und Ihr Säure-Basen-Haushalt?

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1 und Ihr Säure-Basen-Haushalt? SELBST-TEST Testen Sie selbst Ihre Haut Mangelnde Elastizität? Greifen Sie sich zwischen Daumen und Zeigefinger eine Hautfalte am Jochbogen, dem vorspringenden Knochen unterhalb und seitlich des Auges. Ist das Gewebe dort elastisch? Oder ist es so prall-elastisch, dass Sie es fast nicht greifen können? Lässt es sich schlaff abziehen? Nur im ersten Fall ist das Unterhautgewebe noch gesund, in den beiden anderen Fällen befindet es sich in den Alarm- bzw. Erschöpfungsstadien. Verdickungen, Dellen? Das Unterhautgewebe am Gesäß, an Hüften und Schenkeln kann durch Cellulitis verändert sein. Dass Männer weniger betroffen sind, liegt nicht daran, dass sie weniger übersäuert sind, sondern an den hormonellen Bedingungen im weiblichen Organismus und der spezifische Form der weiblichen Fettzellen (siehe Seite 54). Geringe Verschieblichkeit? Ist das Unterhautgewebe am Rücken verquollen, verdickt und wenig verschieblich, ist dies ebenfalls ein Hinweis auf eine Übersäuerung. Schmerzen? Schmerzen sind immer ein Anzeichen lokaler Übersäuerung. Der Säuregriff, mit dem die Übersäuerung der Muskeln geprüft werden kann, ist auf Seite 75 beschrieben. Selbstverständlich spricht ein schmerzhafter Säuregriff an der Schulter zunächst nur für eine Übersäuerung in diesem Gebiet, nicht in der Muskulatur allgemein. Aber auch die Säuren in einem umschriebenen Bezirk können sich auf den gesamten Stoffwechsel auswirken, da der Säure- Basen-Haushalt ein Bilanzproblem des Gesamtorganismus ist. Entzündungen, Überwärmung? Die im Zusammenhang mit Entzündungen auftretende Überwärmung ist Folge eines gesteigerten Stoffwechsels. Bei gesteigerter Verbrennung fallen immer vermehrt Säuren an, die durchblutungssteigernd wirken und so ihren eigenen Abtransport fördern. Sie verursachen auch die entzündlichen Schmerzen. Bei chronischer Entzündung häufen sich Säuren im Gewebe an und beeinträchtigen den Stoffwechsel, der darauf angewiesen ist, den beteiligten Enzymen einen optimalen ph-wert zur Verfügung zu stellen. Die genannten Zeichen weisen alle auf eine Übersäuerung hin. Die moderne Medizin ist allerdings gewöhnt, Veränderungen nicht nur qualitativ zu beschreiben, sondern auch quantitativ zu messen. Daher wurden Methoden wie die ph-messung im Urin entwickelt, um Störungen oder Änderungen des Säure-Basen-Haushaltes zu quantifizieren. 110

2 ph-messung im Urin ph-messung im Urin Die einfachste Methode, die auch jeder zu Hause durchführen kann, ist die Messung des ph-wertes im Urin. Dazu brauchen Sie eine ganze Rolle oder ein dickes Heftchen Indikatorpapier, das Sie in jeder Apotheke bekommen. Einzelne stichprobenartige Messungen bringen jedoch gar nichts. Das liegt an den Veränderungen, denen der ph-wert im Verlaufe des Tages immer unterliegt, an den so genannten circadianen Schwankungen. Der ph-wert bleibt nicht konstant Da immer dann reichlich Basen ins Blut übergehen, wenn Magensäure in den Magen abgegeben wird, verändert sich auch der Urin in Richtung des basischen Bereiches zu den Zeiten der so genannten Basenfluten. Hierfür genaue Uhrzeiten anzugeben, ist nicht sinnvoll, denn die Basenflut hängt vom Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme ab. Üblicherweise wird sie morgens, mittags und abends, also jeweils zum Zeitpunkt der Mahlzeiten herum, stattfinden. Die Basen gelangen auf der Seite der Belegzellen des Magens, die zum Blutstrom hin gewandt ist, ins Blut. Zwar nehmen die großen Verdauungsdrüsen, die Bauchspeicheldrüse und die Drüsen des Dünndarms sowie die Leber große Mengen an Bicarbonat auf, um dann basisches Verdauungssekret abzugeben. Die Basen gelangen aber auch mit dem Blutstrom in die übrigen Gewebe und können dort Säuren neutralisieren. Da jedoch der Blut-pH-Wert während dieser gesamten Vorgänge nicht zu stark in den basischen Bereich abweichen darf, scheidet die Niere Bicarbonat aus. Der ph-wert wird alkalisch. Jede Nahrungsaufnahme verändert den ph-wert. Saurer Urin heißt nicht unbedingt saurer Körper Zwischen diesen»gipfeln«der Basenfluten wird der Urin jedoch wieder sauer, denn durch die Verstoffwechselung der Nahrung, durch die Verbrennungsvorgänge und durch Anfall 111

3 und Ihr Säure-Basen-Haushalt? von Säuren mit der Nahrung gelangt der Stoffwechsel wieder mehr in saure Bereiche. Ganz besonders nachts widmet sich die Niere dann der Ausscheidung der Säuren, so dass das Indikatorpapier am Morgen am sauersten reagiert. Spätestens hieran erkennen Sie, dass»saurer Urin«nicht gleich «saurer Organismus«bedeutet: Nachts, in Ruhe, gewinnt der Vagus, der Ruhenerv des autonomen Nervensystems, die Oberhand über den Sympathikus, den Aktionsnerven. Der Stoffwechsel pendelt etwas mehr in Richtung Alkalinität, und zwar indem Säuren ausgeschieden werden. Ein Urin-pH, der ständig im sauren Bereich liegt, ist krankhaft. Sie erfahren über die Messung im Urin zwar, ob und wieviel Säuren der Körper ausscheidet, aber nicht, ob der Säuregrad im Gewebe erhöht ist. Eine relativ eindeutige Aussage lässt sich jedoch treffen, wenn über den Tag verteilt alle Messungen im sauren Bereich liegen, also auch unmittelbar nach den Mahlzeiten. Diese so genannte Säurestarre ist auf jeden Fall als krankhaft anzusehen. PRAXIS Selbstdiagnose mit Lackmuspapier so wird s gemacht Führen Sie sechs Messungen am Tag durch, direkt nach dem Aufstehen, nach dem Frühstück, zwischen Frühstück und Mittagessen, nach dem Mittagessen, zwischen Mittag- und Abendessen, nach dem Abendessen. Verwenden Sie Indikatorpapier mit Farbumschlag im sauren und im basischen Bereich. Das Indikatorpapier wird kurz in die frisch gewonnene Harnprobe gehalten und der Farbumschlag anhand der mitgelieferten Farbskala beurteilt. Tragen Sie den erhaltenen Wert in ein Diagramm ein, um eine Kurve zu erhalten. Interessant sind vor allem Vergleiche an Tagen mit unterschiedlicher Belastung: nach sportlicher Aktivität, an einem entspannten Urlaubstag, nach einem Festessen usw. Ein basischer ph-wert kann auch auf eine Bakterienüberwucherung im Urin hindeuten. Die ph-wert-änderung durch den Bakterienstoffwechsel ist aber meist verschwindend gering im Vergleich zur Regulation der Niere. 112

4 Was sagt der Blut-pH aus? Was sagt der Blut-pH aus? Die reinen ph-messungen im Urin sind als Anhaltspunkte zwar interessant, diagnostisch aber nicht ausreichend zu verwerten. Aber auch die in der Intensivmedizin übliche Messung im Blut lässt nur wenige Rückschlüsse auf die Verhältnisse im Gewebe zu. Sie misst den ph-wert des Blutes, die Kohlendioxid-Konzentration, den Bicarbonatgehalt und errechnet die Pufferbasen im Blut. Ist der Blut-pH-Wert krankhaft verändert, können anhand dieser Daten gezielte Maßnahmen eingeleitet werden, beispielsweise die Gabe von Natriumcarbonat oder, bei maschinell beatmeten Patienten, die gesteigerte Atmung. Eine Messung des Blut-pH-Wertes gibt jedoch nur Auskunft über kompensierte oder dekompensierte Azidosen des Blutes, nicht aber des Gewebes. Über die Verhältnisse in den Geweben liefert diese Messung keine Informationen. Hier müssen andere Wege beschritten werden, die durch indirekte Rückschlüsse für eine Gewebsübersäuerung oder ein Gleichgewicht des Säure-Basen-Haushaltes sprechen. Aus dem Blut-pH sind keine direkten Rückschlüsse auf den ph-wert des Gewebes möglich. Interessanterweise ist es sogar so, dass eine Gewebsübersäuerung mit einem Blut-pH-Wert einhergeht, der zu sehr in den basischen Bereich abweicht. Hier versucht der Organismus also, durch erhöhte Alkalinität des Blutes der Gewebsübersäuerung zu begegnen. Würde der basische Blut-pH-Wert durch Säurengabe ausgeglichen, würde sich diese Störung noch weiter verschlechtern. 113

5 und Ihr Säure-Basen-Haushalt? WISSEN Die wichtigste Frage: Wie gut werden Säuren abgepuffert? Liegt der ph-wert des Blutes im Normbereich, ist die Säureausscheidung im Harn repräsentativ für den Säurenüberschuss im Gewebe. Neben dem absoluten Säuregehalt interessiert jedoch noch mehr die Pufferkapazität des Gewebes. Sander, der Begründer der Säure-Basen-Therapie, lieferte hierzu einen eingängigen Vergleich: Zwei Zeitgenossen bitten Sie, Ihnen 500 Euro auszuleihen, denn sie besäßen im Augenblick keinen Cent und bräuchten unbedingt gerade diesen Betrag. Wem leihen Sie dieses Geld nun aus? Sie wissen, dass beide pleite sind. Als zusätzliche Information wäre wertvoll zu wissen, über welches Vermögen beide verfügen, ob sie noch anderweitig Schulden haben usw. Wichtig ist also nicht nur der aktuelle Betrag, den Sie ausleihen wollen übertragen auf das Säure-Problem entspricht er der aktuellen Säureausscheidung, sondern von größerer Bedeutung sind die Aussichten des Schuldners, den Betrag wieder begleichen zu können (im Vergleich also die Pufferkapazität). Deshalb müssen die im Harn ausgeschiedenen basischen Valenzen ebenfalls bestimmt werden. Der Säure-Basen-Test nach Sander Der Sander-Test ist aufwändig, aber lohnend. Sander entwickelte die so genannten AQ- und NAQ-Methoden. Sie berücksichtigten neben den Säuren des Urins auch die Basen und die Veränderung des Harn-pH-Wertes durch die Nierentätigkeit selbst (die Niere kann Säuren aktiv ausscheiden, der erhaltene ph-wert ist damit nicht mehr repräsentativ für den Gewebs-pH-Wert). Die Ergebnisse der Sander-Messung werden in Kurven eingetragen, die sich nun mit den Kurven Gesunder vergleichen lassen, um diagnostische Rückschlüsse zu ziehen. Voraussetzung ist allerdings die Zusammenarbeit des Arztes mit einem dafür geeigneten Labor; auch die Patienten sind gefordert, nach entsprechenden Vorschriften Proben zu sammeln und sie zu versenden. Korrekt durchgeführt, ergeben sich hieraus jedoch interessante Befunde, die in eine entsprechende Behandlung münden. 114

6 Der Säure-Basen-Test nach Jörgensen Der Säure-Basen-Test nach Jörgensen Eine andere diagnostische Methode, die in der Praxis heute weiter verbreitet ist, entwickelte Jörgensen. Nicht über den Umweg der Harnausscheidung, sondern direkt im Blut soll auf den Säure-Basen-Haushalt der Gewebe geschlossen werden. Erst verschiedene Messwerte ergeben ein abgerundetes Bild: Neben dem ph-wert des Blutplasmas wird die Pufferkapazität im Blut bestimmt. Hierzu werden einmal dem Blutplasma, ein zweites Mal dem Vollblut definierte kleinste Säuremengen zugegeben und die ph-wert-änderung registriert. Diesen Vorgang nennt man Titration. Aus den erhaltenen Kurven kann die Pufferkapazität bestimmt werden, also die Fähigkeit des Blutes, den Säurezusatz zu neutralisieren. Die Pufferkapazität im Vollblut liegt höher, denn die Blutzellen enthalten den Puffer Hämoglobinat. Wie schnell kann das Blut die Säure neutralisieren? Die roten Blutzellen werden bei der Jörgensen-Methode als annähernde Repräsentanten der übrigen Zellen betrachtet, die Differenz zwischen zellhaltigem Vollblut- und Plasma-pH- Wert als»intrazellulärpuffer«bezeichnet. Wie wichtig die Unterscheidung zwischen der Pufferkapazität im Blut und innerhalb der Zellen (intrazellulär) ist, zeigt sich bei vielen Patienten, bei denen der Blut-pH-Wert erhöht, also stärker alkalisch ist, die aber dennoch an Säurekrankheiten leiden. In allen diesen Fällen ist der Intrazellulärpuffer erniedrigt oder erschöpft. Eine Behandlung muss die Pufferkapazität in den Zellen anheben und daher trotz des alkalischen Blut-pH-Wertes Basen zuführen. Ziel der Säure- Basen-Behandlung ist die Verbesserung der Pufferkapazität. Es versteht sich von selbst, dass eine derartige Behandlung in der Hand des Arztes liegen muss. Eine Lebensweise im Säure- Basen-Gleichgewicht ohne zusätzliche Basenzufuhr kann aber jeder ohne weiteres durchführen, er gewinnt dadurch auf jeden Fall an Gesundheit. 115