948. Sitzung des Bundesrats am 23. September 2016 TOP 18 a und 18 b
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1 Niedersächsisches Finanzministerium 948. Sitzung des Bundesrats am 23. September 2016 TOP 18 a und 18 b TOP 18 a Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 105) Drucksache 514/16 TOP 18 b Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes Drucksache 515/16 Rede des Niedersächsischen Finanzministers Peter-Jürgen Schneider am im Bundesrat - Es gilt das gesprochene Wort - Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Grundsteuer hat für die kommunalen Haushalte eine enorme Bedeutung. Rund 13 Milliarden Euro Einnahmen bringt die Grundsteuer den Kommunen jährlich. Diese verlässliche Einnahmequelle für die Kommunen wollen wir erhalten, indem wir der Grundsteuer eine zukunftsfähige und verfassungsfeste Gestalt geben. Nach langen Verhandlungen haben die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder Anfang Juni deshalb mit großer Mehrheit eine Bundesratsinitiative zur Reform der Grundsteuer beschlossen. Hessen und Niedersachsen wurden gleichzeitig beauftragt, den gemeinsam erarbeiteten Gesetzentwurf in den Bundesrat einzubringen. Bei der Grundsteuer besteht gesetzgeberischer Handlungsbedarf, da ernste verfassungsrechtliche Zweifel an der Besteuerung in ihrer heutigen Form bestehen. Hintergrund ist, dass die Grundsteuer auf jahrzehntealten Wertverhältnissen beruht. Im Westen wird auf Einheitswerte aus dem Jahre 1964, im Osten gar auf Einheitswerte aus 1935 abgestellt. In Berlin finden Sie deshalb beide Werte je nach Seite 1 von 5
2 Straßenseite gegebenenfalls. Dass diese Einheitswerte aufgrund der seither eingetretenen Wertentwicklungen zu erheblichen Missverhältnissen und Verzerrungen bei der Besteuerung führen, erklärt sich von selbst. Der Bundesfinanzhof hält die Vorschriften über die Einheitsbewertung mittlerweile für verfassungswidrig, weil die Wertverzerrungen nach Anzahl und Ausmaß dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes widersprechen. Hier ist die Politik dringend zum Handeln aufgefordert. Reagieren wir nicht rechtzeitig und lassen es stattdessen zu, dass das Bundesverfassungsgericht das Grundsteuergesetz kassiert, so müssten die Rechnung dafür die Kommunen zahlen, die durch das Wegbrechen der Grundsteuer ernste Finanzierungsprobleme bekämen. Um die verfassungsrechtlichen Zweifel an den bisherigen Einheitswerten auszuräumen, muss die Grundsteuer zunächst auf ein aktuelles und dann stetig fortzuschreibendes Wertefundament gestellt werden. Wir müssen also zu einer Besteuerung gelangen, die an den tatsächlichen Grundstückswert anknüpft. Kern unserer Reform ist deshalb die Änderung des Bewertungsgesetzes mit der Einführung des Kostenwerts als neues Bewertungsziel. Wie wir das Bewertungsgesetz im Detail ausgestalten wollen, hat mein Vorredner, Herr Minister Dr. Schäfer, bereits ausführlich erläutert. Auf Basis des neuen Bewertungsgesetzes sind anschließend in einem administrativen Kraftakt 35 Million Liegenschaften bundesweit neu zu bewerten. Für weitere, darauf folgende Hauptfeststellungen erlaubt das von uns vorgeschlagene neue Bewertungsverfahren im Übrigen eine weitgehend automationsgestützte Bewertung, was eine erhebliche Reduzierung des zukünftigen Arbeitsaufwands zur Folge hat. Zusätzlich zum geänderten Bewertungsgesetz haben wir auch einen Entwurf zur Änderung des Grundgesetzes vorgelegt. Dies liegt daran, dass wir bei diesem wichtigen Gesetzgebungsvorhaben auf Nummer sicher gehen wollen. Seite 2 von 5
3 Da für das Grundvermögen ein grundlegend neues Bewertungsverfahren geschaffen wird, wird teilweise angezweifelt, ob dem Bund nach der geltenden Rechtslage die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für eine solche grundlegende Neukonzeption zusteht. Die von uns vorgelegte Änderung des Grundgesetzes dient deshalb der Klarstellung und Sicherung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Diese ist wünschenswert, um die Vollzugs- und Befolgungskosten in Grenzen zu halten und eine Anknüpfung für länderübergreifende außersteuerliche Zwecke, etwa im Bereich des internationalen Auskunftsverkehrs, zu ermöglichen. Welche Werte sich nach Abschluss der Neubewertung für einzelne Grundstücke konkret ergeben, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschätzen. Denn die zum Stichtag gültigen Bodenrichtwerte und anzusetzenden Baupreise sind erst dann bekannt. Klar ist aber - und dass haben wir immer wieder ausdrücklich betont - dass wir eine aufkommensneutrale Lösung anstreben. Als geeignete Stellschrauben, die es ermöglichen, dass die Grundsteuerreform insgesamt aufkommensneutral umgesetzt wird, stehen Messzahlen und Hebesätze zur Verfügung. Die Messzahlen werden wir nach der Neubewertung aller Grundstücke so justieren, dass die Grundsteuerreform nur die Wertveränderungen abbildet. Zusätzlich zu den auf bundesweiter Basis ermittelten Steuermesszahlen soll es eine Öffnungsklausel geben, die es den Ländern erlaubt, eigene Steuermesszahlen festzulegen. Für die Länder bedeutet dies, dass sie erstmals direkt Einfluss auf die Höhe der Grundsteuer nehmen können. Die Bestimmung der Höhe der Hebesätze vor Ort obliegt wie bisher den Kommunen. Damit haben es die Kommunen weiterhin selbst in der Hand, die konkrete Höhe der Grundsteuer in ihren Gebieten zu bestimmen. Wer angesichts dessen dennoch von einer Steuererhöhung oder gar Kostenexplosion spricht, hat das Konzept der Grundsteuer nicht verstanden. Die Grundsteuer ist ein zentrales Element der kommunalen Selbstverwaltung. Anders als bei der Gewerbesteuer ist das Aufkommen der Grundsteuer keinen Schwankungen unterworfen. Die Grundsteuer ist auch nicht gestaltungsanfällig oder anderen Missbräuchen ausgesetzt. Seite 3 von 5
4 Die Einnahmen aus der Grundsteuer dienen den Kommunen als Basis für die Aufrechterhaltung der kommunalen Infrastruktur und kommen somit den Bürgern vor Ort unmittelbar zu Gute. Mit unserem Reformmodell stellen wir eine verfassungsgemäße Methode zur Berechnung der Steuer zur Verfügung. Ob die Grundsteuer erhöht oder abgesenkt wird, ist eine Entscheidung, die einzig und alleine die Kommunen treffen und gegenüber ihren Bürgern verantworten müssen. Die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände haben versichert, dass die Städte und Gemeinden mit ihrem Hebesatzrecht verantwortungsvoll, nachvollziehbar und maßvoll umgehen werden. Lassen Sie mich noch auf einen Kritikpunkt eingehen, der von Umweltverbänden und auch vom Mieterbund vorgetragen worden ist. Hier wird im Wesentlichen kritisiert, dass wir die Grundsteuer nicht als eine reine Bodensteuer ausgestalten, sondern weiterhin den Wert des Gebäudes mit in die Bemessungsgrundlage einbeziehen. Dadurch würden ungenutzte Brachflächen oder Baulücken begünstigt und eine effiziente Grundstücksnutzung behindert. In diesem Zusammenhang ist in der Presse von drohender Zersiedelung der Landschaft und Immobilienspekulation mit unbebauten Flächen zu lesen. Ein Blick auf die Realität an Hand eines konkreten Beispiels zeigt jedoch, dass die Grundsteuer gerade nicht dazu geeignet sein dürfte, Lenkungswirkungen gegen Spekulationen mit unbebauten Grundstücken zu entfalten: Angenommen, ein Grundstückseigentümer verfügt in guter Wohnlage von Hannover über ein unbebautes Grundstück in der Größe von 1000 qm. Verrechnet mit dem Bodenrichtwert von 500 je qm ergibt sich daraus ein Grundsteuerwert nach neuem Recht von Die darauf entfallende Grundsteuer belastet den Grundstückseigentümer allein. Wenn er das Grundstück mit Mietwohnungen bebaut, beispielsweise 3 Vollgeschosse zu 400 qm Grundfläche und einem Keller (insgesamt qm), beträgt der Gebäudewert nach dem neuen Recht rund 1,5 Mio. (935 x 1600 = ). Durch die Bebauung erhöht sich der Grundsteuerwert also von auf insgesamt 2 Mio.. Seite 4 von 5
5 Die zu zahlenden Grundsteuer für das bebaute Grundstück ist dementsprechend höher. Durch die Möglichkeit, die Grundsteuer auf die Mieter umzulegen, und zwar auch den Anteil für Grund und Boden, wird der Vermieter durch die Bebauung letztendlich aber von der Grundsteuer komplett entlastet. Er steht wirtschaftlich gesehen sogar besser dar, als der Eigentümer eines vergleichbaren unbebauten Grundstücks. Eine negative Auswirkung der Grundsteuer auf die Bautätigkeit ist also nicht zu befürchten. Bei der Besteuerung von Grundstücken geht es im Übrigen auch gar nicht um eine Lenkungswirkung. Das Ziel der Besteuerung von Grundstücken ist in erster Linie ihre fiskalische Wirkung, nämlich die Einnahmen der Kommunen sicherzustellen. Dass es dabei für die einzelnen Steuerzahler gerecht zugehen muss, ist eine Selbstverständlichkeit. Nach jahrzehntelanger Diskussion über die verschiedenen Modelle sieht der jetzt gefundene Kompromiss vor, die Grundsteuer auch künftig wertabhängig unter Einbeziehung der Gebäudewerte auszugestalten. Und dies aus gutem Grund: Denken Sie dabei nur an zwei Nachbargrundstücke, eines mit einer Villa bebaut, das andere mit einer Gartenlaube. Wenn für diese Grundstücke die gleichen Grundsteuer zu bezahlen wäre, würde dies von der Mehrheit der Bevölkerung zu recht als ungerecht empfunden. Außerdem muss es sich in der Verteilung der Grundsteuerlast widerspiegeln, wenn innerhalb einer Gemeinde Grundstücke in manchen Lagen stärker an Wert zugelegt haben als in anderen Stadtteilen. Vereinfacht gesagt zahlen gegenwärtig manche zu viel und andere zu wenig. Das wieder gerade zu rücken ist eine Frage der Gerechtigkeit und zentrales Anliegen unseres Reformentwurfs. Meine Damen und Herren, der Weg für die Vollendung der Grundsteuerreform wird noch lang. Umso wichtiger ist, dass wir uns jetzt auf den Weg begeben, denn nur ein zügiger Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens schafft Gerechtigkeit für Bürgerinnen und Bürger und gibt den Kommunen Planungssicherheit. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit! Seite 5 von 5
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