Mit Stempel und Unterschrift
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- Bettina Becker
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1 Mit Stempel und Unterschrift Dokumente zur Zwangsarbeit im Nationalsozialismus E i n e d i g i t a l e We r k s t a t t f ü r Q u e l l e n i n terpretation Lehrmaterial 27 Dokumente Arbeitsblätter Kommentare 1 Angeworben zur Zwangsarbeit, Staatsangehörigkeit: ungeklärt - Ostarbeiterin, Mit Foto und Fingerabdruck, Schleifen für den Endsieg, Zum Stellungsbau in Norwegen, Mit 16 Jahren bei Olympia in Erfurt, Nach der Sperrstunde, Als Pferdeknecht in Niedersachsen, Ohne P auf der Dorfstraße, Ausgang in Wuppertal, Familie ohne Ernährer, Einsatzfähig oder Rückführung? Grund der Rückkehr: Krankheit, Briefe als Privileg, Ich arbeite beim Bau von Holzbaracken, Schreibt bitte viel, Unter falschem Namen, Aus der Sippenhaft entlassen, Von der Nummer zum Namen, Geboren im KZ, Befreit und verdächtigt, Mit entnazifiziertem Stempel, Ich weiß und kann bezeugen, dass..., Fragen an eine Romni, Nach Flucht ins Arbeitserziehungslager, Versicherungspflicht als Raub, 2003 > 27 Was ist ein Konzentrationslager? Als Kleinkind im Ghetto, Ohne Stempel und Unterschrift, Ich kenne ein Dorf im Thüringer Land..., 1945
2 Was ist ein Konzentrationslager? 1993 Dokumente 1/7 Originalgröße: 210 mm x 297 mm (DIN A 4)
3 Was ist ein Konzentrationslager? 1993 Dokumente 2/7 Übersetzung des Dokuments: MINISTERIUM FÜR DIE SICHERHEIT RUSSLANDS VERWALTUNG FÜR DIE OBLAST PSKOW 29. September 1993 Nr. B XXXXX. Stadt Pskov BESCHEINIGUNG ausgegeben an den Bürger B., geb. 1933, um zu bestätigen, dass er im Februar 1944 zwangsweise von den faschistischen deutschen Aggressoren in das Gebiet Deutschlands deportiert worden ist, wo er sich bis Mai 1945 in einem Konzentrationslager aufgehalten hat. Vergehen gegen die Heimat hat er im angegebenen Zeitraum nicht begangen. Die Bescheinigung wurde auf der Grundlage der im Archiv des Sicherheitsministeriums der russischen Föderation (UMB RF) befindlichen Archivmaterialien ausgestellt. Der Chef der Unterabteilung (Unterschrift) A.A. Zverev. runder Stempel links: Ministerium für die Sicherheit Russlands Verwaltung für die Oblast Pskow eckiger Stempel rechts: Kopie beglaubigt Fachmann: (Unterschrift)
4 Arbeitsblätter 3/7 Was ist ein Konzentrationslager? Das Dokument konstatiert, das der Bürger B. im Mai 1945 aus einem Konzentrationslager befreit wurde. Aus anderen Dokumenten wissen wir, dass Herr B. als 11-Jähriger in der Stadt Pritzwalk Zwangsarbeit leisten musste und dort auch untergebracht war. Überprüfen Sie die Aussage des Ministeriums für die Sicherheit Russlands. Das Gesetz der Stiftung EVZ hat nach verschiedenen Kriterien festgelegt, welche Entschädigungssummen für welche spezifischen Formen der Zwangsarbeit gezahlt werden. Erkundigen Sie sich, wie diese Kriterien und Festlegungen entstanden sind. Besonders hilfreich ist hierfür der Aufsatz von Lutz Niethammer, Von der Zwangsarbeit im Dritten Reich zur Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft im Abschlussbericht zur den Auszahlungsprogrammen der Stiftung EVZ (siehe Literaturhinweise). Was ein Konzentrationslager im Nationalsozialismus war, ist nicht allein eine historische, sondern ein rechtliche Frage, mit der sich Ansprüche auf Entschädigung verbinden. Das Stiftungsgesetz der EVZ hat festgelegt, dass nicht nur die NS-Opfer, die in einem KZ Zwangsarbeit leisten mussten, Geld nach der Kategorie A erhalten sollten, sondern auch diejenigen, die in KZ-ähnlichen, anderen Haftstätten gefangen waren. Damit erweiterte die Stiftung den Kreis der Antragsberechtigten. Die alte KZ-Definition, die sich noch auf das Bundesentschädigungsgesetz bezog und dabei auf Kriterien zurück griff, die 1945 durch den Internationalen Suchdienst des Internationalen Roten Kreuzes festgelegt worden waren, ist somit für die humanitären Zahlungen der Stiftung EVZ revidiert worden. Erkundigen Sie sich über weitere Details und Hintergründe im eigens erarbeiteten Online-Haftstättenverzeichnis der Stiftung EVZ. Beachten Sie, dass dieses Verzeichnis nicht die zehntausenden Zwangsarbeiterlager umfasst, in denen die meisten ausländischen Zivilarbeiter untergebracht waren. 4 Der Zwangsarbeiter B. musste in Pritzwalk für die Deutsche Reichsbahn arbeiten. Wie viele Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter hat die Deutsche Reichsbahn in Ihrer Region zwischen 1939 und 1945 beschäftigt? Erste Hinweise für vertiefende Recherchen lassen sich gewiss mit Hilfe des Internets ermitteln, eine Fährte führt zum Beispiel nach Niedersachsen zur Ausstellung Auf der Spur europäischer Zwangsarbeit. Südniedersachsen Welche Rolle spielte die Deutsche Reichsbahn im System der NS-Zwangsarbeit? Wie geht die Deutsche Bahn AG mit dieser Geschichte um? Welche Rolle spielt dabei das Argument der Rechtsnachfolgeschaft?
5 Arbeitsblätter 4/7 Literaturhinweise Michael Jansen, Günter Saathoff (Hg.), Gemeinsame Verantwortung und moralische Pflicht. Abschlussbericht zu den Auszahlungsprogrammen der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft, Göttingen Lutz Niethammer, Haben wir bei der Zwangsarbeiterentschädigung den Wahrheitsauftrag verfehlt?, in: Hans-Christoph Seidel, Klaus Tenfelde (Hg.), Zwangsarbeit im Europa des 20. Jahrhunderts. Bewältigung und vergleichende Aspekte, Essen 2007, S
6 Kommentare 5/7 Was ist ein Konzentrationslager? Wie lautet das russische Schreiben übersetzt? Wie wurde die Bescheinigung bewertet? War Herr B. Zwangsarbeiter in einem KZ? Was ist ein KZ? Antworten und ihre Folgen Vergehen gegen die Heimat? 1 Wie lautet das russische Schreiben übersetzt? MINISTERIUM FÜR DIE SICHERHEIT RUSSLANDS VERWALTUNG FÜR DIE OBLAST PSKOW 29. September 1993 Nr. B XXXXX. Stadt Pskov BESCHEINIGUNG ausgegeben an den Bürger B., geb. 1933, um zu bestätigen, dass er im Februar 1944 zwangsweise von den faschistischen deutschen Aggressoren in das Gebiet Deutschlands deportiert worden ist, wo er sich bis Mai 1945 in einem Konzentrationslager aufgehalten hat. Vergehen gegen die Heimat hat er im angegebenen Zeitraum nicht begangen. Die Bescheinigung wurde auf der Grundlage der im Archiv des Sicherheitsministeriums der russischen Föderation (UMB RF) befindlichen Archivmaterialien ausgestellt. Der Chef der Unterabteilung (Unterschrift) A.A. Zverev. runder Stempel links: Ministerium für die Sicherheit Russlands Verwaltung für die Oblast Pskow eckiger Stempel rechts: Kopie beglaubigt, Fachmann: (Unterschrift) runder (unleserlicher) Stempel
7 Was ist ein Konzentrationslager? 1993 Kommentare 6/7 2 Wie wurde die Bescheinigung bewertet? Die Bescheinigung aus dem russischen Ministerium wurde 2002 als Beleg für Zwangsarbeit in einem Konzentrationslager eingereicht. Für Zwangsarbeit in KZs waren Zahlungen der Stiftung EVZ in der entsprechend höchsten Kategorie A vorgesehen, ca Euro. Allerdings genügte das Schreiben nicht den inhaltlichen Anforderungen und Prüfkriterien der Stiftung. Für eine Gefangenschaft in einem Konzentrationslager musste jeder ehemalige Zwangsarbeiter und Häftling genaue Nachweise erbringen. Für solche Belege boten die Archive der KZ-Gedenkstätten, das Archiv des Internationalen Suchdienstes sowie natürlich auch Staats-, Stadt- und Gemeindearchive ihre Unterstützung an. Rückfragen zum konkreten Ort der Zwangsarbeit von Herrn B. ließen bei den Prüfteams der Stiftung EVZ Zweifel aufkommen, dass er KZ-Häftling gewesen war; siehe dazu die weiteren Kommentare. 3 War Herr B. Zwangsarbeiter in einem KZ? Herr B. war Zwangsarbeiter in Pritzwalk. Er musste im Alter von 11 Jahren in der brandenburgischen Stadt für die Deutsche Reichsbahn arbeiten; Pritzwalk ist bereits in den 1940er Jahren Knotenpunkt mehrerer Bahnstrecken gewesen. In Pritzwalk gab es kein Konzentrationslager oder KZ-Außenlager. Als Ostarbeiter bei der Reichsbahn wird der 11-Jährige vermutlich schreckliche Erfahrungen gemacht haben. Die Deutsche Reichsbahn beschäftigte zehntausende Zwangsarbeiter, zum Beispiel in Reichsbahnausbesserungswerken oder für die Be- und Entladung von Gütertransporten. Ab 1943 wurden wie im Fall von Herrn B. auch Kinder und Jugendliche zum Reichseinsatz rekrutiert. Wir wissen, dass sowjetische Arbeitskräfte verglichen mit Zwangsarbeitern aus anderen Ländern oft unter den härtesten Arbeits- und Lebensbedingungen zu leiden hatten. Sie erhielten weniger Essen, wurden schlechter medizinisch versorgt und waren in meist überfüllten, bis 1943 zudem noch streng bewachten Lagern untergebracht. Tief verwurzelte, rassistische Feindbilder unter den Deutschen führten zu besonders brutaler Behandlung und alltäglicher Diskriminierung. Doch für die Bewilligung einer Entschädigungszahlung in der Kategorie A für KZ-Häftlinge fehlte in diesem Fall die sachliche Grundlage. Die Arbeits- und Lebensbedingungen für Sklavenarbeiter in Konzentrationslagern waren noch einmal ungleich härter und mit weit höherem Todesrisiko verbunden als die für zivile Zwangsarbeiter. Für diese Unterschiede gab es auch administrative Gründe: KZs und ihre Außenlager unterstanden der Inspektion der Konzentrationslager, die zum SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt gehörte. Die Lager für Zivilarbeiter wurden nicht von der SS bewacht. Unterbringung, Überwachung und Kontrolle der Fremdarbeiter stand in der Verantwortung der Firmen, die ausländische Arbeitskräfte bei den Arbeitsämtern beantragt hatten.
8 Was ist ein Konzentrationslager? 1993 Kommentare 7/7 4 Was ist ein KZ? Antworten und ihre Folgen In der Sowjetunion und im postsowjetischen Russland wurden mit dem Begriff Konzlager oft alle Lager bezeichnet, die es in Nazi-Deutschland gab. Viele der als Ostarbeiter besonders brutal behandelten Zwangsarbeiter hatten erlebt, dass sie als Opfer nationalsozialistischer Verfolgung in der Sowjetunion weder gesellschaftlich anerkannt noch entschädigt wurden. Die Entschädigungsprogramme ab den 1950er Jahren haben osteuropäische NS-Opfer wegen des Kalten Krieges nie erreicht. In der Sowjetunion wurden einstige Zwangsarbeiter verdächtigt, freiwillig für die Deutschen gearbeitet und mit den Feinden des Kommunismus kollaboriert zu haben. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass für viele ehemalige Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion alle deutschen Lager pauschal als KZs gelten. Denn ein Konzentrationslager steht für größtes Unrecht, dass nun endlich auch sie individuell anerkannt und entschädigt haben wollten. Die Stiftung EVZ legte Wert darauf, an den nach langen internationalen Diskussionen festgelegten Kriterien für Zahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter festzuhalten. Das enttäuschte viele der Opfer. Einstige Zwangsarbeiter waren der Meinung, dass nur die höchste Entschädigungssumme für ihr hartes, lange Zeit überhaupt nicht anerkanntes Schicksal angemessen sei. 5 Vergehen gegen die Heimat? Herr B. musste sich nach der Befreiung durch den NKWD geheimdienstlich überprüfen lassen. In dem Satz Vergehen gegen die Heimat hat er im angegebenen Zeitraum nicht begangen schwingt auch 1993 noch das Echo solcher Verdächtigungen mit.
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