Tübinger Sternchen. Lieber Sternfreund,

Transkript

1 18.Ausgabe 28. Juli 2011 Tübinger Sternchen Lieber Sternfreund, Raketen (vom italienischen rocchetta / kleine Spindel), Flugkörper mit einem Strahlantrieb, der Schub durch Abstoßung von Masse erzeugt Die Rakete ist im Gegensatz zum Luftstrahlantrieb unabhängig von Umgebung oder Atmosphäre und für Raumflugaufgaben besonders geeignet. So steht es im schlauen Brockhaus - Astronomie. Hört sich nicht sehr aufregend an. Das geht besser! Der erste bekannte Roman über einen Flug zum Mond stammt von Lukianos von Samosata (heute Südtürkei) um 160 n.chr. Dort unternahmen seine Helden diese unfreiwillige Reise mit einem Segelschiff, welches von einem Wirbelsturm bis zum Mond getragen wurde. Doch schon um 1500 n.chr. versuchte angeblich, der weit vorrausschauende Chinese Wan Hu, mit 47 an einem Stuhl befestigten Feuerwerksraketen tatsächlich dieses Ziel zu erreichen. Die Idee ging schon in die richtige Richtung, doch die Durchführung war noch nicht ganz ausgereift. Mit dem Helden starben auch die armen Kerle, welche das Feuer an die Zündschnüre legen durften, um ihren Chef auf den Mond zu schießen. Auch wenn Johannes Kepler im Jahr 1596 die enorme Belastung bei einem Start, die Schwerelosigkeit und die Luftarmut im Weltraum in seinem Werk Somnium /der Traum richtig beschrieb, an eine Reise mit einer Rakete dachte er dabei genauso wenig wie 1865 Jules Verne in seinem Roman Von der Erde zum Mond. Dieser hätte sogar von Wan Hu lernen können. Den Start in Vernes riesiger Kanone, hätte keiner seiner Weltraumreisenden überleben können. Die moderne Raumfahrt begann vermutlich mit Hermann Ganswindt. Schon als Gymnasiast entwarf er ein Weltenfahrzeug mit dem Reisen zu den Planeten möglich sein sollten. Im Jahr 1881 hielt er einen Vortrag über sein Raumfahrzeug. Auch seine anderen Ideen sind genial, machten aus Ihm aber eine heute fast vergessene, tragische Figur. Weitere Pioniere der modernen Raketen sind in Vergessenheit geraten, oder hatten anfangs große Schwierigkeiten ernst genommen zu werden. Der Russe Konstantin Ziolkowski entwickelte 1903 eine Raketengrundgleichung, beschrieb das Prinzip der Mehrstufenrakete und das Flüssigkeitsraketentriebwerke. Der Amerikaner Robert Goddard baute ab 1916 die ersten flugfähigen Flüssigkeitsraketen entwarf der deutschstämmige Hermann Oberth eine mit Ethanol und Sauerstoff betriebene Rakete, die Entwicklung ging jetzt rasch voran. Bevor 1968 die ersten Menschen den Mond umrundeten und 1969 auf ihm landeten, brachten die Raketen wie so vielen neuen Erfindungen, erst Unglück und Leid, bevor etwas Vernünftiges damit gemacht wurde. Weiter geht s in Deinem neuen Sternchen, dein Ludwig

2 Inhalt Seite 3 Ereignisse im August/September. 3 Der Mond im August/September. 3 Planeten im August/September. 4 Wer war Hermann Ganswindt? 5 Hermann, das Boot und die Ziegelsteine. 6 Hinweise.

3 Ereignisse im August und September. August ist ein Sternschnuppenmonat. Die bekannten Perseiden haben ihr Maximum, mit hoffentlich einigen hundert Schnuppen pro Stunde, um den 13. August. Auch Leuchtspuren der Alpha- Capricorniden und Delta-Aquariden sollten noch zu sehen sein. Diese hatten ihr Maximum am 30. Juli. Es gibt in den nächsten Monaten wieder einen hellen Kometen am Nachthimmel! C/2009 P1 Garradd. Ab Mitte August ist er die ganze Nacht über durch das Fernglas zu bewundern. Wen du im August steil nach oben blickst, siehst du den hellen Stern Wega im Sternbild Leier. Zwei weitere helle Sterne bilden mit diesem das "Sommerdreieck": links unten von Wega der Stern Deneb im Sternbild Schwan und ein gutes Stück in Richtung Horizont der Stern Atair im Sternbild Adler. Du kannst bei klarer Sicht beobachten wie sich das Band der Milchstraße mitten durch das Sommerdreieck zieht du musst unbedingt einmal mit dem Fernglas durch dieses Band am Himmel wandern. Sicher findest du einige Sternhaufen oder sogar Gaswolken, Entstehungsgebiete von Sternen. Richtung Westen taucht das Sternbild Herkules mit dem schönen Kugelsternhaufen M13 auf. Im Süden steht am Horizont der auffällige Fächer des Skorpions, dicht gefolgt von dem Sternbild Schützen zunehmender Halbmond Vollmond abnehmender Halbmond Neumond zunehmender Halbmond Vollmond abnehmender Halbmond Neumond Der Mond im August und September. Planeten im August und September. Merkur und Venus befinden sich zu nahe der Sonne und sind damit nicht zu beobachten. Mars wandert Anfang August vom Sternbild Stier zu dem Sternbild Zwillinge. Noch ist er klein und lichtschwach doch sorgt seine orange-rötliche Farbe dafür, dass man ihn leichter findet. Erst im Jahr 2012 wird der rote Planet gut zu beobachten sein. Jupiter steigt um Mitternacht über den Horizont. Langsam wandert er seiner Opposition im Oktober entgegen. Dann steht der Planet von der Erde aus gesehen, genau gegenüber der Sonne. Er geht auf wenn die Sonne untergeht, morgens ist es dann umgekehrt - wenn die Sonne aufgeht, verschwindet der Planet unter dem Westhorizont. Der Riesenplanet ist wegen seiner Helligkeit nicht zu übersehen. Saturn ist im August nur noch kurz nach Sonnenuntergang tief am Westhorizont zu erkennen. Am 4. August steht der Mond eine Handbreite unter dem Ringplanet. Im September ist er der Sonne schon zu nahe, somit nicht mehr zu beobachten. Uranus befindet sich zwischen den Sternbildern Walfisch und Fische auf seinem langen Weg. Er steht die ganze Nacht über dem Horizont. Er ist der am weitesten entfernte mit bloßem Auge sichtbare Planet. Am 17. August befindet sich der Mond bei Uranus. Neptun steht Ende August in Opposition im Sternbild Wassermann. Schwer zu finden, erkennt man ihm im Fernglas oder im Teleskop an seiner blauen Färbung.

4 Wer war Hermann Ganswindt? Besitzt du ein Fahrrad, dann kennst du natürlich Herman Ganswindt! Du kennst ihn nicht? Ok, er ist ja auch schon vor langer Zeit gestorben und einer jener Personen, an die sich - obwohl ein genialer Erfinder - kaum einer erinnert. Als Junge erfand er den Freilauf für Fahrräder. Ohne diese Erfindung würden sich die Pedale immer drehen, deine Beine könnten sich auch Bergab nicht ausruhen. Hermann entstammte einer angesehenen Familie und wurde am 12. Juni 1856 in Ostpreußen geboren. Normalerweise schmeißen Jungs Steine in Pfützen und freuen sich, wenn andere dabei nass werden. Ich habe so etwas natürlich nie gemacht und auch Ganswindt war anders. Er warf im Alter von 13 Jahren Ziegelsteine aus einem Ruderboot und beobachtete dabei, dass er sich mitsamt dem Boot entgegengesetzt der Wurfrichtung in Bewegung setzte. Mit jedem herausgeworfenen Stein wurde das Boot schneller - wie schnell kann es werden? Damit hat er das Rückstoßprinzip entdeckt nach dem Raketen fliegen. Im Gymnasium erkannte er, dass nur solch ein Antrieb in der Luftleere des Weltraums funktionieren kann. Nach dem Physikstudium schlug er daher ein Fahrzeug vor, welches Kugeln mit Hilfe von Dynamitpatronen nach unten abfeuert und sich somit, wie das Ruderboot auf dem See, durch das Weltall bewegt, das alles auch noch in einem zweistufigen Raumfahrzeug. Leider kam die Erfindung für die Raumfahrer von Jules Vernes etwas zu spät. Ihre Überlebenschancen wären damit erheblich gestiegen. Damit dieses Weltenfahrzeug leichter starten kann, erfand er gleich noch ein motorisiertes Fluggerät, einen Hubschrauber, um das Raumschiff in die obere Luftschicht zu tragen hielt er in Berlin mehrere Vorträge über seine Erfindungen. Kleine Flugmodelle sollten die Richtigkeit der Ideen beweisen. Diese Modelle verkauften sich auf den Jahrmärkten unter dem Namen fliegender Maikäfer recht gut, doch für das große Fluggerät bekam er keine Unterstützung. Langsam ging Hermann das Geld aus, doch er gab nicht auf. Mit 35 Jahren lernte er Klavierspielen, gab Konzerte und stellte dabei gleich noch seine Erfindungen dem staunenden Publikum vor. Mit dem damit verdienten Geld konnte er ein Grundstück an einem See pachten. Ich hätte mich dort faul in die Sonne gelegt - Ganswindt war wieder einmal anders. Er baute eine Badeanstalt und eine Radrennbahn um den See und verlangte von dem neugierigen Besuchern Eintrittsgeld. Seine Räder mit Freigang waren der Konkurrenz deutlich überlegen, damit hatte er richtig Erfolg und nun konnte er seinen Hubschrauber selbst finanzieren. Angeblich flog dieser 1901 das erst Mal für einige Sekunden mit zwei Personen in einem Korb. Hermann war nicht leichtsinnig, er sicherte das Fluggerät an einem Drahtseil. Leider ist mir nicht bekannt welchen Antrieb die Flugmaschine hatte. Von dem Flug wurde ein Film gedreht und später auch einem Publikum vorgeführt. Der Film als Beweismittel ist jedoch verschollen. Die Glückssträhne des Erfinders war schnell wieder zu Ende. Im April 1902 wurde Ganswindt wegen Betruges verhaftet. Es wurde unter anderem bezweifelt das sein Hubschrauber fliegen kann, wurde er an dem Drahtseil hoch gezogen? Der Beschuldigte bestritt die Vorwürfe. Als er nach acht Wochen aus der Haft entlassen wurde, war seine Unschuld erwiesen - und der Erfinder ruiniert. Hermann Ganswindt war seiner Zeit zu weit voraus. Auch aus heutiger Sicht, sind seine Erfindungen zu dieser Zeit, kaum zu begreifen. Ein Raumschiff mit zwei Stufen, Hubschrauber mit gekrümmtem Flügelprofil und einer Hilfsschraube welche das Moment der großen Trageschraube ausgleichen sollte, für Fahrräder der Freilauf und Drahtachsenlager. Er beschrieb als Erster ein lenkbares Luftschiff und schlug Versuche zur Simulation von Schwerelosigkeit vor. Erst zu seinem Lebensende wurde die Leistung von Ganswindt von den neuen Raumfahrtpionieren erkannt. Der bekannte deutsche Vater der Raumfahrt Hermann Oberth, lernte seine Arbeiten 1926 kennen und respektierte ihn als Pionier der Raketentechnik. Ganswindt konnte dieses Lob noch persönlich entgegen nehmen, er starb verarmt am in Berlin. Seine Witwe durfte den Start der ersten Mondrakete live in Cape Kennedy miterleben, vielleicht wurde sie von ihrem Sohn eingeladen. Dieser arbeitete bei der NASA mit Wernher von Braun am Mondprogramm. Über Ganswindt ist im schlauen Brockhaus Astronomie nichts zu lesen und auch im Internet sind die Informationen dürftig - mit dem Wenigen muss man daher vorsichtig sein. Doch bin ich mir sicher, Ganswindt hätte es verdient bekannter zu sein, er war ein genialer Erfinder und er war einfach anders.

5 Unser Hermann in seinem Boot. Bild 1 Bild 2 Hermann, das Boot und die Ziegelsteine. Bild 2: Hermann wirft einen Ziegelstein nach hinten mit einer Geschwindigkeit von 10m/s aus dem Boot. Damit der Gesamtimpuls (die Kraft in allen Richtungen) erhalten bleibt, bewegt sich das Boot nach vorne. Wenn nicht die Trägheit des Bootes und seines Inhaltes, sowie die Reibung der Luft und des Wassers das Boot bremsen würde, wäre die Geschwindigkeit, mit der sich Hermann durch das Wasser bewegt 5m/s - die Hälfte der Wurfgeschwindigkeit. Mit jedem der heraus geworfenen Steine wird das Boot schneller! Je höher die Wurfgeschwindigkeit, umso schneller das Boot. Je schwerer der Stein, umso höher die Beschleunigung. Bild 1: Für Hermann ist klar: Das funktioniert auch im luftleeren Raum, wegen der fehlenden Reibung sogar besser als mit dem Boot. Das Gas, welches bei einer Rakete und durch die Düsen strömt, ist zwar sehr leicht, aber auch extrem schnell. Zudem sind es gewaltige Mengen, die in der Brennkammer in Schub umgewandelt werden. Die erste Stufe der Mondrakete Saturn 5, verbrannte durchschnittlich 13 Tonnen Treibstoff jede Sekunde. Daher erreichen Raketen die hohen Geschwindigkeiten, welche zum verlassen der Erde notwendig sind.

6 Homepage der Astronomischen Vereinigung Tübingen: Hilfe für Einsteiger und Fortgeschrittene VDS (Vereinigung der Sternfreunde e.v.) Forum für junge und jugendliche Amateurastronomen Über Hermann Ganswindt Schöne Ferien wünscht dir das Jugendgruppenteam, Ludwig und Katharina