Technische Mechanik 2. Elastostatik

Transkript

1 Technische Mechanik 2. Elastostatik

2 Christian Spura Technische Mechanik 2. Elastostatik Nach fest kommt ab

3 Christian Spura Hochschule Hamm-Lippstadt Hamm, Deutschland Ergänzendes Material zu diesem Buch finden Sie unter ISBN ISBN (ebook) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Springer Vieweg Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichenund Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Lektorat: Thomas Zipsner Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, Wiesbaden, Germany

4 Vorwort Nachdem nun die Stereostatik hinter uns liegt und hoffentlich verstanden wurde, ist es an der Zeit einen Schritt weiter zu gehen und in die Elastostatik einzutauchen. Wir sind dabei immer noch im Bereich der Statik, also dem Gleichgewicht von Körpern unterwegs. Lediglich die Vorstellung von einem unendlich starren Körper werden wir verlassen und nun von elastischen, also verformbaren, Körpern ausgehen. Ansonsten gelten alle Zusammenhänge, welche wir in der Stereostatik bereits kennengelernt haben. Der Umfang der Elastostatik ist dabei offensichtlich größer, da wir neben dem Gleichgewicht von Kräften nun auch noch die elastischen Verformungen betrachten werden. Klingt eigentlich alles recht einfach. Leider ist es aber oft so, dass sich die Kräfte und Momente mit den entsprechenden Verformungen gegenseitig beeinflussen. Dies macht das Ganze dann schon wieder etwas schwieriger und führt wieder zu so mancher Verzweifelung im Studentenleben. Nach der Stereostatik sollten Sie aber mittlerweile etwas resistenter gegen diese Verzweifelung geworden sein (Kopfschmerztabletten und Koffein sind auf Dauer keine gute Lösung) und festgestellt haben, dass am Ende des Tages das Alles eigentlich gar nicht so schwer war, wie es sich am Anfang darstellte. Bei der Elasostatik gilt auch wieder das gleiche wie bei der Stereostatik: jeder hat zu Beginn mit den gleichen Problemen, Verständnisschwierigkeiten und Fehlern zu kämpfen. Daher finden Sie in diesem Lehrbuch die identische Aufarbeitung des Lehrstoffes wieder, wie Sie ihn aus der Stereostatik kennen. Viele Erklärungen zu Zusammenhängen, Hinweise in der Außenspalte zu den nebenstehenden Abschnitten, durchgerechnete Beispiele zum einfacheren nachvollziehen, aufgeführte Vorgehensweisen als Schrittfür-Schritt-Anleitungen zum Lösen von Aufgaben, animierte Grafiken (über QR-Code abrufbar) für ein besseres Verständnis und am Ende das Repetitorum als kompakte Zusammenfassung aller Kapitel für ein schnelles Nachschlagen bzw. als Klausurvorbereitung mit den wichtigsten Zusammenhängen. Und natürlich gilt für die Elastostatik auch, dass Sie wieder Stift und Papier zur Hand nehmen müssen, um Herleitungen nochmals aufzuschreiben und Übungsaufgaben händisch zu berechnen. Es geht halt nichts über die praktische Anwendung der Berechnungen, um eine Routine beim Lösen von Übungsaufgaben und damit eine gewisse Selbstsicherheit zu erlangen und das Schema F zu erkennen. Zudem sollten Sie auch immer wieder die gleichen Zusammenhänge in anderen Lehrbüchern nachlesen, um unterschiedliche Darstellungen und Erklärungen der gleichen Sachverhalte zu bekommen. Auch für diesen zweiten Band möchte ich mich beim Springer Verlag und insbesondere bei Herrn Thomas Zipsner für die hervorragende Zusammenarbeit, das Engagement und die vielen Freiheiten zur Ausgestaltung dieses Lehrbuchs ganz herzlich bedanken. Und nun wünsche ich Ihnen viel Erfolg und noch mehr Spaß beim Durcharbeiten dieses Lehrbuchs Christian Spura

5 So wie das Eisen außer Gebrauch rostet und das stillstehende Wasser verdirbt oder bei Kälte gefriert, so verkommt der Geist ohne Übung. Leonardo DA VINCI

6 Navigation Seitenzahlen und Kapitelnummern für die schnelle Orientierung Thematische Einleitung mit Kurzinhalten des Kapitels 224 Kapitel 10 TIMOSHENKO-Balkentheorie (schubweicher Balken) Grafiken stehen direkt neben dem zugehörigen Abschnitt und sind im Text hervorgehoben Bei der TIMOSHENKO-Balkentheorie handelt es sich um eine Erweiterung der EULER-BERNOULLI-Balkentheorie. In der TIMOSHENKO-Balkentheorie werden Schubverformungen zugelassen, wodurch es zu zusätzlichen Deformationen kommt und die Steifigkeit des Balkens geringer wird. Zudem kommt es infolge der Schubverformungen zu einer veränderlichen Gleitung entlang der Balkenhöhe. Damit verbunden ergibt sich eine Verwölbung der Querschnittsfläche. QR-Codes führen zu animierten Grafiken für ein besseres Verständnis M b F Abb. 2.5 M b Eine Biegung tritt immer dann auf, wenn im Inneren eines Bauteils ein Biegemoment M (Schnittgröße) wirkt. Im Allgemeinen ist dies der Fall, wenn äußere Kräfte (oder auch Streckenlasten) senkrecht zur Balkenachse und/oder äußere Momente wirken, siehe Abb Der Balken erfährt durch das wirkende Biegemoment eine Krümmung. Die Biegung für sich genommen kann in zwei Kategorien eingeteilt werden: Gerade Biegung (einachsige Biegung): tritt auf, wenn der Balken um ausschließlich eine Koordinatenachse gebogen wird. Schiefe Biegung (zweiachsige Biegung): hierbei wird der Balken um mindestens zwei Koordinatenachsen gebogen. Zusammenfassung des nebenstehenden Abschnitts Wichtige Zusammenhänge für das Lösen von Aufgaben (unbedingt beachten!) Das HOOKE'sche Gesetz ist der linearer Sonderfall bei den Elastizitätsgesetzen. Zugfestigkeit Rm: größte vom Werkstoff ertragbare Spannung ohne Bruch bzw. Rissbildung 5.1 Spannungs-Dehnungs-Diagramm Um die Eigenschaften eines Materials zu erhalten, gibt es aus der Werkstoffprüfung den genormten Zugversuch. Da nicht nur linear-elastische Verzerrungen auftreten, existiert eine Vielzahl an Elastizitätsgesetzen für nicht-lineare wie auch für elastisch-plastische und rein plastische Verzerrungen. Dementsprechend ist das HOOKE'sche Gesetz ein linearer Sonderfall bei den Elastizitätsgesetzen. Zugfestigkeit Rm: Die Zugfestigkeit ist im Zugversuch die höchste auftretende Spannung im Werkstoff, die vom Werkstoff noch ertragen werden kann, ohne dass es zu einem Bruch/Riss kommt. Vorgehensweise Schritt für Schritt Anleitung zur Lösung von konkreten Aufgaben Vorgehensweise Berechnung der Stabkräfte Si mittels Gleichgewichtsbedingungen bzw. Knotenpunktverfahren. Bestimmung der Längenänderungen Δli mittels FLEA-Gleichung ggf. mit Temperatureinfluss:

7 Farblich hervorgehobene Beispiele mit Musterlösung 10.6 TIMOSHENKO-Balkentheorie 259 Beispiel 10.8 Formelzeichen haben in den Grafiken und im Text die gleiche Schriftart Ein rechteckiger Balken (b = 40 mm, h = 60 mm, l = 1 m, κ = 5/6) aus Stahl (E = N/mm 2, = 0,3) wird durch eine konstante Streckenlast q0 = 5 kn/m belastet. Berechnen Sie die Durchbiegungen infolge Biegung und Schub am freien Ende. A x l q 0 y S z b h Lösung Bei dieser Aufgabe ist nur einen Bereich vorhanden und wir können direkt die viermalige Integration der Biegelinie der reinen Biegung durchführen: (1) 1 2 (2) (3) (4) Navigation Kapitelnummern für die schnelle Orientierung Die Integrationskonstanten lösen wir mithilfe der Randund Übergangsbedingungen und setzen die Ergebnisse wieder in unsere Ausgangsgleichungen (1) bis (4) ein: 9 In Kürze Ein Bauteil kann den folgenden fünf Grundbelastungsarten ausgesetzt sein: Zug (Normalspannung) Reiner Zug tritt bei einer ziehenden Belastung in Längsrichtung auf. Typische Bauteile sind z. B. Schrauben oder Seile. Die im Bauteil wirkende Zugspannung σ(x) in x-richtung aufgrund einer äußeren angreifenden Kraft F: Schub (Schubspannung) Eine Schubbeanspruchung tritt immer dann auf, wenn Querkräfte wirken. Typische Bauteile sind z. B. Nieten, Bolzen, Passschrauben sowie Kleb- und Schweißverbindungen. Wird die von außen angreifende Querkraft F auf die Querschnittsfläche bezogen, ergibt dies die mittlere Schubspannung τm: In Kürze: fasst ein Kapitel bzw. Unterkapitel strukturiert zusammen Druck (Normalspannung) Reiner Druck tritt bei einer drückenden Belastung in Längsrichtung auf. Typische Bauteile sind z. B. Pleuel in Verbrennungsmotoren, Kolbenstangen in Hydraulikzylindern oder Stützen. Die reale Schubspannungsverteilung τ(z) ist dagegen quadratisch entlang der Querschnitthöhenkoordinate z verteilt:

8 Inhaltsverzeichnis 1 Einführung in die Elastostatik Einteilung der Technischen Mechanik Die Elastostatik Die Aufgaben der Elastostatik Die Modellannahmen der Elastostatik Die Themengebiete der Elastostatik Belastungs- und Spannungsarten Zug Druck Biegung Schub (Scherung) Torsion Spannungszustand Allgemeine Definition Satz der zugeordneten Schubspannungen Eindimensionaler Spannungszustand Ebener Spannungszustand Transformationsbeziehungen Hauptnormalspannungen Hauptschubspannungen MOHR'scher Spannungskreis Sonderfälle des MOHR'schen Spannungskreises Belastungen und Spannungszustände Räumlicher Spannungszustand Aufgaben zu Kapitel Verzerrungszustand Dehnung infolge einer Kraft Dehnung infolge Temperaturänderung Gleitung Eindimensionaler Verzerrungszustand Ebener Verzerrungszustand Transformationsbeziehungen Hauptdehnungen Hauptgleitungen MOHR'scher Verzerrungskreis Räumlicher Verzerrungszustand Aufgaben zu Kapitel

9 XII Inhalt 5 Elastizitätsgesetz Spannungs-Dehnungs-Diagramm HOOKE'sches Gesetz Eindimensionaler Spannungszustand Ebener Spannungszustand Ebener Verzerrungszustand Räumlicher Spannungszustand Elastizität und Plastizität Praktische Anwendung des HOOKE'schen Gesetzes bei DMS Aufgaben zu Kapitel Festigkeitshypothesen Festigkeitsnachweis Versagensarten Festigkeitshypothesen Normalspannungshypothese (NH) Schubspannungshypothese (SH) Herleitung der SH Anwendung der SH Gestaltänderungsenergiehypothese (GEH) Herleitung der GEH Anwendung der GEH Vergleich der Festigkeitshypothesen Dimensionierung Aufgaben zu Kapitel Stäbe und Stabsysteme Modellannahmen für Stäbe Der homogene Stab Elastizitätsgesetz für den Stab Allgemeine Stabverlängerung Sonderfälle der Stabverlängerung Der inhomogene Stab Gleichgewichtsbedingung Differenzialgleichung für den Stab Integrationsmethode für den Stab Wärmedehnungen und -spannungen Beispiele für Stabprobleme Stab mit konstantem Querschnitt und konstanter Kraft Stab mit veränderlichem Querschnitt und konstanter Kraft Mehrfeldstab mit konstanter Kraft Stabsysteme Aufgaben zu Kapitel

10 Inhalt XIII 8 Flächenträgheitsmomente Definition Berechnung beliebig geformter Flächen Infinitesimales Flächenelement Vertikaler infinitesimaler Flächenstreifen Horizontaler infinitesimaler Flächenstreifen Parallelverschiebung der Bezugsachsen Praktische Anwendung bei zusammengesetzten Flächen Transformationsbeziehungen Hauptträgheitsmomente MOHR'scher Trägheitskreis Aufgaben zu Kapitel EULER-BERNOULLI-Balkentheorie (schubstarrer Balken) Balkentheorie und deren Ordnung Allgemeine Modellannahmen Einteilung der Balkentheorie Gerade Biegung Modellannahmen zur geraden Biegung Annahmen zur EULER-BERNOULLI-Balkentheorie Biegung und Biegespannung Schubstarrheit Grundgleichungen der geraden Biegung Differenzialgleichung der Biegelinie Integrationsmethode Schiefe Biegung Herleitung der schiefen Biegung um Hauptachsen Herleitung der schiefen Biegung um beliebige Achsen Berechnung der schiefen Biegung Spannungsnulllinie Balkenkrümmung und Krümmungsradius Aufgaben zu Kapitel TIMOSHENKO-Balkentheorie (schubweicher Balken) Schubspannungen: Modell vs. Realität Modellannahmen zur Berechnung Balken mit dickwandigen Querschnitten Schubspannungen in Breitenrichtung Schubspannungen in Höhenrichtung Anwendungsgrenzen und Einschränkungen Balken mit dünnwandigen Querschnitten Modellannahmen dünnwandiger Querschnitte Herleitung Kreuzungspunkte

11 XIV Inhalt 10.5 Schubmittelpunkt TIMOSHENKO-Balkentheorie Modellannahmen Differenzialgleichung der Biegelinie Anwendung der TIMOSHENKO-Balkentheorie Vergleich der Biege- und Schubverformung Aufgaben zu Kapitel Torsion Modellannahmen Gleichgewichtsbedingung der Torsion Kreis- und kreisringförmige Querschnitte Differenzialgleichung der Torsion Integrationsmethode Torsionsspannung und Verdrehwinkel Dünnwandig geschlossene Querschnitte Modellannahmen Herleitung Anwendung Dünnwandig offene Querschnitte Modellannahmen Herleitung Anwendung Aufgaben zu Kapitel Energiemethoden Arbeit und Arbeitssatz Arbeit der Belastungen (äußere Kraftgrößen) Arbeit der Schnittgrößen (innere Kraftgrößen) Arbeitssatz Anwendung des Arbeitssatzes Nachteile des Arbeitssatzes Herleitung des Schubkorrekturfaktors Erweiterung des Arbeitssatzes Die Sätze von CASTIGLIANO Der Satz von MENABREA Aufgaben zu Kapitel Zusammengesetzte Belastungen Schnittgrößen und Beanspruchungen Normalkraft (Normalspannung) Biegemoment (Normalspannung) Schub (Schubspannung) Torsion (Schubspannung)

12 Inhalt XV Anhang: Mathematische Grundlagen Repetitorium Literaturverzeichnis Formelzeichen Stichwortverzeichnis