DAS ÖSTERREICHISCHE CARE-REGIME
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- Linda Lisa Krämer
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1 DAS ÖSTERREICHISCHE CARE-REGIME H e r a u s f o r d e r u n g e n K r i t i k E r n a Ap p e l t I n s t i t u t f ü r P o l i t i k w i s s e n s c h a f t, U n i v e r s i t ä t I n n s b r u c k. Vortrag im Rahmen der Tagung: Pflege, Betreuung und Begleitung alter Menschen in der informellen Pflege in Österreich. Forschungstagung des Forschungsnetzwerks Gender, Care and Justice. Innsbruck, 3. und 4. Juli 2013.
2 BETREUUNGSREGIME in (post)modernen Dienstleistungsgesellschaften BETREUUNGSREGIME Betreuung, Versorgung und Erziehung von Kindern einerseits, Begleitung und Pflege hilfsbedürftiger und alter Menschen andererseits unterscheiden sich hinsichtlich folgender Aspekte: Unterschiedlicher Mix von privat-familiären, staatlich finanzierten bzw. organisierten Leistungen sowie über den Markt vermittelten Diensten. Unterschiedliche Ausprägung hinsichtlich der geschlechtsspezifischen Strukturierung der Familialisierung der Individualisierung der Ermöglichung einer (ökonomisch) autonomen Lebensführung.
3 historische Entwicklungen Ausgangssituation: Hierarchische Geschlechter- und Klassenordnung 19. und 20. Jahrhundert: Wohlhabende Familien nahmen Dienstleistungen der städtischen und ländlichen Unterschichten (Gouvernanten; Köchinnen; Dienstboten; Wäscherinnen ) in Anspruch. Im 20. Jahrhundert: Verallgemeinerung des bürgerlichen Alleinverdiener/Hausfrau-Modells. Frauen aus unterbäuerlichen Schichten, aus Teilen der Arbeiterklasse, mussten sich häufig verdingen und konnten die eigenen Kinder bzw. hilfsbedürftigen Angehörigen oft nicht betreuen.
4 staatliche Rahmenbedingungen Die gesellschaftliche Organisation des Care-Bereichs ist eng mit den Geschlechter- und Migrationsordnungen der jeweiligen (Wohlfahrts)Staaten verbunden. Pfadabhängigkeit: Liberale Wohlfahrtsstaatsregime Konservativ-korporatistische Wohlfahrtsstaatsregime Sozialdemokratische Regime Policy Learning im Rahmen der Offenen Methode der Koordinierung der EU.
5 kulturelle und politische Bestimmungsfaktoren Kulturelle Einflüsse: Egalität vs. Hierarchie; Ethnozentrismus; Familialismus, Traditionalismus/Religion. Politische Bestimmungsfaktoren: Betreuungspolitik liegt an der Schnittstelle mehrerer Politikfelder: Familienpolitik: u. a. Ehe- Familienrecht, Sorgerecht, steuerliche Privilegierung von Familien Sozialpolitik: Eigenständige oder abgeleitete Sozialrechte Bildungspolitik: vorschulische Betreuung, Ganztagsschule? Beschäftigungs-, Arbeitszeitpolitik: Normarbeitszeiten, Überstunden, Teilzeitbeschäftigung, geringfügige Beschäftigung Betriebliche Vereinbarkeitspolitik.
6 Europäische Transformationen Nachkriegsjahrzehnte: Fordistische Staats- und Gesellschaftsarchitektur: Familienmodell: männlicher Familienernährer -- Hausfrau, Mutter, Familienarbeiterin stabile Vollzeitarbeit, kontinuierliche Erwerbsbiographien der Männer sozialstaatliche und familienrechtliche Absicherung und Abfederung dieses Modells. Neoliberale Transformation der europäischen Staaten: Rückbau sozialstaatlicher Prinzipien Appelle an Engagement, Flexibilität und Eigenverantwortung Ziel der Lissabon-Strategie und der 2020-Strategie der EU: Steigerung der globalen Wettbewerbsfähigkeit.
7 Österreich Konservativ-katholische Tradition war bis in die späten 1960er-Jahre höchst einflussreich. Auch die für die Entwicklung des Wohlfahrtsstaates in Österreich höchst bedeutsame Arbeiterbewegung war stark paternalistisch und androkratisch orientiert. Ausgeprägter Geschlechter-Differenzansatz Ideologie der Geschlechtscharaktere: polar und komplementär Präferenz für Ehe, eheliche Geburt und vollständige Familie. Bürgerliche Orientierung der Arbeiteraristokratie. Im Gegensatz zu Schweden und Dänemark (verstärkte Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt) wurde ab den 1960er Jahren die Anwerbung von Gastarbeitern favorisiert.
8 Pfadabhängige Optionen Modernisierung des Alleinverdiener/Hausfrauenmodells: Ausbau Teilzeitarbeit für Frauen im Maß der Vereinbarkeit mit der Familie; cash for care - für Sorgearbeit und entgangenes Erwerbseinkommen; gleichzeitige Förderung von traditioneller Ehe und Familie. Übergang zu einem Doppelverdiener Modell mit Institutionalisierung von Betreuungseinrichtungen : Anreize für Männer, Sorgearbeit zu verrichten; Ausbau der institutionellen Betreuung; Gleiche Rechte für neue Partnerschafts- und Familienformen.
9 Pflegende Angehörige 2011: ca PflegegeldbezieherInnen (Statistik Austria). Vereinbarkeit von Pflege und Erwerbstätigkeit? 56 % waren vor der Pflege erwerbstätig. 30 % aller Hauptpflegepersonen gehen einer bezahlten Erwerbstätigkeit nach. 47 % der Betreuungspersonen verfügen entweder über kein Monatseinkommen oder über ein Einkommen bis 700,-- (netto ohne 13. und 14. Monatsgehalt). Rund ein Fünftel aller Betreuungspersonen verfügt über kein eigenes Einkommen, davon sind 91 % Frauen. (Quelle: ÖBIG: Situation pflegender Angehöriger, Wien 2005).
10 Care als Erwerbsarbeit / Dienstleistung Erwerbsförmige Care-Arbeit wird als haushaltsnahe Dienstleistung gering bewertet und schlecht entlohnt. Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund sind überrepräsentiert. Geringe finanzielle Bewertung von Care-Arbeit ist Ausdruck der gegebenen Geschlechter- und Migrationsordnung. Kaum Angebot von kultursensibler Pflege.
11 global care Die Bereitstellung gesellschaftlich notwendiger Care-Arbeit stützt sich gegenwärtig auf eine transnationale geschlechtliche Arbeitsteilung. Global Care Chain : Sowohl bei der Sorge um Kinder als auch bei der Betreuung und Pflege von alten Menschen sprechen wir von globalen Care-Ketten, die das Funktionieren des Care-Bereichs in den wohlhabenden Segmenten unserer Gesellschaften ermöglichen und erleichtern. Dadurch entstehen Versorgungslücken in den Entsendeländern. Transnationalisierung von (Arbeits-)Biografien.
12 Europäische Strategien Neoliberale Wirtschaftspolitik: Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit; Rückbau der wohlfahrtsstaatlichen Leistungen Offene Methode der Koordinierung: Beschäftigungsstrategie und Armutsbekämpfung Favorisierung der Erwerbstätigkeit aller Erwachsenen, wobei das Ausmaß der Beschäftigung unberücksichtigt bleibt. Europäische Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern : Arbeitsprogramm der Kommission zur Gleichstellung der Geschlechter für den Zeitraum Umfassenden Rahmen, in dem sich die Kommission zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter in allen ihren Politiken mit folgenden Themenschwerpunkten verpflichtet.
13 Die österreichische Lösung: eine halbierte Modernisierung? Modernisierung der Lebensbedingungen von Frauen: Verstärkte Bildungs- und Erwerbsbeteiligung Teilzeitarbeit; atypische prekäre Beschäftigungsverhältnisse; umgekehrte Hierarchien in Bildung und Arbeit; gender gaps bei Einkommen und Vermögen; Armut bleibt überproportional weiblich. Einbeziehung von Männern in die Betreuungsarbeit Strukturelle Hierarchie zwischen den Geschlechtern einerseits; In-/Ausländer_innen andererseits Heteronormativität bleibt trotz des Instruments der eingetragenen Partnerschaft weitgehend die kulturelle Norm. Österreich hat sich wie die meisten europäischen Länder vom Ernährer/Hausfrauen-Modell entfernt und den Pfad einer hierarchiebasierten Modernisierung eingeschlagen.
DAS ÖSTERREICHISCHE CARE-SYSTEM
DAS ÖSTERREICHISCHE CARE-SYSTEM E I N E P O L I T I K W I S S E N S C H A F T L I C H E A N A LY S E E r n a A p p e l t I n s t i t u t f ü r P o l i t i k w i s s e n s c h a f t, U n i v e r s i t ä
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