Hintergrund: Keine Atomkraft-Renaissance in Sicht
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- Angelika Fleischer
- vor 8 Jahren
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1 Hintergrund: Keine Atomkraft-Renaissance in Sicht Die Bedeutung der Atomenergie für die internationale Energiewirtschaft und den Klimaschutz ist sehr begrenzt, was sich auch in den nächsten Jahrzehnten nicht ändern wird. Weltweit liefert die Atomenergie nach Angaben der internationalen Energieagentur (IEA) nur rund drei Prozent der benötigten Energie, erzeugt 16 Prozent des Stroms und stellt eine Leistung von Megawatt. Die Reaktoren stehen in 31 Ländern, wobei drei Viertel des weltweiterzeugten Atomstroms in nur sechs Ländern (USA, Frankreich, Russland, Japan, Deutschland, Südkorea) erzeugt wird. Die Atomkraftwerke und ein durchschnittliches Betriebsalter von 23 Jahren. Zwischen 1987 und 2007, also innerhalb von 20 Jahren, ist die Zahl der in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke um 16 Anlagen von 423 auf 439 gestiegen. Das ist beim Zubau weniger als ein Reaktor im Jahr. Dabei ist berücksichtigt, dass seit 2003 bereits fünf Reaktoren abgeschaltet wurden. Derzeit geht die Zahl der Atommeiler wieder zurück, da alte Anlagen zunehmend vom Netz gehen müssen. Offiziell sollen fünf weitere Atommeiler abgeschaltet und 32 Blöcke neu errichtet werden. Dabei sind aber elf Projekte schon seit 21 bis 32 Jahren in Bau. Das deutet auf die enormen technischen und politischen Schwierigkeiten sowie Finanzierungsprobleme hin. Hinzu kommt, dass Atomkraftwerke aufgrund der technisch schwierigen Beherrschbarkeit durchschnittlich nach 22 Jahren Betrieb stillgelegt werden müssen. Selbst bei einer Betriebsdauer von 40 Jahren, die enorme Nachrüstkosten erfordert, müssen bis Anlagen und bis 2025 weitere 192 Meiler stillgelegt werden. Es sind also in den nächsten 17 Jahren 282 Reaktoren mit einer Gesamtleistung von rund Megawatt zu ersetzen. Das entspricht 64 Prozent aller Anlagen und erfordert den Bau von 16 Anlagen pro Jahr. Dabei muss eine Planungs- und Bauzeit von mindestens 10 Jahren berücksichtigt werden. Die erforderlichen Investitionen belaufen sich dabei auf mindestens 600 Milliarden Euro. Die Rückbaukosten belaufen sich zumindest in den Industrieländern auf fünf Milliarden Euro je Anlage. Der von Teilen der E- nergiewirtschaft gewünschter Zubau ist damit völlig unrealistisch. In Europa waren Meiler am Netz. Das sind 31 Anlagen weniger als noch EUweit ist nur ein Atomkraftwerk in Finnland seit 2005 in Bau. Hersteller sind der Französische Konzern Areva und die Deutsche Siemens. Die Kosten der Megawatt-Anlage stiegen bereits von geplanten drei auf derzeit 4,5 Milliarden Euro. Die Inbetriebnahme verzögert sich um mindestens zwei Jahre auf Finnland zeigt: Selbst in politisch stabilen Industriestaaten stellt die Realisierung von Atomprojekten ein Problem dar. Schwellenländer: Indien betreibt 17 kleinere Reaktoren, die 2,6 Prozent des dortigen Stroms liefern. In China erzeugen elf Atomanlagen 1,9 Prozent des Stroms. In Brasilien liefern zwei Reaktoren drei Prozent der benötigten elektrischen Energie. Selbst bei anspruchsvollen Ausbauplänen wird also die Atomkraft in den energiehungrigsten Schwellenländern keine wesentliche Rolle spielen und damit auch keinen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Auch ist festzuhalten, dass kein weltweit geplantes Atomprojekt ohne massive staatliche Subventionen auskommt. Auch die Endlagerproblematik ist weiterhin ungelöst. Bisher haben die A- tommeiler weltweit rund Tonnen hochradioaktive Abfälle erzeugt, darunter Tonnen waffenfähiges Plutonium. Bis 2020 wächst die Menge des Strahlenmülls auf Tonnen mit etwa Tonnen Plutonium. 1
2 Atomenergienutzung weltweit Staat In Betrieb In Bau geplant angekündigt USA Frankreich Japan Russland Südkorea Großbritannien (1) mind. 8 Kanada Indien Deutschland Ukraine China Schweden Spanien Belgien Taiwan Tschechien Slowakai 5-2 Schweiz Finnland Ungarn Bulgarien Pakistan Argentinien Südafrika Rumänien 2-2 Brasilien 2-1 Mexiko Slowenien Litauen Armenien Niederlande Iran Indonesien Weißrussland Nordkorea (1) 18 Anlagen werden bis 2023 stillgelegt, die Stilllegungskosten betragen 73 Mrd. Pfund. Die von Gorden Brown angekündigten Reaktoren sollen je 1,2 GW Leistung haben. Das entspricht etwa der jetzigen Leistung der bestehenden Anlagen. Das erste neue Atomkraftwerk könne ab 2017 Strom liefern. 2
3 Gefährlicher Uran-Abbau Der Uran-Bergbau führt zu hohen Klimagas-Emissionen und belastet Menschen und Umwelt in der Umgebung in hohem Maße. Auch die Uranminen der Wismut-AG in Ostdeutschland, die im Jahr 1991 endgültig geschlossen wurden, forderten rund Strahlenopfer und hat Sanierungskosten aus Steuermitteln von rund 6,5 Mrd. Euro verursacht. Deutschland, zu 100% importabhängig verbraucht für seine 17 Atomreaktoren jährlich rund Tonnen Uran, die vor allem aus Frankreich, Großbritannien, Kanada, den USA und Russland importiert werden. Doch werden auch in Frankreich und Großbritannien selbst keine Uranminen mehr betrieben - es handelt sich um Re-Exporte aus Ländern wie Niger, Namibia und Australien, wo der Abbau zu erheblichen ökologischen und sozialen Verwerfungen führt. Laut einer aktuellen Studie der Gesellschaft für bedrohte Völker vom Dezember 2007 befinden sich 70 Prozent der weltweiten U- ranvorkommen auf dem Land indigener Völker. Die großflächige Zerstörung der Landschaft durch den Uranabbau in Australien, den USA, Kanada, Niger oder Indien gefährdet die Lebensgrundlagen von Indianern und Inuit, Aboriginal Australians und nigrischen Tuaregs, Adivasi in Indien und anderen indigenen Völkern. Aufgrund der geringen Urankonzentrationen von 0,1% müssen gigantische Gesteinsmassen bewegt werden, um einen Bruchteil des radioaktiven Metalls zu gewinnen. Dabei entstehen enorme Mengen verstrahlten Abraums, sowie saure Auswaschungen von Schwermetallen, die das Grundwasser belasten. Radioaktiver Staub und Radongas belasten die Lebensräume der Anwohner und haben in vielen Ländern zur Häufung von Krebserkrankungen und genetisch bedingten Missbildungen in der Nähe von Uranminen geführt. Hinzu kommt der immense Wasserverbrauch in teilweise sehr trockenen Gebieten: Die australische Uranmine Roxby Downs/ Olympic Dam beispielsweise verbraucht rund 33 Millionen Liter Wasser täglich. Strom aus Atomkraft ist keinesfalls CO 2 -frei, wie die Atomindustrie gerne behauptet: Laut Berechnungen des Ökoinstituts von 2007 werden pro Kilowattstunde Atomstrom zwischen 31 und 65 Gramm CO2-Äquivalente emittiert. Hierin sind der äußerst energieintensive Uranabbau, die Uran-Konzentration, -Anreicherung, Transport sowie der Bau der Atomkraftwerke eingerechnet. 3
4 Kosten der Atomenergienutzung Die Bereitstellungskosten für Strom aus abgeschriebenen Atomkraftwerken betragen rund 1,5 bis 2 Cent je Kilowattstunde (kwh). Die tatsächlichen Kosten des Atomstroms liegen unter Einbeziehung der externen Kosten um ein Vielfaches höher. Nach Einschätzung der Enquete- Kommission Nachhaltige Energieversorgung betragen die Umwelt- und Gesundheitskosten sowie vergesellschaftete Betriebskosten (Versicherung, Transport, Endlager), die nicht im Großhandelspreis abgebildet sind, bis zu 2 Euro je kwh. Sie müssen von der Allgemeinheit über Steuern und Abgaben aufgebracht werden: Die Schäden aus einem Kernschmelze-Unfall werden mit 500 Milliarden (Mrd.) bis 5 Billionen Euro angegeben. Die Atomkraftwerksbetreiber haben aber eine Haftungsbeschränkung von 2,5 Mrd. Euro. Das darüber hinausgehende Risiko trägt die öffentliche Hand. Die Rückstellungen für Anlagenrückbau und Entsorgung beliefen sich Ende 2006 auf 27,6 Milliarden Euro und sind steuerfrei, was zu erheblichen Einnahmeausfällen im Bundeshaushalt führt. Die Summen werden von den Konzernen gleichwohl genutzt, um ihre Marktmacht auszubauen, was zu einer erheblichen Wettbewerbsverzerrung und Oligopolbegünstigung mit höheren Strompreisen führt. Mehrere gescheiterte Atomprojekte wurden vom Steuerzahler getragen. Der schnelle Brüter in Kalkar, der nie ans Netz ging hat Kosten von 2,2 Mrd. Euro verursacht. Der Hochtemperaturreaktor Hamm-Uentrop, der nach wenigen Betriebsstunden abgeschaltet werden musste, hat einschließlich Rückbau rund 2,0 Mrd. Euro gekostet. Den Rückbau des KKW Greifswald bezahlt die Allgemeinheit mit 7,5 Mrd. Euro. Die steuergeldfinanzierte Endlagerkosten belaufen sich bisher auf rund 5,0 Mrd. Euro. Mindestens 20 Milliarden Euro sind in Deutschland in die öffentliche Kernenergieforschung geflossen, über Euratom wurde die Atomenergie mit insgesamt 400 Mrd. bezuschusst. Unter Einbeziehung der externen Kosten ist Strom Uran völlig unwirtschaftlich. Strom aus Windund Wasserenergie aber auch Erdgas ist mittlerweile sogar billiger als Kohlestrom. Bezogen auf den Durchschnitt des bestehenden Strommixes wirken sich erneuerbare Energien bereits Kosten senkend aus (siehe Tabelle). Strombereitstellungskosten und externe Kosten nach Energieträgern Brennstoff Erzeugung Zusatzkosten Summe Uran 2,0 Cent/kWh 200,0 Cent/kWh 202,0 Cent/kWh Braunkohle 3,0 Cent/kWh 8,7 Cent/kWh 11,7 Cent/kWh Steinkohle 4,0 Cent/kWh 6,8 Cent/kWh 10,8 Cent/kWh Erdgas 5,0 Cent/kWh 3,9 Cent/kWh 8,9 Cent/kWh Heizöl 6,0 Cent/kWh 6,1 Cent/kWh 12,1 Cent/kWh Wasserkraft (EEG 2004) 9,7 Cent/kWh 0,4 Cent/kWh 10,1 Cent/kWh Solarstrom (EEG 2004) 57, Cent/kWh 0,8 Cent/kWh 58,2 Cent/kWh Windkraft (EEG 2004) 8,7 Cent/kWh 0,1 Cent/kWh 8,8 Cent/kWh Durchschnitt (EEX) 7,4 Cent/kWh 5,8 Cent/kWh 13,2 Cent/kWh 4
5 Profitable Laufzeitverlängerungen Laufzeitverlängerungen stellen sich als Gelddruckmaschine dar. Bereits jetzt zahlt sich die A- tomenergie für die Betreiber aus. Im Durchschnitt machen die Konzerne mit jedem der 17 Reaktoren einen Jährlichen Gewinn von 300 Mio. Euro. Wird der Betrieb der Atomanlagen um acht Jahre verlängert, profitieren die Atomkraftwerksbetreiber überproportional aus dem Stromhandel: Bleiben die Preise an der Strombörse auf niedrigem Niveau, werfen die 17 Reaktoren 65 Mrd. Euro an zusätzlichen Gewinnen ab, bei steigenden Handelspreisen ist mit einem Profit von 84 Mrd. Euro innerhalb des Acht-Jahres-Zeitraums zu rechnen. Grund ist die Differenz zwischen den Stromerzeugungskosten, die bei den abgeschriebenen Atommeilern entstehen und dem Handelspreis für elektrische Energie an der Leipziger Strombörse, wo der Wert des Stroms täglich neu festgelegt wird. Derzeit kostet eine Megawattstunde am Spotmarkt zwischen 70 und 90 Euro. Die Erzeugung von Atomstrom liegt bei nur 15 bis 20 Euro, was die enormen Profite erklärt. Mittlerweile sind jedoch die EU-Kommission sowie die Monopolkommission der Auffassung, dass die Atomkonzerne ihre Marktmacht ausnutzen, um die Handelspreise an der Strombörse zu ihrem Vorteil zu beeinflussen. Weitere Informationen und Kontakt: 5
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