Dehler 41. fahrbericht

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1 Dehler 41 fahrbericht Schau auf die Marke Tradition verpflichtet. Aus historischen Gründen sind Teile der Führungsriege von Hanse mit der Marke Dehler emotional verbunden. Man spricht nicht darüber, aber man spürt es 40 yachtrevue 7/2012

2 FOTO: Nico Krauss/Werft Die jüngere Vergangenheit von Dehler war geprägt von Höhen und Tiefen. Erst die Übernahme durch die HanseGroup brachte die ehemalige deutsche Paradewerft wieder auf Kurs und damit es so bleibt, wird der Produktionsstandort von Freienohl ins Hanse-Stammwerk nach Greifswald verlegt. Ein logischer Schritt in wirtschaftlich harten Zeiten, emotional für viele Szene-Insider eine Zäsur, schließlich galt der Standort in Nordrhein-Westfalen jahrelang als Wiege deutscher Yachtproduktion. Die Übersiedelung erfolgt in Etappen. Ab August findet die Endfertigung der Dehler-Yachten in Greifswald statt und mit Jahresende werden die Pforten in Freienohl endgültig geschlossen. Der Kunde wird von dieser Entwicklung nicht unmittelbar profitieren, aber er durfte sich bereits nach der Wiederbelebung von Dehler durch die HanseGroup freuen: Diese stufte die ehemalige Preisgestaltung der alten Dehler-Eigentümer, die möglicherweise mit ein Grund für den Exitus der Werft war, als überzogen ein und korrigierte die Preise nach unten. Heute ist das Preis-Leistungsverhältnis der aktuellen Dehler- Palette stimmig, ohne dass es Einbußen hinsichtlich der Leistungsfähigkeit gegeben hätte. Im Gegenteil, die unter Ägide der neuen Eigentümer entstandenen neuen Yachten (Dehler 7/2012 yachtrevue 41

3 Dehler 41 fahrbericht Konstruktion: Judel/Vrolijk & Co. Werft: HanseGroup Bauweise Rumpf: Sandwich (Kern: Schaum) im Vakuuminfusionsverfahren mit Vinylesterharz (Osmoseschutz), im Kielbereich Volllaminat; Deck: Sandwich im Handauflegeverfahren (Kern: Balsa), tragende Schotten anlaminiert, alle Rumpfdurchlässe bündig, anlaminierte Bodengruppe; Kiel: Racing-T-Kiel (Gusseisen mit Bleibombe), Standard T- und L-Kiel aus Gusseisen, Ruder: freistehendes, balanciertes GFK-Ruder Serienausstattung Verjüngter am Kiel stehender 2-Salings-Alu- Mast mit Dyform Wanten, starrer Baumniederholder, Großschottraveller, V-Achterstag mit 1:48 Talje, Groß- und Genuafall aus Dyneema, Furlex TD 330 Unterdeck-Vorsegelrollreff, Flush-Decksluken im Vorschiff und Salon mit Verdunkelung und Fliegenrollo, 8 Seitenfenster, 6 zum Öffnen, Teak im Cockpit auf Sitzflächen, Badeleiter, AGM-Servicebatterie 12 V/165 Ah, AGM-Starterbatterie 12 V/90 Ah, 230 V Landstrom und 30 Amp Ladegerät. Rigg von Selden (Alu) oder Southern Spars (Karbon), Winschen von Harken, Luken von Lewmar, Beschläge von Spinlock und Harken, Radsteuerung von Jefa, Rollreff von Furlex, Ankerwinsch von Lewmar, WC von Jabsco Schwächer A steiler Niedergang A nüchternes Design Stark A Seegangs- und Segelverhalten A Deckslayout A Cockpitergonomie A Layoutvielfalt A Badeplattform Auf ein Wort Bravo Für den gelungenen Spagat zwischen Racer und Cruiser Na ja Die Optik ist gefällig, emotional berühren tut sie nur unter Segel Erstaunlich Viele Fahrtenyachten vergangener Jahre können hinsichtlich Platzangebot und Kojenbreite mit diesem Performance-Cruiser nicht mithalten Preise , Basispreis o. Segel, ab Werft, exkl. MwSt, Extras (Auswahl): Segel (North Sails, Soft Norlam Tuch, Groß und Genua im Triradialschnitt): 9.900, Spiausrüstung (Alu/Karbon): 3.250/4.740, Karbonmast und -baum mit Rod: , Maindrop-System: 1.534, Cruising Paket: Cockpittisch aus Niro mit klappbaren Tischflügeln (Teak), Springklampen versenkbar, Teak am Cockpitboden und Kajütdach, elektr. Ankerwinde mit Delta Anker (16 kg), Ankerbeschlag am Bug und 30 m Kette 8.490, Elektronik Paket: Tacktick Log/Lot/Temperatur/ Windpaket; Tacktick NMEA Interface mit Handfernbedienung und Anzeige, Instrumententräger am Niedergang, GPS Kartenplotter Simrad NSS7, 6,4 Sunview Touch-Screen; Autopilot Simrad AP 24 mit Fluxgate Kompass: 7.990, Vertrieb Südost Yachting, D Bernau, Chiemseestraße 65, Tel.: 0049/8051/ , h.neubaur@suedost-yachting.com, Yachttests zum Downloaden: Daten und Maße Rumpflänge: 12,40 m Länge Wl.: 11,50 m Breite: 3,93 m Verdrängung (Standard/Race/Cruising): 8.180/7.990/8.550 kg Ballast: 2.995/2.995/3.265 kg Großsegel: 55 m 2 Genua (106 %): 37 m 2 Spinnaker: 149 m 2 Tiefgang: 2,15/2,40/1,95 m Anzahl der Kojen: Treibstofftank (Niro): 110 l Wassertank (Niro): 295 l Kojen in Metern; Länge/Breite Kopfbereich/Breite nach 1,90 Vorschiff: 2,10/1,92/0,93 Achterkajüten: 2,05/1,50/1,31 Salon Steuerbord: 2,10/0,63/0,63 Stehhöhen salon bei Niedergang, ansonsten Mittelwerte Salon: 1,92 Achterkajüte: 1,92 Vorschiff: 1,83 Nasszelle (achtern): 1,93 Motor Serie: Volvo Penta D2-40, 4 Zyl., 1.510cm 3, 38 PS bei U/min, Saildrive, 3-Flügel-Festprop Testschiff: Volvo Penta D2-40, 4 Zyl., 1.510cm 3, 38 PS bei U/min, Saildrive, 2-Flügel-Faltpropeller von Gori Fahrleistungen , Fahrt in Knoten 6,2 6, Drehzahl in U/min Lärmpegel Salon 74 db Achterkajüte 75 db Gemessen bei ca. 70 % der Maximaldrehzahl, hier bei U/min Der Motor hat reichlich Luft zum Atmen und der jeweilige Servicemann reichlich Platz zum Arbeiten Testbedingungen: Windstärke 10 bis 20 Knoten, Seegang: 1, Dauer: 1 Tag, Ort: Barcelona 7,5 7,9 8,0 Vollgasdrehzahl 42 yachtrevue 7/2012

4 FOTOS: Karl Dehler (1), Roland Duller (4) Selten bringt eine Werft im Cockpit Komfort und Sportlichkeit so harmonisch unter einen Hut: Die klappbare, riesige Badeplattform muss man nicht nehmen, aber wer wird schon darauf verzichten? Neben der Ergonomie ist das Steuerverhalten hervorzuheben, das jedem Vergleich mit der Oberliga in dieser Klasse standhält 32 und 41) machen auf Regattabahnen gute Figur. Das war auch die explizite Forderung der Werft an Judel/Vrolijk & Co. wie ein Auszug aus dem Designbrief der Dehler 41 beweist: Das Boot soll die Anforderungen an einen Cruiser und Racer optimal abdecken und als Cruiser/Racer unter ORC und IRC konkurrenzfähig sein. Flotter Kompromiss Der Rumpf der Dehler 41 wurde mithilfe von Strömungsanalysen entwickelt. Die Abstimmung zwischen Rumpfform, Segelmaßen, aufrichtendem Moment sowie Kiel und Ruderform ermittelten Judel/Vrolijk & Co. durch zahlreiche ORC/ IRC-Testrechnungen. Hier wurde viel Detailarbeit geleistet um das jeweilige Vermessungssystem möglichst auszureizen. Das Ergebnis ist ein Rumpf mit moderater Breite und vollem U-Spant, der je nach Zielgruppe mit CFD-optimierten T-Kielen (2 Längen: Standard/ Race) oder einem L-Kiel (Cruiser) kombiniert wird. Ähnliches gilt für das Rigg, das entweder aus Alu mit hochwertigen Dyform-Wanten oder Karbon und Rod besteht. Deck, Cockpit und Beschlagslayout orientieren sich in beiden Versionen an sportlichen Bedürfnissen, ohne dass Komfort zu kurz kommt. Der verjüngte Mast ist an außen an der Deckskante liegenden Püttings verstagt und lässt sich via Achterstagtalje effektiv trimmen, ein Traveller am Boden vor den Rädern nützt die gesamte Cockpitbreite und die Rollrefftrommel der Genua befindet sich unter Deck. Position und Dimension der Winschen sind auch in der Cruising- Variante ordentlich. Die Genua wird via mittig auf den seitlichen Sülls montierten Winschen mit Blick nach vorne getrimmt, das Groß via beidseits unter den Seitendecks nach achtern umgelenkten Schoten. Die unmittelbar vor dem Rad positionierten Winschen können ebenso wie der Traveller vom Großschottrimmer perfekt bedient werden und falls der Steuermann im Cruising-Modus nicht auf fremde Hilfe zählen kann, packt er eben selbst zu. Dem Komfortanspruch trägt Dehler auf mehrfache Weise Rechnung: n Ergonomie: Die seitlichen Sülls sind gerundet und ideal geneigt. Sitzt man auf der Bank, finden die Füße unten am Cockpittisch Halt, thront man bei Lage auf den Sülls, kann man sich an der in der Sitzfläche integrierten Vertiefung im GFK abstützen. Nur ein kleines Kreativ. Manuell absenkbare Badeplattform als Extra Sauber. Innenliegende Genuaschiene, Großschot führt unter Deck nach achtern Funktionell. Traveller nützt komplette Breite, Plotter im Tisch, Fußstützen Platzsparend. Klappsitz in Badeplattform Geschmackssache 7/2012 yachtrevue 43

5 Dehler 41 fahrbericht So wohnlich sind die neuen Performance- Cruiser: Salon mit Klapptisch, Achterkajüte mit Kojen im Kingsize-Format, Bugkajüte wahlweise mit Insel- oder konventionellem Bett. Der Naviplatz lässt sich verschieben, die dadurch entstehende Koje mit einstellbarem Kopfteil! bietet echten Mehrwert FOTOS: roland duller Detail, das aber auf keiner Yacht fehlen sollte. Besonders wichtig ist dies im Zeitalter breiter Hecks, weil auch die Flugstrecke im Fall des Falles deutlich länger geworden ist. n Badeplattform: Die für eine Yacht dieses Genres riesige Badeterrasse steigert den Freizeitwert. Je größer, desto besser, lautet hier die Devise. Im Fall der Dehler 41 kann man sie nehmen, muss aber nicht. Regattasegler werden darauf verzichten, sportliche Fahrtensegler kaum. Wer verschenkt schon freiwillig wertvollen Lebensraum? Weiters praktisch: aufklappbare, innen an der Plattform montierte Sitze für den Steuermann. n Cockpittisch: Der kombinierte Niro-Holz-Tisch mit Plotterhalterung und massiven Haltegriffen ist formschön und funktionell. n Luken: Zwei Luken am Kajütdach lassen sich jeweils in die andere Richtung öffnen. Das ist intelligent, weil sich dadurch die Chance erhöht am Liegeplatz Wind und damit Frischluft einzufangen. Auf der Piste Schon am Liegeplatz fiel die Leichtgängigkeit der Jefa-Steuerung auf. Tipp: Das lässt sich bei jeder Yacht bereits am Liegeplatz prüfen. Drehen die Räder im Stand wie in Butter, darf man auf positive Fortsetzung beim Segeln hoffen. Die Erfahrung lehrt, dass es umgekehrt genauso funktioniert: Schwergängige Räder werden auch unter Segeln nicht leichtgängig. Die Vorzeichen im Fall der Dehler 41 standen somit gut. Es wehte mit zehn Knoten, später frischte es auf zwanzig auf. Obwohl wir die Cruising- Version unter den Füßen hatten, kehrte die 41 die Sportlerin hervor. Die Ruderanlage, die schon beim Ausparken im Hafen gefiel, imponierte noch mehr am freien Wasser: Angenehmes Handling, feines Steuergefühl, unmittelbare Reaktion auf Lenkbewegungen und permanenter, je nach Wind in Stärke und Intensität wechselnder, Ruderdruck machte das Segeln zum Vergnügen. Im Gegenzug zur allgegenwärtigen Präzision verlangte die 41 konzentriertes Steuern. Auf Unaufmerksamkeiten reagierte sie leicht verschnupft in Form spürbaren Geschwindigkeitsverlustes. Das für derartige Yachten typische Verhalten resultiert aus schmalen Kielund Ruderprofilen. Die Dehler 41 hat aber mehr zu bieten als ein geschmeidiges Gefühl am Rad. Perfekte Sicht auf die Fäden in der Genua durch den Rudergänger, bequeme Sitz- und Stehposition hinter dem Rad mit guten Abstützmöglichkeiten und Winschen, deren Position ausschließlich die Funktionalität zugrunde liegt. Und siehe da, die Yacht kann auch mit diesem sportlichen Layout von kleiner Crew bewegt werden. In Wahrheit sogar besser als viele angeblich auf kleine Mannschaften zugeschnittene Fahrtenyachten. Der positive Gesamteindruck lässt sich auch mit respektablem Zahlenmaterial belegen. Die Dehler bewegte sich bereits bei 10 Knoten Wind behände durch die leicht aufgewühlte See vor Barcelona. Wendewinkelmessungen ergaben 80 Grad, das entspricht 40 Grad am wahren Wind, wobei die Geschwindigkeit zwischen 6,3 und 6,5 Knoten pendelte. Als Wind und Wellen in Stärke und Höhe zulegten, wurde auch die Gangart forscher. Entschlossen und souverän pfiff die Yacht durch mittlerweile ruppige See. 7,1 Knoten waren der Bestwert an der Kreuz. Doch es sind nicht die Zahlen, die beeindrucken, sondern die Kompaktheit des Gesamtpaketes, das ohne Knarren und Ächzen einfach die Muskeln anspannte und aufs Tempo drückte. Das macht nämlich richtig Spaß. 44 yachtrevue 7/2012

6 Variantenreich Die vergleichsweisen schlanken Performance-Cruiser profitieren von den neuen Rümpfen, die achtern fast so breit sind wie in der Mitte, mehr als reine Fahrtenyachten. Insbesondere die Kojenbreiten können sich sehen lassen. Im Fall der Dehler wird der dadurch gewonnene Raum vielfältig genützt. Drei Varianten stehen zur Wahl: n Zwei Kajüten achtern mit breiten Doppelkojen und Nasszelle ohne separaten Duschbereich. n Stauraum statt Backbord- Kajüte, dafür Nasszelle mit separatem Duschraum. Zugang durch Dusche. n Backbordkajüte mit Nasszelle inklusive separatem Duschraum und Zugang durch Dusche. Die Bugkajüte gibt s mit oder ohne Nasszelle sowie V- Koje oder Inselbett. Die Testschiff-Variante mit V-Bett, zwei Nachtkästchen davor, Hängeschrank, offenen Schapps und ohne Nasszelle passte gut zum Charakter der Yacht. Doch wie immer in diesen Dingen entscheiden persönliche Vorlieben und Bedürfnisse. Da tut es gut zu wissen, dass man trotz Serienfertigung sein persönliches Layout zusammenstellen kann. Der Salon wird von einer U- Bank mit Klapptisch und der gegenüberliegenden Bank mit Naviplatz dominiert. Die geänderten Anforderungen beim Navigieren ermutigen Innendesigner immer öfter zu kreativen Lösungen. Der Navitisch wird verschoben oder abgesenkt und am Ende steht man meist vor eine Zusatzkoje. Bei der Dehler wird der Kartentisch verschoben, das ist noch keine Überraschung, eine coole Lösung ist jedoch der aufklappbare Kopfteil der Koje, ein wirklich bequemes Feature. Die Atmosphäre lebt vom Kontrast des dunklen Mahagonis mit hellen Verkleidungen und am Abend macht indirekte, dimmbare Beleuchtung Stimmung. Alternativ zum Mahagoni kann für den Innenausbau auch Teak geordert werden und hinsichtlich Farbe und Qualität der Sitzbezüge ist man ganz im Stil der HanseGroup gewohnt flexibel. Resümee Das Judel/Vrolijk-Design ist eine Yacht mit außergewöhnlich guten Segeleigenschaften und wird zu einem Preis angeboten, den man fast als Schnäppchen bezeichnen möchte. Von der irrwitzigen Forderung der vormaligen Dehler-Eigner, die die Marke auf Augenhöhe mit Swan bringen wollten, ist in der Hanse- Group keine Rede mehr. Und das ist gut so. Roland Duller 7/2012 yachtrevue 45