Imke Niediek. Das Subjekt im Hilfesystem
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- Daniela Hofmeister
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1 Imke Niediek Das Subjekt im Hilfesystem
2 Imke Niediek Das Subjekt im Hilfesystem Eine Studie zur Individuellen Hilfeplanung im Unterstützten Wohnen für Menschen mit einer geistigen Behinderung Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Bettina Lindmeier
3 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über < abrufbar. Zugl. Dissertation Leibniz Universität Hannover, Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten VS Verlag für Sozialwissenschaften Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Dorothee Koch / Sabine Schöller VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfälti gungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinn e der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: STRAUSS GMBH, Mörlenbach Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN
4 Ich kann nicht umhin, an eine Kritik zu denken, die nicht versucht zu richten, sondern die einem Werk, einem Buch, einem Satz, einer Idee zur Wirklichkeit verhilft; sie würde Fackeln anzünden, das Gras wachsen hören, dem Winde zuhören und den Schaum im Fluge auffangen und wirbeln lassen. Sie häuft nicht Urteil auf Urteil, sondern sie sammelt möglichst viele Existenzzeichen; sie würde sie herbeirufen, sie aus ihrem Schlaf rütteln. (Foucault 1999, 16)
5 Geleitwort Unterstützung für die alltägliche Lebensgestaltung, das private Wohnen und Leben gehört zu den intimsten, die Privatheit eines Menschen am stärksten beeinflussenden Unterstützungsleistungen der Behindertenhilfe. Dies gilt um so mehr, wenn es sich nicht lediglich um Pflegeleistungen im Alter oder eng begrenzte, nach Anweisung ausgeführte Assistenzleistungen bei Körperbehinderung handelt, sondern um relativ umfängliche, verschiedene Lebensbereiche wie hauswirtschaftliche Versorgung, Körperpflege, Mobilität, Beziehungsgestaltung oder Kommunikation umfassende Unterstützungsleistungen. Es ist daher zu begrüßen, dass in den letzten Jahrzehnten eine intensive Diskussion über verschiedene Aspekte des Hilfebedarfs und der Hilfeerbringung stattgefunden haben. Ein wesentlicher Diskussionsstrang betraf die generellen Zielsetzungen der Leistungserbringung Normalisierung der Hilfen, Integration, Selbstbestimmung, Lebensqualität und die Handlungsprinzipien der Mitarbeiter. Diese Diskussion wurde teilweise durch empirische Untersuchungen begleitet; zum großen Teil war sie normativ ausgerichtet: die neuen Leitprinzipien wurden positiv bewertet. Das zeitgleich und zum Teil unter Berufung auf sie eingeführte Instrument der Individuellen Hilfeplanung wurden kaum hinterfragt. Es ging allenfalls um die Frage, welches Verfahren der Hilfeplanung geeignet sei, nicht um die Frage, welche neuen Zwänge für alle Beteiligten durch die Hilfeplanung selbst produziert würden. Thema der Arbeit von Imke Niediek ist die Analyse der Veränderungen im Unterstützten Wohnen, wobei die Individuelle Hilfeplanung im Mittelpunkt steht. Sie wird unter Bezug auf Foucault als Dispositiv begriffen, das heißt als ein Ensemble, das Institutionen, Gesetze, Verwaltungsmaßnahmen, wissenschaftliche Aussagen, Gebäuden und Diskurse umfasst und wie ein Netz wirkt, dass zwischen ihnen gespannt ist. Durch ein Dispositiv wird unser Sprechen, Denken und Handeln organisiert, es werden Möglichkeiten und Handlungsspielräume eröffnet, zugleich aber auch eingrenzt und möglicherweise begrenzt, und die Konzeptionierung der Individuellen Hilfeplanung als Dispositiv ermöglicht daher eine Analyse der gewonnenen Spielräume und Begrenzungen aller beteiligten Akteure. Dabei zeigt sich, dass in dem Maße, in dem das Unterstützte Wohnen als Arbeitsfeld der Behindertenhilfe sozialpolitisch an Bedeutung gewonnen hat, da es durch steigende Kosten und auch in Zukunft steigende Fallzahlen zu einem volkswirtschaftlich bedeutenden Dienstleistungssektor geworden ist, weniger die Fachwissenschaft als die Gesetzgebung und Sozialverwaltung das Thema als relevant erkannten. Obwohl Hilfeplanung bereits seit Beginn der 1960er Jahre im Bundessozialhilfegesetz verankert und somit gesetzliche Grundlage des Hilfeprozesses war, avancierte die Individuelle Hilfeplanung im Rahmen der Eingliederungshilfe für erwachsene Menschen mit (geistiger) Behinderung erst in den letzten Jahren zu einem zentralen Steuerungsinstrument, mit dessen Hilfe Wirtschaftlichkeit, Angemessenheit und Transparenz der Leistungserbringung gewährleistet werden sollte. Hilfeplanung wird als Modernisierungsstrategie aufgefasst, mit deren Hilfe der weitreichende Umgestaltungsprozess sozialer Hilfen und der Machtverhältnisse im Feld
6 8 Geleitwort gesteuert werden kann. Der Fokus der Arbeit liegt daher auf der Bedeutung der Individuellen Hilfeplanung für die Strukturierung des Verhältnisses von sozialrechtlichen Veränderungen, wissenschaftlicher Theoriebildung und Entwicklungen der Praxis. Die Erkenntnisse einer solchen Arbeit sind angesichts ihrer Komplexität, Vielschichtigkeit und ihres Abstraktionsgrades für die Praxis nicht unmittelbar umzusetzen, denn zunächst geht es nicht um die Frage nach richtigem bzw. fachlich angemessenem Handeln, sondern um die Frage, wie die Rahmungen beschaffen sind, innerhalb derer überhaupt gehandelt wird. In einem zweiten Schritt können diese Erkenntnisse allerdings auch für Praktiker hoch relevant sein, indem sie helfen zu erkennen, warum Praktiker in diesem Feld die Einführung von Hilfeplanung einerseits überwiegend als eine Verbesserung und als grundsätzlich sinnvoll erachten, andererseits für sich und die Nutzer von Leistungen neue und schwer zu benennende Zwänge und Einschränkungen erleben. Diese Erkenntnis kann helfen, diese Zwänge nicht als Folge eigenen Versagens oder unzureichender Arbeitsbedingungen wahrzunehmen, sondern als Teil des Dispositivs Hilfeplanung und damit als Kehrseite der erwünschten Effekte der neu etablierten Steuerungsinstrumente. Damit werden sie zwar nicht auflösbar, aber der Reflexion zugänglich. Eine kritische Analyse der Individuellen Hilfeplanung ist daher, dies soll hier ausdrücklich vermerkt werden, keine Kritik an der fachlich qualifizierten Arbeit, die vielerorts in diesem schwierigen und komplexen Feld geleistet wird. Im Gegenteil: ohne die differenzierten Aussagen von Mitarbeitern im Gruppendienst ebenso wie von Vertretern der Akteure der Leistungsträger, Leistungserbringer und der Wissenschaft zum Thema Hilfeplanung, ohne ihre hohe Fachlichkeit und Bereitschaft zur Auseinandersetzung wäre diese Analyse nicht möglich gewesen. Bettina Lindmeier
7 Inhalt Geleitwort... 5 Inhalt... 9 Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Einleitung Bedeutung des Themas Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands Ausgangsfrage und Hypothese Arbeitsprogramm Dimensionen des Unterstützten Wohnens für Menschen mit geistiger Behinderung Terminologische Bestimmung Qualitative Bestimmungen Erwachsenenalter Unterstütztes Wohnen Quantitative Bestimmungen Schwerbehindertenstatistik Eingliederungshilfestatistik Daten der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträger Gesamtstatistik der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Theoretische, methodologische und methodische Verortung Einführende Orientierungen zum Theoriekorpus bei Foucault Erkenntnistheoretische Grundlagen Archäologie als analytischer Blick Genealogie als analytischer Blick Gouvernementalität Technologien des Selbst Die Möglichkeit von Kritik Zum Konzept der Gouvernementalität der Gegenwart Methodologische Konzeptualisierung der Untersuchung Methodische Umsetzung... 76
8 10 Inhalt 4 Globalanalyse des Diskursfeldes Korpusbildung Entwicklung des Diskursfeles Individueller Hilfeplanung im Zeitverlauf Infrastruktur des Diskursfeldes Auswertung des Globalkorpus nach den Institutionen der Autoren/innen Ergebnisse der Globalanalyse des Diskursfeldes Individuelle Hilfeplanung im Kontext sozialrechtlicher Veränderungen Aktuelle rechtliche Grundlagen der Eingliederungshilfe Rechtliche und vertragliche Beziehungen zwischen Leistungsträgern und Leistungsberechtigten Koordination mit den weiteren Teilhabeleistungen nach SGB IX Rechtliche und vertragliche Beziehungen zwischen Leistungsträgern und Leistungserbringern Rechtliche und vertragliche Beziehungen zwischen Leistungsbeziehern und Leistungserbringern Änderungen der Sozialgesetzgebung : Inkrafttreten des BSHG: : Aktionsprogramm zur Förderung der Rehabilitation : Haushaltsbegleitgesetz : Spar- und Konsolidierungsgesetze : Einführung der Pflegeversicherung : Reform des BSHG : Reform des Heimgesetzes : Einführung des SGB IX : Einführung des SGB XII Benachteiligungsverbote (seid 2002) Nachtrag: Strategische Entwicklungslinien Individuelle Hilfeplanung aus Sicht der Leistungsträger Innere und äußere Modernisierungserfordernisse Neue Steuerung in der Sozialhilfe Diskussionslinien zur Hilfeplanung in der Sozialhilfe Hilfeplanung in der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen Diskussionslinien zur Hilfeplanung in der Eingliederungshilfe Bildung von Gruppen mit vergleichbarem Hilfebedarf Hilfebedarfsfeststellung Konzepte der Gesamtplanung Zusammenfassende Aspekte Individuelle Hilfeplanung aus Sicht der Leistungserbringer Entstehungskontexte Individueller Hilfeplanung Frühe Instrumente der Leistungsbemessung und Qualitätssicherung Instrumente der Betreuungsplanung Zusammenfassende Aspekte
9 Inhalt 11 8 Individuelle Hilfeplanung aus Sicht von Fachwissenschaften Thematisierung gesellschaftlicher, politischer und rechtlicher Veränderungen Diskussionen in pädagogischen Kontexten Konzepte Zusammenfassende Aspekte Dimensionalisierung von Hilfeplanungskonzepten Individuelle Hilfeplanung als Spezial-Dispositiv moderner Gouvernementalität Ausgangspunkte des Dispositivs Individueller Hilfeplanung Politische Ökonomie der Hilfeplanung Steuerungsinteressen der Akteure Strategische Technologien der Hilfeplanung Normalisierende Ordnung oder Der Raum der Fachlichkeit wird neu vermessen Subjektbegriff und Subjektivierungspraktiken Normen und Normalisierungen oder Mehr, als die Summe von Defiziten und Fähigkeiten Praktiken der Subjektivierung oder Behinderung ist, was Du daraus machst Zusammenfassung Exemplarische Vertiefung Methodische Erläuterungen Entstehungszusammenhänge des Konzeptes Das Konzept der Individuellen Hilfeplanung des LWL Umsetzung des Konzepts der Individuellen Hilfeplanung Wirkungen in der Praxis des Unterstützten Wohnens Hilfeplanung als Strukturierungsrahmen von Praxis Bedeutung von Regeln Normalitätsvorstellungen Selbst- und Fremdbestimmung Hilfeplanung und Ambulantisierung Zusammenfassung Diskussion der Ergebnisse im Licht der Gouvernementally Studies Politische Ökonomie der Hilfeplanung Subjektivierende und normalisierende Praktiken Individueller Hilfeplanung Unterstützungspraxis zwischen Unterwerfung und Überschreitung Ausblick Literaturverzeichnis
10 12 Inhalt Anhang I Infrastruktur des Diskursfeldes II Auswertung des Globalkorpus nach den Institutionen der Autoren/innen III Abfrage bei den Studienstätten der Heil- und Sonderpädagogik Liste der angeschriebene Hochschulen IV Abfrage bei den Studienstätten der Heil- und Sonderpädagogik Rohdaten V Übersicht über die Entwicklung von Hilfebedarf-Feststellungsinstrumenten in der Eingliederungshilfe
11 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Abbildung 2: Einzelleistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen im Laufe des Jahres 2007 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2009a, 13; Gesamtprozente von 101% ergibt sich aus der Rundung der Einzelprozente) Bruttoausgaben der Eingliederungshilfe für Menschen im Laufe des Jahres 2007 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2009a, 16; Gesamtprozente von 101% ergibt sich aus der Rundung der Einzelprozente) Abbildung 3: Grundzüge der Dispositivanalyse (in Anlehnung an Bührmann 2005, Abb.1) Abbildung 4: Überblick über Diskursfragmente im Zeitverlauf (eigene Darstellung) Abbildung 5: Das Diskursfeld Individueller Hilfeplanung nach herausgebenden Organisationen (eigene Darstellung) Abbildung 6: Diskursfeld nach Organisationen der Autoren/innen (eigene Abbildung 7: Darstellung) Sozialrechtliches Dreiecksverhältnis zu Hilfen in betreuten Wohnmöglichkeiten (eigene Darstellung in Anlehnung an Boeßenecker 2005, Abb. 32, 256) Abbildung 8: Personenbezogene Planung nach dem Sozialleistungsrecht (eigene Darstellung) Koordinierung von Leistungen zur Teilhabe nach 10 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB IX Abbildung 9: Individuelle Hilfeplanung als Regierungstechnik
12 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Modernisierungslinien der Behindertenhilfe in Anlehnung an Wetzler 2009, 47 ff Tabelle 2: Entwicklung der Anerkennung von Behinderungen (Quelle: Statistisches Bundesamt 2009b, 23) Tabelle 3: Empfänger/innen von Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach Ländern und ausgewählten Leistungsarten (Quelle: Statistisches Bundesamt 2009a, Tabellenanhang L2) Tabelle 4: Hilfen für Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen in Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege (Quelle: Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege 2006, 18) Tabelle 5: Randverteilungen des Diskursfeldes nach Autoren/innen Tabelle 6: Eingliederungshilfe 2006 (vgl. statistisches Bundesamt 2008, 19; Anhang L2, L4) Tabelle 7: Verhältnis von ambulanten zu stationären wohnbezogenen Hilfen für alle Zielgruppen im Gebiet des LWL (Quelle: ZPE: Tabellensatz zu Basisdaten zum Stichtag , Tabelle 35) Tabelle 8: Anteilige Entwicklung der Fallzahlen im Gebiet des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe und Nordrhein-Westfalen für Menschen von Menschen mit geistiger Behinderung. (Eigene Berechnungen auf Grundlage von: ZPE: Tabellensatz zu Basisdaten zum Stichtag , Tabelle 1, 10, 11, 7, 17, 18, 28)
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