Landesarbeitsgemeinschaft der Psychologinnen und Psychologen im Justizvollzug des Landes NRW e.v.
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- Barbara Schwarz
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1 Landesarbeitsgemeinschaft der Psychologinnen und Psychologen im Justizvollzug des Landes NRW e.v. Vorstand: Yvonne Dabringhaus, Jennifer Mielenz, Jonas Schacht, Yasmin Scheiner, Dr. Hans Josef Voßenkaul LAG-Psych c/o: Yasmin Scheiner, c/o JVA Werl, Belgische Straße 4, Werl Yasmin Scheiner Landtag Nordrhein-Westfalen c/o JVA Werl Postfach Belgische Str Werl Düsseldorf Per an anhoerung@landtag.nrw.de 20. April 2020 Stellungnahme zur Suizidprävention im Justizvollzug Anhörung A Sehr geehrte Damen und Herren, Bezug nehmend auf Ihr Schreiben vom bedanken wir uns für Ihre Umsicht, einen Vertreter unserer Landesarbeitsgemeinschaft zu der Anhörung zum Thema Suizidprävention im Justizvollzug einzuladen. Wir begrüßen die Gelegenheit sehr, uns zu dem in Rede stehenden Thema äußern zu dürfen. 1. Zu den Fragen 1, 4 und 5 ist festzuhalten, dass in die Entwicklung des Konzeptes zur Suizidprävention in den Anstalten des Landes Nordrhein- Westfalen Erfahrungen mit bestehenden Konzepten der Suizidprophylaxe im In- und Ausland eingeflossen sind. Zu nennen sind an dieser Stelle die Suizid-Screeninginstrumente der Länder Hamburg und Mecklenburg- Vorpommern, das Screening-Tool der JVA Burg sowie das VISCI (The Viennese Instrument for Suicidality in Correctional Institutions), das im 1
2 österreichischen Strafvollzug Anwendung findet, und die Columbia- Beurteilungsskala zur Suizidalität. Bei dem Komplex Suizidalität handelt es sich um ein Konglomerat vielschichtiger Konstellationen und Problemlagen, die Klienten zu selbstschädigendem und suizidalem Verhalten motivieren können. Im Strafvollzug finden sich zumeist problematische Persönlichkeiten mit Defiziten in der Emotionssteuerung und Sozialkompetenz, einem mehrheitlich niedrigen sozioökonomischen Status und komorbiden Suchtbzw. psychischen Erkrankungen. Die im Vergleich zur Normalbevölkerung erhöhte Suizidrate ist somit erklärlich, wenngleich natürlich geboten ist, jedwede Anstrengung zur Suizidprophylaxe in den Anstalten des Landes Nordrhein-Westfalen zu unternehmen. Aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen männlicher, weiblicher, lebensälterer, erwachsener und jugendlicher/heranwachsender Insassen von Untersuchungs- und Straf- Haftanstalten, muss die Suizidprävention in den Vollzugsformen auf die jeweilige Klientel zugeschnitten sein. 2. Ja, die bisherigen Erfahrungen mit der Arbeit der Suizidpräventionsbeauftragten in den Anstalten, in denen diese Position implementiert ist, sind positiv. Zwar sind Suizide nicht gänzlich zu verhindern, aber durch die Beauftragung eines/einer Suizidpräventionsbeauftragten wird das Thema im Bewusstsein aller Bediensteten gehalten und strukturelle Abläufe können weiter verbessert werden. 3. Wir präferieren weder die Nutzung der Telefonseelsorge noch den Einsatz von Listeners gegenüber dem intensiven Kontakt eines belasteten Inhaftierten zu fachkundigen Bediensteten der Justizvollzugsanstalt. Wir sehen konkret die Gefahr eines Missbrauches der Telefonseelsorge durch weniger belastete Inhaftierte, die den zusätzlichen Gesprächspartner für ihre Belange instrumentalisieren, sowie das Risiko, einen potentiellen Suizidenten aufgrund der Anonymität der Telefonseelsorge nicht zuverlässig identifizieren zu können. Eine in der Anstalt stattfindende, 2
3 persönliche Beratung und Betreuung durch fachkundige Bedienstete ist für uns unverzichtbarer Bestandteil einer wirksamen Suizidprophylaxe. Das Listener-Modell, wie es vom Nationalen Suizidpräventions- Programm beschrieben wird, benennt selbst die Schwierigkeit und die Limitationen in der Auswahl geeigneter Gefangener, deren Verantwortungsübernahme für den zu betreuenden Gefangenen und die bisher sehr geringe Fallzahl bei intensiver Begleitung des bisher modellhaften Einsatzes von Listeners in der bisherigen Auswertung der Ergebnisse. Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass das Konzept selbst benennt, Listeners seien am ehesten aus den Insassen sozialtherapeutischer Anstalten zu rekrutieren. Eine flächendeckende Versorgung der Anstalten kann mit diesem Modell nicht geleistet werden. Gerade in den Vollzugsformen, die aufgrund ihrer Zuständigkeit mit erhöhten Suizidraten konfrontiert sind (Untersuchungshaft, Abschiebehaft, Kurzstrafenvollzug), stehen diese Möglichkeiten mangels geeigneter Insassen nicht zur Verfügung. Im Jugendvollzug stellt sich das Modell aus ethischen Erwägungen heraus ebenfalls kritisch dar. Der Strafvollzug des Landes Nordrhein-Westfalen strebt nach einer flächendeckenden Suizidprävention, wenngleich aufgrund der autonomen Entscheidungsfindung der Probanden eine gänzliche Verhinderung von Suiziden nicht zu leisten ist. 6. Das Thema ist durch einschlägige Ereignisse in den Fokus der Politik und der Praxis gerückt und hat positive Effekte gezeigt. Der Einsatz von Suizidpräventionsbeauftragten in den Anstalten des Landes NRW ist ein Schritt in die richtige Richtung und erlaubt nach Implementierung in Kombination mit weiteren stattgehabten Veränderungen, genannt sei hier insbesondere die Arbeit der Integrationsbeauftragten und der Ausbau der Nutzung von Dolmetscherdiensten, eine intensive Deckung des Bedarfes an suizidpräventiven Maßnahmen. 7. In den Justizvollzugsanstalten des Landes NRW sind grundsätzlich durch die Konferenzmodelle gute Möglichkeiten zum interdisziplinären Austausch in suizidpräventiver Absicht vorhanden. Hinderlich stellt sich in 3
4 diesem Bereich hauptsächlich die ärztliche Schweigepflicht dar, die die essentielle ärztliche Einschätzung der Suizidalität eines Probanden nicht regelhaft allen mit dem Insassen betrauten Bediensteten zugänglich werden lässt. 8. Nach Ansicht der Landesarbeitsgemeinschaft der Psychologinnen und Psychologen im Justizvollzug des Landes NRW e.v. kann der Einsatz künstlicher Intelligenz keine Garantie zur Vermeidung von Suiziden liefern. Wir stehen der Zuverlässigkeit der künstlichen Intelligenz, die allenfalls einen kleineren Teilbeitrag zur Verhinderung suizidaler Handlungen leisten könnte, grundsätzlich skeptisch gegenüber, und sehen die Gefahr der unzulässigen Vereinfachung und Technisierung eines hochgradig komplexen und emotionalen Vorgangs. 9. Aus der Haltung, die zu Punkt 8. zum Ausdruck gebracht wurde, erwarten wir die Ergebnisse der Testphase mit Skepsis. Menschliches Verhalten als hochkomplexes Zusammenspiel diverser Faktoren kann Mechanismen der künstlichen Intelligenz irreführen und ließe dennoch Raum für selbstschädigendes Verhalten. Da bisher allerdings keinerlei Erkenntnisse zum Einsatz künstlicher Intelligenz zur Suizidprävention vorliegen, verbietet es sich für die Landesarbeitsgemeinschaft der Psychologinnen und Psychologen im Justizvollzug des Landes NRW e.v., dazu eine Einschätzung abzugeben. 10. Hierzu kann die Landesarbeitsgemeinschaft der Psychologinnen und Psychologen im Justizvollzug des Landes NRW e.v. keine fachlich fundierte Einschätzung abgeben, es handelt sich um eine juristische Fragestellung. 11. Siehe Punkt Siehe Punkte 8. und 9., aus unserer hier nicht fachspezifischen Expertise heraus nicht. 4
5 13. Der Allgemeine Vollzugsdienst wird von den Ausbildungsleitern in der Praxisphase der Ausbildung regelmäßig unterrichtet, zum Thema Suizidprävention wie auch zu Themen des Umgangs mit schwieriger Klientel etc. - werden Schulungen von Mitgliedern des psychologischen Dienstes gestaltet. Mit freundlichen Grüßen Yasmin Scheiner Diplom-Psychologin M.Sc. Investigative Psychology 1. Vorsitzende der LAG 5
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