«Der Kaffee von. Ein neues Wasserrückgewinnungssystem für den Einsatz im All. Vor Ort
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- Mona Boer
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1 «Der Kaffee von war das Pipi von Ein neues Wasserrückgewinnungssystem für den Einsatz im All 8 Vor Ort
2 heute gestern» Dieses eher unappetitliche Zitat stammt vom britischen Astronauten Tim Peake (Titelbild), der 2016 ein halbes Jahr in der internationalen Raumstation ISS verbrachte. Er spielt damit auf das Wasserrückgewinnungssystem der ISS an, das nahezu jeden Tropfen Wasser recycelt auch aus Urin. Bei der Entwicklung dieses Systems war auch die Ionenchromatographie mit im Spiel. Raumfahrt nach dem Proviant-Prinzip Die Erde bietet dem Menschen alles, was er zum Leben braucht: eine Atmosphäre, die Sauerstoff enthält, Quellen, aus denen trinkbares Wasser sprudelt und eine reiche Pflanzen- und Tierwelt, in der stets Nahrung zu finden ist. Verlässt der Mensch den Lebensraum Erde und begibt sich ins All, gibt es all das nicht mehr. Auf kurzen Weltraummissionen wurde dieses Problem bislang gelöst, indem einfach alles Benötigte ins All mitgenommen wurde. Je länger der Aufenthalt im All, desto schwieriger gestaltet sich das aber: Insbesondere der Transport von Wasser fällt ins Gewicht. Ein Kilogramm Vorräte zur ISS zu schicken kostet konservativ berechnet etwa US-Dollar [1]. Obwohl die Astronauten so viel Wasser sparen wie nur möglich, verbraucht jeder von ihnen pro Tag etwa 30 Liter Wasser [2]. Zum Vergleich: Jeder Schweizer verbraucht pro Tag ca. 160 Liter Trinkwasser [3]. Für einen sechsmonatigen Aufenthalt in der ISS, wie Tim Peake ihn hinter sich hat, entspräche ein täglicher Verbrauch von 30 Liter Wasser Transportkosten von etwa 135 Millionen US-Dollar verfügte die ISS nicht über ein leistungsfähiges Recyclingsystem. ESA-Astronaut Tim Peake arbeitet 2016 an Bord der ISS an der Wasseraufbereitungseinheit. Foto: NASA / flickr.com/photos/nasa2explore INFORMATION
3 Überleben im All dank Recycling Das Lebenserhaltungssystem ECLSS (von englisch Environmental Control and Life Support System) erhält in der ISS lebensfreundliche Bedingungen aufrecht: Es steuert z. B. die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit in der Kabine. Zwischen 2006 und 2008 wurde das ECLSS um ein Sauerstoffgenerierungssystem und ein Wasserrückgewinnungssystem erweitert. Diese stellen für die ISS einen Schritt in Richtung Unabhängigkeit von Lieferungen von der Erde dar. Wasser macht ca. 92 % der Masse der Verbrauchsmaterialien aus, die Astronauten im All zur Lebenserhaltung benötigen [4]. Gelingt es also, den Bedarf nach Wasserlieferungen von der Erde stark zu reduzieren, wird dadurch der gesamte Bedarf nach Versorgungslieferungen beinahe in gleichem Masse gesenkt. Kurzfristig bedeutet das für die Weltraumagenturen vor allem grosse Kostenersparnisse. Langfristig geht es bei der Wasserrückgewinnung im All aber auch um solche Missionen, bei denen Versorgungslieferungen nicht möglich wären. Bemannte Reisen zum Mars, zum Beispiel. Abbildung 1. Oben: Die ISS-Crew trinkt zum ersten Mal Wasser aus dem neuen Recyclingsystem. Unten links: Lebensmittel, die viel Wasser enthalten, wie der Rahmspinat im Bild, werden dehydriert mitgenommen. Sie werden im All mit recyceltem Wasser rehydriert. Fotos: NASA / spaceflight.nasa.gov. Unten rechts: Astronautin Peggy Whitson mit einem rehydrierten «Space-Cheeseburger». Foto: NASA / flickr.com/photos/nasa2explore Crew-Systeme Trinkwasserspender Händewaschen/ Rasieren 10 Vor Ort
4 Trinkwasser aus Schweiss und Urin Das Wasserrückgewinnungssystem der ISS erzielt eine Rückgewinnungsrate von ca. 93 %. Um eine solche Ausbeute zu erreichen, darf man bei der Herkunft des Wassers nicht pingelig sein: Selbst aus Urin wird Wasser rückgewonnen. Und aus der Umgebungsluft, denn die enthält Feuchtigkeit aus der Atemluft und dem verdunsteten Schweiss der Besatzung und der Labortiere! Das WRS setzt sich aus zwei Hauptbestandteilen zusammen, der Wasseraufbereitungseinheit und der Urinaufbereitungseinheit. Um Wasser aus Urin rückzugewinnen, wird dieser zunächst in der Urinaufbereitungseinheit destilliert, wozu im All eine speziell entwickelte Installation nötig ist, die dafür sorgt, dass Flüssigkeit und Gas sich auch in Abwesenheit von Schwerkraft voneinander trennen. Aufbereitung des Abwassers Das gewonnene Wasser wird dann mit dem restlichen Abwasser gemischt und in der Wasseraufbereitungseinheit behandelt. Nachdem freie Gase und Feststoffe wie Haare entfernt wurden, wird das Wasser durch eine Reihe von Filtern und chemischen Prozessen behandelt, bevor schliesslich übriggebliebene organische Verunreinigungen und Mikroorganismen durch eine katalytische Hochtemperaturreaktion beseitigt werden. Durch Leitfähigkeitsmessung wird bestimmt, ob das Wasser sauber genug ist, um wieder gebraucht zu werden. Ist das Wasser nicht ausreichend rein, wird es noch einmal aufbereitet. Luft Kondensat Kontrolle d. Temperatur & Luftfeuchte Luftrückfuhr Abfall- Management Abfall- Produkte Kabinenluft Kabinenrückfuhr Branderkennung & -unterdrückung Luft CO 2 - Entfernung CO 2 Unterbaugruppe zur Kontrolle von Spurenkontaminanten Ablassen über Bord Urinaufbereitung Urin Aufbereiteter Urin Stickstoff O 2 /N 2 - Kontrolle Sauerstoff Sauerstoff- Generierung H 2 Ablassen über Bord Trinkwasseraufbereitung Produktwasser Produktwasser Abwasser Abbildung 2. Das Lebenserhaltungssystem ECLSS, das in der ISS im Einsatz ist, sorgt für lebensfreundliche Bedingungen an Bord, u. a. durch Kontrolle der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit und durch die Versorgung mit sauberem Wasser. INFORMATION
5 Entwicklung des Wasserrückgewinnungssystems Entwickelt wurde das Wasserrückgewinnungssystem der ISS am Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville, Alabama, und bei Hamilton Sundstrand Space Systems International (heute UTC Aerospace Systems) dem Unternehmen, das auch die Raumanzüge und die tragbaren Lebenserhaltungssysteme herstellt, die die Crew der ISS auf Weltraumspaziergängen verwendet. Um ein Wasserrückgewinnungssystem optimal an die Schmutz- und Abwässer anzupassen, die es im All aufbereiten muss also im Wesentlichen Urin und Umgebungsluftkondensat muss es während der Entwicklungsphase an entsprechendem Material getestet werden. Dazu stellen die Entwickler künstliche Ersatzlösungen her, die Urin bzw. dem Umgebungsluftkondensat der ISS in ihrer Zusammensetzung möglichst ähnlich sind. Ersatzlösungen als Testproben Verostko et al. [5] haben Standardrezepte für diverse Ersatzlösungen entwickelt, darunter Urinersatzlösungen und Lösungen, die das Abwasser auf einem Flug im All oder auf einer potenziellen Basis auf einem Fremdplaneten nachahmen. Dazu führten die Wissenschaftler ionenchromatographische Messungen durch, um die chemische Zusammensetzung der aufzubereitenden Flüssigkeiten zu bestimmen. Mit dem Wissen aus diesen Analysen stellten sie Ersatzlösungen her und kontrollierten dann wiederum mithilfe der Ionenchromatographie die Konzentrationen der anorganischen Anionen und Kationen in den fertigen Ersatzlösungen. Abbildung 3. Astronaut Tim Kopra bei der routinemässigen Wartung der Urinaufbereitungseinheit. Foto: flickr.com/photos/ nasa2explore 12 Vor Ort
6 Mit Recycling in die Tiefen des Alls Schon bei Missionen, die im niedrigen Erdorbit stattfinden wie in der ISS ist der Einmalgebrauch von lebenserhaltenden Materialien wie Wasser und Sauerstoff nicht praktikabel, denn der Materialtransport ist teuer. Auf zukünftigen bemannten Weltraummissionen, die weiter von der Erde wegführen, etwa Marsmissionen, wird eine laufende Versorgung von der Erde schlichtweg nicht möglich sein. Die Astronauten werden also auf ein ultraeffizientes Recyclingsystem angewiesen sein. Die NASA peilt eine bemannte Marsmission in den 2030er Jahren an. Bis dahin wird noch viel Forschung nötig sein, um lebenserhaltende Technologien so weit auszureifen, dass die Astronauten nicht nur für die Dauer der Reise zum Mars und zurück, sondern auch während ihres Aufenthalts auf dem roten Planeten mit allem Lebensnotwendigem versorgt sind. Ein neues Wasserrückgewinnungssystem, das bis zu 98 % des Wassers rückgewinnen soll, ist übrigens bereits in Entwicklung und soll dieses Jahr vorgestellt werden. Referenzen [1] (Abgerufen am 25. Januar 2017) [2] html (Abgerufen am 2. Februar 2017) [3] wc-spuelung (Abgerufen am 2. Februar 2017) [4] Tamponnet, C.; Savage, C. J.; Amblard, P.; Lasserre, J. C.; Personne, J. C.; Germain, J. C. Water Recovery in Space; ESA bulletin 97: March [5] Verostko, C. E.; Carrier, C.; Finger, B. W. Ersatz wastewater formulations for testing water recovery systems. SAE Technical Paper , 2004, doi: / Abbildung 4. Astronautin Samantha Cristoforetti geniesst eine Tasse Espresso auf der ISS natürlich aus recyceltem Wasser. Foto: NASA / twitter.com/astrosamantha INFORMATION
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