60 / bergundsteigen #92 / herbst 15
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- Marie Günther
- vor 6 Jahren
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1 Martin Schwiersch ist Diplompsychologe, Psychotherapeut und Bergführer. Halbautomaten Im vergangenen Jahr hat Thomas Lammel mit seinen Beiträgen in bergundsteigen eine längst überfällige Diskussion über die Vor- und Nachteile von dynamischen und halbautomatischen Sicherungsgeräten ausgelöst. Inzwischen herrscht weitgehende Einigkeit wo v.a. Tuber Sinn machen und wo nicht und nachdem der ÖAV bereits im vergangenen Herbst seine Empfehlung dazu veröffentlicht hat, gibt es nun jene vom DAV. Um die Sache nicht zu verkomplizieren und damit den Großteil der Klettergemeinde zu verwirren, gibt es seit September darüberhinaus einen Entwurf für eine gemeinsame, einheitliche Empfehlung des Club Arc Alpin (CAA), dem Dachverband von acht Bergsportverbänden des Alpenbogens. Martin Schwiersch fasst diese Genesen zusammen, bevor Stefan Winter den gemeinsamen Entwurf vorstellt. 60 / bergundsteigen #92 / herbst 15
2 Halbautomaten Damit Fehler nur Fehler bleiben. v von Martin Schwiersch Die Alpenvereine von Südtirol (AVS), Frankreich (FFCAM), Italien (CAI), Deutschland (DAV), Liechtenstein (LAV), Österreich (ÖAV), Slowenien (PZS) und der Schweiz (SAC) empfehlen zum Sichern in Einseillängenrouten in der Halle und draußen ab sofort Sicherungsgeräte mit Blockierunterstützung, vulgo Halbautomaten. Eine entsprechende Empfehlung des Club Arc Alpin wurde gerade eben (September 2015) verabschiedet. Eine internationale öffentliche Empfehlung also, die sich an alle Mitglieder richtet und darüber hinaus normativ wirkt, da die Alpenvereine als Fachsportverbände den Stand der Kunst der Sicherungstechnik beim Klettern definieren, ist ein großer Schritt. Was legitimiert ihn? e Entwicklung Ich möchte einen kurzen persönlichen Ausflug in die Geschichte der Partnersicherung machen: Als junger Kletterer, der vor gut 40 Jahren in der Jugendgruppe des DAV ausgebildet wurde, war ich stolz darauf, mit der Karabiner-Kreuz-Sicherung die dunklen Zeiten der Schultersicherung hinter mir gelassen zu haben. Als dann die Halbmastwurf-Sicherung (HMS) aufkam, war ihr Vorteil klar zu erkennen, denn die Kreuz-Sicherung musste immer wieder neu justiert werden, wenn der Nachsteiger am Stand vorbeigestiegen war; die HMS jedoch hatte zwei klar definierte und praktisch gut unterscheidbare Bremsstufen. Mit dem Sportklettern kam dann die Achtersicherung in Mode, seitens der Profis mit quer gelegtem Achter, was die Seilausgabe immens erleichterte. Bis zu diesem Zeitpunkt führten Vorläufer des Tuber (z.b. die Stichtplatte), abgesehen von England, wo die Kletterer aufgrund der teilweise weit über die Wand verteilten mobilen Sicherungen mit Doppelseiltechnik sichern mussten, ein Schattendasein. Das Grigri als nächste relevante Entwicklung war zunächst rein als Toprope-Sicherungsgerät gedacht gewesen. Findige Nutzer fanden schnell heraus, dass man damit lässig im Vorstieg sichern kann und sie wussten auch, dass das Blockieren der Bremsmechanik keine gute Idee war. So wurde für das Vorstiegssichern mit Grigri zunächst die Goldene Punkt -Methode erfunden, später dann die Gaswerkmethode und die Tube-Bedienung. Erst, nachdem das Grigri sich als erster Halbautomat bereits etabliert hatte, galt plötzlich der Tuber als das Sicherungsgerät der Wahl: Er schonte das Seil, Ausgeben und Einnehmen strengte aufgrund der geringen Seilreibung kaum an. Man konnte schnell Ausgeben, im Sturzfall gerätedynamisch sichern, Abseilen, einen Nachsteiger blockierend nachsichern (mit Plate-Funktion) und mit Doppelseil sichern endlich ein Gerät für alles. Die offensichtlichen Nachteile - die geringere Bremskraftverstärkung im Vergleich zur HMS und die nicht gegebene Blockierunterstützung (gegenüber dem Grigri) - fielen unter den Tisch. Coole Namensgebung ( Air Traffic Controller ) und das Strahlen des Schwarzen Diamanten gaben dem Gerät ein amerikanisches Flair und befreiten es vom englischen Regen. Offensichtlich muss ein Gerät von England erst in die USA wandern, um in Europa mit Handkuss genommen zu werden. Doch die Blockierunterstützung in Gestalt des Grigri war bereits in der Welt und so war es eine Frage der Zeit, bis weitere Halbautomaten auf den Markt kamen, was sie auch taten. Für den Nutzer und auch die Alpenvereine wurde die Situation unübersichtlich. Vorbei die goldenen Zeiten der HMS als allein selig machender Methode, Nutzer hatten nun die Qual der Wahl und Ausbilder standen vor der Frage: Was bei wem ausbilden und was wem empfehlen? Diese Situation konnten die alpinen Verbände nicht einfach weiter treiben lassen, wenn sie nicht zulassen hätten wollen, dass das Herzstück der Sicherungstechnik, das Sicherungsgerät und dessen Bedienung, ganz dem Gutdünken von Entwicklern, Ausbildern und Nutzern überlassen wird. 61
3 w Widersprüche Mit einer Empfehlung stehen die Alpenvereine vor mehreren Ambivalenzen: Einerseits wollen sie nicht durch Verbote einschränken, da Klettern und Sichern eigenverantwortlich durchgeführt wird und werden soll das Gutdünken des Nutzers darf also nicht so einfach angetastet werden. Zum anderen können die Alpenvereine als Fachsportverbände aber auch nicht so tun, als seien alle Entwicklungen gleich gut oder sie hätten damit nichts zu tun; sie müssen sich also positionieren - das ist die erste Ambivalenz. Die nächste ist zeitlich: Eine sicherungstechnische Entwicklung ist nie abgeschlossen, oft zeigt sich erst nach Jahren, welche Fehlentwicklungen in Neuerungen stecken. Eine Empfehlung könnte sich also als Fehler erweisen, die Alpenvereine hätten auf dem falschen Fuß Hurra geschrien. Andererseits können sie auch nicht bis zum St. Nimmerleinstag warten, bloß um nie in die Situation zu geraten, sich voreilig festgelegt zu haben. Schließlich eine dritte Ambivalenz könnte argumentiert werden, dass sich die Lehrmeinung aus Sicht des Nutzers ohnehin zu häufig ändere. Man dürfe also auf keinen Fall zu schnell unterschiedliche Empfehlungen aussprechen, immerhin würden ja Generationen von Kletterern durch sie unterschiedlich geprägt. Es drohe die Gefahr, dass Nutzer sie nicht ernst nehmen, wie Sturmwarnungen, die bei jeder leichten Brise ausgegeben werden. Die Alpenvereine haben sich in diesen Zwiespältigkeiten entschieden: Nicht alle Sicherungsgeräte sind gleich gut und die Erfahrungen mit sowie die Erkenntnisse zu Sicherungsgeräten mit Blockierunterstützung legitimieren eine Empfehlung zum jetzigen Zeitpunkt. Ob die Lehrmeinung sich zu schnell ändert, bleibt der Einschätzung des Nutzers überlassen. p Praxisbeispiele Die Gründe für die Empfehlung von Sicherungsgeräten mit Blockierunterstützung sind in vielen Publikationen, auch in bergundsteigen, ausführlich dargelegt worden (und wird im nachfolgenden Abschnitt von Stefan Winter nochmals zusammengefasst). Um diese Begründung zu illustrieren, berichte ich Fälle, bei denen ich selbst Akteur oder Betroffener war: In den neunziger Jahren im Klettergebiet Nomesino am Gardasee. Ein sonniger Tag, der Fels ist gut besucht, die Wiese vor dem Einstieg ebenfalls. Ein mir unbekannter Kletterer bittet mich, ihn in einer Route (7c+) zu sichern. Er reicht mir sein nicht mehr ganz neues Seil. Ich sichere mit quer gelegtem Achter. Ich weiß, dass die ersten Meter bis zum vierten Haken sehr schwer sind, danach kommt ein Ruhepunkt an großen Griffen. Beherzt steigt mein Partner durch die Einstiegspassage, ich sichere konzentriert. Am Ruhepunkt schwingt er sein Bein als Foothook auf einen großen Griff, für mich ein eindeutiges Signal, dass er jetzt seine Arme schütteln und in der Kletterposition ruhen will. In diesem Moment höre ich rechts von mir ein herzhaftes Lachen aus mehreren Kehlen. Unwillkürlich wende ich meinen Kopf dorthin; fast gleichzeitig lassen mich ein rupfendes Geräusch vor meinem Bauchraum und ein leichter Zug am Gurt erschrecken. Reflexartig greife ich das Seil, das ich oberhalb des Achters schon schnell laufend erwische. Sofort werde ich einen Meter hochgezogen, bis knapp zu den Beinen meines Partners, der nach einem Sturz von fünf Metern zwei Meter über dem Boden zum Hängen kommt. Was war passiert? Mein Partner ließ sich unmittelbar, nachdem er das Bein hochgeschwungen hatte, nach hinten ins Seil kippen. Er wollte eben nicht in der Kletterposition, sondern im Seil ruhen. Dieses Abkippen hatte ich nicht mehr gesehen. Durch den plötzlichen Zug am Seil wurde der Achter nach vorne oben gezogen und das relativ steife Seil rutschte aus meiner Sicherungshand. Dieser Nachteil des gebrauchten Seils erwies sich als Vorteil, da es mit Geräusch und Reibung durch den Achter gezogen wurde Ich lasse mich von einem 14-jährigen Jungen, Mitglied der Sektionsklettergruppe, die ich co-leite, in einer Kletterhalle toprope an einer geneigten Platte sichern. Ich will nur ein paar Meter hochsteigen, um ihm einen Bewegungsablauf zu demonstrieren. Wir haben unserer Klettergruppe das Sichern mit Tube beigebracht. Als ich mit den Füßen gut zwei Meter über dem Boden stehe, dreht sich ein Griff. Ich rutsche ab und falle ungebremst auf den Boden, zum Glück auf meine Füße, so dass ich unverletzt bleibe. Die Bremshand des Sichernden war durch den unerwarteten Sturzzug abrupt an das Tube-Gerät gezogen und eingeklemmt worden. Durch den Schmerz hatte er das Sicherungsseil reflexhaft ausgelassen. Ich sichere meinen Partner toprope in einem Klettergebiet. Gerade hat er eine schwierige Stelle absolviert, die nun folgende Rissverschneidung ist brüchig, aber für ihn, den erfahrenen Alpinkletterer, weder seitens der Brüchigkeit noch klettertechnisch ein Problem. Ich lasse meinen Blick von meiner Sicherungskanzel oberhalb des Wildbachs in die Landschaft schweifen. Was für ein Privileg, in einer so schönen Landschaft sein zu können. Da höre ich eine Art Knacken. Als ich zum Kletterer blicke, sehe ich ihn stürzen, umgeben von mehreren kleineren Felsblöcken. Wohlweislich hatte ich mich außerhalb der Falllinie postiert. Doch erst als ich den Sturz schon gehalten habe, realisiere ich wirklich, was geschehen war. Auch er bekommt erst weiche Knie, als er sicher im Seil hängt. k Konsequenzen Wir müssen die Sicherungstechnik beim Klettern vom Menschen her denken, so wie wir ihn vorfinden. In allen zuvor geschilderten Fällen findet man vermeidbare Handlungen: Der Kletternde redet nicht mit dem Sichernden; dieser lässt sich ablenken. Die Sichernden haben das Bremshandprinzip verletzt. Der Kletterer hätte den losen Griff besser prüfen müssen 62
4 Der Deutsche Alpenverein empfiehlt ab sofort Halbautomaten für die Sicherung beim Sportklettern in Kletterhallen und Klettergärten. Sie bieten dort einen Sicherheitsvorteil gegenüber dynamischen Sicherungsgeräten. Beim Sichern hältst Du das Leben Deines Kletterpartners in den Händen! Das ist eine seit Jahrzehnten gern benutzte Aussage bei der Risikokommunikation in Kletterkursen. Anschaulich und eindringlich beschreibt sie die große Verantwortung des Sichernden für den Kletternden. Will der DAV jetzt davon abrücken? Soll etwa die Verantwortung an Halbautomaten abgegeben werden und sollen sich Sichernde zurücklehnen können, sich gar aus der Verantwortung stehlen? Nein, im Gegenteil! Die Sicherheit beim Sportklettern in Kletterhallen und Klettergärten soll gesteigert werden. Der Weg zu dieser Verständigung war lang und steil. Zu groß und vielschichtig ist mittlerweile der Klettersport, als dass eine offizielle Umstellung bei Sicherungsgeräten im Hinterstübchen beschlossen und per order mufti umgesetzt werden könnte. Der DAV nahm sich deshalb die erforderliche Zeit, diskutierte in seinen Lehrteams und Gremien, führte Studien durch, stimmte Meinungen in der Szene und auch mit dem ÖAV, SAC und AVS ab, um schlussendlich eine Empfehlung vom DAV-Präsidium verabschieden zu lassen. Die Empfehlung bildet die größtmögliche Schnittmenge aller Positionen ab, ohne den beabsichtigten Wechsel hin zu mehr Halbautomaten zu verwässern. Stehen nun Tube-Sichernde von heute auf morgen im Abseits? Nein, denn auch mit Tube kann bei korrekter Anwendung sicher gesichert werden. Es fehlt jedoch das kleine, aber entscheidende Backup, das Halbautomaten bieten. Dies in Anspruch zu nehmen, bleibt in der öffentlichen Klettergemeinde selbstverständlich der Entscheidung des Einzelnen überlassen. In den Angeboten der Sektionen soll es mittel- und langfristig zum Standard werden. Auswertungen werden zeigen, wie die Empfehlung in einigen Jahren angenommen sein wird und wie sich das langfristig auf die Unfallpyramide (Verhaltensfehler und Unfallzahlen) ausgewirkt haben wird. Die Umstellung kann nur mit Ausbildung und begleitenden Präventionsmaßnahmen gelingen. Dafür wird sich der DAV mit seinen Sektionen und Trainerinnen und Trainern in den nächsten Jahren konsequent einsetzen. Dass dies in den Nachbarländern auch so gesehen wird, zeigt die Abstimmung in der Kommission Bergsport des Club Arc Alpin, deren grundsätzliche Empfehlung auch die Basis für den DAV darstellt (den vollständigen Text der DAV-Empfehlung mit FAQs als Download gibt es unter Stefan Winter, DAV 63
5 Aber all das passiert. Ideales Sicherungsverhalten sieht anders aus, wohl wahr. Ein Ideal ist etwas, das es anzustreben gilt. Sicher aber ist es kein Boden, auf dem wir die Sicherungskette aufbauen können. Ich persönlich bin froh, ein Sicherungsgerät zu benutzen, bei dem ein Fehler, den ich begehe, ein Fehler bleiben kann. Sichern und Ablassen sind auch mit einem Halbautomaten noch Verantwortung genug. Du hältst das Leben deines Partners in der Hand das ist auch mit einem Halbautomaten wahr. Doch will ich nicht, dass eine kleine Unachtsamkeit, eine nicht ganz sauber geschlossene Bremshand über Leben oder Gesundheit meines Partners entscheiden. d Datenlage Soweit, so persönlich. Wie aber sieht die Datenlage aus? Eine Empfehlung sollte ja empirisch begründet sein, und da wäre eine klare Aussage aus Unfalldaten hilfreich wenn auch zynisch. Doch die Unfalldatenlage ist nicht so klar: Zwar zeigt sich, dass Tuber mit 70 % geringfügig mehr an Unfällen beteiligt sind, als sie es ihrer Verbreitung (gut 60 %) nach sein sollten (Unfalldaten: 161 Kletterunfälle 2012/2013 in 31 DAV Kletterhallen, die der DAV Sicherheitsforschung gemeldet wurden; Verbreitungsdaten: DAV-Sicherungsforschung 2012). Das sind die besten Daten, die in Bezug auf Kletterunfälle und Sicherungsgerät verfügbar sind. Sie haben jedoch den methodischen Mangel, dass nicht bekannt ist, ob die Häufigkeit des Tubers in den Hallen, in denen die Unfälle passierten, tatsächlich gut 60 % war. Sie könnte höher oder geringer gewesen sein. Vor allem aber lassen diese Daten die Basisrate von Unfällen außer Acht (dafür allerdings können Unfallanalysen generell nichts). Hallenklettern ist ja eine sehr sichere Tätigkeit mit 0,02 Verletzungen pro Stunden Klettern (Schöffl et al. 2013). Würde man Unfälle durch Bedienungsfehler von dynamischen bzw. halbautomatischen Sicherungsgeräten beziehen auf die jeweiligen Zeiten, mit denen z.b. in Deutschland in einem Jahr (als eine mögliche Bezugsgröße) mit ihnen gesichert wird, wären die prozentualen Unterschiede zwischen den Gerätetypen quasi zu vernachlässigen. Das bringt in der Praxis jedoch nicht weiter. Hier helfen Untersuchungen zum faktisch gezeigten Sicherungsverhalten. Auch die oben beschriebenen Fälle sind ja keine Unfälle. Sie tauchen in keiner Statistik auf, und hätten doch auch richtig schief gehen können. Verhaltensfehler aber sind der Vorläufer sicherungsbezogener Unfälle. Der Tuber an sich kann ja keine Unfallursache sein, außer z.b., er zerbricht beim Sturz. Zur Unfallursache wird seine Fehlbedienung. Wir brauchen also Beobachtungen des tatsächlich im Alltagsbetrieb gezeigten Sicherungsverhaltens. Und diese Verhaltensbeobachtungen der DAV-Sicherheitsforschung (2012) sprechen eine klare Sprache: Zunächst wurden Verhaltensfehler nach ihrer Schwere klassifiziert. Nicht alle Bedienungsfehler führen bei einem Sturz gleich zu einem Unfall, manche aber schon, z.b. die Verletzung des Bremshandprinzips. Trägt man die Häufigkeiten (Fehlerraten pro Person) derjenigen Bedienungsfehler, die eng mit potenziellen Unfällen verbunden sind (sogenannte B- und C-Fehler) bei dynamischen und Sicherungsgeräten mit Blockierunterstützung gegeneinander an, zeigt sich die in Abb. 1 (aus bergundsteigen, 1/13, S. 69) dargestellte Situation. Der Anteil potenziell unfallrelevanter Bedienungsfehler bei Sicherungsgeräten mit Blockier unterstützung liegt statistisch hochsignifikant und im Unterschied sehr deutlich unter demjenigen dynamischer Sicherungsgeräte. So weit, so klar. An diesem Unterschied kann man nicht einfach vorbei gehen. Und doch ist die Situation auch nicht einfach schwarz/weiß: Die Sicherheitsforschung des DAV konnte durch Praxistests belegen, dass mit dynamischen Sicherungsgeräten auch unerwartete Stürze i.d.r. gut abgefangen werden können, da die Führungshand den Sturz bemerkt und der Moment bis zur vollen Krafteinleitung lang genug ist, dass die Sicherungshand die Bremsposition einnehmen kann (bergundsteigen 3/14). Und umgekehrt passieren auch mit Halbautomaten Unfälle, wie Unfallmeldungen an den DAV 2014 zeigen. e Empfehlung Hier haben wir wieder eine Ambivalenz: Eine Empfehlung polarisiert, sie teilt ein zunächst offenes Feld in zwei Hälften, in die guten und die schlechteren Geräte. Die Wirklichkeit, die alle Schattierungen haben kann, droht in Schwarz oder Weiß aufzugehen. Betroffene Nutzer sortieren sich in Befürworter ( Das wurde ja auch Zeit ) und Skeptiker bzw. Gegner ( Mal sehen, was die Alpenvereine in zwei Jahren sagen ) und ein Gespräch über relevante Unterschiede läuft Gefahr, ein Schlagabtausch von Lagern zu werden. Doch hilft es vielleicht, in das Wort hinein zu hören: Eine Empfehlung ist eben auch nur eine Empfehlung, ein Rat - keine Anweisung, Verbot oder Befehl. Ein Rat richtet sich an einen freien Menschen. Der kann ihm folgen oder nicht. Natürlich beinhaltet ein Rat, dass der, der ihn gibt, sich entschieden hat, ihn auch für den besseren zu halten. Sonst würde er ihn ja nicht geben. Doch wie in anderen Lebensbereichen auch (z.b. beim Abwägen von medizinischen Eingriffen) beinhaltet er das Wissen, dass die abgelehnte Alternative auch ihre guten Gründe hat - und die gewählte Nachteile. Wird dies mitbedacht, wird klar, dass weder Selbstgerechtigkeit noch Angst gerechtfertigt sind: Sich zur Sicherungspolizei aufzuschwingen und jedem, der in der Halle einen Tuber auspackt, ein Naserümpfen zu zeigen, wird durch diese Empfehlung nicht gedeckt. Und man landet nicht zwingend vor dem Kadi, wenn man auch weiterhin ein dynamisches Sicherungsgerät verwendet (ausführlich hierzu: Peter Plattner in bergundsteigen 3/14, S. 67 ff). Möglicherweise werden juristische Abteilungen von Versicherungen eine Empfehlung beizuziehen versuchen, um im Unfallfall bei Verwendung eines dynamischen Sicherungsgeräts ein (Mit-)Verschulden des Sicherers abzuleiten. Doch sollen sich Fachsportverbände davon leiten lassen und Empfehlungen vermeiden, damit diese nicht interessengeleitet verwendet werden können? Wenn wir so handeln, opfern wir Sacheinsicht einer vorauseilenden Selbstbeschränkung. Und wir geben ein Stück unserer Sozialität preis, die auch darin besteht, uns gegenseitig zu unterstützen, das Bessere zu tun und das Schlechtere zu lassen. 64
6 Abb. 1 Gerätebezogene Fehler von Tube & Halbautomaten. Dargestellt sind die Häufigkeiten jener Bedienungsfehler beim Vorstiegssichern, welche zu potentiellen Unfällen, i.d.r. zu einem Absturz (lt. Kletterhallenstudie 2012 sog. B- und C-Fehler), führen können. Der Unterschied zugunsten der Halbautomaten ist klar ersichtlich. Fehlerrate 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 Tube, n=140 Halbautomaten, m=84 0,55 0,14 B & C-Fehler [Entwurf] Sicherungsgeräte-Empfehlung des CAA für das Sportklettern in Kletterhallen und Klettergärten Die Alpenvereine empfehlen Halbautomaten zum Sichern beim Sportklettern in Kletterhallen und Klettergärten. Der Begriff halbautomatische Sicherungsgeräte beziehungsweise Halbautomaten" bezeichnet alle Sicherungsgeräte mit Blockierunterstützung. Geräte ohne Blockierunterstützung (Tube, HMS) werden als dynamische Sicherungsgeräte bezeichnet. Ob Halbautomat oder dynamisches Sicherungsgerät: Jedes Sicherungsgerät hat in seiner Handhabung Eigenheiten. Nur wer diese kennt und beherrscht, kann korrekt sichern und dadurch Anwendungsfehler vermeiden. Qualifizierte Ausbildung und Übung sind daher unerlässlich. Beim Sichern mit allen Geräten unerlässlich: Konsequente Einhaltung des Bremshandprinzips : Die Bremshand umschließt immer das Bremsseil. Bewegungsroutine beim Seil-Ausgeben, -Einholen, -Blockieren und Ablassen Beachtung des Gewichtsunterschieds Richtige Positionierung vor der Wand Möglichst wenig Schlappseil, insbesondere beim Sichern in Bodennähe Erfahrung im Halten von Stürzen Ständige Aufmerksamkeit Stefan Winter ist Bergführer und Ressortleiter Breitenbergsport, Sportentwicklung und Sicherheitsforschung beim DAV. Nach wie vor gilt: Das schwächste Glied in der Sicherungskette ist der oder die Sichernde. Die Analyse zeigt: Unfallursache Nummer 1 ist menschliches Fehlverhalten, nicht das Sicherungsgerät. Mitglieder des CAA: Alpenverein Südtirol (AVS), Fédération Française des Clubs Alpins et de Montagne (FFCAM), Club Alpino Italiano (CAI), Deutscher Alpenverein (DAV), Liechtensteiner Alpenverein (LAV), Österreichischer Alpenverein (ÖAV), Planinska Zveza Slovenije (PZS), Schweizer Alpen-Club (SAC). 65
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