Präzisionsmedizin für Herzerkrankungen
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- Maximilian Flater
- vor 2 Jahren
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1 Diagnose Therapie Präzisionsmedizin für Herzerkrankungen Herzerkrankungen sind weiterhin das Gesundheitsthema Nummer eins. Dank moderner Bildgebung und Medizintechnik und dadurch möglicher Diagnostik und Therapien können heute auch komplexe Fehler im System Herz schonend und präzise behoben werden. Text: Wiebke Kathmann 12 inside:health Mai 2018 siemens.de/inside-health
2 Follow-up IT 60 bis 90 Kontraktionen pro Minute, am Tag. Und bei jedem Herzschlag rund 70 Milliliter Blut, die in den menschlichen Kreislauf gepumpt werden, mindestens Liter am Tag. Eine nicht unerhebliche mechanische Belastung. So verwundert es nicht, dass im Laufe des Lebens Kraft, Mechanik und komplexe Rhythmik des Herzens bei dem einen oder anderen nur noch suboptimal funktionieren. Herzschwäche (Herzinsuffizienz), Minderdurchblutung (Ischä mie) mit koronarer Herzerkrankung (KHK) und strukturelle Schäden wie Herzklappen-Erkrankungen sowie Herzrhythmusstörungen sind die Folge. Dies spiegelt auch der Deutsche Herzbericht 2017 wider,1 den die Deutsche Herzstiftung zusammen mit kardiologischen Fachgesellschaften herausgibt und alljährlich im Januar vorstellt. Wie Professor Dr. Thomas Meinertz, Vorsitzender der Deutschen Herzstiftung, in Berlin berichtete, gab es 2016 bei fast allen Herz-Diagnosen einen teils deutlichen Anstieg: Herzklappenerkrankungen plus 4,2 Prozent, angeborene Herzfehler plus 3,0 Prozent, Herzrhythmusstörungen plus 2,6 Prozent, Herzinsuffizienz plus 2,5 Prozent, ischämische Herzkrankheit (KHK) plus 0,3 Prozent, Angina pectoris plus 0,3 Prozent. Nur beim Herzinfarkt gab es einen leichten Rück gang um 0,03 Prozent. Von Herzinsuffizienz und Herzklappenerkrankungen meist in Form einer Aortenklappenstenose bzw. Mitralklappen insuffizienz waren vor allem die über 75-Jährigen betroffen, von Herzrhythmusstörungen die über 45-Jährigen. So verwundert es nicht, dass angesichts der Altersverteilung in der Bevölkerung auch für die Mortalitätsraten ein Anstieg gegenüber 2014 zu verzeichnen war: Haupttodesursache war die KHK mit nun gegenüber Fällen. Platz zwei belegte die Herzinsuffizienz mit nun gegenüber Fällen. Auch bei den beiden anderen alterstypischen Erkrankungen ging der Trend nach oben: An Herzrhythmusstörungen verstarben gegenüber Personen, an Klappenerkrankungen gegenüber Die Erfolge der modernen Kardiologie lassen sich dagegen im Langzeitverlauf ablesen, wie Meinertz hervorhob. Gegenüber 1990 ist die Mortalität an Herzerkrankungen signifikant von 459,2 auf 246,9 pro Einwohner zurückgegangen ein Minus von gut 46 Prozent. Beim Herzinfarkt hat sie sich gegenüber den frühen 1990er-Jahren für Männer um fast 68 Prozent, für Frauen um 57 Prozent verringert. Als Gründe führte Meinertz den Rückgang der Zahl der Raucher, Fortschritte bei Diagnostik und Therapie sowie die Optimierung der Abläufe in Kliniken und im Notfallsystem an. inside:health Mai 2018 siemens.de/inside-health 13
3 Diagnose Therapie Diagnostik von Herzerkrankungen Im ersten Schritt erfolgt die Diagnostik von Herz erkrankungen nichtinvasiv mittels Blut tests beispielsweise für den kardialen Marker Troponin, wenn der Verdacht auf einen akuten Herzinfarkt besteht, Elektrokardiogramm (EKG) und. Das EKG gibt Auskunft über die elektrische Erregung, die zur Kontraktion des Herzmuskels führt, die über Herzgröße, Pumpleistung und Funktion der Herzklappen. Je nach Fragestellung können Stressechokardiographie zur Diagnostik einer Ischämie, transösophageale zur Quantifizierung der Verkalkung und Kontrast- zum Nachweis von Thromben und Shuntvitien hinzukommen. Bei komplexeren Fragestellungen kann darüber hinaus die kardiale Bildgebung mittels Computertomographie () oder Magnetresonanztomographie (T) erforderlich sein. Herzkatheteruntersuchungen ein deutsches Faible Deutschland liegt bei der invasiven kardialen Diagnostik ganz vorne. Denn symptomatische KHK-Patienten, bei denen aufgrund des Befundes aus bzw. T eine hohe Vortestwahrscheinlichkeit für einen vollständigen Gefäßverschluss besteht bzw. die Auswurffraktion des Herzens unter 50 Prozent liegt, kommen hierzulande früh ins Herzkatheterlabor. Die Hochrechnung der Fach gesellschaften kam laut Herzbericht auf eine Zahl von Katheteruntersuchungen im Jahr Sie erlauben zum einen die Messung von Druckkurven und Sauerstoffsättigung in den Herzkammern. Zum anderen können nach Kontrastmittelgabe mithilfe der modernen Röntgen bild gebung Herzmuskel, Herzkranzgefäße und Herzklappen sowie angeborene oder erworbene Herzfehler beurteilt werden. Zu guter Letzt kann eine elektrophysiologische Katheteruntersuchung bei Herzrhythmusproblemen wichtige Informationen zum Reizleitungssystem liefern. Dieses Verfahren bietet den großen Vorteil, dass bei Gefäßverengungen die bildgebungsgestützte Intervention, beispielsweise mit Ballondilatation und anschließender Implantation eines Stents, unmittelbar an die diagnostische Untersuchung angeschlossen werden kann. Trend zu Katheterinterventionen ungebrochen Nachdem die katheterbasierten Verfahren anfänglich auf die Implantation von einfachen Stents beschränkt waren, kamen schon bald immer komplexere Prozeduren und Devices, beispielsweise zur Therapie von Bifurkationsläsionen und chronischen Totalverschlüssen der Koronarien, hinzu. Gleichzeitig rückte die Therapie der demografiebedingt immer häufigeren Herzklappenerkrankungen und Herz rhythmusstörungen in den Fokus der Interven tionalisten. Denn bei vielen der betagten Patienten scheidet ein offener herzchirurgischer Eingriff aufgrund von Komorbiditäten als Therapieoption aus die Geburtsstunde des kathetergestützten perkutanen Aorten klappenersatzes, eher bekannt als Transcatheter Aortic Valve Implantation (TAVI). Schon im Jahr 2012 erfolgte mehr als ein Drittel der in Deutschland durchgeführten gut Aortenklappenoperationen als Kathetereingriff.2 Eine Auswertung des Deutschen GARY-Registers, die der Herzchirurg Professor Dr. Thomas Walther, Bad Nauheim, beim letztjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kardio logie (DGK) in Mannheim vorstellte, zeigt, dass der Trend anhält: Zwischen 2011 und 2015 hat sich die Zahl der TAVI-Prozeduren mehr als verdoppelt, und zwar von auf Durchschnitt lich waren die Patienten 81 Jahre alt. Dennoch ging die Sterblichkeit nach TAVI deutlich zurück: Verstarben 2011 noch 5,9 Prozent der Behan delten, waren es 2015 nur noch 14 inside:health Mai 2018 siemens.de/inside-health
4 2,7 Prozent eine Halbierung der Mortalitätsr ate innerhalb weni ger Jahre.3 Zudem ist immer seltener eine Konversion zu einer offenen herzchirurgischen Behandlung erforderlich: 2011 war dies noch in 1,6 Prozent der Fall, 2015 nur noch in 0,7 Prozent. Erfolgsgeschichte TAVI So überrascht es nicht, dass der TAVI-Markt unaufhaltsam wächst. Die Zahl der potenziellen TAVI-Kandidaten unter den älteren Patienten mit Aortenstenose wurde für 17 europäische Staaten mit errechnet, davon in Deutschland.4 Im Vergleich dazu sind es nur in den USA. Von den tatsächlich in der EU durchgeführten TAVI-Prozeduren fanden 46 Prozent in Deutschland statt, was die Autoren auf die TAVI-spezifischen DRGs (Disease Related Groups) und die allgemeine Krankenversicher ungs pflicht zurückführen. Zu einer ähnlichen globalen Einschätzung kam ein Report von Allied Market Research, Portland Oregon, USA:5 Im Jahr 2015 war die Europäi sche Union Marktführer und Deutschland das Land mit dem größten TAVI-Umsatz. Dies wird nach Einschätzung des Reports für den Zeitraum bis 2020 so bleiben. Dann soll das globale Markt volumen Millionen USD erreicht haben. Als Treiber der Marktentwicklung werden Prä valenz der Aortenstenose, Zunahme der geri a trischen Bevölkerungsgruppe, weitere Ver breitung der TAVI-Prozedur, Zulassung neuer Geräte, positive Studienergebnisse und die Ver besserung der Infra struktur im Gesundheitssystem von Schwellenländern angeführt. Follow-up ist unverzichtbar Mit der Intervention ist es aber nicht getan. Zum einen bedarf es nach Interventionen wie einer TAVI oder einer Stentimplantation einer sofortigen Kontrolle, zum anderen sind bei vielen Herzpatienten auch im weiteren Verlauf Kontrolluntersuchungen geboten. Bei einer Herzinsuffizienz kann dies neben der Bestimmung Follow-up eines charakteristischen kardialen Blutmarkers (NT-proBNP) die Testung der Belastbarkeit mittels EKG sein. Wurde ein Gefäßverschluss mit einem Stent versorgt, steht eine Kontrolle zu nächst nach drei bis sechs, im weiteren Verlauf alle zwölf Monate an. Dabei erfolgt eine körperliche Kontrolle plus Belastungs-EKG und Herzecho. Eine Herzkatheteruntersuchung ist nur in Ausnahmefällen und bei Beschwerden erforderlich. Bei interventionell mit einer neuen Herzklappe versorgten Patienten umfasst das halbjährige Follow-up in jedem Fall eine körperliche Untersuchung, je nach Klappenart auch ein Belastungs-EKG und Blutuntersuchungen wie Blutbild und Entzündungsmarker. Ein besonders langes Follow-up erhalten Kinder mit operativ versorgten angeborenen Herzfehlern. Sie werden meist vom selben Kardiologen bis weit ins Erwachsenenalter hinein betreut (siehe Interview ab Seite 29). IT Fazit Die Kardiologie ist und bleibt ein sich schnell entwickelnder, inno vativer Wachstumsmarkt, denn immer mehr Menschen erleben Verschleißer scheinungen an entscheidenden Strukturen des Herzens wie Herzklappen, Reizleitungssystem und Koronargefäßen, die möglichst schonend und präzise instand gesetzt werden müssen. Moderne kardiale Bildgebung, kontinuierlich fortent wickelte Prozeduren und eine Medizintechnik, die den Workflow optimal unterstützt, sind die Eckpfeiler des Erfolges. Entscheidend aber ist die Expertise der Experten. Denn die Herzkatheter-gestütz ten Interventionen werden immer komplexer, wie die Erfolgsge schichte der TAVI, aber auch Mapping-gestützte, anatomisch präzise Ablationsverfahren bei Herzrhyth mus störungen, die Implantation immer komplexerer Devices für Gefäß verschlüsse und neue Inter ventionen bei angeborenen Herzfehlern zeigen. inside:health Mai 2018 siemens.de/inside-health 15
5 Aufbau und Funktion des Herzens Darstellung eines Herzens mit syngo.via Cinematic VRT. syngo.via Cinematic VRT ermöglicht es, fotorealistische Bilder von Organen wie aus einem Anatomie-Handbuch zu erstellen. Für Ausbildungszwecke, Veröffentlichungen oder zur Kommunikation mit Patienten und Zuweisern. Dr. Wiebke Kathmann, Molekularbiologin mit Promotion in der Theoretischen Medizin und Erfahrung in der medizinischen Forschung, arbeitet seit 25 Jahren als Medizin- und Wissenschafts journalistin für Fachverlage, Industriekunden und Forschungsorganisationen. Damit beide Kreisläufe bestimmungsgemäß mit Blut versorgt werden, muss das Vierkammersystem Herz klar strukturiert und die Kontraktion gut koordiniert sein. Nur dann fließt das Blut in die richtige Richtung. Für die Pumpfunktion ist der Herzmuskel maßgeblich, für die Fließrichtung die Herz klappen, die am Ein- und Ausgang beider Herzkammern als Ein- bzw. Auslassventile fungieren. Sie öffnen und schließen sich passiv in Abhängigkeit von den Druckgradienten zwischen den Herzhöhlen. Die Trikuspidalklappe befindet sich am Übergang zwischen rechtem Vorhof und rechter Kammer, die Pulmonalklappe am Austritt der Lungenschlagader aus der rechten Kammer. Linksseitig reguliert die Mitral klappe den Austritt des Blutes aus dem linken Vorhof in die Kammer, während die Aortenklappe den Ausstrom aus der linken Kammer in die Aorta und damit den Körperkreislauf steuert. Das Herz versorgt aber nicht nur innere Organe und Gehirn über den Lungen- und Körperkreislauf mit Blut, sondern auch sich selbst. Dies geschieht nicht direkt aus den Herzkammern heraus, sondern durch die von der Aorta abzweigenden Herzkranzgefäße (Koronararterien). Bei der koronaren Herzkrankheit (KHK) können die Koronar arterien die Sauerstoffversorgung des Herzmuskels nicht mehr gewähr leisten. Verantwortlich hierfür ist meist eine Gefäßverkalkung (Arteriosklerose), die zu einer Verengung der Koronararterien führt. Die Durchblutung leidet. Als Risikofaktoren für eine KHK gelten Rauchen, Übergewicht und Bewegungsmangel mit der Folge eines Diabetes oder einer Hypercholesterinämie sowie Hypertonie. Sind vor allem die kleinen Veräste lungen betroffen oder ist die Stenose geringgradig, macht sich die Unterversorgung des Herzmuskels erst bei Belastung als Angina pectoris bemerkbar. Ist ein Hauptstamm betroffen, kann dies im Akutfall zum Herzinfarkt, bei lange bestehenden partiellen Verschlüssen zum Verlust der Pumpkraft des Herzens, sprich zu einer Herzinsuffizienz führen. 1 2 Herzbericht 2017, Deutsche Herzstiftung, Deutsche Herzstiftung, tavi-in-deutschland-deutliche-abnahme-der-mortalitaet 4 5 Hamm CW et al. Eur Heart J 2016; 37: Info/Kontakt siemens-healthineers.de/kardiologie stefan.kaetzlmeier@siemens-healthineers.com 16 inside:health Mai 2018 siemens.de/inside-health
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