HOLZBAUER. Mit Handwerk zur Kür. Wir FOKUS. Richard Jussel, Geschäftsleiter der Blumer-Lehmann AG, widmet sein Leben dem Werkstoff Holz SEITE 7

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1 Wir NOVEMBER HOLZBAUER FOKUS Mit Handwerk zur Kür Richard Jussel, Geschäftsleiter der Blumer-Lehmann AG, widmet sein Leben dem Werkstoff Holz SEITE 7 BAUEN IM BESTAND Ersatzneubau im Dorfkern von Bad Ragaz SEITE 13 BACKSTUBE AUS HOLZ Ein Holzbau für die Lebensmittelproduktion SEITE 18 BIM BEGINNT IM KOPF Building Information Modeling erreicht die Holzbaubranche SEITE 33

2 AUSGABE VORWORT/INHALT 3 Liebe Leserinnen und Leser BAUEN Besuch bei Bäumen 7 Geschäftsleiter Richard Jussel legt weite Wege zurück Bauen im Bestand 13 Ein Ersatzneubau fügt sich harmonisch ins Dorfbild Holz für die Backstube 18 Natürlich: Bauen mit Holz im Lebensmittelbereich Ein Turm wie ein Baum 23 Der Randen-Turm integriert sich in ein Waldgebiet BEWEGEN Gebaut wird immer 29 «Rettung durch Technik?», fragt der Swissbau Focus 23 Laubholz statt Stahl 30 Filigraner Buchenholz-Pavillon zeigt neue Möglichkeiten auf BIM beginnt im Kopf 33 Die Digitalisierung hat die Bauindustrie erreicht BILDEN Holzklasse 44 Zwischen Theorie und Praxis Aufsteigen im Treppenbau 48 Mitarbeiterqualifikation im Treppenbaukurs 2016 Holz und die Welt 4 Marktplatz 50 Kurz & bündig 75 Agenda & Interna «Entscheidend ist das Handwerk», sagt einer, der es wissen muss. Die Liste der Leuchtturmprojekte, die Richard Jussel in seiner Laufbahn als Geschäftsführer der Blumer-Lehmann AG bereits schweiz- und weltweit realisieren durfte, ist lang. Und die Namen der Architekten, mit denen er schon zusammengearbeitet hat, sind gross. Doch für einen Holzbauer wie Jussel liegt der Reiz nicht im Renommee, sondern immer in der Konstruktion ob nun bei einem einfachen Modulbau, einem vorelementierten Gebäude oder einem Spezialobjekt in Freiform. Ähnlich sieht es bei den weiteren Holzbauprojekten aus, die wir in dieser Ausgabe vorstellen. Auch hier galt es für die Planer und Holzbauer, jeweils besondere bauliche Herausforderungen zu meistern. Da ist einmal der überzeugende Ersatzneubau im engen dörflichen Bestand von Bad Ragaz, dann die Holzhalle für eine Lebensmittelproduktion im Thurgau und schliesslich noch die baumhohe Konstruktion eines Aussichtsturms auf dem Randen, abgeschaut von der Natur. Mit crossmedialem 1:10 i + Content auf wirholzbauer.ch Fotos Pläne Video Zusatzinfos Dorothee Bauland, Verlagsleiterin Pro Holzbau Schweiz

3 AUSGABE BAUEN 7 «ICH GEHE WEITE WEGE, UM EINEN BAUM ZU BESUCHEN» Im Jahr 1875 hat die Familie Lehmann im Erlenhof in Gossau den Grundstein für heute sieben holzverarbeitende Firmen gelegt. Das sind 140 Jahre Faszination für Holz, die Richard Jussel, Geschäftsleiter der Blumer-Lehmann AG, auch ganz privat teilt. TEXT MARLIES KECK FOTOS MARKUS LAMPRECHT, BLUMER-LEHMANN AG

4 8 WirHOLZBAUER Das Verbandsmagazin von Holzbau Schweiz Mit der Seilbahn auf die Baustelle? Für die Blumer-Lehmann AG kein Problem. «Mit 1600 Fahrten wurden 3600 Tonnen Material auf den Chäserrugg geführt», beschreibt Geschäftsleiter Richard Jussel den unkonventionellen Transport (siehe auch «Wir Holzbauer» 5/15). «Bei Trägerlängen bis zu 23 Metern und laufendem Bergbahnbetrieb alles andere als einfach.» Der Stolz über das nachhaltige Vorgehen ist ihm ins Gesicht geschrieben. Denn nötig wurden nur zwei Helikoptereinsätze: der eine, um den Baukran auf den Berg zu schaffen, der andere, um ihn wieder ins Tal zu befördern. Die Alpenlage auf dem östlichsten der sieben Churfirsten war für die Holzbauer auch wetterbedingt anspruchsvoll. Der Bau, der die Handschrift des Architekturbüros Herzog & de Meuron trägt, muss Schneelasten bis zu 1200 kg/m 2 widerstehen. «Winde von 120 km/h sind auf 2262 Meter über Meer keine Seltenheit», erinnert sich Jussel an die nicht immer einfachen Bedingungen. «Aber wir freuen uns über jede Herausforderung.» Mit Handwerk zur Kür Kein Zweifel: Das im Sommer 2015 eingeweihte Gebäude auf dem Chäserrugg, welches das alte Seilbahngebäude einkleidet, ist ein weiteres Meisterwerk der Blumer-Lehmann AG. Die einstige Sägerei hat sich in den 140 Jahren kontinuierlich erweitert und gilt heute als grösster holzverarbeitender Betrieb der Ostschweiz. «Ich habe mein ganzes Leben mit dem Werk- und Baustoff Holz verbracht und viele inno vative Entwicklungen miterlebt», sagt Richard Jussel, der seit rund 32 Jahren dem Betrieb treu ist. «Was mich immer wieder begeistert, sind die kreativen Ideen der Architekten und Planer, die wir mit unserer langjährigen Erfahrung und auf technisch höchstem Niveau umsetzen dürfen.» So gehören renommierte Architekten wie Herzog & de Meuron, aber auch der japanische Stararchitekt Shigeru Ban zu den schillernden Na- Das konstruktive Highlight des Elefantenparks im Kinderzoo in Rapperswil: der Höhenweg mit speziellem Krümmungsverlauf.

5 AUSGABE BAUEN 9 men, die bei ihren Spezialbauten auf die Expertise von Blumer-Lehmann setzen. «Solche Aufträge sind quasi die Kür, bei denen wir unter dem Begriff Free Forms konstruieren und realisieren.» Dazu gehören architektonische Highlights wie der Golfclub Nine Bridges in Südkorea oder das Dach des Kilden Arts Centre in Norwegen. Doch der Standort oder das Volumen eines Bauprojekts spielen für ihn eine eher untergeordnete Rolle. «Der Reiz oder die Faszination liegt immer in der Konstruktion. Das kann ein einfacher Modulbau, ein vorelementiertes Gebäude oder ein Spezialprojekt in Freiform sein. Entscheidend ist das Handwerk.» Von Japan bis Namibia Zu Richard Jussels persönlichem Handwerk gehört neben Akquise, Kundenbetreuung und dem Führen des Betriebs vor allem auch die interne Projektierung zu Beginn eines Auftrags. «Gerade bei Spezialbauten im Ausland ist der Start in ein Projekt entscheidend. Entsprechend fällt rund ein Drittel meiner Zeit in diesen Bereich. Dazu gehören die präzise Planung der Prozesse und die genaue Abklärung der Kundenwünsche, die wir in intensiven Gesprächen mit den Bauherren und Architekten ermitteln.» Dabei sei er beruflich nicht so oft im Ausland unterwegs, wie man es vielleicht vermuten würde. Eher

6 10 WirHOLZBAUER Das Verbandsmagazin von Holzbau Schweiz Modul Zug ist als lebendiger Schulraum gestaltet und setzt mit kräftigen Farben Akzente. privat, durch sein Hobby. «Nicht nur Holz, sondern auch Bäume haben mich schon immer fasziniert. Und im Alter von etwa 15 Jahren habe ich angefangen, Baumrinden zu fotografieren. Bis heute sind ungefähr Fotografien aus aller Welt entstanden.» Sehr imposant und speziell in Form und Farbe seien vor allem der General Sherman Tree in Amerika und der Baobab in Namibia gewesen. Er war für seine Sammlung aber auch schon in Japan, Australien, Südkorea und Botswana. «Jede Baumrinde ist einzigartig und ich gehe gern auch weite Wege, um einen spannenden Baum zu besuchen», sagt er und lächelt. BLUMER-LEHMANN AG Seit Mitte des 19. Jahrhunderts bilden der Erlenhof in Gossau und der Name Lehmann eine Einheit, die seit jeher mit Holz in all seinen Facetten verbunden ist. Rund 220 Mitarbeitende setzen sich heute mit Kompetenz und Leidenschaft für das Unternehmen ein. Die Blumer-Lehmann AG entwickelt, plant, produziert und montiert Holzbauten in allen Variationen: Einund Mehrfamilienhäuser, Industrie- und Gewerbebauten, Um- und Anbauten. Spezialgebiete sind modulare Gebäude sowie weltweit umgesetzte Freiformprojekte. blumer-lehmann.ch Himmapan und Klothoide Unsichtbar und daher unerreichbar für Richard Jussels Fotokamera sind die Rinden respektive Bäume im Himmapan, dem Märchenwald aus der thailändischen Mythologie. Dieser Märchenwald hat die Familie Knie zum neuen Elefantenpark in ihrem Kinderzoo in Rapperswil inspiriert. Die Blumer-Lehmann AG hat das Thai-Restaurant mit Lounge als Ausgangspunkt, den Höhenweg sowie die Treppen, Bodenbeläge und Geländer geplant und ausgeführt. Der Himmapan am Rande des Himalajagebirges ist voller Fabelwesen und soll in Rapperswil die grossen und kleinen Besucher des Zoos gleichermassen faszinierend in die Welt der Elefanten geleiten: Ein spektakulärer Höhenweg führt hautnah an die Elefanten heran. «Ein interessantes Detail beim Elefantensteg ist, dass die Kurven als Klothoide konstruiert sind, also als Kurven mit einem speziellen Krümmungsverlauf, der vor allem aus dem Strassen- und Eisenbahn bau bekannt ist», erklärt Richard Jussel. «Für den Höhenweg haben wir Teile als Trogbrücken mit Spannweiten bis zu 14 Metern im Werk vorproduziert. Ein grosser Teil der Arbeit wurde aber vor Ort im Detail individuell gefertigt.» Dazu brauche es aber nicht nur das Verständnis

7 AUSGABE BAUEN 11 Spektakulär: Das tief hinunterreichende Dach auf eng gestellten Stützen ist das dominierende Element des Gipfelgebäudes Chäserrugg. für den Rohstoff Holz, das Prozesswissen für die Konstruktion und Produktion, sondern auch neue Ideen und Lösungen. Kreativ innovativ Zu diesen Lösungen gehören auch metallfreie Holzverbindungen für den Mehrgeschossbau, wie etwa die buchenholzverstärkten Stützen und Buchenholzbolzen, die beim siebengeschossigen Bau der Tamedia in Zürich zum Einsatz kamen. «Laubholz begleitet uns seit Jahren und wir verwenden für Tragkonstruktionen auch gerne mal Buche und Hartholz. Es ist fantastisch, dass die ETH Zürich das Laubholz nun so intensiv erforscht und immer mehr KTI-Projekte entstehen», sagt Richard Jussel im Hinblick auf das House of Natural Resources, welches dieses Jahr den Laubholzpreis Prix Lignum gewonnen hat. «Es ist klar, dass wir nicht auf Fichte und Tanne verzichten können. Nur leider ist es so, dass Nadelholz in unseren Wäldern jährlich um fast ein Prozent abnimmt. Gut, dass das überschüssige Laubholz nun zu einer valablen Alternative im Holzbau wird.» Als innovativ gelten auch die nutzerfreundlichen Modulbau-kon zepte, wie sie von der Blumer-Lehmann AG vor allem mit der 2013 fertiggestellten neuen Produktionshalle erarbeitet werden. «Wir erstellen da in erster Linie temporär genutzte Modulbauten, die kurzfristig in verschiedenen Ausbaustufen oder schlüsselfertig geliefert werden und nach einer Standzeit von mehreren Jahren wieder demontiert werden können.» Danach lassen sie sich an anderer Stelle erneut aufbauen. «Gerade für Schulen und Kindergärten ist das interessant. Wir haben bis heute sicher schon über 100 Modulschul häuser gebaut.» Gradlinig und klar Mit der neuen Produktionshalle hat sich auch der Wunsch der Firmenleitung nach einem klaren und strukturierten Prozess erfüllt. Einer der Vorteile der neuen Fertigungslinie seien unter anderem auch die sichtbaren Produktionsabläufe an klar definierten Stationen. «So weiss jeder, wo ein Arbeitsgang beginnt und wo er endet. Der Projektleiter kann zielgenau kontrollieren und kommunizieren.» Eine Arbeitsweise wie für Holzbauer gemacht. «Wir Hölzigen haben es gerne gradlinig und klar. Da sind wir ähnlich wie die Schwinger», sagt Jussel, der in jungen Jahren selbst im Sägemehl zu Hause war. Auch die Kameradschaft untereinander sei vergleichbar. «Wir haben sehr viele langjährige Mitarbeiter, also 20, 30 und 35 Jahre Betriebszugehörigkeit. Da entstehen Freundschaften, die wir über die regelmässigen Betriebsfeiern hinaus pflegen.» Und die Kombination von Handwerk, Innovation und Kameradschaft ist wohl die Faszination, die Blumer- Lehmann ausmacht.