müns - ter) in der Rechts form einer gemeinnützigen GmbH geführt. Schwarzwald-Gäu Schwarz- wald- Alb- Donau Ludwigsburg- Waiblingen-Enz Stuttgart Heilbronn- Hohenlohe Fils-Neckar-Alb Biberach Ost-Württemberg Bodensee- Oberschwaben Mit folgenden Einrichtungen bietet das Vinzenz von Paul Hospital ein um fassendes Leistungsspektrum zur Dia gnose, Behandlung und Betreuung psychisch kranker Menschen an: Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie, Gerontopsychiatrie und Neurologie mit 431 Betten Luisenheim, Pflegeheim für psychisch kranke und behinderte Menschen mit 243 Heimplätzen Tageskliniken für Psychiatrie und Psychotherapie ggmbh Ulm an den Standorten Villingen-Schwenningen, Balingen und Spaichingen mit jeweils 25 Behandlungsplätzen Medizinisches Versorgungszentrum Rottenmünster ggmbh Gemeindepsychiatrischer Verbund ggmbh Rottweil hierzu gehören die ambulanten Dienste: So zial psychia - trischer Dienst, Tagesstätte und Betreutes Wohnen Gemeindepsychiatrisches Zentrum Schwarzwald-Baar- Kreis ggmbh in gemeinsamer Trägerschaft mit dem Caritasverband für den Schwarzwald-Baar-Kreis Altenhilfe St. Martin ggmbh in gemeinsamer Trägerschaft mit der Stiftung St. Franziskus Heiligenbronn Grundlage für die Arbeit der über 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist das Leitbild der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul in Untermarchtal und die daraus haus-individuell entwickelten Leitlinien. Kontakt: Vinzenz von Paul Hospital ggmbh Schwenninger Straße 55, Rottweil Tel.: info@vvph.de, Internet: Thomas Brobeil Aus unseren Worten erkennt man unser Herz (Vinzenz von Paul) Entwicklung von Leitlinien für Führungskräfte Grundhaltungen für barmherziges Handeln im Umgang miteinander auf der Basis der geistigen Werke der Barmherzigkeit Basis unser Leitbild Auf der Grundlage des Leitbildes der Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul in Untermarchtal entstanden im Jahr 1996 unsere Leit - linien. Diese waren Ergebnis eines Prozesses, an dem Vertreter aller Arbeitsbereiche unseres Hauses aktiv mitgewirkt haben. Die Leitlinien sind Orientierungsgrundlage für die Arbeit in unseren Einrichtungen, zum Wohle psychisch kranker Menschen. Sie gelten für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres gesamten Hospitals und seiner Tochtergesellschaften, unabhängig von Berufsgruppe und Stellung in der Hierarchie. Im Jahr 2006 haben wir mit der Entwicklung von Grund - haltungen für barmherziges Handeln im Umgang miteinander ein Projekt auf den Weg gebracht, mit dem die im Leitbild allgemein gehaltenen Grundsätze zur Führung und Zusammenarbeit konkretisiert werden sollten.

54 53 Warum brauchen wir Grundhaltungen? Anlass für dieses Projekt sind verschiedene Strömungen in unserer Gesellschaft und somit auch in unseren Ein - richtungen. Themen wie z. B. Zeitmangel, zunehmender Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel, der Umgang mit Macht usw. führt zur Vereinzelung, die Kommu ni ka - tions kultur untereinander verändert sich dramatisch. Aber genau diese Kommunikationskultur ist die Basis, um Werte, die in Leitlinien, Leitbildern enthalten sind, vermitteln zu können. Es kommt nicht nur darauf an was wir tun, sondern auch wie wir etwas tun. Mit welcher Einstellung tun wir etwas? Wie werden Informationen weitergegeben? Nehmen wir uns Zeit für unsere Mitmenschen? Wie wird z. B. auf Fehler hingewiesen? Die geistigen Werke der Barmherzigkeit Aus diesen Überlegungen heraus sind wir auf die geistigen Werke der Barmherzigkeit gestoßen, die sich genau mit diesen Themen beschäftigen, denn sie regeln das Mit - einander und somit auch die Kommunikationskultur untereinander. Die geistigen Werke der Barmherzigkeit haben sich im Mittelalter neben den leiblichen Werken der Barmherzigkeit herausgebildet. Sie bilden den inhaltlichen Bezugsrahmen für unsere Grundhaltungen und wurden auf die heutige Zeit in eine für uns verständliche Sprache umgeschrieben. Die Grundhaltungen wurden in Form eines praktischen Leit fadens formuliert und enthalten grundlegende Haltungen für einen werteorientierten Führungsstil. Sie sind Instrument und Orientierungshilfe in Alltags situa - tionen, insbesondere für unsere Führungskräfte, aber gleichermaßen auch Grundhaltungen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Führungsleitlinien wurden von unserer Geschäfts füh - rung in Zusammenarbeit mit Gottfried Ugolini, Psycho loge, Priester und Professor an der Philosophisch-Theo logi - schen Hochschule in Brixen, definiert. Inhaltlicher Be zugs - rahmen für die Führungsleitlinien sind die sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit, die als Grund hal tungen für barm herziges Handeln im Umgang miteinander formuliert wurden. Zielsetzungen (1) Vorrangige Zielsetzung war die Weiterentwicklung der Kommunikation und die Wertschätzung untereinander. Wir sehen es als Aufgabe von Führungskräften und Mit arbeitenden, einen Raum herzustellen, in dem sich die Mitarbeitenden entfalten können. Wenn eine Un ter - nehmenskultur von Werten wie Respekt und gegenseitigem Vertrauen geprägt ist, sind die darin tätigen Men - schen kreativer, übernehmen Verantwortung und sind offener für neue Aufgaben. Je intensiver sich Menschen einbringen und aufeinander einlassen, desto trag- und leistungsfähiger ist die da hinterstehende Organisation unser Vinzenz von Paul Hospital. Desto besser können wir mit vielschichtigen Anforderungen, Prozessen, schwierigen Rahmen - be dingungen und Veränderungen umgehen. Schließ - lich entscheidet das Handeln der Mitarbeiterinnen und Mit arbeiter in den Abteilungen und Bereichen darüber, wie unser Hospital nach außen in Erscheinung tritt und wahrgenommen wird. (2) Ein weiteres wichtiges Ziel bei der Entwicklung dieser Grundhaltungen war, unser Profil als kirchliche Ein - richtung zu stärken. Eine von christlichen Werten ge - prägte Unternehmenskultur soll den langfristigen Er folg unseres Unternehmens unterstützen und Ant wort geben auf die Frage: Wie machen wir uns, ge prägt von einer besonderen Qualität, in der großen Land schaft der Gesundheitseinrichtungen unverwechselbar? Ablauf des Projekts Nachdem die Grundhaltungen formuliert waren, wurden diese, zunächst in Klausur, leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorgestellt und reflektiert. Anschließend lud die Geschäftsführung zu Informationsveranstaltungen ein, in denen die Grundhaltungen für barmherziges Handeln im Umgang miteinander vorgestellt und mit praktischen Beispielen konkretisiert wurden. Für die leitenden Mit - arbeiter/innen wurden spezielle Veranstaltungen zur Ver - tiefung angeboten. Dabei wurden Fragen behandelt wie: Was bedeutet mit Werten führen, mit Werten Zukunft schaffen? Was ist das Besondere eines christlich geführten Unternehmens? Wie gelingt es, dass unsere Mitarbeiter/innen neuen Anforderungen offen gegenüberstehen und in neuen Situationen Chancen erkennen? In die Vertiefungsveranstaltungen brachten die Mitar bei - ter/in nen ihre gemachten Erfahrungen ein. Alltags situa tio - nen wurden aufgegriffen, in denen diese Haltungen zum

55 54 Tragen kamen. In Kleingruppen wurden Fragen vertieft und in Rollenspielen anhand der geistigen Werke der Barm - herzig keit auf Alltagssituationen angewendet und eingeübt. Was hat den Umgang miteinander gefördert? Was war an der Haltung herausfordernd? Was hätte ich gebraucht, um diese Haltung einzunehmen? In welchen Situationen wären Grundhaltungen notwendig und erforderlich gewesen? Die rege Teilnahme, die Offenheit für das Thema und die ins gesamt positive Resonanz zu den Informations- und Ver tiefungsveranstaltungen belegen das große Interesse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Grund hal - tungen. Beispiele: Grundhaltungen für barmherziges Handeln Wissen teilen und vermitteln Unwissende lehren Was wir nicht darunter verstehen: sich über jemanden herablassend äußern belehrend auftreten Gesprächspartner überfordern Was wir darunter verstehen: einander gleichwertig begegnen und Vertraulichkeit ge - währ leisten das Wissen angemessen vermitteln die Bereitschaft fördern, sich auf neue veränderte Sicht - w eisen einzulassen und sich damit auseinander zu setzen sich die Wahrheit in Liebe sagen die Pflicht, sich selbst zu informieren Auf Fehler hinweisen und verantwortlich handeln Irrende zurechtweisen Was wir nicht darunter verstehen: jemanden vor anderen zurechtweisen die Fehler klein reden, aufbauschen oder ständig neu auf tischen bestehende Vorurteile verstärken Was wir darunter verstehen: Verhandlungsbereitschaft zur Klärung der Irrtümer und Fehler wecken und nutzen Konsequenzen der Fehler deutlich zur Kenntnis bringen und aushalten gerechte Wege gemeinsam finden, um den Schaden auszugleichen Sicherheit und Schutz für alle Beteiligten und Be - troffenen gewährleisten erneut verantwortlich, kluges Vertrauen schenken Menschen, die mir zur Last fallen als Person annehmen und achten Lästige ertragen Was wir nicht darunter verstehen: Ungeduld zeigen Alles stillschweigend ertragen sich weder von den Lästigen noch von den Anderen be - ein flussen lassen Was wir darunter verstehen: Menschen, die mir lästig fallen, nach Möglichkeit aushalten und je nach Situation Grenzen aufzeigen miteinander Geduld haben und bereit sein, als Klagemauer zu fungieren sich selbst die Frage stellen, warum mir jemand zur Last wird erkennen, ob es sich um eine Reaktion, eine Wesens - grund haltung oder eine Krankheit handelt Menschen in ihren Zweifeln ernst nehmen und begleiten Zweifelnde beraten Was wir nicht darunter verstehen: anderen die eigene Sichtweise aufdrängen die Dinge von vornherein nur negativ sehen die Zweifel als Lähmung und Belastung übergehen Was wir darunter verstehen: bereit sein, andere zu begleiten und sich dafür zur Ver - fügung zu stellen das eigentliche Anliegen zu erkennen verschiedene Sichtweisen und Handlungsoptionen ge - meinsam erörtern und abwägen Rat geben, Lebenserfahrung und Fachkompetenz mitteilen Sicherheit vermitteln und die Selbstkontrolle zurückgeben

56 55 Caritas-Spiritualität Kultur der Begegnung Zukunft Familie e.v. Fachverband Familienpflege und Nachbarschaftshilfe in der Diözese Rottenburg-Stuttgart Zukunft Familie e.v. fördert seit 1960 die Familienpflege und Organisierte Nachbarschaftshilfe in der Diözese Rotten burg-stuttgart. Der Fachverband leistet fachliche Beratung und Unterstützung der Träger, bietet Fortbildung sowie fachliche Begleitung und trägt zur Qualitätssicherung und Weiterentwicklung der Hilfeangebote bei. 50 Familienpflegedienste mit 250 Mitarbeiterinnen und 250 Organisierte Nachbar schafts - hilfen mit 4000 freiwillig engagierten Nachbarschaftshelferinnen, überwiegend in Träger - schaft von Kirchengemeinden und katholischen Sozialstationen, sind Mitglieder des Fach verbandes und werden durch ihn vertreten und beraten. Hilfen im Alltag für Familien und alleinstehende Menschen sind Mittelpunkt der Arbeit der Familienpflege, der Dorfhilfe und der Organisierten Nachbarschaftshilfe. Bei Krank - heit, Alter, Behinderung, in Not- und in Belastungssituationen leisten die Dienste praktische und individuelle Alltagsunterstützung, direkt in der vertrauten Umgebung. Schwarzwald-Gäu Schwarz- wald-alb- Donau Ludwigsburg- Waiblingen-Enz Stuttgart Heilbronn- Hohenlohe Fils-Neckar-Alb Ulm Biberach Ost-Württemberg Zukunft Familie Kontakt: Zukunft Familie e. V. Fachverband Familienpflege und Nachbarschaftshilfe in der Diözese Rottenburg-Stuttgart Birgitta Negwer Strombergstraße Stuttgart Tel.: negwer@zukunft-familie.info Internet: Bodensee- Oberschwaben

57 56 Birgitta Negwer Familien stärken mitten im Alltag Achtsam für Gott und die Menschen Familien stärken Ausdruck christlicher Spiritualität Achtsamkeit für Gott und die Menschen mitten im Alltag von Familien das leben Familienpflegerinnen und Nach - bar schaftshelferinnen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart seit vielen Jahrzehnten. 1 Im vertrauten Umfeld zu Hause leisten hauptberufliche Familienpflegerinnen und freiwillig engagierte Nachbarschaftshelferinnen unterstützende und entlastende Hilfen für Familien in unterschiedlichsten Si - tuationen und Lebensphasen. Sie stärken Familien in ihren jeweiligen Aufgaben, sei es zur Unterstützung von pfle - genden Angehörigen oder der Versorgung und Betreuung von Kindern. Beide Dienste finden von jeher ihre Be grün - dung und gleichzeitig ihre Kraftquelle im Evangelium. Nachbarschaftshelferinnen, Familienpflegerinnen und Ein - satz leitungen beider Dienste waren im März/April 2008 eingeladen, ihre Erfahrungen, Wahrnehmungen und Sicht - weisen von Spiritualität im Rahmen ihres Dienstes für den vorliegenden Beitrag einzubringen. Aus schriftlichen Rück - meldungen, Teamgesprächen, von Treffen der Katho li - schen Arbeitsgemeinschaften für Organisierte Nachbar - schaftshilfe in den Dekanaten sowie aus persönlichen Ge - sprächen mit Einzelnen sind die folgenden Streiflichter entstanden. Mitten im Alltag achtsam für Gott und die Menschen Christliche Spiritualität ist glaubend-hoffend-liebender Umgang mit Realität im Sinne und im Geiste Jesu und seines Evangeliums. 2 Nachbarschaftshelferinnen und Fa - milienpflegerinnen vollziehen täglich diesen spirituellen Umgang mit der Realität von Familien und Alleinstehenden im Sinne und im Geiste Jesu. Sie tun dies, indem sie auf die Kräfte der begleiteten Menschen vertrauen und sie darin unterstützen, diese (wieder) zu entfalten. Sie handeln im Geiste Jesu, wenn sie sich mitfreuen an der Geburt eines Kindes, an der Ge - nesung eines kranken Elternteils, an kleinen Erlebnissen im Tagesablauf, an der errungenen Selbständigkeit von Men - schen mit Behinderungen oder an der Rückkehr eines alten Menschen in seine häusliche Umgebung. Daneben gibt es aber auch viele Situationen, in denen sich Hilfesuchende schwach erleben, wenn z. B. die eigenen Kräfte vorübergehend oder altersbedingt nachlassen, wenn Krankheit oder Behinderung die gewohnten Lebens - vollzüge infrage stellen, wenn Belastungen von Eltern mit kleinen Kindern die eigenen Kräfte übersteigen, wenn An - ge hörige, beispielsweise bei der Versorgung von De - menzerkrankten, an ihre seelischen und körperlichen Grenzen stoßen. Familien zu stärken und im Geiste Jesu zu begleiten be - deutet in solchen Situationen, mit ihnen gemeinsam ihre Schwächen und ihre Machtlosigkeit auszuhalten. Dies ge - schieht im einen Fall durch gemeinsames oder auch stellvertretendes Vertrauen darauf, dass wir alle letztlich in Gottes Hand geborgen sind. Im anderen Fall drückt sich Spiri tualität darin aus, gemeinsam Zweifel auszusprechen und Fragen zu stellen, auf die es (zunächst) keine Antwort gibt. Gerade in einer Zeit, in der Leistungsfähigkeit, Erfolg, Stärke und die Überzeugung alles ist machbar in allen Le bens bereichen im Vordergrund stehen, steckt in der Bereitschaft, Schwäche, Ratlosigkeit und Machtlosigkeit mit anderen auszuhalten, eine ganz besondere, eine geistliche Kraft. Schwäche und Machtlosigkeit gehören zum mensch lichen Leben und sind aus christlicher Sicht nicht sinnlos oder hoffnungslos. In den Einsätzen von Nachbarschaftshelferinnen und Fa - milien pflegerinnen gibt es manche Situationen, die über unsere menschliche Dimension hinausweisen, in der Gottes Anwesenheit spürbar wird. Das zeigt sich da und dort ganz zart und unauffällig, erst auf den zweiten Blick als Glaubenserfahrung erkennbar. Im Alten wie im Neuen Testament wird die Kraft, der Geist Gottes (= spiritus, lat.) mehrmals als Hauch, als Wehen des Windes und als Atem beschrieben, dessen Wirken nur in der zarten Berührung spürbar ist und doch eine große Kraft entfaltet (vgl. Gen 2,7: Schöpfungsgeschichte; 1 Kön 19,1 13: Elija am Berg Horeb; Lk 1,35: Verkündigung an Maria). 3 Nachbarschaftshelferinnen und Familienpflegerin - nen beschreiben solche Momente der Berührung, in de - 1 Da die Familienpflegerinnen derzeit alles Frauen sind und die Nachbar - schafts helferinnen zu mindestens 90 %, wird im Folgenden durchgängig die weibliche Form verwendet. 2 Willi Lambert, Zeiten zum Aufatmen. Seelsorge und christliche Lebenskultur, Ostfildern 2008, Ebd.,

58 57 nen sie Gottes Nähe und Kraft spüren, mit konkreten Bei - spielen: Ich spüre immer wieder, wie gut es Familien tut, dass ich als außenstehende Familienpflegerin für sie da bin. In solchen Momenten spüre ich, dass mir Gott ganz nahe ist und ich durch ihn getragen bin. Dadurch gelingt es mir z. B. auch, leichter mit dem Tod einer Mutter fertig zu werden. Ich besuche eine 98-jährige Frau, die nicht mehr gehen kann, geistig aber noch fit ist. Sie lässt mich teilhaben an ihrer Lebenserfahrung und freut sich, dass sie nicht allein ist. Manchmal höre ich einfach nur zu. Es tut gut, miteinander zu lachen und zu weinen. Beim Tod eines Ehepartners spüre ich jeweils, wie gut es ist, dass ich einerseits als Nachbarschaftshelferin einen gewissen Abstand habe und andererseits als Vertraute da bin. Ich bin eine berechenbare Größe in dieser schweren Situation für die Hinterbliebenen. Einige Hilfesuchende berichten mir regelmäßig, wie sehr sie den guten Geist spüren, der mit den Nachbar - schafts helferinnen ins Haus kommt. Sie fühlen sich sicher und aufgehoben. Ich erlebe als Familienpflegerin Dankbarkeit für ein ge - sundes Kind, das nach einer schwierigen Schwanger - schaft geboren wurde. In der Begleitung krebskranker Mütter erfahre ich Ver - zweiflung, Hoffnung und Schmerz. Sinnfragen tauchen auf und die Betroffenen reagieren individuell darauf. Dies mitzutragen und zu erleben, hat mir schon Hoff nung gegeben, aber es ließ mich auch schon fast verzweifeln. Vielen Menschen fällt es schwer, Hilfe von außen anzunehmen. Wenn sie den Schritt dann gewagt haben, sind sie erleichtert und froh darüber. Das formulieren Hilfesuchende häufig beim ersten Hausbesuch. Als Nachbarschaftshelferin war ich bei einem verbitterten kranken Mann im Einsatz, der von Gott nichts wissen wollte. Wenige Tage vor seinem Tod las ich ihm Engel geschichten vor und bemerkte, dass der sonst sehr ruhelose Mann ganz ruhig wurde. Ich spüre in Familien immer mehr den Wunsch, auch über Glaubensfragen und den Sinn des Lebens zu sprechen. Als Familienpflegerin erlebe ich Familien in schweren Krisenzeiten, z. B. bei Krebserkrankungen oder Depressionen. Eine evangelische Nachbarschaftshelferin war bei einer alten katholischen Frau im Einsatz, die sehr gläubig war. Kurz vor ihrem Tod hat die alte Frau die Helferin gesegnet. Als sie der Einsatzleiterin von dieser Begebenheit erzählte war die Nachbarschaftshelferin sehr bewegt, da sie vorher in ihrem Leben noch nie auf diese Weise gesegnet worden war. Mein Engagement öffnet mir den Blick für Probleme, die es in der Gesellschaft gibt, und mein Glaube macht mir Mut, mich für Veränderungen einzusetzen. Spiritualität ist Kraftquelle Familien stärken mitten in ihrem Alltag kann nur, wer selbst gestärkt ist. Nachbarschaftshelferinnen und Familienpflegerinnen, die aus ihrem Glauben schöpfen, beschreiben dies sehr kraftvoll. Gott sei Dank fragt endlich mal jemand nach den religiö sen Hintergründen für den Beruf der Familien pfle - gerin. So die Reaktion auf die Fragen nach Spiritualität in der Familienpflege. Oder eine andere Familienpflegerin: Schön, dass Sie sich dafür interessieren; ohne unseren Schöpfer könnte ich nicht im sozial-pflegerischen Be - reich arbeiten. Einsatzleitungen, sowohl in der Familienpflege als auch in der Organisierten Nachbarschaftshilfe, erleben sich ge - führt und getragen, wenn sie Mitarbeiterinnen für besonders schwierige und belastende Einsätze auswählen müssen. In der Erfahrung, dem eigenen Gespür trauen zu können und die richtige Entscheidung zu treffen, erkennen sie Gottes Wirken. Insbesondere bei belastenden Einsätzen in der Familienpflege, z. B. bei Krebserkrankung oder psychischer Erkrankung der Mutter, ist die Stabilität der Familienpflegerin wichtig. Von einer Mitarbeiterin zu wissen, dass sie selbst Kraft aus ihrem Glauben schöpft, ist dann manches Mal ein zusätzliches Entschei dungs - kriterium, sie in einer solchen Familie einzusetzen. Eine Einsatzleiterin der Organisierten Nachbarschaftshilfe be - schreibt: Jedes Mal, wenn ich bei der Einsatzplanung an meine Grenzen stoße, tauchen neue Helferinnen auf. Das sind Momente, in denen ich sage: Sie schickt der Himmel. Manche Mitarbeiterinnen und Einsatzleitungen in der Organisierten Nachbarschaftshilfe und Familienpflege empfinden ihre eigene Intuition oder das Gefühl, in ihrem Dienst am richtigen Platz zu sein, als Zeichen für Gottes Nähe. Formen und Orte der eigenen geistlichen Stärkung sind so vielfältig wie die Mitarbeiterinnen selbst. Allen Erfahrungen gemeinsam ist aber die Bedeutung von Gemeinschaft, Beziehung und Zeit. Gespräche im Team, in der Familie oder im Freundeskreis, Gottesdienste, Bibelkreise,

59 58 Besinnungstage sowie die Sorge für den eigenen Leib durch Bewegung und Natur und in all dem das persönliche Gespräch mit Gott, all das sind Kraftquellen für den Alltag. Nicht zuletzt erleben sich viele gestärkt durch die Begegnung mit den begleiteten Menschen selbst. Trotz Not und Krankheit verzweifeln viele Menschen nicht, sondern erzählen von ihrem Glauben. Und die Vielfalt der Mitarbeiterinnen mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten und Begabungen sind ein reichhaltiger Schatz aus dem Einsatzleiterinnen schöpfen können, wenn sie jeweils die richtige Person für einen Einsatz suchen. Diesen Schatz an Menschen nehmen sie als ein Geschenk Gottes wahr. Spiritualität braucht Raum Der Gott des Alten und Neuen Testamentes ist ein Gott des Alltags. In allen biblischen Geschichten wird beschrieben, wie die Menschen über Generationen und Jahr - tausende hinweg Gottes Anwesenheit, sein Wirken in ihrem konkreten Alltag erfahren haben. Um das manchmal zarte Wehen Gottes zu spüren, brauchen wir aber Raum, inneren und äußeren Raum, d. h. wir brauchen Zeit, vertraute Orte und Menschen mitten im Alltag. Spiritualität wird nur dort als wahrnehmbare Größe benannt, wo ihr Raum gegeben wird. In der Organisierten Nachbarschaftshilfe finden Einsatz lei - tungen und Helferinnen diese Orte ganz besonders inne r - halb der Katholischen Arbeitsgemeinschaften auf De ka - nats ebene, der mittleren Ebene des Fachverbandes Zu - kunft Familie. Die jeweiligen Geschäftsführungen, Mitar bei - terinnen und Mitarbeiter der Caritas-Regionen bzw. des Caritasverbandes für Stuttgart, schaffen mit vielseitigen Formen von Besinnungstagen und Wanderungen auf Pil - ger wegen Raum, in dem Spiritualität zur Sprache kommt und mit dem eigenen Leben in Beziehung gesetzt werden kann. Die Katholischen Arbeitsgemeinschaften für Orga ni - sierte Nachbarschaftshilfe bieten für Nach bar schafts hel - ferinnen und Einsatzleitungen einen Ort der Zu ge hörigkeit, der Vertrautheit und der Bestärkung, an dem sich Mitar - beiterinnen öffnen für eine tiefere Dimension des Lebens. Mit diözesanen Angeboten ermöglicht der Fachverband Zu kunft Familie die Auseinandersetzung mit religiösen Themen und deren Einbindung in den konkreten Alltag der Mitarbeiterinnen. Daneben haben in Teamsitzungen und örtlichen Fortbil - dungen religiöse Impulse einen festen Ort, d.h. sie sind mitten im Alltag von Familienpflegediensten und Nachbar - schafts hilfegruppen integriert: Ich biete zu Beginn einer Teamsitzung spirituelle Texte oder Gebete an, die übrigens bei den Mitarbeiterinnen noch lange nachwirken. Sie nehmen die Botschaften oft mit zu den betreuten Menschen. Sinnvolles Tun in einem freiwilligen Engagement eröffnet auch Raum für Spiritualität, führt Menschen in ihre eigene Tiefe und bringt sie in Berührung mit Glaubensfragen. Diese besondere Beobachtung beschreibt die Einsatz - leiterin einer Nachbarschaftshilfe unter anderem mit Blick auf Menschen im Ruhestand. Der Ruhestand lässt wieder mehr Raum für innere Prozesse. In ihrem Engagement für ältere Menschen erhalten die Nachbarschaftshelferinnen einen neuen Zu - gang zu ihren Gefühlen und gestalten ihr Leben bewusster als während der Berufstätigkeit. Die gemeinsame Gestaltung von Gottesdiensten, Me di ta - tionen und Feiern im Jahreskreis sind Gelegenheiten, bei denen Gespräche im Team über religiöse Themen entstehen. Das Gemeinschaftsgefühl innerhalb eines Teams er - öff net einen vertrauensvollen Raum, in dem die Sprach - fähig keit für persönliche religiöse Themen eingeübt werden kann. Die Nähe zur Kirchengemeinde bietet hier eine zu - sätz liche Chance für alle Beteiligten. Spiritualität ist Anfrage Das Zeugnis von etlichen Einsatzleitungen, Nachbar - schafts helferinnen und Familienpflegerinnen, wie sie Spiri - tualität in ihrem Dienst leben und erleben, steht stellver - tretend für viele Mitarbeiterinnen dieser beiden alltagsunter stützenden Dienste. Dennoch sollen mit den geschilderten Erfahrungen all diejenigen, die ihren Alltag und ihren Glauben nicht in vergleichbarer Weise beschreiben, nicht ver einnahmt werden. Religiöse Themen und Erfahrungen sind oft ein Tabu, v. a. in beruflichen Zusammenhängen. Mein Glaube und meine Zweifel gehen niemanden etwas an, schon gar nicht meine Kolleginnen, Kollegen oder Vorgesetzten. Das mache ich an anderer Stelle und mit anderen Menschen aus. Der Verdacht, dass ein kirchlicher Träger die Mit ar - beiterinnen seines Dienstes auf ihre Kirchlichkeit hin überprüfen will, steht schnell im Raum. Und hier reagieren viele sehr sensibel, zumal es kaum eine Kultur des Gespräches zwischen Trägervertretungen und Mitarbeiterinnen gibt. Zeitmangel und Sachzwänge stehen nicht selten einem geist lichen Umgang mit sich selbst, mit Kolleginnen, Kollegen und Mitarbeitenden im Wege. Ich bin total verblüfft, über die Frage nach Spiritualität in meiner Arbeit als Familienpflegerin. Ich habe nicht damit gerechnet, dass das überhaupt jemand wissen will. Es braucht schon eine große Entschiedenheit, um Zeit und Raum zu schaffen, in denen die Kraftquellen eines kirchli-

60 59 chen Dienstes zur Sprache kommen und tatsächlich zur Stärkung werden können. Der Vergleich zwischen der organisierten Nachbar schafts - hilfe als einem Dienst von freiwillig Engagierten und der Familienpflege mit hauptberuflichen Mitarbeiterinnen legt nahe, dass Spiritualität im freiwilligen Engagement deutlich leichter zu leben und wahrzunehmen ist, als in der hauptberuflichen Arbeit: In meiner Arbeitssituation als Familienpflegerin ist kein Platz für Spiritualität. Es ist eigentlich nicht möglich, sich in vertrauter Atmosphäre etwas von der Seele zu reden. Diese harte Erfahrung einer Familienpflegerin gibt es eben auch. Spiritualität ist Einladung Die beschriebenen Erfahrungen von Einsatzleitungen, Nach barschaftshelferinnen und Familienpflegerinnen, wie sie Spiritualität in ihrem Alltag wahrnehmen, machen Mut, dem glaubend-hoffend-liebenden Umgang mit der Realität auch in Zukunft Raum zu geben. Dazu braucht es aber auch Mut. Es braucht Mut und Entschiedenheit, sich Zeit zu nehmen und Orte zu schaffen, in denen Gespräche möglich sind. Es braucht Mut und Entschiedenheit, von eigenen stärkenden Erfahrungen mit Gott zu erzählen. Und es braucht Mut und Entschiedenheit, Zweifel und Fragen auszusprechen. Die Kraft, die von einer so verstandenen Spiritualität ausgeht, ist Einladung genug, mutig und entschieden zu sein.

61 60 Caritas-Konferenzen Deutschlands e.v. Diözesanverband Rottenburg-Stuttgart Die Caritas-Konferenzen Deutschlands (CKD) sind als Netz werk Eh ren - amtlicher in Kirchen gemeinden und karitativen Ein rich tun - gen ein Fachverband des Caritasverbandes der Diö zese Rottenburg- Stuttgart. Zurzeit sind dort diözesanweit Frauen und Männer Mit - glied, die sich in 252 Grup - pen ehrenamtlich für Menschen in Not engagieren. Der Diö zes an - verband setzt sich für deren In teres - Schwarzwald-Gäu Schwarz- wald-alb- Donau Ludwigsburg- Waiblingen-Enz Stuttgart Heilbronn- Hohenlohe Fils-Neckar-Alb Biberach Ost-Württemberg sen ein, bietet Fort- und Wei ter bil dungs - möglichkeiten, Informationen und Service für Ehrenamtliche. Zu den wichtigsten Engagementfeldern gehören Ulm Bodensee- Oberschwaben Besuchsdienste für unterschiedliche Zielgruppen (alte, kranke, einsame, psychisch kranke Menschen, junge Fa - mi lien, Neuzugezogene, Besuchsdienste in Kranken - häusern und Altenhilfeeinrichtungen) Sachhilfen (im Einzelfall organisiert oder über Kleider - kammern, Möbelbörsen, Tafelläden) Hilfen für Menschen in besonderen Lebenslagen (Er - werbs losigkeit, Wohnungslosigkeit, vorübergehende Not - la gen), in Zusammenarbeit mit weiteren Organisationen und Einrichtungen im Netzwerk vor Ort (Kirchengemeinde/ Seelsorgeeinheit) Verbandspatronin ist die Heilige Elisabeth von Thüringen. Kontakt: Caritas-Konferenzen Deutschlands Diözesanverband Rottenburg-Stuttgart e.v. Strombergstraße 11, Stuttgart Tel.: geschaeftsstelle@ckd-rs.de Internet: Christa Brand Besuchsdienste Geben und Nehmen in Gottes Geist Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im karitativen Dienst Wenn ich an Spiritualität und Glaubenserfahrung in Bezug auf die Besuchsdienste denke, kommt mir ganz spontan der Titel eines Büchleins von Msgr. Wolfgang Tripp in den Sinn: Wo Himmel und Erde sich verbünden 1 Ohne den Segen die Verbindung des Himmels mit der Erde, die Berührung des Himmels im Alltag, wären unsere Dienste in den Gruppen der Caritas-Konferenzen der Diö - zese oft nicht möglich, sie wären kalt und leer. So unter - schiedlich und vielfältig die Nöte und Sorgen, aber auch die freudigen Anlässe sind, so unterschiedlich ist das spirituelle Berührtsein von mir selbst. Begegnungen suchen und ermöglichen Erfahrungen aus der Praxis Zum Beispiel passiert es mir immer wieder, wenn ich alte Menschen im Altenheim oder Kranke im Krankenhaus besuche, dass die Freude über den Besuch sie richtig zum Strahlen bringt und das Gespräch wie eine Quelle ist, die nicht mehr versiegen will. Wenn ich dann eine Grußkarte unserer Gemeinde mit dem Bild unserer Kirche oder der Madonna mitbringe vielleicht auch mal unser Ge meinde - album von Festen und besonderen Anlässen dann wird ein Netz geknüpft: vom Besuchten über mich zur Kirchengemeinde und ich spüre, dass die Ge mein schaft, das füreinander Da Sein ein Gefühl der Freude und Ge - borgenheit im Glauben vermittelt. Bei manchen anderen Besuchen treffe ich auf schlimme Schicksale und ich kann nur Anteil nehmen und trösten. Für mich bedeuten diese Besuche zum einen eine tiefe Dank barkeit gegenüber Gott für seinen Segen und sein Geleit. Zum anderen darf ich ihn um Hilfe bitten und alle 1 Wolfgang Tripp (Hg.), Wo Himmel und Erde sich verbünden. Wege zur Menschwerdung. Ein Begleiter im Advent mit Bildern von Sieger Köder, Ostfildern 2004.

62 61 Lasten, die sich ansammeln vor ihn bringen. Es ist mir schon sehr oft passiert, dass ich in Härtefällen spontan keine Antwort wusste und ziemlich hilflos einer Situation gegenüberstand und im Stillen ein Stoßgebet zum Himmel schickte. Dann passieren manchmal Dinge, die mich innerlich tief berühren und sprachlos machen und mir zeigen, dass da noch jemand ist, der mich nicht alleine - lässt. Karitatives Handeln: im Unterstützen Sinn erleben Vom Pfarramt erreicht mich ein Anruf mit der Bitte, eine Fa - milie zu besuchen, bei der die Mutter von drei kleinen Kindern schwer an Krebs erkrankt ist. Durch die Krankheit der Mutter ist die Familie in große finanzielle Schwierig - keiten geraten. Beim ersten Besuch und Gespräch bei der jungen Frau spüre ich ihren ganzen Schmerz, ihre Verzweiflung, aber auch den Willen, für ihre Familie zu kämpfen. Im Moment kann ich ihr nicht helfen und keine konkreten Zusagen machen. Ich sage ihr, wie mich ihre Sorgen erschüttern und traurig machen und verspreche, für sie zu beten und zu bitten und Hilfsmöglichkeiten zu suchen. Alles muss sehr rasch gehen, die Familie steht unter Zeitdruck. In unserer Besuchsdienstgruppe wird der Fall besprochen und aus vielen Erfahrungen und Verbindungen entsteht ein detaillierter Hilfsplan. Ich habe das Gefühl, die Steuerung hat jemand Unsichtbares übernommen, wir sind nur die Aus führenden, die Werkzeuge. Genau wie es das Bibel - wort verspricht: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. Es entsteht eine Betreuung von über zwei Jahren. Wir organisieren Babysitterdienste in Zusammenarbeit mit unseren Krabbelgruppenmüttern, wir bezahlen zusammen mit der evangelischen Kirchengemeinde zeitweise eine Fa - mi lien pflegerin, wenn diese nicht von der Krankenkasse übernommen wird, wir besuchen die Familie regelmäßig und bringen zu den Festtagen kleine Aufmerksamkeiten für die Kinder und Eltern mit. Heute ist die Familie wieder richtig glücklich. Die Mutter ist gesund, das finanzielle Tief überwunden. Dieser Tage erreicht mich ein Brief der Familie, in dem ihre ganze Dank - bar keit zum Ausdruck kommt aber auch die Erfahrung, dass für sie Kirche und Glaube wieder lebendig und greifbar geworden sind durch diese gemeinschaftliche Hilfe. Ich habe beim Lesen eine tiefe Dankbarkeit gespürt für die Kraft und Ausdauer, die mir und allen anderen aus unserer Gruppe geschenkt worden ist. Oft erhalte ich von Menschen Unterstützung, an die ich nie gedacht habe oder es ergeben sich Situationen, die ich nie voraussehen konnte. Daran merke ich, wie Gott die Ge - schicke von uns Menschen lenkt und wie ich mich auf ganz Neues oder Unbekanntes einlassen kann er ist immer in meiner Nähe, immer mit mir vor Ort. Seit Jahren erhalte ich von einer jungen Geschäftsfrau re - gel mäßig hochwertige Kinderkleidung und zu den Osterund Weihnachtstagen zwei liebevoll zusammengestellte Päckchen, mit jeweils einem Geldbetrag für eine alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Kindern. Sie will damit ihre Dankbarkeit für die eigenen gesunden Kinder und das Wohlergehen ihrer Familie zum Ausdruck bringen. Für sie bedeutet Christ sein, den Nächsten nicht aus dem Blick zu verlieren und auch in schweren Zeiten für ihn da zu sein. Spiritualität pflegen In unserer Besuchsdienstgruppe pflegen wir unsere Spiritualität durch feste Rituale. Impulse zu den Gruppentreffen, religiöse Literatur zu be - son deren Anlässen, Gestaltung besonderer Andachten und Gottesdienste (Krankengottesdienste, Andachten im Alten heim, Maiandachten, Kreuzwegandachten ), Be - sinnungstage für alle gemeinsam oder in Kleingruppen. In unserer Gruppe ist spürbar, dass unsere Dienste die gleichen Wurzeln haben und aus den gleichen Quellen schöpfen. Wir schenken unsere Aufmerksamkeit unseren Nächsten, aber auch uns gegenseitig. Meine Zweifel und Fragen kann ich mit meinen Team- Partnerinnen, aber auch mit Hauptamtlichen, die mit den karitativen Diensten eng vertraut sind, gut besprechen. Für meine ehrenamtliche karitative Arbeit kann ich am besten auftanken an Tagen des Loslassens, ohne Ver pflich - tun gen und ohne Zeitdruck, in der Stille oder Natur, bei Oasen tagen im Kloster oder anderen kirchlichen Ein rich - tungen, bei Besinnungstagen, aber auch in geselliger (wan derfreudiger) Runde mit einigen Besuchsdienst - freundinnen. Beten und Wandern bietet für ehrenamtliche Mitar bei te rin - nen und Mitarbeiter im karitativen Dienst einen ganz be - sonderen Zugang zur Spiritualität und bestätigt den derzeit starken Trend zum Pilgern und Wallfahren. Meist sind es Gruppen, die sich zusammen mit einer Leiterin oder einem Leiter auf den Weg machen, bestimmte Orte zu erwandern, innezuhalten, still zu werden, zu schauen, zu hören, zu spüren und die Natur und Schöpfung in sich aufzunehmen.

63 62 Dazu ein Beispiel Die Gruppe einer Seelsorgeeinheit trifft sich zur Einstimmung in den Tag in der Kirche am Ausgangsort zu einer morgendlichen Andacht. Das Thema des Tages steht dabei im Mittelpunkt und die einzelnen Etappen der Wan - derung werden benannt. Die Gruppe möchte verschiedene Merkmale auf der Strecke, wie Wasser/Quelle, Brücke, Allee, Pflanzen Tiere, Ruhebank usw. in den Blick nehmen, aber auch die verschiedenen Namenspatrone der Kir chen in der Seelsorgeeinheit, die auf der Route liegen, besser kennenlernen (St. Antonius, St. Maria, St. Johannes ) und in den jeweiligen Gotteshäusern An - dacht halten. Die Mittagsrast ist im Alten- und Pflege heim der Seelsorgeeinheit vorgesehen, verbunden mit dem Besuch der dortigen Kapelle. Den Abschluss des Ta ges bildet eine Segensmeditation und eine gemütliche Kaffee - runde. Leib, Geist und Seele sind in Einklang. Diese Tage der Gemeinschaft, zum Auftanken, sich stärken und wieder zur Mitte finden, werden sehr gerne und zahlreich genutzt. Die Teilnehmenden können die Lasten des Alltags hinter sich lassen, zur Ruhe kommen, sich ganz auf die jeweiligen Wahrnehmungen einlassen und im Singen, Beten und Meditieren ihre spirituellen Bedürfnisse, ihren Glauben stärken. Der Sozialdienst katholischer Frauen e.v. Diözese Rottenburg-Stuttgart (SkF) Der Sozialdienst katholischer Frauen ist ein Verein von Frauen, der Hilfe leistet für Kinder, Jugendliche, Frauen und ihren Familien sowie Menschen in besonders schwierigen Lebenslagen. Im Verein arbeiten Fachkräfte und Ehrenamtliche zusammen. Führungs- und Leitungsaufgaben werden beim SkF überwiegend von Frauen wahrgenommen. In der Diözese wurde der Verein unter dem Namen Rettungsverein vom guten Hirten im Jahr 1903 gegründet. Erst im Jahr 1999 schloss sich der Verein an den bundesweit tätigen SkF an. Heute sind im Verein 180 Mitarbeiter/innen tätig in 22 Diensten bzw. Angeboten für rund Menschen. Zum Sozialdienst katholischer Frauen gehören: ein Kinder- und Jugendzentrum mit Wohn- und Betreuungsangeboten ambulante Beratungsstellen für Kinder und deren Familien eine Mutter-Kind-Einrichtung mit Wohn- und Betreuungsangeboten eine Kindertagesstätte mit Ganztagesbetreuung ambulante Frühe Hilfen für Mütter ein Tagestreff für (wohnungslose) Frauen mit betreuten Wohnangeboten Schwangerschaftsberatungsstellen in Stuttgart, Ludwigsburg, Waiblingen, Esslingen, Nürtingen ein Betreuungsverein ein Frauenberufszentrum (in Kooperation mit dem Caritasverband für Stuttgart e.v.) Schwarzwald-Gäu Schwarz- wald-alb- Donau Ludwigsburg- Waiblingen-Enz Stuttgart Heilbronn- Hohenlohe Fils-Neckar-Alb Ulm Biberach Ost-Württemberg Bodensee- Oberschwaben Kontakt: Sozialdienst katholischer Frauen e.v. Diözese Rottenburg-Stuttgart Stöckachstraße Stuttgart Tel.: info@skf-drs.de Internet:

64 63 Susanne Herzog/Ingrid Wiesler Ein Dach über dem Kopf und ein Obdach der Seele Wie Sozialarbeit und Spiritualität zusammengehören Der Blick auf Leib und Seele hat im SkF Tradition (Susanne Herzog) Am 8. Juni 1903 fand sich in der Pfarrei St. Eberhard in Stuttgart ein Frauenkreis zusammen, der die Notwendig - keit einer Hilfe für die aus der Gesellschaft ausgestoßenen und in Armut geratenen Mädchen und Frauen besprach. Die Einsicht, dass Frauen von Armuts- und Notsituationen besonders betroffen sind, hat die Adlige Mathilde von Dellings hausen zu visionären Gedanken beflügelt: Ich träume mir einen Verein, in dem man diesen sogenannten,unwürdigen Armen nachgeht, ihnen kein Geld und keine Lebensmittel gibt, aber Arbeit, und danach trachtet, ihnen zu helfen. Die unwürdigen Armen, so wurden um 1900 Frauen und Mädchen bezeichnet, die infolge von Prostitution und sexueller Ausbeutung an den Rand der Gesellschaft ge - drängt wurden gründete sie diesen Verein mit dem programmatischen Namen Rettungsverein zum guten Hirten, der von Anfang an die materielle wie auch die seelische Not von Frauen und Kindern im Blick hatte. Die geschulten und zum regelmäßigen Erfahrungsaustausch versammelten Frauen machten es sich zur Aufgabe, Familien in schwierigen Lebensverhältnissen zu besuchen, ihnen bei der Ar - beits suche zu helfen und sie moralisch mit Wort und Schrift aufzubauen. Ein geistlicher Beirat wurde aus den Stuttgarter Geistlichen vom Rottenburger Bischof in den Vorstand des Vereins berufen. Der Verein entwickelte seine Aufgaben, Ziele und seine Arbeitsweise kontinuierlich weiter, hatte aber immer die besondere Not von Frauen und Kindern im Blick und immer den ganzen Menschen änderte der Verein seinen Namen in Katholischer Sozialdienst und schloss sich im Jahr 2001 an den bundesweit tätigen Sozialdienst katholischer Frauen an, wie der diözesane Verband heute heißt. Im Leitbild des Sozialdienstes katholischer Frauen ist zu lesen: Aus christlichem Engagement bieten wir individuelle Hilfe und vertreten parteilich die Belange Benachteiligter. Wir setzen uns dafür ein, dass Interessen von Frauen überall berücksichtigt werden. So trägt der Sozialdienst katholischer Frauen heute eine Vielzahl an Diensten, vor allem für Frauen, Mädchen und Kinder. Schwangerschaftsberatung und Beratung alleinerziehender Frauen im Großraum Stuttgart, ein Tagestreff und betreutes Wohnen für Frauen in schwierigen Lebens - situationen, Pflegschaften und Vormundschaften als Be - treuungsverein, Kooperationsträger des Frauenberufs - zentrums für Frauen mit wenig Chancen auf dem Arbeits - markt, betreutes Mutter-Kind-Wohnen für junge Mütter ab 14 Jahren, eine große Kindertagesstätte und die Kinderund Jugendhilfe Neuhausen mit verschiedenen Wohn - gruppen sowie Erziehungshilfestationen und intensiv sozialpädagogischer Begleitung das sind nur die Überschriften für das vielgestaltige Engagement der ca. 200 Mitar - beiter/innen. Bis heute sind neben der fachlichen Qualifikation der Arbeit der spirituelle Bedarf der Mitarbeiter/innen und auch der Zielgruppen sowie die Gestaltung des Profils als kirchlicher Träger wichtige Fragen im Verband. Der Geistliche Beirat Seit den Anfängen gehörte zum Vorstand ein Geistlicher Beirat, der den Vorstand begleitete und geistliche Impulse setzte. Regelmäßig wurden Gottesdienste mit Vorstand, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und betreuten Frauen und Mädchen gefeiert entschloss sich der Vorstand, für das neu zu besetzende Amt des Geistlichen Bei rates bewusst nach einer Geistlichen Beirätin zu suchen, die als Theologin und als Frau die Aufgaben des ka ritativen Frauen verbandes aus der Sicht des Evan ge liums begleiten konnte. Die Zeit war reif für den Wechsel und so fand der Verband mit Dr. Bettina Eltrop eine Theologin, die aufmerksam den spirituellen Bedarf der Mitarbeiter/innen wie auch der betreuten Frauen aufspürte und Angebote wie Oasentage und Impulse entwickelte. Auf ihren ehrenamtlichen Besuchen durch die verschiedenen Einrichtungen des SkF nahm sie den großen Bedarf an religiösen spiritu-

65 64 ellen Impulsen und Einsatzfeldern wahr, den sie als ehrenamtliche Beirätin nur fragmentarisch beantworten konnte. Ihrer beharrlichen Initiative ist es zu verdanken, dass Bischof Dr. Gebhard Fürst der spirituellen Dimension der kirchlichen Sozialverbände einen eigenen Stellenwert gab, der sich konkret in einer 25 %-Personalstelle ausdrückte. Aufgaben der Geistlichen Begleiter/in Seit September 2007 gibt es jetzt eine 25 %-Stelle für eine Geistliche Begleiterin beim Sozialdienst katholischer Frauen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Gekoppelt ist dieser Stellenanteil an weitere 25 % für den Verband IN VIA katho lischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit. Die Aufgabe entfaltet sich in drei Zielrichtungen: spirituelle und seelsorgerliche Begleitung der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen, Blick auf den religiösen Bedarf der Ziel gruppen und Ausbau des spirituellen und religiösen Profils des Verbandes. Als Theologin, Pädagogin und Pastoralreferentin bin ich mit der Aufgabe der Geistlichen Begleiterin beim SkF und bei IN VIA beauftragt. Ich erlebe viele Mitarbeiter/innen, die ein großes Bedürfnis nach spirituellen Angeboten haben, in denen die Sinn - fragen und Grenzen, auf die sie in ihrer Arbeit stoßen, in einem neuen Horizont betrachtet werden. Die Arbeits be - lastung ist groß, die Not der Menschen, die zu ihnen kommen auch. Wohin mit all dem Ungelösten, Begrenzten? Mit all den Problemen, die Ratsuchende auf dem Schreibtisch hinterlassen? Wie kann ich meine Arbeit in göttliche Hände legen? Wo finde ich Orte, Zeiten und Quellen, aus denen ich selbst wieder Kraft schöpfen kann? Denn viele Mit - arbeiter/innen arbeiten bewusst in einem kirchlichen Ver - band und suchen die spirituellen Quellen in ihrer und für ihre Arbeit. Auch Fragen, wie die Mitarbeiter/innen spirituelle religiöse Räume für die Menschen, mit denen sie arbeiten eröffnen und gestalten können, prägen unsere Gespräche. Wie können Besucherinnen des Tagestreffs regelmäßige Ange - bote für ihren Seelenhunger bekommen? Welchen Rah - men braucht es in der Kindertagesstätte, um die Kinder religiös durch den Tag und durchs Jahr begleiten zu können? Was können wir den Jugendlichen an spirituellen Im - pulsen mit auf den Weg geben? Neu wird sein, das Thema Spiritualität in den Strukturen des Verbandes zu verorten und Ziele und Strategien für das spirituelle kirchliche Profil zu entwickeln. So ist eine wichtige Aufgabe der Geistlichen Begleiterin mit der Leitungs ebene zu reflektieren, wie das Evangelium in den Verband kommt und wie Spiritualität eine belebend machtvolle Position erhält, sich im Verband implantiert und am Profil ablesen lässt. Woran merken andere, aus welchem Geist wir leben und arbeiten? An welchem Ort können wir uns als Mitarbeitende und als Leitung über unsere Grund werte verständigen, ja über so etwas wie unseren Glauben sprechen? Müssen wir Strukturen verändern, wenn wir dem Evangelium eine Stimme geben? Wie können wir dann sichtbar und öffentlich machen, was uns trägt und unsere Arbeit bestimmt? Spirituelle Suchwege Das alles sind Fragen, die einen spirituellen Suchweg eröffnen und notwendig machen. An unterschiedlichen Orten werden die Fragen und Anliegen bewegt. An vielen Tra dit - ionen kann ich anknüpfen, manches wird aus dem aktuellen Bedarf an spiritueller Begleitung neu entwickelt. Jähr - lich finden zwei Oasentage für Mitarbeiter/innen statt. Für Leitungskräfte ist ein eigenes Angebot zum Thema Spiri - tualität und Leitung geplant. Regelmäßige Werk statt ge - spräche greifen theologische Grundfragen für die sozialpädagogische Arbeit auf. Einzelgespräche mit mir als Geistlicher Begleiterin werden wahrgenommen, Teamge - spräche zu ethischen und religiösen Fragen, Beratungs ge - spräche für die Gestaltung von Gottesdiensten oder anderen religiösen Elementen. Mit geistlichen Impulsen in Team sitzungen, im Vorstand, bei Jubiläen, Einweihungen, Ver abschiedungen, Begrüßung der neuen Mitarbei ter/in - nen sowie mit Besinnungen und Andachten zum Kirchen - jahr kann ich spirituelle und religiöse Akzente setzen, die in der Arbeit weiterwirken. Wie im SkF für Leib und Seele gesorgt wird, anders ge - sagt, wie sich die spirituelle Dimension mit der karitativen Dimension verknüpft, berichten wir am Beispiel des Tages - treffs Femmetastisch. Femmetastisch ein Obdach für Frauen (Susanne Herzog und Ingrid Wiesler) Femmetastisch ist ein Ort für Frauen mit ungesicherten Wohnverhältnissen, für Frauen, die aus gewaltgeprägten Beziehungen kommen, für Frauen ohne Arbeit, ohne ausreichendes Einkommen, für Frauen die krank sind an Leib und Seele. Zwischen 30 und 40 Frauen sind es täglich, die mit unterschiedlichen Anliegen und mit dem Wunsch nach Unter - stützung in den zentral gelegenen Tagestreff Femmetas - tisch in der Stuttgarter Stadtmitte kommen. Alle befinden sich in einer schwierigen Lebenssituation, lange haben sie ver sucht nach außen hin die Normalität aufrecht zu erhal-

66 65 ten, der Norm zu entsprechen. Denn bis Frauen Hilfe ange - bote annehmen, sind sie häufig in einer sehr desolaten Situation. Die Frauen, die in den Tagestreff kommen, sind in Woh - nungs not, haben abgebrochene Schulabschlüsse, Bio - grafie brüche, sind suchtkrank oder psychisch krank. Alle leben am Existenzminimum, entweder von einer kleinen Rente, von der Grundsicherung oder von Arbeitslosengeld II. Die Frauen erhalten im Treff die Grundversorgung des täglichen Lebens: eine warme Mahlzeit, freundliche Aufent - haltsräume, Badewanne und Dusche für die Körperpflege, gut erhaltene Secondhand-Bekleidung, Waschmaschine und Trockner für die Wäschepflege. Femmetastisch will den Besucherinnen Räume bieten, in denen sie zu sich selbst finden können und ein Stück Beheimatung erfahren, denn es ist nicht nur bitter, kein Dach über dem Kopf zu haben. Es ist oftmals ebenso bedrängend, wenn wir kein Dach über der Seele haben, so sagt es der Pastoral theo - loge Paul. M. Zulehner in seinem Buch Für Kirchen lieb - haberinnen. 1 Die Mitarbeiterinnen im Tagestreff machen tagtäglich die Erfahrung, wie bedrängend die Besucherinnen nach einer Heimat auch für ihre oft schutzlose Seele suchen. Deshalb ist es in der Konzeption und der Arbeit im Tagestreff von Anfang an selbstverständlich, die Frauen mit all ihren Facetten und unterschiedlichen Bedürfnissen zu sehen, wahrzunehmen und einen Raum zu schaffen, in dem neben der Grundversorgung für das tägliche Leben die drängenden Fragen nach dem Woher, dem Warum und dem Wohin einen Platz haben. Diese Seelenpflege zeigt sich zum einen in der Art und Weise, wie den Frauen im Tagestreff im Alltag begegnet wird. Das bedeutet, den Besucherinnen mit Respekt entgegen zu gehen, ihre Ressourcen wahrzunehmen, sie da - rin zu bestärken und dabei zu begleiten, ihre häufig verschütteten Fähigkeiten wieder zu entdecken und zur Überwindung ihrer schwierigen Situation zu nutzen. Unterschiedliche Angebote zur Tagesstrukturierung und Tagesgestaltung mit einem hohen Maß an Beteiligung der Besucherinnen ermöglichen den Frauen eine Weiter ent - wicklung, eine Gesundung. Dazu zählen auch Gruppen - angebote, wobei die Impulse dafür zum großen Teil von den Besucherinnen selbst kommen. Viele Frauen leiden bei spielsweise unter dem Messie-Syndrom (Vermüllung). 1 Wer kein Dach über seiner Seele hat, ist nicht einsam, sondern vereinsamt. Eine Obdachlosigkeit der Seele droht.... Wir spüren, was uns wichtig ist, in dem, was uns fehlt.... Wir fühlen: wichtig, ja unantastbar heilig ist es uns, dass unser Lebensbaum Wurzeln hat. Irgendwo muss der Mensch daheim sein. Menschsein heißt nicht nur wachsen, sondern wurzeln. Unsere unbehauste Seele will wohnen. Wir brauchen beides: ein Dach über dem Kopf, ein Obdach der Seele. Aus: Paul M. Zulehner, Für KirchenliebhaberInnen, Ostfildern, Und um nicht weiter in der Isolation zu versinken, wollen sich manche mit anderen regelmäßig auseinandersetzen, die von der Problematik ebenfalls betroffen sind. Andere leiden darunter, dass der Umgang mit Konflikten so mühsam ist ein Workshop wird initiiert, eine große Gruppe von Frauen nimmt daran teil, lernt und übt einen veränderten Umgang miteinander und verarbeitet so einen Teil der häufig leidvollen eigenen Geschichte. Von großer Bedeutung ist das künstlerische Gestalten in der Kreativ-Werkstatt. Hier erfahren die häufig traumatisierten Frauen, dass das bisher Unaussprechliche in diesem geschützten Rahmen unter der Begleitung durch die Kunsttherapeutin einen Ausdruck finden und zur Heilung gebracht werden kann. Die Teilnehmerinnen erfahren im kreativen Tun Ermutigung und Bereicherung. Der Seele Obdach geben Viele Besucherinnen spüren eine Sehnsucht nach Spiritualität, nach Religiosität und suchen nach Formen, wie sie diesen Hunger ganz nah an ihrem Leben, an ihrem All tag, an ihren Möglichkeiten stillen können. In unterschied lichem Kontext versuchen die Mitarbeiterinnen konkrete Erfahrungsräume zu schaffen, die Antwort geben können auf diese Sehnsucht. Schon der kleine Text vor dem Mittagessen, von einer Mitarbeiterin oder einer Besucherin ausgesucht und vorgelesen, ist den Frauen ein wichtiges Ritual, wie eine Vorspeise, die das gemeinsame Essen sinnstiftend, ermutigend und bestärkend werden lässt. Wichtig sind die besonderen Zeiten, die die Mit - arbeiterinnen für und mit den Besucherinnen gestalten. Da sind zum einen die großen kirchlichen Feste Weih - nachten und Ostern, die bei Femmetastisch eine heraus ragende Rolle spielen: durch die besondere Ge - staltung, die Impulse in Form von Texten, szenischen Spielen und meditativem Tanz sind sie als Feste herausgehoben. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auch auf die Vorbereitungszeiten Advent und Fastenzeit gelegt. Im Advent hat das nachmittägliche Zusam men - sein im Tagestreff eine eigene Prägung: die Texte eines Frauen-Adventskalenders werden gelesen, meditiert, diskutiert und musikalisch umrahmt. Zu Beginn des Ad - vents bereitet ein Adventsweg darauf vor, sich in dieser Zeit intensiv mit dem eigenen spirituellen Weg auseinanderzusetzen. Unterstützt wird diese innere Vorbe - reitungs zeit durch vielfältiges kreatives Tun. Zum anderen sind es die monatlichen Geburtstags - feiern, bei denen die Geburtstage der Frauen gefeiert und gewürdigt werden. Viele Frauen haben keine Möglichkeit, ihren eigenen Geburtstag zu begehen. So

67 66 werden alle Besucherinnen, die in diesem Monat Ge - burtstag hatten, an einem Nachmittagstreff besonders bedacht und mit einem Lied und einem Segenstext in die Mitte gestellt. Kaffee und Kuchen schaffen den leiblichen Rahmen für diese Wertschätzung. Der Jahreskreis mit den unterschiedlichsten religiösen und weltlichen Festen bietet viele Möglichkeiten, der eigenen Spiritualität nachzuspüren und im Erleben der Natur, der Schöpfung vielfältige Erfahrungen zu sammeln. Ausflüge und Freizeiten bieten darum Raum auch für spirituelle Erfahrungen. Das kann beispielsweise bei einer Wanderung sein, bei der ein bestimmtes Symbol wie Wasser, Baum im Mittel punkt steht und an verschiedenen Stationen in unterschied licher Weise erfahren, meditiert und betanzt wird. Es kann der Besuch eines Labyrinths sein. Durch das Erleben und Begreifen dieses Symbols mit seinen vielfältigen Quali täten findet wiederum eine Auseinan - der setzung mit den eigenen Lebensthemen statt. Monatliche Fantasiereisen und geführte Meditationen sind Zeiträume, auf die die Besucherinnen schon warten und die sie gerne wahrnehmen. Es sind eher die personellen Ressourcen des Teams, die den Angeboten Grenzen setzen. Ideen und Bedürfnisse gibt es bei Besucherinnen und Mitarbeitenden zahlreich. So ist leider eine regelmäßig stattfindende Ruach- Gruppe, in der sich die Frauen Formen gesucht haben, ihren Glauben zu gestalten, derzeit aufgrund personeller Engpässe nicht möglich. Ulrike Strieder, regelmäßige Besucherin von Femmetas - tisch, beschreibt den Geist, der im Tagestreff weht, mit ihren Worten: Es ist spürbar, dass ein christlicher,guter Geist im Haus ist. In dieser Oase lebt eine Atmosphäre der Wert - schätzung und Augenhöhe. Das Team zeichnet sich durch große Herzlichkeit und Freundlichkeit sowie Respekt gegenüber den einzelnen Besucherinnen aus. Diese Atmosphäre wirkt sich natürlich auch auf die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen, sowie auf die sich im Hartz IV Programm befindlichen Mitarbeiterinnen aus. So wird die Atmosphäre im Haus wesentlich durch die Heiterkeit und persönliche Zuwendung der Mit - arbeiterinnen geprägt. Viele Faktoren tragen dazu bei, dass die Besucherinnen bei Femmetastisch in Ruhe und Sicherheit ihre persönliche Versorgung gestalten können, dass sie ihre Anliegen und Bedürfnisse einbringen, soziale Beziehungen ohne Be - drohungen leben können und Nahrung für ihre Seele be - kommen. Letztlich ist es das gute Miteinander von Besucherinnen, ehrenamtlich und hauptamtlich tätigen Mitarbeiterinnen und vielen Unterstützerinnen, die den Tagestreff Femme - tas tisch zu dem machen, was er ist: ein heilsamer Ort für viele. Stutt gart mit Sitz in Stuttgart. Der Verband wurde im Jahr 1909 als katholischer Mäd chen - schutzverein gegründet. Die Mutter vom guten Rat wurde bundesweit als Patronin des Verbandes gewählt. IN VIA hat Schwarzwald-Gäu Schwarz- wald-alb- Donau heute ca. 100 Mitarbeiterinnen und Mit - arbeiter und ist in folgenden Feldern tätig: Ludwigsburg- Waiblingen-Enz Stuttgart Heilbronn- Hohenlohe Fils-Neckar-Alb Ulm Biberach Ost-Württemberg IN VIA Katholischer Verband für Mädchenund Frauensozialarbeit Diözese Rottenburg-Stuttgart e. V. IN VIA ist Wohlfahrtsverband und Träger mehrerer sozialer Ein - richtungen und Dienste in der Diözese Rot ten burg- Bodensee- Oberschwaben Bahnhofsmissionen in Aalen, Aulendorf, Biberach, Stutt - gart und Ulm offene Dienste in Stuttgart (Mädchentreff, Schul sozial - arbeit, etc.) Jugendmigrationsdienste in Böblingen, Heilbronn, Schwä - bisch Gmünd, Stuttgart und Ulm Kindertagesstätte Wilde Hilde in Stuttgart-Mitte Hildegardisheim in Stuttgart für Mädchen und junge Frauen zwischen 15 und 27 Jahren, die sich in beruflicher oder schulischer Aus-, Fort- oder Weiterbildung befinden Kontakt: Katholischer Verband für Mädchenund Frauensozialarbeit Diözese Rottenburg-Stuttgart e.v. Stöckachstr. 55, Stuttgart Tel: 0711/ info@invia-drs.de Internet:

68 67 Susanne Herzog Mutter vom Guten Rat eine zeitgemäße Verbandspatronin IN VIA Katholischer Verband für Mädchen und Frauensozialarbeit Diözese Rottenburg-Stuttgart e. V. Wie ich bei IN VIA auf die Mutter vom Guten Rat gestoßen bin Die Mutter vom Guten Rat? Sag an, wer ist doch diese Ich muss zugeben, in meinem kirchlichen Leben bin ich selbst als Theologin selten über diesen Titel Mariens ge - stolpert. Dann und wann in der Lauretanischen Litanei (GL 769), aber ich hatte weder eine bildliche Darstellung vor Augen noch hat der Titel eine Beziehung zum Leben eröffnet. Erst seit ich auf dem Weg zu IN VIA bin was ja so viel be - deutet wie auf dem Weg sein begegnet mir der Name Mutter vom Guten Rat immer wieder. Das erste Mal bin ich ihm während meiner Bewerbung begegnet. Der Verband hatte sich die beiden Jahre zuvor intensiv darum bemüht, eine hauptamtliche Stelle für eine Geistliche Begleiterin zu schaffen, um dem Thema Spiritualität im Verband einen höheren Stellenwert zu geben. Schließlich stand es kurz vor einer Entscheidung im Bischöflichen Ordinariat, von der nicht abzusehen war, ob sie für oder gegen einen ausdrücklichen Stellenanteil einer Theologin ausfallen würde. Die Verbandsleitung hatte das Ihrige ge - tan und die Geschäftsführerin von IN VIA, Elke Willi, legte die Sorge und das Mühen um die Stelle in andere Hände: Das vertrauen wir jetzt der Mutter vom Guten Rat an. Als Verbandspatronin wird sie schon einen Rat wissen. Ob sie es gerichtet hat? Auf jeden Fall wurde die Stelle für eine Geistliche Begleiterin mit 25 % im Dezember 2006 genehmigt (gekoppelt an weitere 25 % beim SkF), ich habe mich beworben und als Geistliche Begleiterin der beiden Verbände im September 2007 die Arbeit aufgenommen. Seitdem erlebe ich bei IN VIA viele offene Mitarbeiter/innen, viele spirituelle Bedürfnisse und viele geistlichen Tradi - tionen. Auf meinem Weg in den Verband saß ich lange im Büro von Hedwig Krauth, der langjährigen Leiterin der Bahn hofsmission und geistlichen Seele des Gesamt ver - bandes. Sie erzählte mir von Besinnungstagen und Denk - anstößen, von Gottesdiensten und Meditationen, von geist lichen Impulsen und dem Bedürfnis der Mitar - beiter/innen nach Spiritualität, von der Mutter vom Guten Rat und ihrer Bedeutung für IN VIA, von der Suche nach der Verbindung zwischen dem eigenen Glauben und der Arbeit im Verband. Mit Hochachtung habe ich wahrgenommen, wie Menschen mit ihrer Persönlichkeit das Ver - bandsleben geprägt haben und vor allem auch das geistliche Leben. Im Büro von Hedwig Krauth habe ich auch das Bild zum ersten Mal gesehen: die Madonna del Buon Consiglio hängt seit Jahren über ihrer Arbeit. Eine wunderschöne Dar stellung eines Freskos aus dem 15. Jahrhundert. Mich hat das Bild in seinen Bann gezogen und ich wollte mehr wissen von der Mutter vom Guten Rat, woher dieses ausdrucksstarke Bild stammte, welche Geschichte(n) sich hinter dem Titel verbarg bzw. verbargen und wie die Mutter vom Guten Rat im Verband lebt. Zur Geschichte von IN VIA An der Geschichte und am Selbstverständnis von IN VIA lässt sich die geistige Haltung der Mitarbeiter/innen wie des Verbandes gut ablesen. Katholische Frauen aus Adel und Bürgertum ergriffen Ende des letzten Jahrhunderts in sozialer Verantwortung Partei für Mädchen und junge Frauen der unterprivilegierten Schichten. Sie erkannten die Situation alleinreisender, ar - beits uchender Mädchen nicht nur als eine persönliche, sondern als gesellschaftlich bedingte Notlage und suchten nach Wegen und Organisationsformen der individuellen Hilfe und Unterstützung, aber auch nach Möglichkeiten der gesellschaftlichen und politischen Einflussnahme. Sie gründeten ab 1895 regionale und nationale Vereine, die sich bereits 1897 zu einem internationalen Verband zu - sam menschlossen. Die Gründerinnen hatten zur Jahr - hundert wende schon weitgehend die Grundlagen entwickelt, auf denen die heutige Mädchensozialarbeit aufbaut. Ziel der Mädchenschutzvereine war nicht nur, Wander - hilfe zu organisieren, sondern eine umfassende Integra - tions arbeit im ganzheitlichen Sinne. Diese Auffassung aus der Gründungszeit fand 1967 im Namen IN VIA, also auf

69 68 dem Weg ihren programmatischen Ausdruck. Frauen unter wegs bedeutet damit im übertragenen Sinne, einen grenzüberschreitenden Weg in eine selbstverantwortete Un a bhängigkeit zu wagen, mit neuem Erfahrungs zu - gewinn und der Option des sozialen Aufstiegs. Der Marianische Mädchenschutzverein war 1895 im deutsch sprachigen Raum die erste überregionale katholische Organisation auf dem Gebiet der Frauenfürsorge und die erste internationale Verbindung katholischer Frauen. Noch bevor sich eine katholische Frauenbewegung artikulierte, gehörte der Katholische Mädchenschutz zu den Be - wegungen, die sie vorbereiteten. Die Gründerinnen des Marianischen Mädchenschutz ver - eins wählten Maria vom Guten Rat zur Verbandspatronin. Das Ja Mariens zum göttlichen Auftrag in und für die Welt war auch ihr eigener Auftrag: Zu jeder Zeit hat Gottes Gnade Herzen erweckt, daß sie sich entschlossen zum Dienste Gottes in jener Art und Weise, wie je die Bedürfnisse der Zeit und der Mitwelt es als besonders notwendig erscheinen ließen. 1 Ihr Auftrag zu sozialem Engagement erwuchs zutiefst aus ihrem Glauben. Sie waren geprägt von einem laienapostolischen Sendungsbewusstsein im Sinne des Kapuziner - paters Cyprian Fröhlich. Er wies auf die notwendige Er - gän zung der ordentlichen Seelsorge durch die außerordent liche Seelsorge hin: Nach dem heiligen Apostel Petrus gibt es neben dem eigentlichen Priestertum auch ein allgemeines Priester - tum, an welchem jeder Christ, Mann oder Frau, nicht nur teilhaben darf, sondern muss. 2 Aus diesem Bewusstsein heraus gestalteten die Grün - derin nen ihre Arbeit. Nach ihrer Überzeugung vermittelten Glaube und Religion Persönlichkeitsfestigung, Beheima - tung damals vor allem für ortsfremde Mädchen und Frauen, Sinnerfüllung in der jeweils gestellten Aufgabe, Wert schätzung eines jeden Menschen, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion und Begabung. Im heutigen Selbstverständnis ist programmatisch zusammengefasst: IN VIA versteht sich bewusst als Kirche. Der Verband übt in seinen Tätigkeitsfeldern den diakonischen Auftrag der Kirche aus. So wird für viele durch das Handeln der ehrenamtlichen und der hauptberuflichen Mitarbei ter/in - nen von IN VIA Kirche erfahrbar. Die Mitarbeiter/innen sind Glieder der Kirche und in ihr bewusst als Frauen tätig. Sie wollen ihre Kräfte innerhalb der Kirche bündeln und wirksam werden lassen. IN VIA versteht sich als kirchliche Struktur in der Gesellschaft und gesellschaftliche Struktur in der Kirche. Damit begibt sich IN VIA in das Spannungsfeld zwischen Kirche und Gesellschaft, zwischen kirchlichen Normen und Pluralität von Werten in unserer Gesellschaft, zwischen befreiender Botschaft des Evangeliums und gesellschaftlichen Macht ver - hältnissen. 3 Mit dem Patronat der Mutter vom Guten Rat für den Marianischen Schutzverein ging es den Gründungs - müttern auch um eine spirituelle und theologische Be grün - dung ihres eigenständigen sozialen Engagements als Frauen in der Kirche. Bisher waren Frauenaktivitäten nur erwünscht, wenn sie sich vorbehaltlos in den Dienst der patriarchal strukturierten Kirche einordneten. Mit aufkommendem Selbstbewusstsein und eigenständigem Enga ge - ment wählten Frauen Maria als Modell, die in freiwilliger Hin gabe, mit freiem Ja ihren eigenen, deutlich positionierten Dienst für die Menschen wahrnahm. Mit Maria als Vorbild werteten sie ihr Dienen als göttlichen Dienst und schafften es, theologisch begründete Handlungs be - schrän kungen zu überwinden und als Marianischer Mäd - chen schutzverein nicht nur Not zu lindern, sondern auch strukturelle Veränderungen in Kirche und Gesell schaft zu hervorzubringen. Zur Geschichte der Mutter vom Guten Rat Die Verehrung Marias unter dem Titel Mutter vom Guten Rat knüpft an ein kleines Fresko an, das sich in der Kirche der Augustinereremiten von Genazzano, 46 km südöstlich von Rom befindet. Das Fresko ist nach dem Ikonentyp Eleousa die sich Er - barmende, die Wehmütige, die Barmherzige gemalt. Maria trägt das Kind auf dem linken Arm. Das Jesuskind legt seinen rechten Arm um den Hals der Mutter und schmiegt seine Wange an sie. Zwischen Mutter und Kind entsteht durch den körperlichen Kontakt der Wangen eine große Intimität. Der Sohn blickt seine Mutter nicht direkt an. Seine Augen schauen nach oben, als wäre er mit Gott verbunden. Marias Augen sind abwärts gerichtet, als hätte sie die Menschen auf der Erde im Blick. Die Mutter vom Guten Rat empfängt sie die Bitten und Gebete der Men - schen und übermittelt sie an ihren Sohn, der diese an Gott weiter gibt? Und umgekehrt: Ganz nahe ist der Gottes - sohn mit der Mutter Maria verbunden hört sie auf seinen göttlichen Rat und gibt ihn an uns Menschen weiter? 1 Gabriele Kranstedt, Migration und Mobilität im Spiegel der Verbandsarbeit Katholischer Mädchenschutzvereine , Freiburg IN VIA Katholische Mädchensozialarbeit Deutscher Verband e.v., Selbstverständnis, 2. Auflage 2005, Ebd., 10, 19.

70 69 Bildes ging eine große Anziehungskraft aus, die viele Men - schen nach Genazzano pilgern ließ. Madonna del Buon Consiglio, Genazzano (25. April 1467) Die Stadtkirche in Genazzano war der heiligen Maria vom Guten Rat geweiht. Die Legende erzählt, dass die reiche Witwe Petruccia da Genazzano es sich zum Ziel gemacht hatte, diese Kirche wieder aufzubauen, nachdem sie im 15. Jahrhundert fast verfallen war. Doch trotzdem sie alle ihre Mittel dafür einsetzte, reichten ihre finanziellen Kräfte nicht und der Bau konnte nicht beendet werden. Am 25. April 1467 erschien dann auf wunderbare Weise ein Bild der Heiligen Jungfrau auf der Mauer der Kirche. Es wird weiter erzählt, dass es aus Scutari, aus dem Norden Albaniens kam und die dortige Kirche auf ebenso wunderbare Weise verlassen hatte, als die Türken vor den Mauern standen, um die Stadt einzunehmen. Nach diesem Ereignis geschahen viele Wunder vor dem Bild. Der Titel der Kirche, in der das Fresko erschienen war, übertrug sich auf das Wallfahrtsbild. Halb Italien setzte sich in Bewegung, um vor dem Bildnis die Mutter vom Guten Rat um Hilfe zu bitten. Da so viele Spenden eingenommen werden konnten, war es dann doch möglich, noch zu Lebzeiten der Witwe Petruccia, den Wiederaufbau der Kirche zu beenden. So weit die fromme Legende. Was gesichert scheint: Das Fresko in der Größe von 42x32 cm stammt wohl von dem Begründer der Muraner Malerschule, Antonio Vivarini, und wurde Anfang des 14. Jahrhunderts unter byzantinischem Einfluss gemalt. Es schien schon bald nicht mehr zeit gemäß und wurde von einem typischen Madonnen - relief der Renaissance aus Marmor verdeckt. Bei Renovie - rungsarbeiten 1467 kam es in seiner ganzen Aussagekraft wieder zum Vorschein und erschien den Kirchen be su - chern als Geschenk des Himmels. Von der Innigkeit des Biblischer Ursprung Seine biblische Begründung findet der Titel Mutter vom Guten Rat beim Propheten Jesaja. Dort wird die Geburt eines Kindes verheißen, das den Namen wunderbarer Ratgeber trägt (Jes 9,5). Jesus ist dieser wunderbare Rat geber, auf ihm ruht der Geist Gottes (Jes 11,2). Auch im Buch der Sprüche spricht die Weisheit über sich selber: Bei mir ist Rat und Hilfe (Spr 8,14). Und weil Maria diesen göttlichen Ratgeber geboren hat, ist sie folglich die Mutter vom Guten Rat. Im Neuen Testament tritt Maria in der Szene der Hoch - zeitsgesellschaft in Kana als Ratgeberin hervor (vgl. Joh 2,1 12). Sie nimmt die Not der Hochzeitsgäste wahr Sie haben keinen Wein mehr und verweist sie an Jesu Heil - kraft: Was Jesus euch sagt, das tut! Maria nimmt die Initia tive in die Hand und erinnert Jesus an seinen Auftrag und seine Verantwortung, zum Wohl der Menschen zu handeln. Wirkung, die von dem Bild ausging und ausgeht Der Strom von Menschen, die nach Genazzano pilgerten, und von der Mutter vom Guten Rat Hilfe, Unterstützung und Rat erbaten, riss nie ab. So wird jedes Jahr am 25. April, dem Tag des Erscheinens des Freskos bzw. später am 26. April, weil der 25. besetzt war vom Gedenktag des Evangelisten Markus, das Fest Consuleo Unserer lieben Frau vom Guten Rat gefeiert setzte Papst Pius VI. offiziell den 26. April als Patronatstag der Mutter vom Guten Rat an. Papst Leo XIII. fügt 1903 die Anrufung zur Mutter vom Guten Rat in das Mariengebet der Lauretanischen Litanei ein und führte so das Fest der Mutter vom Guten Rat für die ganze katholische Kirche ein. Die Augustiner haben das Bild der Mutter vom Guten Rat aus Genazzano in der ganzen Welt bekannt gemacht. Tausende von Kopien ließen sie anfertigen und in die ganze Welt versenden. So kam das Bild auch in die Au - gustiner niederlassungen nach München und Hohen - schambach und wirkte in die katholischen Kreise Deutsch - lands hinein. Das Motiv des byzantinischen Freskos wurde dabei auch in die jeweils vorherrschenden Stilrichtungen der Kunst übertragen. Das Bild selbst hat eine große Anziehungskraft, die in Menschen so etwas hervorruft, wie: Gott und die Men - schen sind so innig verbunden wie Mutter und Kind. In dieser Nähe kann ich meine Bitten Gott anvertrauen und göttlichen Rat empfangen. Wenn ich das Bild betrachte, kann

71 70 ich eintreten in die Verbundenheit zwischen Gott und Mensch. Ich brauche nicht für alles alleine einstehen. Ich kann abgeben, loslassen und Empfangende werden, offen für göttliches Erbarmen und himmlischen Rat. Wo und wie die Mutter vom Guten Rat im Verband lebt Eine Verbandspatronin zu haben ist ein großer Schatz. Eine Figur steht mit ihrer Geschichte, ihrem biblischen und historischen Hintergrund und ihren Glaubensaussagen mitten im Verband und ermöglicht geistliche Auseinan der - setzung. Aus der Geschichte eines Verbandes mit seiner Patronin lässt sich Glaubensgeschichte ablesen. Und aus der Beschäftigung mit der Verbandspatronin heute lassen sich neue Aspekte entwickeln. Die Mutter vom Guten Rat ist als Verbandspatronin geborenes spirituelles Mitglied des Verbandes, das nicht erst gewählt oder gefunden werden muss, sondern sich mit Sitz und Stimme einbringt und ihre Wirkung für Mitar - beiter/innen und Verband entfaltet. Auch wenn nicht immer ausdrücklich der Bezug zur Ver - bands patronin hergestellt ist, ist die Mutter vom Guten Rat bei IN VIA in vielen Aspekten lebendig: Erinnern sich der eigenen Wurzeln vergewissern gemeinsam schöpfen Innehalten orientieren sich stärken Innig verbunden mit den Menschen mit Gott (Verbands-) Anliegen Gott anvertrauen Rat erbitten Als Frauen zusammenstehen Spiritualität erleben Solidarität stiften Erinnern sich der eigenen Wurzeln vergewissern gemeinsam schöpfen Fest zur Mutter vom Guten Rat Jedes Jahr am 26. April, dem Fest der Mutter vom Guten Rat, oder an einem passenden Tag in der Nähe dieses Termins wird im Verband ein Gottesdienst gefeiert. Inzwischen hat es gute Tradition, die Ruheständler/innen dazu einzuladen und den Gottesdienst mit einem Bei sam - mensein, Kaffee und Informationen über die Entwicklung von IN VIA zu verbinden. In meinem ersten Jahr als neue geistliche Fachfrau im Verband übernahm ich die Vorbereitung des Gottes - dienstes. Vor mir eine Reihe jetziger Mitarbeiter/innen von IN VIA und 14 rüstige Seniorinnen, die sich alle in ihrem Leben schon intensiv mit der Verbandspatronin beschäftigt haben. Zusammenlegen der Erfahrungen war angesagt und ich habe im Predigtgespräch viel von ihnen ge - lernt: wie Jahr für Jahr ein feierlicher Gottesdienst die Verbundenheit zur Mutter vom Guten Rat zum Ausdruck brachte. Wie sie in schwierigen Situationen des Verbandes gemeinsam zur Verbandpatronin gebetet haben, um Rat zu bekommen für das, was für den Verband richtig war. Dass sie die jungen Mädchen im Wohnheim neben aller pädagogischen Professionalität der Obhut der Gottes - mutter anvertrauten. Wie eine ehemalige Mitarbeiterin bis heute jeden Morgen erst das Gebet zur Mutter vom Guten Rat spricht und so ihren Tag beginnt. Wie es der Ruf Gottes war, der sie die feste Stelle als Beamtin in einem schwäbischen Internat aufgeben ließ und ins unbekannte Stuttgart zu IN VIA rief, wo sie sich im Hildegardisheim für die Mädchen einsetzte und wohnte bis zum Ruhestand. Wie es gute Tradition ist, jede Sitzung mit einem geistlichen Wort zu beginnen. Wie sie sich als Mitarbeiterschaft auch als Glaubensgemeinschaft erlebt haben Tiefgläubige Frauen, die ihre Berufung darin sahen, den Mädchen eine sichere Heimat für Leib und Seele zu geben. Sozialpädagoginnen heute haben eine andere Soziali sa - tion und auch ein anderes Selbstverständnis von ihrer Arbeit. Neue Anforderungen an die Arbeit in einem Sozial - verband prägen den beruflichen Einsatz. Und dennoch: inne halten im Alltagsgetriebe, hören auf eine innere Stimme, auf göttlichen Rat, gemeinsam zur Ruhe kommen, auch beten, sich auf eine andere Macht verlassen wollen, Vertrauen üben, sich orientieren und ausrichten das ist auch heute vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wichtig und sucht sich (neue) Gestaltungen. Feierliche Enthüllung des Bildes der Mutter vom Guten Rat Ganz verstaubt haben wir es in einem Abstellraum gefunden: das große Bild der Mutter vom Guten Rat aus Genazzano, das bis zur Renovierung vor fünf Jahren im Speise saal hing und seitdem in Vergessenheit geraten war. Es sollte wieder einen würdigen, sichtbaren Platz bekommen. Der Eingangsbereich des Hildegardisheims, Mädchenwohnheim, Kindertagesstätte und Büro ge - meinschaft der IN VIA Mitarbeiter/innen ist ein guter Ort dafür. Um das Bild neu zu würdigen, wurden Groß und Klein zur feierlichen Bildenthüllung eingeladen. Die Kinder der Kindertagesstätte sangen Wir feiern heut ein Fest und entdeckten viele Details auf dem Bild, die Haus wirt - schaft unterbrach ihr Küchengeschäft, die Mitar beiter/in - nen in den Büros unterbrachen ihre Schreib arbeiten und Sitzungen und mit einem gemeinsamen Segensgebet hatte die Mutter vom Guten Rat ihr Möglichstes getan, die Hausgemeinschaft zusammenzuführen. Jetzt hängt sie unübersehbar im Eingang und erinnert beim Ein- und Ausgehen daran, dass sich alle göttlichen Rat und Unterstützung holen können, zärtlich, nah und verbunden wie Mutter und Kind auf dem Bild.

72 71 Wir planen, kleineren Bildern der Mutter vom Guten Rat in jedem Raum der Kindertagesstätte einen Platz zu geben. Auch wer von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im eigenen Büro an die Gabe des Abgebens und Gott - vertrauens bei der täglichen Arbeit erinnert werden möchte, bekommt ein Exemplar. So kann das Bild der Mutter vom Guten Rat seine Wirkung im ganz Alltäglichen entfalten. Gottesdienste feiern Das Hildegardisheim hat als Haus sozialer Dienste und Ein richtungen etwas Besonderes: mitten im Haus der Büro gemeinschaft, des Mädchenwohnheims, der Kinder - tages stätte wurde 1951 eine Kapelle eingerichtet. Bis heute ist sie ein Ort, an dem regelmäßig Gottesdienst gefeiert wird, der zum persönlichen Innehalten mitten im Arbeits alltag einlädt und Raum bietet, um mit Gruppen zu besonderen Anlässen aus dem Alltagskontext heraus- und in einen heiligen Raum einzutreten. So war für die Hort - gruppe der Kindertagesstätte die Kapelle ein schützender Trauerraum, als ein Kind überraschend gestorben war. Ernte dank, Weihnachten, Ostern die Kindertagesstätte feiert in der Kapelle das Kirchenjahr. Heilige Hildegard, Mutter vom Guten Rat, Advent und Weihnachten, Neujahr und Ostern übers Jahr sind die Gottesdienste für die Dienstgemeinschaft im Hilde gardis - heim wichtige Orte des Innehaltens und gemeinsamen Orientie rens, die gerne besucht werden. Für die Mädchen des Wohnheims sind immer wieder Meditationen geplant. Und auch Mitarbeiter/innen schätzen diesen zweckfreien Ort als heiligen, heilsamen Raum. Die Kapelle geben wir hier nicht her, hieß es deutlich, wenn es mal um eine neue Raumplanung ging. Innig verbunden mit den Menschen mit Gott Bahnhofsmission IN VIA ist der katholische Träger der von Anfang an ökumenischen Bahnhofsmission. In unserer Diözese stehen an acht Bahnhöfen hauptamtliche und vor allem auch ehren amtliche Mitarbeiter/innen für den Dienst an den Men schen zur Verfügung. Hedwig Krauth, Bereichsleiterin von IN VIA, fasst die Verbundenheit mit den Menschen und mit Gott zusammen: Der Mensch steht im Mittelpunkt unserer Arbeit. Offen zu sein für Menschen unterwegs, ihnen Hilfe, Unterstützung, Trost, ein gutes Wort zu geben, ein offenes Ohr zu haben und sie ein Stück auf ihrem Weg zu begleiten, ist Aufgabe der Mitarbeiter/innen der Bahnhofsmission. Wir sind Kirche am Ort, hautnah bei den Menschen und nehmen die Menschen als Geschöpfe Gottes an. Mission heißt für uns: tatkräftig Nächstenliebe spürbar und erlebbar zu machen und damit Zeugnis von Gottes Liebe zu den Menschen zu geben. In der Bahnhofsmission gibt es gute spirituelle Traditionen: Jede Dienstbesprechung beginnt mit einem religiösen Impuls. Bei den Jahrestagungen beginnt der Tag mit einem Mor - genlob, gemeinsam werden Wortgottesdienste gefeiert. Wir feiern bei gegebenen Anlässen Wortgottesdienste im Bahnhof. Wir verteilen Adventskalender mit religiösen Impulsen an Vorübergehende. Seit zwölf Jahren lädt eine Krippe am Stuttgarter Haupt - bahn hof zum Innehalten ein. Praktikanten von unterschiedlichen Schulen lernen während ihres Einsatzes praktische Nächstenliebe kennen und erleben im Kontakt mit Mitarbeiterinnen und Mit - arbeitern, die ihren Glauben überzeugend im Tun leben, Christentum und Kirche. In Friedrichshafen haben wir eine aktive Patenschaft mit einer Kirchengemeinde. Verabschiedungen und Jubiläen feiern wir mit einem Gottesdienst in den Kirchengemeinden vor Ort. Für mich als Bereichsleiterin ist es wichtig, allen Mitar bei - terinnen und Mitarbeitern immer wieder die Gelegenheit zu bieten, ihre eigene Grundhaltung zu reflektieren, ihre eigenen Kraftquellen zu entdecken und zu pflegen. Auf verschiedenen Wegen wie Oasentagen, Impulsen, Be - sinnungen, Betrachtungen zur Mutter vom Guten Rat, Re flex ions gesprächen u. v. m. biete ich Möglichkeiten zu er leben, wie Jesus den Menschen begegnet, und An - stöße, sich selbst als Menschen auf dem Weg mit Gott zu erfahren. IN VIA, also auf dem Wege, sind nicht nur die Be - sucher der Bahnhofsmission oder die Menschen, denen wir auf dem Weg begegnen, sondern auch wir als Mit - arbeiter/innen. Meine persönliche Erfahrung, dass Gott mich liebt, mich trägt und mich auf meinem Lebensweg begleitet, erfahre ich im Tun in der Bahnhofsmission, im Reden, Innehalten, Beten mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, in der Be gegnung mit den Menschen im Bahnhof, im gemeinsamen Reflektieren über den Grund, der uns trägt. So lebe ich meine Überzeugung in der Arbeit der Bahnhofs - mission: Innig verbunden mit den Menschen und mit Gott.

73 72 Innehalten orientieren sich stärken Oasentage Zweimal im Jahr wird ein Oasentag für alle Mitarbeiter/in - nen von IN VIA angeboten. Verwaltungskräfte, Haus wirt - schaftskräfte, Sozialpädagoginnen, Erzieher/in nen, Be - reichsleitungen alle sind eingeladen. Einen Tag heraus aus dem Alltag, in einer anderen Umgebung innehalten und Kraft schöpfen. In der Anfangsrunde werden viele Bedürftigkeiten in die Mitte gelegt: endlich mal wieder zur Ruhe kommen wollen, Zeit für sich selbst haben, Entlastung erleben, Hunger nach geistlichen Impulsen, nicht nur für die anderen da sein sich selbst spüren, belastende Arbeitssituationen ab legen können, die Verantwortlichkeit für Erwerbsarbeit und Familienarbeit loslassen können, Kraft, Energie, Hoffnung, Gottvertrauen auftanken können Stattlich sind die Belastungspakete, die in der Mitte liegen, groß die Sehnsucht nach Entlastung. Nach einem Tag Ruhe, reden, schweigen, malen, Impulse aus der Bibel erleben, Musik hören, Wege gehen, den Körper spüren, Gedanken und Erfahrungen austauschen sind die meisten im Hier und Jetzt angekommen. Viele sind dankbar für das Erleben, dass sie sich und vielleicht auch ihre Kraftquelle wiedergefunden haben, sich auf- und ausgerichtet haben und gestärkt in den (Arbeits-)Alltag weitergehen. Eine Teilnehmerin: Dass wir in unserer Arbeit unsere Spiritualität pflegen können und sich der Arbeitgeber nicht nur um unsere fachliche Qualifikation, sondern auch um unsere geistliche Weiterentwicklung sorgt, ist schon außergewöhnlich. Wir wissen manchmal gar nicht, wie gut wir es bei einem kirchlichen Träger haben. Es ist spürbar, dass Oasentage entlastende und stärkende Funktion haben für die einzelnen Mitarbeiter/innen wie auch die Dienstgemeinschaft Orientierung bringen, ebenfalls für die Einzelnen wie auch für den Gesamtverband. Es lohnt sich, in diese Tage zu investieren. (Verbands-) Anliegen Gott anvertrauen Rat erbitten Gebetsfrühstück Eine neue Mitarbeiterin fragte im Anstellungsgespräch: Und wo wird für die Anliegen von IN VIA gebetet? Auch wenn wir ein kirchlicher Verband sind immer noch überrascht eine Frage nach gemeinsamem Gebet innerhalb des Arbeitskontextes. Es ist in unserem täglichen Erleben ungewohnt und auch in gewissem Sinne ein bisschen peinlich, miteinander zu beten. Und verschämt stellen wir unsere Gebetspraxis in die persönliche Privatsphäre. Beten und Arbeiten das sind zwei völlig verschiedene Dinge. Das bringen allenfalls die Mönche zusammen. Bei IN VIA können wir Mitarbeiter/innen, die ein gemeinsames Gebet im Verband suchen, auf einen Ort verweisen. Seit einigen Jahren gibt es ein regelmäßiges Ge bets - frühstück, an dem ausdrücklich für die Anliegen des Verbandes gebetet wird. Wir verdanken es der Initiative einer evangelischen Kollegin. Zusammen mit Michael Eller und Margit Stäudle aus der Kindertagesstätte hat Elke Sauer, Mitarbeiterin im Mädchentreff, das Gebetsfrühstück eingeführt. Ihr ist es ein wichtiges Anliegen, ihre eigene Arbeit so wie auch die Arbeit des ganzen Verbandes immer wieder aus dem begrenzten Rahmen der eigenen Ressourcen herauszuheben und in größere Hände zu legen. Ungefähr viermal im Jahr geht eine Einladung per Mail an alle Mitarbeiter/innen: Wir wollen mal wieder beten: für die Anliegen von IN VIA für die Anliegen unserer Fachbereiche für Anliegen, die uns am Herzen liegen Wir laden herzlich ein zum Gebetsfrühstück am ins Hildegardisheim. Wer nicht kommen kann und ein Anliegen hat, kann es uns gerne im Vorfeld mitteilen. Zu Beginn werden in der Runde Anliegen gesammelt, für die gebetet werden soll. Ganz persönliche Nöte und Bitten sind dabei, Sorgen um die anvertrauten Mädchen, Ju - gend lichen, Kinder, Grenzerfahrungen, Schwierigkeiten, Prob leme aus der Mitarbeiterschaft, auch strukturelle Ver - änderungsprozesse werden benannt. Im anschließenden Gebet wird alles Gott anvertraut. Elke Sauer weiß, dass ein Gebetsfrühstück kein niederschwelliges Angebot ist. Ihr selbst ist es ein wichtiges An - liegen, für ihre Arbeit zu beten und dies gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen zu tun. Und das ist Motivation genug, sich regelmäßig mit fünf, sechs anderen Mitar - beiterinnen und Mitarbeitern zum Beten und anschließendem Frühstücken zu treffen. Eine Mitarbeiterinitiative, die die Facetten spirituellen Tuns bei IN VIA reicher macht. Frauenkreuzweg Seit 2006 Jahren gibt es an Karfreitag um 12 Uhr die Tra - dition eines ökumenischen Frauenkreuzweges. Mitten durch die Stuttgarter Innenstadt führt der Zug der über hundert Frauen. An verschiedenen Stationen werden durchkreuzte Wege von Frauen öffentlich gemacht, beklagt und dem göttlichen Erbarmen anvertraut. Die Bibel texte der Passion als Antwort auf die Lebens - situationen von Frauen bekommen eine aktuelle Botschaft. Auch IN VIA ist Kooperationspartner dieser Initiative. Mitar -

74 73 beiter/innen von IN VIA berichten von den Frauen-Kreuz- Wegen, die sie am Bahnhof erleben, Mitarbeiterinnen vom SkF stellen Frauen vom Tagestreff für Frauen in schwierigen Lebenssituationen vor. Noch nie war mir Karfreitag so nah, sagen vorbereitende und mitgehende Frauen. Die Not von Frauen wird sichtbar gemacht, vor Gott und die Menschen gebracht und um Kraft zur Veränderung gebeten. Hier wird Solidarität gestiftet. Als Frauen zusammenstehen Spiritualität erleben Solidarität stiften IN VIA ist ein Verband für Mädchen- und Frauen sozial ar - beit. Seine Aufgabe ist es, Mädchen und junge Frauen auf ihrem Lebensweg zu begleiten und sie insbesondere in kri - tischen Lebensphasen zu unterstützen. Etwa 93 % aller Mi tar beitenden sind Frauen. Die Sozialarbeit im Verband ist geprägt vom Blick von Frauen auf Welt und Gesellschaft und von der deutlichen Parteilichkeit für Mädchen und Frauen. Und genauso ist die spirituelle Dimension des Ver - bandes geprägt vom weiblichen Blick auf Kirche, Tradition, Bibel, Glaube, Gott und Menschen. So erlebe ich auch die konkreten spirituellen Vollzüge als Zugänge weiblicher Spiritualität: Die Frauen bringen sich sehr persönlich ein in Ge - spräche, Austausch, Gottesdienste. Sie gestalten im Alltag, auch im Arbeitsalltag, kleine Gesten und Rituale der Gottverbundenheit und fragen nach Unterstützung für diese Alltagsspiritualität. Glaube und Arbeit werden nicht als getrennte Bereiche betrachtet. Die Frauen suchen nach der Durchdringung beider Lebenswelten. Die Frauen suchen danach, wo sie in Kirche und Tradition vorkommen und als Frauen einen Platz haben. Sie fragen nach weiblichen Bildern in der Bibel und der Tradition, nach inklusiver Sprache in Bibel, Liturgien und Gebeten wie auch nach einer Theologie, die ihre Erfah - rungen und Zugänge als Frauen ernst nimmt. Immer wieder wird auch formuliert, wie sehr sie leiden, wenn sie sich in Kirche und Gemeinde als Frauen zurückgesetzt und weniger wertgeschätzt erleben. Die Mitarbeiterinnen verlangen nach ganzheitlichen Ausdrucksformen und Impulsen von Spiritualität. Wahr - nehmen, achtsam sein, sich körperlich spüren und ausdrücken, Intuition und Erfahrung sprechen lassen und damit sind nur einige wichtige Formen spirituellen Tuns benannt. Wie Maria, die Mutter vom Guten Rat, nehmen sie die Initiative in die Hand, um für Benachteiligte und Leidende einzutreten, auf notwendigen Handlungs be - darf hinzuweisen und sich Rat zu holen. Die gegenseitige Vergewisserung und Unterstützung, die in der Arbeit eingeübt wird, ist auch in Glaubens - fragen eine wichtige solidarische Größe. Die Mitarbeiterinnen erfahren Kirche in ihrem konkreten diakonischen Handeln. Und sie machen Kirche dadurch erfahrbar für die Mädchen und Frauen, für die sie sich einsetzen. Literatur IN VIA Katholische Mädchensozialarbeit Deutscher Verband e. V., Selbstverständnis, 2. Auflage Jahre unterwegs. Dokumentation der Jubiläumsveranstaltung am , IN VIA Deutscher Verband e.v., Freiburg Helga Popp, Maria vom Guten Rat. Ein verkanntes Patrozinium, Regensburg Gabriele Kranstedt, Migration und Mobilität im Spiegel der Verbandsarbeit Katholischer Mädchenschutzvereine Ein Beitrag zur Geschichte der Katholischen Frauenbewegung, Freiburg 2003.

75 74 Katholische Sozialstation Tübingen Am 28. Juli 1978 wurde die Katholische Sozialstation in Rechtsträgerschaft der Katholischen Gesamt kir - chen gemeinde Tübingen gegründet. Im Januar 2006 ist die Katholische Sozialstation in eine gemeinnützige Gesellschaft übergegangen und liegt seitdem in der gemeinsamen Träger schaft der Katho lischen Gesamtkirchengemeinde Tübingen und der Vinzenz von Paul ggmbh Soziale Dienste und Einrichtungen zugehörig zum Kloster Untermarchtal. Leistungen der Katholischen Sozialstation sind vor allem Angebote der ambulanten Kranken- und Altenpflege Angebote der Familienpflege und Nachbarschaftshilfe Liebevolle Pflege kompetente Hilfen: unter diesem Motto stehen die Dienst leis tungen der Katholischen Sozialstation Tübingen Kontakt: Gabriele Hönes, Pflegedienstleitung Schwärzlocherstraße 10, Tübingen Tel.: Kath.Sozialstation.Tuebingen@vinzenz.de Internet: Schwarzwald- Gäu Schwarz- wald-alb- Donau Ludwigsburg- Waiblingen-Enz Stuttgart Heilbronn- Hohenlohe Fils-Neckar-Alb Biberach Ost-Württemberg Ulm Bodensee- Oberschwaben Gabriele Hönes Ganzheitlich pflegen Spiritualität und Seelsorge in der Katholischen Sozialstation Tübingen Die Katholische Sozialstation in Tübingen ist eine gemeinnützige GmbH in der Trägerschaft der Tübinger Gesamt - kirchengemeinde und der Vinzenz von Paul ggmbh, So - ziale Dienste und Einrichtungen. In vier Regionen bietet die Vinzenz von Paul ggmbh zahlreiche Pflegeeinrichtungen, Dienste, Sozialstationen, be - treute Wohnungen und Hausgemeinschaften für Se - niorinnen und Senioren sowie Hilfsangebote für hörgeschädigte Menschen. Die Vinzenz von Paul ggmbh ist eine Gesellschaft der Vinzentinerinnen des Klosters Untermarchtal, der vinzentinischen Ordensgemeinschaft in der Diözese Rottenburg- Stuttgart. Unter der Devise Lebensqualität und Selbstbestimmung be raten, pflegen, versorgen und betreuen die Mitar bei - ter/innen Menschen mit Unterstützungsbedarf und deren Angehörige. Die fachlich professionelle Pflege um fasst auch Intensivpflege und spezielle Begleitung für Demenz - kranke. In der Katholischen Sozialstation Tübingen richten wir unser Tun am Christlichen Menschenbild aus. Seelsorge ist für uns die Sorge umeinander und ein von Achtung und Respekt vor der Lebensgeschichte und der persönlichen Situation des anderen geprägter Umgang miteinander orientiert am Beispiel Jesu Christi. Seelsorgerliche Be - gleitung der Kunden, Mitarbeiter/innen, Kolleginnen und Kollegen findet im Arbeitsalltag nach dem Grundsatz Nicht mehr, sondern anders statt. Seelsorge ist dann keine zusätzliche Aufgabe, sondern eine innere Haltung der Leitung und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. And eren Glaubensrichtungen gegenüber begegnen wir offen und tolerant. Unsere Grundsätze sind in den Leitlinien formuliert. Grundverständnis In unserer Einrichtung wird ein Bewusstsein für die seelsorgerlichen und spirituellen Bedürfnisse auf breiter Ebene geschaffen. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen die Seelsorge gemeinsam. Mit Einfühlungsvermögen und Respekt begleiten wir im Rahmen unserer persönlichen Fähigkeiten Menschen ganzheitlich und individuell. Im Pflegehaus sind die Mit - arbeiter/innen immer zu Gast. Das ist zum einen eine besondere Herausforderung, zum anderen entsteht

76 75 dadurch die Möglichkeit, im besonderen Maße vertrauensvolle und partnerschaftliche Beziehungen zu Pflege be dürf - tigen, ihren Angehörigen und ihrem sozialen Um feld aufzubauen, zu pflegen und die seelsorgerlichen Be dürfnissee zu erspüren. Um dies zu gewährleisten gibt es in unserer Sozialstation folgende Grundsätze: Seelsorge ist von allen getragen Rollen und Verantwortlichkeiten in der Seelsorge Die Verantwortlichkeiten für Seelsorge auf den verschiedenen Ebenen sind klar geregelt. Seelsorge ist im Sinne einer ganzheitlichen Pflege Auftrag aller. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter hat entsprechend seiner spezifischen Funktion besondere Aufgaben in der Seelsorge. Über diesen gemeinsamen Auftrag hinaus gibt es in unserer Ein - rich tung einen Verantwortlichen der Seelsorge. Dieser Verantwortliche kann ein Diakon sein, wie zurzeit bei uns in Tübingen. Er stellt für uns ein wichtiges Bindeglied zwischen den Kirchengemeinden und unserer Einrichtung dar. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen in engem Kon - takt zu unseren Kunden. Sie begegnen den Kunden mit einer Sensibilität, die Körper, Geist und Seele im Blick hat. Begleiter/innen in der Seelsorge sind Pflegende, die durch Einführung in die Begleitung und durch Fortbildung darin geschult und geübt sind, Kolleginnen und Kollegen in die Seelsorge im Alltag mitzunehmen und sie anzuleiten. Seel sorge ist ein Thema in den regelmäßigen Team be - sprechungen und in den jährlichen Mitarbeiter ge sprächen. Die Pflegedienstleitung leitet die Pflege. Im Sinne einer ganz heitlichen Pflege, ist Seelsorge Teil der Pflege und somit Teil der Leitungsaufgabe. Dies zeigt sich in den Ziel - setzungen, in den jährlichen Mitarbeitergesprächen, im alltäglichen Kontakt und in der Pflege der Beziehungen zu den Mitarbeitenden. Zusammenarbeit mit Kirchengemeinden Die Erfüllung der von pflegebedürftigen älteren Menschen erwarteten und eingeforderten religiösen Bedürfnisse kann nicht von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern allein e r - bracht werden. Eine gute Zusammenarbeit mit den Kir - chen ge meinden vor Ort ist hier notwendig. Pflege be dürf - tige ältere Menschen seelsorgerlich und spirituell zu begleiten, gehört zum Auftrag der Kirchen gemeinden. Viele ältere Menschen haben trotz gesundheitlicher Beein träch ti - gungen den Wunsch, am Leben der Kirchengemeinde teil - zunehmen. Sie haben das Bedürfnis nach Kontakt und seelsorgerlicher Begleitung. Haupt- und ehrenamtliche Mit arbeiter/innen aus der Kirchengemeinde werden darum in die Seelsorge in unserer Einrichtung integriert. Die Pflegedienstleitung und die Verantwortlichen der Seel - sorge gehen auf die Kirchengemeinden zu und knüpfen Kontakte. Die Arbeit mit Ehrenamtlichen (z. B. Be suchs - dienste, Sitzwachen, Seelsorger) ist fester Bestandteil in unserer Sozialstation. Organisation Einführung und Fortbildung Alle Begleiter/innen der Seelsorge nehmen zu Beginn ihrer Tätigkeit an einem dreitägigen Einführungskurs teil, in dem sie auf ihre Aufgaben und auf ihre Rolle vorbereitet werden. Einmal jährlich findet für die Begleiter/innen der Seelsorge ein Studientag für die Begleiter/innen der Seelsorge statt. Im Mittelpunkt steht sowohl ein spiritueller Impuls als auch der Austausch untereinander. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben die Möglich - keit, an religiösen und spirituellen Fortbildungen des Klos - ters Untermarchtal teilzunehmen. In der vinzentinischen Spiritualität des Klosters hat unsere Einrichtung starke Wurzeln. Mitarbeitende in Leitungsfunktionen werden darüber hinaus über religiöse Fortbildungsmöglichkeiten, die speziell auf Führungskräfte ausgerichtet sind, informiert. Ne - ben dem Entdecken und der Pflege der eigenen Spirituali - tät erfolgt hier auch eine Auseinandersetzung mit der an christ lichen Grundsätzen orientierten Führung. Besprechungssystem Begleitgruppen Die Begleiter/innen der Seelsorge treffen sich regelmäßig in sogenannten Begleitgruppen, die von den Verant - wortlichen der Seelsorge geleitet werden. Der Austausch untereinander steht im Mittelpunkt. Die Begleitgruppen dienen dazu, die Beteiligten in ihrer Aufgabe zu stärken und zu unterstützen. Sie geben Raum für Vernetzung und kollegiale Beratung. Treffen der Verantwortlichen der Seelsorge Die Verantwortlichen der Seelsorge treffen sich zweimal jähr lich zum Austausch über aktuelle Themen und über die Rahmenbedingungen der Seelsorge in ihren Einrichtungen und Diensten. Seelsorgekonferenz Die Verantwortlichen der Seelsorge und die Regional leitun - gen aller Regionen treffen sich einmal jährlich mit dem Ge - schäftsführer zum Austausch über grundsätzliche Themen und Entwicklungen der Seelsorge.

77 76 Umsetzung in der Katholischen Sozialstation Tübingen Das Seelsorgekonzept konkretisiert das in unseren Leit - linien beschriebene Verständnis der Seelsorge. Seel sorge ist ein lebendiges Geschehen. In menschlichen Be geg - nungen und in der Sorge füreinander erfüllen wir unseren karitativen Auftrag. Wichtig ist uns, dass Seel sorge im Alltag in unserer Sozialstation gelebt wird. Ich möchte hier ein paar Beispiele nennen, wie dies im Arbeitsalltag konkret aussieht: (1) Auch im ambulanten Dienst gibt es zwischen vielen Kunden/Patienten und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine enge Beziehung. Da überwiegend hochaltrige Menschen von uns besucht und versorgt werden, gehört das Thema Umgang mit Sterbenden zu unseren täglichen Aufgaben. Immer wieder wurde dies in den Fallbesprechungen unserer Station aufgegriffen und thematisiert. Dabei hat sich der Wunsch ent wickelt, über den fachlichen Austausch hinaus Aus - drucks formen zu finden, um dem Thema Sterben Raum zu geben. Es fand darum ein Ideenworkshop zum Thema Um - gang mit Sterben und Tod statt. Nach diesem Work - shop wurden zwei Maßnahmen favorisiert und umgesetzt: Die Mitarbeiter/innen fertigten ein Sterbebuch an, das in den Räumen der Sozialstation aufgestellt wurde. In diesem Buch wird aller Verstorbenen gedacht. Jeder bekommt eine Seite mit einem passenden Spruch. Eine Kerze brennt am Sterbebuch, es gibt ein Gebetsbüchlein, in dem die Mitarbeiter/innen Gebete finden um für die Verstorbenen zu beten. Der Abschied findet in einem passenden Rahmen statt. Einmal im Jahr bereiten die Mitarbeiter/innen einen Gedenkgottesdienst vor, um aller Verstorbenen zu gedenken und sich zu verabschieden. Angehörige werden eingeladen und es gibt in diesem Rahmen nochmals für alle, Angehörige wie Mitarbeiter/innen, die Gelegenheit zum Gespräch und zur Begegnung. sehr viel Trost. Bei der Rückkehr an ihren Arbeitsplatz standen beispielsweise frische Blumen an ihrem Platz. (3) Ein im Männerwohnheim lebender abgelehnter Asyl be - werber, Herr V., erhält außer einer minimalen Grund - sicherung über das Sozialamt keinerlei finanzielle Unter stützung. Herr V. ist psychisch und physisch er - krankt. Die Mitarbeiter/innen haben es unter Regie der Seelsorgebegleiterin im Mitarbeiterkreis organisiert, dass Bettwäsche, Handtücher etc. gesammelt werden und in regelmäßigen Abständen an Herrn V. gegeben werden. Damit ist für ihn ein einigermaßen menschenwürdiges Wohnen gesichert. (4) Eine Mitarbeiterin der Familienpflege schildert die sozialen Verhältnisse einer achtköpfigen Familie in einer Fall - besprechung. Die Familie steht durch Arbeits losigkeit des Mannes und hohe Schulden am sozialen Abgrund. Die Seelsorgebegleiterin stellt, zu allen bereits bestehenden Kontakten wie Jugendamt und Caritas, noch einen zusätzlichen, sehr hilfreichen Kontakt zu einer Kirchen gemeinde her. Die Kirchengemeinde engagiert sich für die Familie überdurchschnittlich. Ein drohender Entzug der Kinder durch das Jugendamt kann dadurch abgewendet werden. Die Liste der Beispiele ließe sich beliebig fortsetzen. Viele Dinge erscheinen uns im Arbeitsalltag als selbstverständlich. Sie sind den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein echtes Anliegen. Erst beim Überdenken des Selbst ver - ständnises in diesem Bereich fällt die Vielseitigkeit auf und das damit verbundene hohe Engagement der Mitar bei - ter/in nen. Die Seelsorgebegleiter/innen motivieren ihre Kolleginnen und Kollegen in hohem Maße zu Fürsorge, Sensibilität und dem damit verbundenen Engagement. Ohne die Seelsorgekonzeption unserer Einrichtung, auf der unser Handeln basiert, wäre das sicher nicht möglich. (2) Die Seelsorgebegleiter/innen haben es sich zur Aufgabe gemacht, besonders sensibel und aufmerksam sowohl Mitarbeiter/innen als auch Kundinnen und Kunden bzw. Patientinnen und Patienten und An ge - hörige zu begleiten: Die Mutter einer Mitarbeiterin verstarb sehr plötzlich, die Betroffenheit im Team war groß. In der am Abend statt findenden Dienstbesprechung wurde für die Verstorbene ein Vaterunser gebetet und eine Kerze angezündet. Die Mitarbeiterin erhielt Unterstützung und

78 77 Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart e. V. Caritas Schwarzwald-Gäu Der Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart ist die Zusammenfassung und Vertretung der verbandlichen Ca ritas in Württemberg. Als Spitzenverband der freien Wohl fahrtspflege vertritt der Diözesancaritasverband rund katholische Einrichtungen und Dienste in allen Spar - ten der sozialen und pflegerischen Arbeit. Die Ein rich tun - gen und Dienste verfügen insgesamt über Plätze und betreuen weit über Menschen pro Jahr. In ihnen sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hauptamt lich und Frauen und Männer ehrenamtlich be - schäftigt. Als Träger von neun Caritas-Regionen mit insge - samt 41 Caritas-Zentren ist der Caritasverband der Diö ze - se Rottenburg-Stuttgart flächendeckend in der Diözese aktiv. Die Caritas Schwarz wald-gäu ist die regionale Glie derung des Diö zesan caritas verbandes in den Katho lischen De - kanaten Böblingen, Calw, Freudenstadt, und Rotten burg. Das Caritas-Zentrum in Horb ist eines von fünf Zentren in der Region und betreibt die Tafel Carisatt einen Fairkauf Second Hand Laden einen Eine-Welt-Laden ein Mutter-Kind-Haus und bietet Mi gra tions - beratung an Kontakt: Schwarzwald-Gäu Schwarz- wald- Alb- Donau Ludwigsburg- Waiblingen-Enz Stuttgart Heilbronn- Hohenlohe Fils-Neckar-Alb Biberach Caritas Horb, Marktplatz Horb Tel.: reck@caritas-schwarzwald-gaeu.de Internet: Ost-Württemberg Bodensee- Oberschwaben Katholisches Dekanat Freudenstadt Das Katholische Dekanat Freudenstadt umfasst knapp Katholiken in 23 Kirchengemeinden. Die Dekanats - ge schäftsstelle hat ihren Sitz in Horb. Neben der Unter - stützung der Kirchengemeinden, initiiert und begleitet sie neue Projekte, gerade auch im sozialen Bereich. Einem Be schluss des Dekanatsrates folgend sind in Horb und Freudenstadt zwei Zentren des Zuhörens entstanden. Ulm Kontakt: Katholisches Dekanat Freudenstadt Marktplatz 27, Horb Tel.: info@kath-dekanat-freudenstadt.de Internet: Achim Wicker Wir haben Zeit, Zeit für Sie! Zentren des Zuhörens in Horb und Freudenstadt Was die kleine Momo konnte wie kein anderer, das war: Zuhören. Das ist doch nichts Besonderes, wird nun vielleicht mancher Leser sagen, zuhören kann doch jeder. Aber das ist ein Irrtum. Wirklich zuhören können nur ganz wenige Menschen. Und so wie Momo sich aufs Zuhören verstand, war es ganz und gar einmalig. 1 Am Anfang stand die Erkenntnis, dass es in unserer Ge - sellschaft immer mehr Menschen gibt, die das Leben nicht mehr alleine bewältigen können. Die Schere zwischen arm und reich geht auseinander, der Bedarf an Unterstützung und Hilfeeinrichtungen wächst. Aber für professionelle Hilfe fehlt oft das Geld und wo es sie gibt, fehlt den Helfern meist die Zeit. Für den Dekanatsrat des Dekanates Freu - den stadt war klar, dass Kirche wieder mehr bei den Men - schen sein muss, die in Not sind. Der Dekanatsrat fasste im Herbst 2006 den Beschluss, ein Netzwerk Ca ritatives Ehrenamt im Dekanat ins Leben zu rufen, ohne sich zu diesem Zeitpunkt bereits sicher zu sein, wohin die Reise gehen sollte. Wesentlich war den Beteiligten dabei ein Zitat von Papst Benedikt XVI. aus der Enzyklika Deus caritas est : Die Kirche kann den Liebesdienst so wenig ausfallen lassen wie Sakrament und Wort. Von einem Besuch in den Centri d Ascolto in Mailand, zu dem die Caritas Schwarzwald-Gäu eingeladen hatte, kehrte die kleine Freudenstädter Delegation begeistert zurück. Dort, in Mailand hatten sie in den Zentren des Zuhörens hautnah miterlebt, wie christliche Nächstenliebe ganz unbürokratisch vor Ort gelebt wird. So entstand auch für das Dekanat die Idee eines Ortes, an dem es Men schen gibt, die sich für die Nöte eines anderen interessieren, sich dafür Zeit nehmen und zuhören. Seit Frühjahr 2008 gibt es im Katholischen Dekanat Freudenstadt in Horb und in Freudenstadt jeweils ein Zentrum des Zu hörens. Einmal pro Woche bieten dort Ehrenamtliche als Zuhörer/innen Sprechstunden an. Die Zentren des Zu hörens sind ein gemeinschaftliches Projekt der beiden Kirchengemeinden 1 Michael Ende, Momo.

79 78 von Horb und Freudenstadt, der Horber Spitalstiftung, des Caritaszentrums Horb und des Katholischen Dekanats Freudenstadt. Beide Zentren wurden in das Förder - programm DieGesellschafter.de der Ak tion Mensch aufgenommen und werden finanziell unterstützt. Vorbild Centro d Ascolto Die Mailänder Centri d Ascolto hat Kardinal Carlo Maria Martini Ende der siebziger Jahre ins Leben gerufen. Mit einem Konzil im Jahre 1995 institutionalisierte er sie. Damit unterstrich er sein Anliegen, die gelebte Nächstenliebe in den Kirchengemeinden zu verstärken. Heute gibt es in den Kirchengemeinden der Diözese Mailand 290 Zentren des Zuhörens. Allen gemeinsam ist, dass der jeweilige Pfarrer der Kirchengemeinde sie ausschließlich gemeinsam mit Ehrenamtlichen betreibt. Das Zen trum des Zuhörens ist Teil des jeweiligen Caritas aus - schusses der Kirchengemeinde und orientiert sich immer an der Bedarfslage vor Ort. Das Herzstück eines jeden Zentrums ist das Zuhören und die Beratung der Hilfesuchenden. Daneben sind in den Zen tren je nach Bedarf ganz unterschiedliche Hilfs- und Unter stützungsangebote gewachsen, wie Sprachkurse, Mittagstisch, Hausaufgabenbetreuung, Schuldner be ra - tung und anderes mehr. Martinis Ziel war vor allem eine Wiederbelebung der Ge - schwis terlichkeit. Sich um Brüder und Schwestern zu kümmern ist eine Aufgabe der ganzen Gemeinde. Da - neben ging es ihm aber auch darum, dass Kirche Anteil am Leben der Menschen vor Ort nimmt, indem sie sich für die Probleme und Bedürfnisse der Menschen öffnet. Zentren in Horb und Freudenstadt Natürlich ist Mailand nicht Horb oder Freudenstadt, aber darum geht es auch nicht. Menschen, die alleine sind, die Probleme haben, denen niemand zuhört, gibt es hier wie dort. Viele der Mailänder Zentren haben mit einer Handvoll Ehrenamtlicher begonnen und sind in vielen Jahren langsam gewachsen, weil sie das Ohr immer an den Be dürf - nissen der Menschen hatten. Es geht um die Menschen, die ins Zentrum kommen, diese und ihre Anliegen sind der Motor für das weitere Wachsen. Die beiden Zentren im Dekanat Freudenstadt haben für sich Folgendes als Leitsätze formuliert: wir hören zu, haben Zeit, geben Tipps und helfen weiter. Im Dienst der christlichen Nächstenliebe sind derzeit 25 Personen, meist Frauen, ehrenamtlich tätig. Vorbereitet wurden die Männer und Frauen von der Dekanats ge - schäfts stelle und der Caritas in vier Modulen. Die Motivation der Ehrenamtlichen Den Auftakt für das Projekt in Horb und Freudenstadt machte ein Zeitungsartikel, in dem beiläufig um Zuhörer geworben wurde. Überrascht waren die Initiatoren von der großen Resonanz darauf: Es meldeten sich über 30 Per - sonen, von denen leider zehn abgesagt werden musste. Der Wunsch der Menschen, sich aus ihrer christlichen Über zeugung heraus für eine bessere Welt engagieren zu können, wird stark spürbar. Das Projekt Zentrum des Zu - hörens bietet dazu die Möglichkeit, direkt im Herzen der eigenen Kirchengemeinde: Geht es uns nicht oft so, dass wir Not und Ungerechtigkeit sehen, uns fragen wie man helfen kann und es dann doch lassen, weil der nächste Schritt zu groß oder alles doch zu kompliziert erscheint? Eine Zuhörerin berichtete, dass sie sich schon oft gefragt habe, wie man all den einsamen Menschen helfen könne, aber nie weiter als bis zu diesem Gedanken gekommen sei. Als sie den Artikel in der Zeitung gelesen habe, sei es wie ein Déjà-vu-Erlebnis gewesen: Das ist genau das, was wir brauchen. Fragt man die Ehrenamtlichen, warum sie sich im Zentrum des Zuhörens engagieren, bekommt man ganz unterschiedliche Antworten. Bei den Älteren sind es meist persönliche Erfahrungen, die sie antreiben, nun für andere da sein zu wollen. Eine Frau beschrieb eindrücklich als ihre Moti vation die schreckliche Erfahrung, dass ihr Mann sie verlassen hat. Damals habe sie gemerkt, wie wichtig es sei, jemand Unparteiisches zu haben, der einem zuhört. Eine andere Zuhörerin ist Gott dankbar dafür, dass sie bisher so viel Gutes in ihrem Leben erfahren hat und möchte dies nun an andere Menschen weitergeben. Persönliche christliche Werte und die Erkenntnis, dass der Dienst am Nächsten christlicher Liebesdienst ist, sind für praktisch alle Zuhörer Gründe für ihr Engagement. Bei einer jüngeren Zuhörerin ist es der Wunsch, sich in einem neuen Feld engagieren zu können. Ich wollte weiter in der Kirche für die Menschen tätig sein, aber in einem neuen Feld. Nach Beendigung der Ausbildung haben wir alle Zu - hörer/in nen noch einmal nach ihrer Motivation befragt. Eine Zuhörerin sagt: Ich engagiere mich im Zentrum des Zuhörens, weil dieses Angebot eine Antwort auf die vielfältigen Nöte, Ängste und Ratlosigkeiten der Menschen ist. Wenn mir jemand,wirklich zuhört, dann fühle ich mich geachtet

80 79 und als Person angenommen. Viele Menschen erleben dies viel zu selten. Hier können wir im besten christlichen Sinne wirken. Eine andere Zuhörerin schreibt: Ich engagiere mich, weil ich selber Hilfe erfahren habe, die ich nun zurückgeben möchte. Und weil ich erfahren habe, wie wohltuend, heilend und befreiend echtes Zuhören sein kann. Die meisten der Ehrenamtlichen möchten Menschen, denen niemand zuhört, etwas von ihrer Zeit schenken und ihnen helfen, das eine oder andere Päckchen loszuwerden. Viele der Ehrenamtlichen kommen aus einem sozialen Be - ruf und erleben fast täglich hautnah mit, dass es immer mehr Menschen gibt, denen niemand zuhört, denen niemand Zeit schenkt. Sie sind heute die erste, die ich sehe!, das sind Worte, die eine Mitarbeiterin der Sozial - sta tion und jetzt Ehrenamtliche im Zentrum nicht selten bei ihren abendlichen Besuchen zu hören bekommt. Verein - samung, insbesondere bei älteren und kranken Menschen ist ein Problem, das aber meist unsichtbar bleibt. Wie viele Menschen das Angebot des Zentrums auf Dauer aus ihrer Einsamkeit bringen kann, wird sich erst im Lauf der Zeit zeigen. Die Ehrenamtlichen wissen, dass sie einen langen Atem benötigen werden. Ihre Kraft schöpfen sie aus der eigenen Lebenserfahrung und aus dem Vertrauen darauf, dass Gott ihnen das Talent des Zuhörens geschenkt hat, um es für andere Menschen einzusetzen: Ich habe mir gesagt, wenn mir der liebe Gott eine solche Fähigkeit gegeben hat, dann sollte ich sie auch einsetzen. Eine andere Zuhörerin erzählt: Begegnungen mit Menschen sind mir sehr wichtig. Und wenn ich dazu beitragen kann, dass sich Menschen an einem Ort der Menschlichkeit als solchen verstehe ich das Zentrum des Zuhörens achtsam wahrgenommen fühlen können, so ist das auch eine Bereicherung für mich. Einfach für einen Menschen da sein Das erste, was einen Besucher im Zentrum des Zuhörens erwartet, ist ein Mensch, der einfach da ist für den Menschen, der kommt. Dieses bedingungslose Da-Sein steht noch vor dem Zuhören an sich. Es ist eine sichere Zusage: Da wartet jemand auf dich, für den du mehr bist als eine Nummer oder irgendein Klient. Durch dieses Da- Sein drücken die Zuhörer/innen aus: Ich habe Zeit und Ich bin da. Schwierig auszuhalten wird diese Zusage für die Zu - hörer/innen dann, wenn niemand zu den Sprech stunden kommt. In der Ausbildung war dies ein wichtiger Aspekt: es ist ein Wert an sich, da zu sein, und dies egal, ob jemand kommt oder nicht. Gott schenkt uns seine Präsenz auch ohne jede Vorbedingung, er ist immer der Ich bin da. Im Zentrum zählt nicht die Leistung, etwas schaffen zu müssen, sondern die Bereitschaft, für andere Menschen ein offenes Ohr zu haben. Jeder und jede, der oder die schon einmal jemanden hatte, mit dem er oder sie in einer schwierigen Situation reden konnte, weiß, wie hilfreich es ist, wenn man sich einfach mal alles von der Seele reden kann. Damit ist noch nicht das Problem des Hilfe su chen - den gelöst, aber er kann befreiter und mit einem klareren Blick für die kommenden Schritte nach Hause gehen. Wer oft einsam ist, kann von solch einem Gespräch wahr - scheinlich noch einige Zeit zehren. Was wir alleine nicht schaffen, das schaffen wir zu zweit, singt der Musik poet Xavier Naidoo in einem Song. Die Zuhörer/innen verlassen sich darauf, dass sie es gemeinsam mit Gott schaffen. Die Menschen Die Besucher im Zentrum des Zuhörens werden als einzigartige Menschen wahrgenommen, denen die Zu hörer/in - nen auf Augenhöhe begegnen. Die Zuhörer/innen sind nicht besser und der oder die Hilfesuchende nicht schlechter, nur weil der eine in gewissem Sinne bedürftiger ist, bzw. etwas nimmt und die Zuhörer etwas geben können. Es geht um die Würde des anderen und darum, ihn diese Würde im Gespräch auch spüren zu lassen. Wir alle sind Ebenbilder Gottes, auch dann, wenn uns das Ebenbild gegenüber vielleicht fremd und unverständlich ist. Zuhörer/innen haben Respekt vor dem, was der andere sagt. Auch wenn es nicht ihrer Sicht der Dinge entspricht. Der Mensch, der ins Zentrum kommt, darf sagen, was er denkt, was ihm auf dem Herzen liegt. In einem Gebet heißt es: Miteinander reden heißt reden. Und zuhören! Gott will mit dir reden. Will dir zuhören. Will warten, bis du die richtigen Worte findest. Du darfst sagen, was du denkst, was du fühlst. Darfst weinen und wehklagen. Du darfst ihm sogar Vorwürfe machen 2 Jesus kann uns da als Vorbild dienen. Denn er lässt keinen Zweifel daran, wo Christen ihren Platz haben: an der Seite 2

81 80 der Armen, Entrechteten und Problembeladenen. In Gottes Augen haben sie Würde und sind fähig, wieder aufrecht zu gehen. Als Christen sind wir aufgerufen, uns für die Menschen einzusetzen, die unsere Hilfe gebrauchen können. Und diese Menschen finden wir in großer Anzahl in unseren Gemeinden, wenn wir nur genau genug hinschauen und zuhören. Diese Tatsache ist für viele Zuhörer/innen einer der Beweggründe für ihr Engagement: Christen und Kirche sollte dort sein, wo die Bedürftigen zu finden sind. Im Zentrum des Zuhörens bieten wir diesen Menschen einen Platz an. Das Zuhören Das Zuhören kommt nach dem Da-Sein. Sicher hat jede und jeder von uns schon selbst die Erfahrung gemacht, dass jemand da ist, aber eben nicht zuhört. Er ist nur körperlich anwesend, der Geist ist ganz woanders. Oder wir ertappen uns selbst dabei, wie wir zwar durch Gestik und Mimik eifrig Signale des Zuhörens senden, aber mit den Gedanken ganz woanders sind. Wollte im Orient jemand einem anderen etwas Lebens - wich tiges mitteilen, für das es auf genaues Hören ankam, musste das durch den Turban oder Schleier verhüllte Ohr geöffnet werden. Wer das Tuch zurückschlug bzw. zuließ, dass es beiseite geschoben wurde, zeigte damit seine völlige Hörbereitschaft. Alle Morgen weckt er mir das Ohr, dass ich höre, wie Jünger hören. Gott, der Herr, hat mir das Ohr geöffnet. (Jes 50,4.5) Da ist er wieder, unser Gott, ohne den auch im Zentrum des Zuhörens nichts geht. Bei der Ausbildung berichtete eine Zuhörerin, dass sie im Rollenspiel ein wirkliches Prob - lem geschildert habe und nur durch das Zuhören des Ge - genübers am Ende des Gesprächs auf einmal alles völlig klar vor ihr lag. Ein Zuhörer schilderte: Wenn ich selber nicht mehr weiter weiß, spreche ich ein stummes Stoßgebet und bitte Gott um Unterstützung. Dann weiß ich, dass ich diese Situation nicht alleine aushalten muss. Im Gespräch zeigen die Zuhörer/innen ihre völlige Hörbereitschaft, indem sie sich mit dem Besucher an einen Tisch setzen und ganz Ohr für ihn sind. Dies geschieht durch Blickkontakte, Mimik, Gestik und bewusstes Nachfragen. Die Zuhörer setzen sich mit ihrer ganzen Person ein und dem Gegenüber aus. Immer wieder befällt die Zuhörer ein Zweifel, ob das, was sie geben an Zeit, Zuhören und persönlichem Einsatz auch ausreichend ist. Manche haben Angst vor Gesprächs - situationen, denen sie nicht gewachsen sind. Andere sind beseelt von dem Wunsch, den Menschen sofort und direkt zu helfen. Reicht denn das Zuhören aus? Reicht das, was ich einbringen und leisten kann? Die Antwort gibt uns Petrus in der Apostelgeschichte, wo er sagt: Silber und Gold besitze ich nicht. Doch was ich habe, das gebe ich dir. Die Präsenz Gottes In beiden Zentren des Zuhörens hängt an der Wand ein schlichtes Kreuz aus Stein. Dieses Kreuz wurde ganz be - wusst ausgewählt. Gott ist wie der Fels, auf den wir unser Haus bauen sollen. Das Kreuz symbolisiert die Präsenz dieses Felsens in aller Unaufdringlichkeit und Stille. Zu - gleich steht das Material für Beständigkeit und Zuver - lässig keit. Und die Ehrenamtlichen können sich darauf stützen und auf diesen Stein bauen. Wer sich im Zentrum engagiert, lebt die Nächstenliebe und macht seinen Glauben sichtbar. Das Gespräch zwischen Be sucher/in und Zuhörer/in ist nie nur eine Sache zwischen diesen beiden Personen, sondern steht immer vor der vermittelnden Präsenz Gottes. Vielleicht erkennen die Menschen, die ins Zentrum kommen, diese Präsenz Gottes nicht. Aber sie sollten spüren, dass die Ehren amt - lichen ihnen in dieser Präsenz begegnen. Sie konnte so zuhören, dass rastlose oder unentschlossene Leute auf einmal ganz genau wussten, was sie wollten. Oder dass Schüchterne sich plötzlich frei und mutig fühlten. Oder dass Unglückliche und Bedrückte zuversichtlich und froh wurden. Und wenn jemand meinte, sein Leben sei ganz verfehlt und bedeutungslos und er selbst nur irgendeiner unter Millionen, einer, auf den es überhaupt nicht ankommt und der ebenso schnell ersetzt werden kann wie ein kaputter Topf und er ging hin und erzählte alles das der kleinen Momo, dann wurde ihm, noch während er redete, auf geheimnisvolle Weise klar, dass er sich gründlich irrte, dass es ihn, genauso wie er war, unter allen Menschen nur ein einziges Mal gab und dass er deshalb auf seine besondere Weise für die Welt wichtig war. So konnte Momo zuhören! 3 3 Michael Ende, Momo.

82 81 Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart e. V. Caritas Ost-Württemberg Der Caritasverband der Diözese Rottenburg- Stutt gart ist die Zusammenfassung und Vertretung der verbandlichen Caritas in Württemberg. Als Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege vertritt der Diözesancaritasverband rund katholische Einrich - tungen und Dienste in allen Sparten der sozialen und pflegerischen Arbeit. Die Einrich - tungen und Dienste verfügen insgesamt über Plätze und betreuen weit über Menschen Schwarzwald-Gäu Schwarz- wald- Alb- Donau Ludwigsburg- Waiblingen-Enz Stuttgart Heilbronn- Hohenlohe Fils-Neckar-Alb Biberach Ost-Württemberg Bodensee- Oberschwaben pro Jahr. In ihnen sind Mitarbei - terinnen und Mitarbeiter hauptamtlich und Frauen und Männer ehrenamtlich beschäftigt. Als Träger von neun Caritas-Regionen mit insgesamt 41 Caritas-Zentren ist der Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart flächendeckend in der Diözese aktiv. Die Caritas Ost-Württemberg ist die regionale Gliederung des Diözesancaritasverbandes in den Katholischen De ka na - ten Ostalb und Heidenheim. In der Region sind rund ca. 130 hauptberufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, die mit mehr als 250 Ehrenamtlichen zusammenarbeiten. Die fünf Betätigungsfelder der Caritas Ost-Württemberg sind: Arbeit und Beschäftigung, Integrierte Hilfen für Familien, Jugend-, Suchtkranken- und Wohnungslosenhilfe. Im Bereich der Wohnungslosenhilfe bestehen Zentrale Beratungsstellen in Aalen, Schwäbisch Gmünd und Heiden - heim. Angebote in den Beratungsstellen sind: Ulm Wärmestube Kurzübernachtung Aufnahmehaus Betreutes Wohnen. Die hauptamtliche Arbeit wird ergänzt und unterstützt durch sozial engagierte Menschen vom Freundeskreis für Wohn - sitz lose Aalen e.v. Ziel des Freundeskreises ist ein ehrenamtlicher Dienst an und mit den Wohnsitzlosen, in enger Zusammenarbeit mit der Zentralen Beratungsstelle für die Wohnsitzlosen der Ca - ritas in Aalen. Unsere Aufgaben sind u. a.: Persönliche Unterstützung bei alltäglichen Besorgungen oder Behördengängen Hilfe und Finanzierung von Maßnahmen, Aktionen und Anschaffungen, die notwendig, aber nicht über öffentliche Mittel und Haushalte abgedeckt sind Lebensbegleitung und Seelsorge durch gemeinsame Feiern, Gottesdienste u. a. Gemeinsame Freizeitengestaltung Entschuldungsfonds Kontakt: Caritas Ost-Württemberg Zentrale Beratungsstelle für Wohnsitzlose der Caritas Braunenstraße 9, Aalen Tel.: zbs.aalen@caritas-ost-wuerttemberg.de Internet: Freundeskreis für Wohnsitzlose Aalen e.v. Diakon Ottmar Ackermann, 1.Vorsitzender Hegelstraße 4, Aalen Tel.: oder Ottmar.Ackermann@drs.de Ottmar Ackermann/Wolfgang Lohner das habt ihr mir getan. Spiritualität in der Arbeit mit wohnungslosen Menschen Auf den ersten Blick bringt man spirituelle Erfahrungen und die oft doch sehr konkrete Arbeit mit wohnungslosen Menschen nicht unbedingt in einen Zusammenhang geht es bei der Spiritualität doch eher um geistige Erfah run - gen und bei der Arbeit mit wohnungslosen Menschen doch oft um konkrete und praktische Hilfestellungen im Alltag. Bei genauerem Hinsehen jedoch zeigen unsere Erfah run - gen in der Wohnungslosenhilfe, dass Spiritualität und Woh nungs lose keine Gegensätze darstellen, sondern dass vielmehr gerade beides zusammengehört. Aus diesem Grund möchten wir, Diakon Ackermann von der Kirchengemeinde St. Maria in Aalen und gleichzeitig Vor sitzender des Freundeskreises für Wohnsitzlose Aalen e. V. und Wolfgang Lohner, Fachbereichsleiter Wohnungs - losenhilfe der Caritas Ost-Württemberg, beschreiben, wo und wie wir Formen von Spiritualität in der Arbeit mit wohnungslosen Menschen entdecken und (er-)leben können.

83 82 Die Arbeit im Freundeskreis für Wohnsitzlose (Ottmar Ackermann) Ein eindrucksvolles Erlebnis war für mich zum Beispiel eine Nikolausfeier im LOS-Mikroprojekt Treffpunkt für alleinstehende Langzeitarbeitslose im Sozialraum Rötenberg (LOS = Lokales Kapital für Soziale Zwecke, ein Förder pro - gramm im Rahmen Soziale Stadt ). Die Teilnehmer/innen waren ausschließlich ehemals Wohnsitzlose aus diesem sozial schwierigen Wohngebiet, die meisten waren mir per sönlich bekannt, viele haben u. a. Alkoholprobleme. Zunächst trat ich in liturgischer Kleidung als Nikolaus auf es gab Fragen und Gespräche zur Person und zum geschichtlichen Hintergrund des heiligen Nikolaus von Myra. Die Leitung des Projekts Mitarbeiter/innen der Ca - ritas von der Zentralen Beratungsstelle für Wohnsitzlose in Aalen hatte kleine Geschenke vorbereitet. Danach gab es ein Abendessen, von Teilnehmerinnen und Teilnehmern ge kocht und serviert. Ein Teilnehmer regte von sich aus an, dass wir ein gemeinsames Tischgebet sprechen könnten, wenn schon mal der Pfarrer da sei. Dies wurde unwidersprochen in die Tat um gesetzt und schon während des Essens, vor allem aber danach, entwickelten sich angeregte Gespräche und schließ lich eine tiefgehende Diskussion über biblische Aus - sagen und Glaubensinhalte. Ich war erstaunt, wie gut sich manche in der Bibel auskannten und ganz detailliert Fragen stellten. Und es wurde deutlich, dass sich viele durchaus mit Gott oder der Kirche beschäftigten, vor allem auch auf dem Hintergrund ihres eigenen Lebens. Am Schluss stand der Wunsch mehrerer Teilnehmer/innen nach weiteren Gesprächsmöglichkeiten. Solche Möglichkeiten bieten sich in der Arbeit des Freun - des kreises für Wohnsitzlose immer wieder. Sei es bei Be - suchen im LOS-Projekt oder in der Zentralen Be ra tungs - stelle, neuerdings auch im Maja-Fischer-Haus, dem Wohn heim des Freundeskreises, oder bei kirchlichen Ver - an staltungen (Toten-Gedenkgottesdienst, Feier des Heiligen Abend, Verabschiedung von Verstorbenen usw.). Viele Gespräche ergeben sich aber auch aus ganz alltäglichen Situationen heraus, z. B. beim Jahresausflug oder beim monatlichen Kegelabend. Gerade in einer nichtkirchlichen Atmosphäre nutzen manche die Gelegenheit, mit mir oder Pfarrer Richter oder Mitgliedern des Freundes - kreises über religiöse Fragen oder existenzielle Nöte ins Ge spräch zu kommen. Ihr habt mir zu essen gegeben Aus Anlass des 15-jährigen Bestehens der Caritas-Be ra - tungs stelle für Wohnsitzlose übergab die Kirchen ge meinde St. Maria ein Bild von Sieger Köder nach Mt 25 Ihr habt mir zu Essen gegeben die 7 leiblichen Werke der Barm - herzigkeit. Dieses Bild hängt seither an exponierter Stelle im Wohnsitzlosen-Haus und es ist für die Mitar bei ter/in - nen und den Freundeskreis zum Inbegriff ihrer Arbeit ge - worden. Denn beiden geht es darum, den Menschen selbst und seine von Gott geschenkte Würde in die Mitte zu stellen. Wir wollen unserem Glauben dadurch Ausdruck verleihen, indem wir vor jedem Menschen Achtung haben und uns vor allem den Menschen zuwenden, die Hilfe brauchen und die anderen gegenüber benachteiligt sind. Weil Jesus Christus selbst auf dem Bild mit den sieben leiblichen Werken der Barmherzigkeit mit den Hungernden und Hilfsbedürftigen das Brot bricht, identifiziert er sich mit ihnen und sagt uns zu: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder (und Schwestern) getan habt, das habt ihr mir getan. Die Umsetzung des Bildes erleben wir ganz konkret in der Arbeit mit Wohnsitzlosen, indem wir ihnen Wohnung geben, sie beraten und ihnen, wenn sie es wollen, für Leib und Seele helfen. Damit wirken wir im Sinn des Evan ge - liums als Anwälte und Fürsprecher für diese Menschen und ihre Nöte und setzen damit Zeichen der Hoffnung, Zeichen des Lebens, Zeichen für eine gute Zukunft im Woh nsitzlosen-haus der Caritas genauso wie im Maja- Fischer-Haus des Freundeskreises oder draußen in der Stadt: Überall da, wo Menschen Hilfe brauchen und in irgendeiner Not sind. Spirituelles Lernen von den Wohnsitzlosen (Wolfgang Lohner) Es stellt sich nun die Frage: Was haben wohnungslose Menschen mit Spiritualität zu tun? Vordergründig scheinen ja die wohnungslosen Menschen in ihrer extremen Armut nur mit ihrem Existenzkampf be - schäftigt, mit der Überwindung ihrer existenziellen Not und mit ihrem konkreten Elend, mit ganz praktischen Prob - lemen wie Übernachtung, Geld, Essen, Gepäckauf be wah - rung, Kleiderwäsche, Wundversorgung, Sucht prob leme Wenn man sich jedoch mit den Wohnungslosen unterhält, eine Beziehung zu ihnen aufbaut und sie näher kennenlernt, dann kann man feststellen, dass Wohnungslose häufig Menschen sind, die gescheitert sind die existenzielle Krisenerfahrungen durchgemacht haben deren Lebenssinn infrage gestellt wurde bzw. sich ak - tuell infrage stellt die vielleicht auch Schuld auf sich geladen haben die aus unserer Leistungsgesellschaft ausgestiegen sind

84 83 die am Rande der Gesellschaft leben denen oft Verachtung und Schuldzuschreibung begegnet die aufgrund gerade dieser Lebenssituation sich durchaus spirituelle Fragen stellen, nämlich Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach Schuld und Vergebung, nach ihrer persönlichen Verantwortung, Fragen nach dem Woher, nach dem Warum und nach dem Wohin Wie wir alle haben auch wohnungslose Menschen Be dürf - nisse nach spiritueller Begleitung bei elementaren Le bens - situationen und Lebensstationen (persönliche Fa milien er - eignisse wie Taufe, Geburt, Heirat, Krankheit, Be erdi gung ) bzw. bei kirchlichen Feiertagen (Adventszeit, Weih - nachts zeit ). Wohnungslose haben aber nicht nur dieselben spirituellen Fragen und Bedürfnisse wie wir, gerade durch ihre spezielle Lebenssituation zeigen sie oft Eigenschaften und Merk - male, die für uns spirituelle Vorbilder sein könnten. Entgegen landläufiger Klischees machen wir mit wohnungslosen Menschen meistens folgende Erfahrung: Wohnungslose sind dankbar sind genügsam sind nicht auf Äußerlichkeiten bedacht müssen nicht cool sein machen das vorherrschende Leistungs- und Konsumsystem nicht mit haben Zeit zum Reden, Zeit, sich Gedanken zu machen tragen selten Masken, geben sich wie sie sind, unverfälscht und unverstellt konzentrieren sich auf das Wesentliche, was für das Leben bzw. das Überleben notwendig ist tragen keinen unnötigen Ballast an Wertgegenständen und an vermeintlich Wichtigem mit sich herum sind auf das Heute konzentriert sagen offen und direkt, was sie denken haben nichts zu verlieren sind oft in der Situation, dass sie einen neuen Anfang wagen können, einen neuen Anfang wagen müssen Wären diese Eigenschaften nicht eigentlich auch für uns alle erstrebenswert? meisten von ihnen christliche bzw. kirchliche Wertvor stell - ungen respektieren und sich Gedanken machen über theo logische Fragestellungen, wie z. B.: gibt es ein Leben nach dem Tod, gibt es Vergebung von Schuld, welcher Sinn hat mein Schicksal, etc. Nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen in diesen Begeg - nungen mit Wohnsitzlosen wollen die Hauptamtlichen von der Caritas Ost-Württemberg und die Ehrenamtlichen vom Freundeskreis für Wohnsitzlose Aalen Projekte der Woh - nungslosenhilfe gemeinsam veranstalten. In unseren Ange boten wollen wir Orte und Möglichkeiten schaffen, um auch der Spiritualität Ausdruck zu verleihen. Dass dies gelingen kann, hat Ottmar Ackermann beispielhaft aufgezeigt. Natürlich ist bei diesen Anlässen und Begegnungen zunächst einmal die Abwendung und Überwindung der materiellen und psychosozialen Not ein wichtiges Thema, doch der Mensch lebt nicht von Brot allein. Auch seelsorgerliche und spirituelle Bedürfnisse werden durchaus artikuliert und nachgefragt. Diese spirituellen Angebote und die Begleitung in be - stimmten Situationen möchten wir aber als einen wichtigen Teil unserer caritas-spezifischen Sozialarbeit mit Woh - nungs losen bewusst weiterhin aufrechterhalten. Dies hat mittlerweile Tradition in unseren Einrichtungen und erfährt auch durch die Wohnungslosen eine hohe Anerkennung und Wertschätzung. Caritas-Spiritualität, verstanden als gelebte Nächstenliebe vor dem Hintergrund der Beziehung zwischen Gott und Mensch, und die Arbeit wie die Erfahrungen mit wohnungslosen Menschen sind also keine Gegensätze, sondern eng miteinander verwoben. Gerade die existenziellen Grenzerfahrungen von Menschen am Rande der Ge - sell schaft bilden die Grundlage von Spiritualität, von Aus - einandersetzung mit dem Sinn und dem Grund unseres Lebens. Werdet wie die Kinder Erinnern diese Eigenschaften und Merkmale der wohnungslosen Menschen nicht auch an die Kinder im Neuen Testament, wenn Jesus sagt: Lasset die Kinder zu mir kommen und wenn er sagt: Nur wenn ihr werdet wie sie, kommt ihr ins Himmelreich? Nach unseren Erfahrungen in unzähligen Begegnungen mit wohnungslosen Menschen lässt sich sagen, dass die

85 84 Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart e. V. Caritas Biberach Der Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart ist die Zusammenfassung und Vertretung der verbandlichen Ca ritas in Württemberg. Als Spitzenverband der freien Wohl fahrtspflege vertritt der Diözesancaritasverband rund katholische Einrichtungen und Dienste in allen Spar ten der sozialen und pflegerischen Arbeit. Die Ein - rich tungen und Dienste verfügen insgesamt über Plätze und be - treuen weit über Menschen pro Jahr. In ihnen sind Mitarbei terin - nen und Mitarbeiter haupt amtlich Schwarzwald-Gäu Schwarz- wald- Alb- Donau Ludwigsburg- Waiblingen-Enz Stuttgart und Frauen und Männer ehrenamtlich beschäftigt. Als Träger von neun Caritas-Re gio - nen mit insgesamt 41 Caritas-Zentren ist der Caritas ver - band der Diö zese Rottenburg-Stuttgart flächendeckend in der Diözese aktiv. Die Caritas Biberach ist die regionale Gliederung des Diöze san caritasverbandes in den Katholischen Deka naten Biberach und Bad Saulgau. Neben der spitzenverbandlichen Tätigkeit auf mittlerer Ebene gehören zur Caritas-Region verschiedene Fachund Beratungsdienste. Ein besonderer Schwerpunkt bildet in der Region die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen und das Engagement in den Bereichen pflegende Ange - hörige Hospizgruppen Trauernde. Kontakt: Caritas Biberach Kolpingstraße Biberach Tel.: region@caritas-biberach.de Internet: Heilbronn- Hohenlohe Fils-Neckar-Alb Biberach Ost-Württemberg Ulm Bodensee- Oberschwaben Peter Grundler Mitten im Leben Spiritualität in der (Alltags-) Ar beit einer Caritas-Region Annäherungen an das Thema Es ist seltsam eigentlich begleitet uns das Thema Spiri - tua lität in unserer Caritasarbeit jeden Tag. Kaum soll man aber dazu etwas zu Papier bringen, wird es richtig schwierig. Also versuche ich es zunächst mit Annäherungen an das Thema. Denn es ist in der Tat so, dass wir das Thema nicht dauernd vor Augen haben und gleichsam bei jeder schwierigen Beratung oder jedem Einsatz in einen meditativ-spirituellen Zustand verfallen. Dennoch ist es wichtig festzuhalten, dass die ganz unterschiedlichen und persönlichen spiri tuellen Wurzeln der Mitarbeiter/innen wie eine unsichtbare Basis präsent sind. Woher das kommt und warum dies sinnvoll ist, versuche ich im Folgenden aus drei Per - spektiven zu beschreiben. Im Angesichte Gottes begrenzt sein dürfen Die Mitarbeiter/innen der Caritas, in diesem Fall in der Ca - ritas-region Biberach, sind mit vielfältigen Lebens- und Lei dens situationen konfrontiert. Menschen mit Le bens - brüchen kommen in der Hoffnung auf Rat, Begleitung und Unterstützung zu uns. Dabei werden wir mit Problemen von Menschen konfrontiert, die Außenstehende vielleicht einmal oder auch nie in ihrem Leben aushalten bzw. durch leiden müssen. Für uns ist dies eine alltägliche Ar - beitssituation. Natürlich hilft dabei erworbene Routine und Professionalität. Aber es gibt auch Grenzerfahrungen in unserer Arbeit, die der oder die Ratsuchende und wir aushalten müssen. Beispielsweise dann, wenn trotz allem Bemühen nach menschlichem Ermessen nichts mehr veränder- oder gestaltbar ist. Diese Erfahrung konfrontiert uns mit unserer eigenen Begrenztheit und der Tatsache, dass eben nicht alles mach- oder gestaltbar ist. Diese Begrenztheit gilt es auszuhalten ohne in Re - signation zu verfallen. Sie stellt auf den ersten Blick auch ein Scheitern, ein Gefühl von Schwäche und Hilflosigkeit dar. Spätestens hier wir deutlich, dass eine spirituelle Basis lebensnotwendig ist. Eine innere Quelle, die den Druck wegnimmt, entlastet und den Blick freigibt auf eine andere Dimension.

86 85 Ich erinnere mich an eine Situation ganz am Anfang meiner Arbeit, kurz nach dem Studium. Ich erhielt einen Tele - fon anruf von einem Mann, der, schon an der Stimme er - kennbar, sicher nicht in guter Verfassung war. Er fragte mich, ob mir noch ein Grund einfiele, warum er sich nicht um bringen sollte. Er habe Bilanz gezogen und sei zum Schluss gekommen, Schluss zu machen. Unabhängig vom weiteren Gesprächsverlauf war dies eine Situation, in der sehr schnell die Grenzen deutlich werden. Die Ver bin - dung zu einem Menschen, reduziert auf eine dünne Te le - fonverbindung. Kein Gesicht, keine sichtbare Reak tion, nur dieser Hörer und eine fragile Verbindung. Aus zuhalten, dass nach Auflegen des Hörers nichts mehr ge tan werden kann. Natürlich ist da der Versuch, dies ra tio nal zu bewerten und zu bewältigen und trotzdem bleibt ein erheblicher Rest zurück, mit dem man umgehen muss. Von einer Kollegin, mit der ich dann gesprochen habe, be - kam ich einen wertvollen Hinweis. Sie meinte, dass, nachdem wir selbst an unsere Grenzen gekommen sind, das Weitere einem barmherzigen Gott anvertraut werden darf, zudem sei er ja da! Ich habe zugegebenermaßen schon eine Weile gebraucht, bis ich den Hinweis in seiner Tiefe verstanden habe. Letzt - endlich ist Spiritualität auch und gerade in unserer Arbeit im Ver trauen zu einem guten, barmherzigen Gott begründet, der dort weitermacht, wo unsere Grenzen erreicht sind. Das ist bei aller notwendigen eigenen Verant wor - tungs bereit schaft unendlich entlastend. Spiritualität der Nähe Ich versuche eine zweite Annäherung ans Thema. Wir sind hier in unserer Caritas-Region sehr intensiv im Le - bens bogen zwischen Krankheit Pflegebedürftigkeit Sterben/Tod Trauer engagiert. Das hat verschiedene Gründe und hängt sehr stark mit dem Aufbau von Unterstützungsnetzwerken für Pflegende Angehörige zusammen. In diesen Lebens-, bzw. Leidenssituationen ist Spiritualität ein zentrales Thema und gehört das gemeinsame Aushalten von unvollendetem oder unversöhntem Le - ben zur Begleitung. Ist das gemeinsame Schweigen ge - nauso wichtig wie das Ertragen der eigenen Ratlosigkeit. Braucht es Nähe und menschliche Tiefe. Das alles bedeutet für jede Mitarbeiterin und jeden Mit - arbeiter von uns in diesem Bereich eine entsprechende Grundhaltung und Persönlichkeit sowie die Bereitschaft, vielfältige Formen von Spiritualität zuzulassen oder besser mitzuleben. In diesem Bereich begegnet uns die Frage nach Spiritualität in zweifacher Hinsicht. Zum einem, wie be schrieben, als eine Grundhaltung der Mitarbeiter/innen. Zum anderen als Anforderungsprofil von außen. Darauf möchte ich kurz eingehen. Wir bewegen uns hier im Kernbereich von Seelsorge. D. h. es entstehen Si - tuationen, in denen wir von manchen pastoralen Mitar bei - terinnen, Mitarbeitern oder Pfarrern zunächst kritisch be - äugt werden. Was tun die da? Können die das überhaupt? Wollen die in unseren Bereich eindringen? Häufig ist dann die Frage nach dem Können verbunden mit der Frage nach Spiritualität und wird verwechselt mit theologischem Grundwissen oder Kasualien. Das ist dann spannend, weil es um eine veränderte, neue Sichtweise von Seel sorge geht. Weil es um Formen von menschennaher Spiri tualität, Verlässlichkeit, Aushalten von Nähe und eigener Ratlosigkeit jenseits von Theologie als Wissenschaft geht. Weil auf einmal deutlich wird, was Menschen in diesen Lebenssituationen brauchen und erkannt wird, dass die eigenen Möglichkeiten nicht ausreichen. Gleichzeitig aber immer noch alte Bilder eines versäulten Handelns vorhanden sind (hier die Säule Caritas, dort Seelsorge mit einem geschlossenen pastoralen Feld). Wichtig wäre, einen gemeinsamen Blick zu entwickeln und zu schauen, wo wir miteinander den ratsuchenden Menschen Be - gleitung anbieten können. Zu erkennen, dass uns Spiri - tualität verbindet, nicht trennt. Gemeinsam unterwegs warum eigentlich nicht auf Wallfahrt gehen? In einem dritten Zugang zum Thema möchte ich von einer Er fahrung berichten, die viele bei uns zunächst wohl nicht vermutet hätten: Caritas-Mitarbeitende einer Region machen sich einmal pro Jahr auf den Weg zu einer ge - meinsamen Wallfahrt. Wie kam es dazu? Wie ich oben bereits angedeutet habe, werden die Mitar - beiter/innen der Caritas-Region Biberach im Rahmen ihrer Arbeit mit vielfältigen Grenzerfahrungen konfrontiert: Der Eintritt von Krankheit, die Begleitung von schwerkranken Menschen und Trauernden. Der Umgang mit Scheitern von Lebensplanungen und das Erleben verschiedener Le - bens- und Leidenssituationen gehen auch an Caritas-Mit - ar beiterinnen und -Mitarbeitern nicht spurlos vorüber. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter hat hierbei ganz verschiedene Formen persönlicher Spiritualität entwickelt. Uns ging es jedoch um etwas Gemeinsames und Verbin - den des. Etwas, das gemeinsam organisiert und miteinander geteilt werden kann. Ein kleiner Kreis von engagierten Mit arbeiterinnen und Mitarbeitern hatte dann die Idee einer Wallfahrt. Zunächst waren bei allen Bilder von großen Wallfahrten nach Lourdes oder Altötting im Kopf. Je konkreter wir uns

87 86 jedoch mit der Materie beschäftigt haben, desto klarer wurde: Die für uns angemessene Form ist die einer regionalen Wallfahrt. Diese Idee haben wir dann in den Mitar - beiterteams gestreut und nachgefragt, was sie denn von solch einem Angebot halten würden. Die Resonanz hat uns überrascht, denn das Echo war sehr positiv. Der nächste Schritt war dann, unseren Kreisdekan in die Planungen einzubinden. Auch hier wurde sofort große Bereitschaft signalisiert. Unsere Vorstellungen hatten durchaus klassische Ele - mente der Wallfahrt im Blick. Von einem gemeinsamen Treffpunkt aus wird gewandert, gebetet, gesungen, Station gemacht. Am Zielort dann gemeinsam Gottesdienst gefeiert, anschließend zum Ausgangspunkt zurückgewandert. Den Abschluss bildet ein gemeinsames Essen. Als zeitlicher Rahmen war ein halber Tag geplant. Selbst - verständlich waren auch Familienangehörige herzlich zu dieser Wallfahrt eingeladen. Die Auswahl der Orte es gibt eine ganze Menge Wall - fahrts orte in der Region Biberach richtete sich nach der Erreichbarkeit. Wir wollten nicht allzu lange Anfahrtswege haben. Die erste Wallfahrt fand dann an einem kühlen, nebligen Ok tobermorgen im Jahr 2003 statt. 30 Mitarbeiter/innen haben sich gemeinsam auf den Weg gemacht. Nach positiver Resonanz auf diese erste Wallfahrt wird seitdem einmal im Jahr von einem Vorbereitungsteam un - sere Caritas-Wallfahrt organisiert. Jede dieser Wallfahrten steht unter einem eigenen Motto. Das Angebot ist selbstver ständlich freiwillig. Die Einladung richtet sich an alle Mitarbeiter/innen, egal welche Konfessionszugehörigkeit diese haben. Inzwischen hat sich der Teilnehmerkreis etwas geweitet. Zu den Caritas-Mitarbeiter/innen kommen die Mitar bei - tenden der verschiedenen Einrichtungen im Alfons-Auer- Haus (Haus der kirchlichen Dienste) in Biberach dazu. Lebendige Vielfalt Drei Annäherungen an ein (fast) unerschöpfliches Thema. Natürlich könnte noch die Frage stehen, was Spiritualität bedeutet, wie sie definiert ist. So etwas steht gewöhnlich am Anfang. Mir war der Inhalt wichtig. Oder, wenn man so will, eine Übersetzung des Begriffes wie ich ihn verstehe als Wirken des Geistes Gottes im Alltag und in ganz un terschiedlichen Lebenssituationen. Darum ist für mich Spiritualität auch Vielfalt. Stellt sie doch Wege und Ver - bindungen zu und mit Gott her. Sie ist ein Rettungsboot im alltäglichen Wahnsinn und ist nicht statisch, sondern höchst lebendig. Sie zu definieren, war für mich nicht entscheidend. Zentrum für karitativ-diakonische Spiritualität Tabor im Kloster Reute Tabor ist ein Ort für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den unterschiedlichsten beruflichen oder freiwilligen karitativen Diensten und Aufgaben in der Diözese Rotten burg- Stutt gart, angesiedelt im Bildungshaus der Franziskanerinnen von Reute bei Bad Waldsee. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können hier zur Ruhe kommen und sich selbst etwas Gutes tun den Alltag unterbrechen und Zeit und Raum für ihre Fragen und ihr Suchen finden persönlich und mit anderen nach den Quellen für das eigene solidarische Handeln fragen Spiritualität als hilfreich und bereichernd für den (beruflichen) Alltag erleben die innere Balance (wieder-)finden und gestärkt in den Alltag zurückkehren Das Zentrum Tabor wird gemeinsam getragen vom Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart und den Franziskanerinnen von Reute. Es eignet sich für Auszeiten, Besinnungstage, Klausurtagungen, Team-Tagungen u. a. Das Zentrum führt eigene Veranstaltungen durch und bietet Unterstützung bei Veranstaltungen von Trägern. Schwarzwald-Gäu Schwarz- wald-alb- Donau Ludwigsburg- Waiblingen-Enz Stuttgart Heilbronn- Hohenlohe Fils-Neckar-Alb Ulm Biberach Ost-Württemberg Bodensee- Oberschwaben Kontakt: TABOR Zentrum für karitativ-diakonische Spiritualität Bildungshaus Maximilian Kolbe Leitung: Elisabeth Kehle Klostergasse 6, Bad Waldsee Tel.: tabor-reute@caritas-dicvrs.de, Internet:

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