Viele Länder Ein Kindergarten
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- Matthias Vogt
- vor 8 Jahren
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1 Viele Länder Ein Kindergarten Kurzbeschreibung: Seit dem Jahr 2007 wird bei uns täglich Integration gelebt. Durch unseren hohen Migrantenanteil im Kindergarten, mussten wir unsere Arbeitsweise überdenken und umstellen. Schon bei der Kindergartenanmeldung gab es sprachliche Hindernisse, die sich im Kindergartenalltag wiederspiegelten. Gemeinsam (im Team) beschlossen wir intensiv daran zu arbeiten, ein Miteinander im Alltag leben zu können. Am Wichtigsten für uns sind Toleranz und das offene Zugehen aufeinander. Um den sprachlichen Hindernissen entgegenzuwirken, arbeiten wir mit Hilfe des GUK-Programmes (Gebärdenunterstützende Kommunikation). Eine Sprachfördererin bemüht sich täglich intensiv in Kleingruppen oder in Einzelbetreuung, den Kindern die deutsche Sprache näher zu bringen. Das wir im Kindergarten jedes christlich-religiöse Fest im Jahresablauf feiern, war es uns wichtig, auch ein Fest aus einer anderen Kultur in unsere Jahresplanung aufzunehmen. Wir entschieden uns für das türkische Kinderfest. Dieses wird jedes Jahr am 23. April gefeiert. Die türkischen Eltern unterstützen uns mit leckeren landestypischen Spezialitäten und helfen beim Übersetzen von Gedichten und Liedtexten. Vor allem bei der Aussprache wird viel gelacht und somit wieder neue Brücken gebaut. Alle Eltern sind begeistert und stolz auf ihre Kinder, wenn sie türkische Lieder hören oder Tänze sehen. Eine Mutter hat mit uns zusammen ein Bilderbuch vorgelesen, sie auf Türkisch, wir auf Deutsch. Seit dem ersten türkischen Kinderfest hat sich bei uns vieles geändert. Wir sind alle zusammengewachsen, Vorurteile wurden abgebaut und ein Miteinander ist möglich geworden. Dies spüren wir in den täglichen Gesprächen und im Umgang miteinander, auch zwischen den Eltern. Uns freut es vor allem, dass alle Kinder an den
2 Kindergartenfesten (Nikolaus, Weihnachten, Erntedank, Muttertag) teilnehmen dürfen und auch die Eltern jede Einladung dankbar und mit Freude annehmen. Sie wissen, dass wir ihre Kinder nicht umerziehen wollen, sondern nur ihr Wissen und die Toleranz Neuem gegenüber wecken wollen. Bei uns wird das Projekt INTEGRATION jedes Jahr weitergehen und nie zum Stillstand kommen. Egal aus welchem Land die Kinder kommen, die Bedürfnisse sind immer gleich. Der Kindergarten ist dabei ein Meilenstein ins Leben außerhalb der Familie. Wir wollen täglich bei dieser Entwicklung dabei sein und sowohl die Kinder als auch die Eltern begleiten. Denn jeder noch so weite Weg beginnt mit dem ersten Schritt, und wir sind bereit, ihn jedes Jahr aufs Neue zu gehen. Projektbeschreibung: 1) Was war Ihre Motivation das Projekt/die Initiative zu starten? Bereits seit dem Jahr 2007 wird bei uns im Kindergarten INTEGRATION großgeschrieben. Jedes Jahr werden ca. 30 Kinder betreut, von denen mehr als zwei Drittel einen Migrationshintergrund haben, seien es Flüchtlings-, türkische, kroatische oder bosnische Kinder. Wir alle, Eltern, Kinder und Pädagoginnen mussten einen Weg zu einem miteinander finden. 2) Welche Ziele im Wissens-, Bildungs- und Erfahrungsaustausch verfolgen Sie? Für uns Pädagoginnen ist Toleranz der Grundstock unserer Arbeit. Trotzdem war es bis zur gelebten Toleranz noch ein weiter Weg. Dies begann schon bei der Kindergarteneinschreibung der neuen Kinder. Manche Eltern hatten nur geringe Deutschkenntnisse und so kam als erstes die Sprachbarriere auf uns zu, die sich dann bei den Kindern fortsetzte. Ein effektives Arbeiten war fast unmöglich. In
3 mehreren Teamsitzungen gingen wir diese Thematik an und erkannten, dass es in erster Linie wichtig war, das Vertrauen der Eltern zu gewinnen. Durch verschiedene Aktionen wie Elternabende, Besuch einer türkischen Referentin im Kindergarten, türkisches Kinderfest und Exkursion in eine Moschee, war es uns möglich, eine Vertrauensbasis zu schaffen, die über die Jahre gewachsen ist und auch in Zukunft immer weiter wachsen wird. Bei den Kindern arbeiten wir mit dem sogenannten GUK Programm (Gebärdenunterstützende Kommunikation). Das gesprochene Wort wird mit einer passenden Handbewegung begleitet. So können wir unsere Arbeit effektiver ausführen. Im Laufe des Jahres werden die Bewegungen weniger und es kann eine sprachliche Kommunikation stattfinden. Integration heißt für alle Beteiligten ein Geben und ein Nehmen, egal welcher Religion oder Lebensweise man zugehörig ist. Das beinhaltet offene Gespräche, aber auch das Verständnis für unsere Situation als Pädagoginnen und die Erkenntnis, dass nur ein MITEINANDER der Weg zum Ziel ist. Dazu gehören gemeinsames Lachen, Probleme in Angriff zu nehmen und Ungereimtheiten zu bewältigen. 3) Welche Wirkungen hatte es/sollte es haben? Ein fixer Bestandteil in jedem Kalenderjahr ist das türkische Kinderfest am 23. April. Als wir den Eltern dies beim ersten Elternabend im Herbst vor sechs Jahren vorschlugen, ging ein Raunen durch die Gruppe. Die Eltern erzählten erstmals über ihre Kindheitserlebnisse bei diesem Fest. Wer nicht so gut deutsch konnte, bat eine Mutter mit guten Deutschkenntnissen um Übersetzung ihrer Erzählung. Bis heute werden die Eltern in die Vorbereitungen miteinbezogen, sei es durch Übersetzungen und Aussprache türkischer Lieder, Tanzgestaltungen, geschichtliche Hintergründe oder das zubereiten türkischer Speisen. Aufgeregt fieberten wir damals dem ersten Fest entgegen und sie kamen ALLE! Die Eltern waren sichtlich stolz auf die Darbietungen ihrer Kinder und die anfängliche Unsicherheit auf allen Seiten wich einer entspannten Atmosphäre. Nach diesem Tag war der Grundstock für ein Miteinander gelegt. Fortan durften die Kinder bei allen Kindergartenfesten dabei sein und auch die Eltern folgten unseren
4 Einladungen. So feierten wir gemeinsam schon einige Weihnachts-, Nikolaus- und Muttertagsfeiern. Die Eltern lassen Neues zu und wissen gleichzeitig, dass wir die Kinder nicht umerziehen, sondern nur ihr Wissen und die Toleranz Neuem gegenüber wecken wollen. Auch für die österreichischen Eltern ist es eine Bereicherung, andere Kulturen kennenzulernen und ihnen Berührungsängste zu nehmen. Jedes Kindergartenjahr beenden wir mit einem größeren Projekt. So führten wir schon Musicals auf, gestalteten eine Vernissage und ein Nationenkochbuch. In diesem Jahr erhalten die Familien ein Buch mit dem Titel: Spiele rund um den Globus. Dazu werden die Eltern befragt, was sie in ihrer Kindheit gerne für landestypische Spiele spielten. Wir möchten der Gemeinde Bludesch, insbesondere Herrn Bürgermeister Michael Tinkhauser, für die Unterstützung beim Druck der Bücher, aber auch für sein Kommen bei den Festen bedanken. Die Eltern sehen dies als Wertschätzung und fühlen sich so in der Gemeinde nicht nur angenommen, sondern auch angekommen. 4) Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere an Ihrem Projekt? Das besondere an unserem Projekt Integration ist, dass es nie zum Stillstand kommt. Wir als Team kamen uns näher, ebenso die österreichischen Eltern die anfangs die Sorge hatten, dass ihre Kinder unterfordert werden, und auch die Eltern der Kinder mit Migrationshintergrund, welche die Sorge hatten, dass ihre Kinder überfordert werden. Die Kommunikation untereinander verbesserte sich um ein vielfaches. Jedes neue Jahr ist eine große Herausforderung für alle. Der Lohn jedoch umso schöner. Kinder die sich bei uns wohlfühlen, Eltern die bei uns nachfragen, wenn etwas unklar ist und Pädagoginnen, die jeden Tag gerne zur Arbeit kommen. Man kann Integration leben, wenn jeder der Beteiligten dafür offen ist und nicht darauf wartet, dass der andere den ersten Schritt macht. Egal aus welchem Land der Welt die Menschen kommen, die Bedürfnisse sind die gleichen sich wohlfühlen, akzeptiert werden, der Familie ein gutes Leben ermöglichen.
5 Der Kindergarten ist dabei ein erster Meilenstein ins öffentliche Leben außerhalb der Familie. Jeder noch so lange Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Wir alle sind jedes Jahr aufs Neue bereit, uns auf Diesen zu begeben!
6 Fotos:
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8 Kindergarten Gais Karin Perktold, Nicola Pellini, Christine Purtscher, Jessica Müller Am Bühel Bludesch kindergarten_gais@gmx.at
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