Schriftliche Abschlussprüfung Deutsch. Realschulabschluss
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- Ewald Graf
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1 Sächsisches Staatsministerium für Kultus Schuljahr 1998/99 Geltungsbereich: für Klassen 10 an Mittelschulen Förderschulen Abendmittelschulen Schriftliche Abschlussprüfung Deutsch Realschulabschluss Allgemeine Arbeitshinweise Ihnen stehen vier Themenangebote zur Auswahl. Entscheiden Sie sich für eines und bearbeiten Sie dieses. Vor der planmäßigen Arbeitszeit werden Ihnen 20 Minuten zum Vertrautmachen mit den Themen gewährt. Die Arbeitszeit zum Schreiben des Aufsatzes beträgt 240 Minuten. Die zu den Aufgaben abgedruckten Texte folgen nicht der reformierten Rechtschreibung. Sie entsprechen der Quelle, der sie entnommen wurden. Sie dürfen folgende Hilfsmittel verwenden: - Wörterbuch der deutschen Rechtschreibung - J. W. von Goethe: Götz von Berlichingen Faust, Teil 1
2 Thema 1 Das Logo der diesjährigen europäischen Kulturstadt Weirnar lädt dazu ein, ein verschnürtes Paket zu öffnen. Stellen Sie sich vor, Sie hätten in diesem Paket folgende literarische Werke von J. W. v. Goethe gefunden: Götz von Berlichingen Faust, Teil I Willkommen und Abschied Prometheus Der Zauberlehrling Wählen Sie ein Werk aus, das Sie besonders gut kennen. Hinweis: Die Texte stehen Ihnen zur Verfügung. Schreiben Sie einen Text (Interpretation, Brief, Zeitungsartikel... ), mit dem Sie deutlich machen, warum Sie von diesem Werk beeindruckt sind.
3 Thema IV Leben mit Fernsehserien Fernsehserien dieser Art erreichen hohe Einschaltquoten. Erörtern Sie, was diese Serien so attraktiv für viele Zuschauer macht und was andere dazu bewegt, solche Serien strikt abzulehnen. Gehen Sie dabei auch konkret auf Ihnen bekannte Fernsehserien ein.
4 Thema III Das sechste Sinnesorgan Unser Bild der Wirklichkeit entstammt zu vielleicht zehn Prozent der eigenen Anschauung. Den Rest wissen wir, oder glauben wir zu wissen, aus Büchern, Zeitungen, Illustrierten, Radio, Fernsehen. Mediennutzung ist zu einer Schlüsselkompetenz geworden, ohne die wir nicht mehr leben können. Das in Schule und Berufsausbildung Gelernte ist in wenigen Jahren veraltet. Wtr müssen ständig dazulernen, sonst finden wir uns nicht mehr in der Weit zurecht [...]. Beständig lernen können wir mit Hilfe der Medien. Deren weitumspannendes Netz ver längert unsere Sinne in die Welt hinaus, im Grunde ist es zu einem zusätzlichen Sinnesorgan geworden. Live oder fast live kann man bei wichtigen Ereignissen rund um den Globus dabeisein, Informationen aus allen Ecken und Enden der Welt, aus allen Wissensbereichen werden praktisch augenblicklich weltweit verfügbar gemacht. Eine früher unvorstellbare Menge an Informationen steht zu jeder Tages- und Nachtzeit in gedruckter, akustischer und visualisierter Form zur Verfügung. [...] Fatalerweise führt die hohe Verfügbarkeit von Information über eine immer größere Medienvielfalt nicht dazu, daß mehr Menschen Zugang dazu bekommen. [...] Die Kluft zwischen trainierten Mediennutzern und der Masse der Bevölkerung wird immer größer. Es setzt nämlich Wissen und langjähriges Training voraus, aus der Informationsfülle das herauszufiltern, was wichtig ist. Wer das nicht gelernt hat, fühlt sich schnell überfordert, schaltet ab und zieht sich auf Medien zurück, die vorwiegend der populären Unterhaltung dienen. Michael Bechtel (aus: Michael Bechtel, Das sechste Sinnesorgan. In: Medien. Zwischen Ohnmacht und Faszination. Hrsg. von der Bundeazentrale für politische Bildung, Bonn 1993, S. 6f.) Erörtern Sie, welche Chancen und Risiken sich Ihnen aus dem Informationsangebot der modernen Mediengesellschaft eröffnen. Setzen Sie sich dabei mit den Auffassun. gen auseinander, die Michael Bechtel in seinem Text "Das sechste Sinnesorgan" ver tritt.
5 Thema II 1999 ist das Jahr, in dem Erich Kästners 100. Geburtstag begangen wird. Interpretieren Sie die beiden Fassungen des Gedichts. Gehen Sie dabei auch auf die Behauptung ein, Kästners Erzähl- und Dichtkunst sei locker, witzig, liebevoll und vernünftig. Keiner blickt dir hinter das Gesicht Fassung für Beherzte Keiner blickt dir hinter das Gesicht (Fassung für Beherzte) Niemand weiß, wie arm du bist... Deine Nachbarn haben selbst zu klagen. Und sie haben keine Zeit zu fragen, wie denn dir zumute ist. Außerdem, - würdest du es ihnen sagen? Lächelnd legst du Leid und Last, um sie nicht zu sehen, auf den Rücken. Doch sie drücken, und du mußt dich bücken, bis du ausgelächelt hast. Und das Beste wären ein Paar Krücken. Manchmal schaut dich einer an, bis du glaubst, daß er dich trösten werde. Doch dann senkt er seinen Kopf zur Erde, weil er dich nicht trösten kann. Und läuft weiter mit der großen Herde. Sei trotzdem kein Pessimist, sondern lächle, wenn man mit dir spricht. Keiner blickt dir hinter das Gesicht. Keiner weiß, wie arm du bist... (Und zum Glück weißt du es selber nicht.) Erich Kästner Keiner blickt dir hinter das Gesicht (Fassung für Kleinmütige) Keiner blickt dir hinter das Gesicht Fassung für Kleinmütige Niemand weiß, wie reich du bist... Freilich mein ich keine Wertpapiere, keine Villen, Autos und Klaviere, und was sonst sehr teuer ist, wenn ich hier vom Reichtum referiere. Nicht den Reichtum, den man sieht und versteuert, will ich jetzt empfehlen. Es gibt Werte, die kann keiner zählen, selbst, wenn er die Wurzel zieht. Und kein Dieb kann diesen Reichtum stehlen. Die Geduld ist so ein Schatz, oder der Humor, und auch die Güte, und das ganze übrige Gemüte. Denn im Herzen ist viel Platz. Und es ist wie eine Wundertüte. Arm ist nur, wer ganz vergißt, welchen Reichtum das Gefühl verspricht. Keiner blickt dir hinter das Gesicht. Keiner weiß, wie reich du bist... (Und du weißt es manchmal selber nicht.) Erich Kästner
6 Textgrundlagen für Thema 1 J. W. v. Goethe Willkommen und Abschied Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde! Es war getan fast eh gedacht. Der Abend wiegte schon die Erde, Und an den Bergen hing die Nacht: Schon stand im Nebelkleid die Eiche, Ein aufgetürmter Riese, da, Wo Finsternis aus dem Gesträuche Mit hundert schwarzen Augen sah. Der Mond von einem Wolkenhügel Sah kläglich aus dem Duft hervor, Die Winde schwangen leise Flügel, Umsausten schauerlich mein Ohr; Die Nacht schuf tausend Ungeheuer, Doch frisch und fröhlich war mein Mut: In meinen Adern welches Feuer! In meinem Herzen welche Glut! Dich sah ich, und die milde Freude Floß von dem süßen Blick auf mich; Ganz war mein Herz an deiner Seite Und jeder Atemzug für dich. Ein rosenfarbnes Frühlingswetter Umgab das liebliche Gesicht, Und Zärtlichkeit für mich - ihr Götter! Ich hofft es, ich verdient es nicht! Doch ach, schon mit der Morgensonne Verengt der Abschied mir das Herz: In deinen Küssen welche Wonne! In deinem Auge welcher Schmerz! Ich ging, du standst und sahst zur Erden, Und sahst mir nach mit nassem Blick: Und doch, welch Glück, geliebt zu werden! Und lieben, Götter, welch ein Glück!
7 J. W, v. Goethe Hat der alte Hexenmeister Sich doch einmal wegbegeben! Und nun sollen seine Geister Auch nach meinem Willen leben. Seine Wort' und Werke Merkt ich und den Brauch, Und mit Geistesstärke Tu ich Wunder auch. Der Zauberlehrling Walle! walle Manche Strecke, Daß, zum Zwecke, Wasser fließe Und mit reichem, vollem Schwalle Zu dem Bade sich ergieße. Und nun komm, du alter Besen! Nimm die schlechten Lumpenhüllen; Bist schon lange Knecht gewesen: Nun erfülle meinen Willen! Auf zwei Beinen stehe, Oben sei ein Kopf, Eile nun und gehe Mit dem Wassertopf! Walle! walle Manche Strecke, Daß, zum Zwecke, Wasser fließe Und mit reichem, vollem Schwalle Zu dem Bade sich ergieße. Seht, er läuft zum Ufer nieder, Wahrlich! ist schon an dem Flusse, Und mit Blitzesschnelle wieder Ist er hier mit raschem Gusse. Schon zum zweiten Male! Wie das Becken schwillt! Wie sichjede Schale Voll mit Wasser fällt! Stehe! stehe! Denn wir haben Deiner Gaben Vollgemesen! - Ach, ich merk es! Wehe! wehe! Hab ich doch das Wort vergessen!
8 Ach, das Wort, worauf am Ende Er das wird, was er gewesen. Ach, er läuft und bringt behende! Wärst du doch der alte Besen! Immer neue Güsse Bringt er schnell herein, Ach! und hundert Flüsse Stürzen auf mich ein. Nein, nicht länger Kann ichs lassen; Will ihn fassen. Das ist Tücke! Ach! nun wird mir immer bänger! Welche Miene! welche Blicke! O, du Ausgeburt der Hölle! Soll das ganze Haus ersaufen? Seh ich über jede Schwelle Doch schon Wasserströme laufen. Ein verruchter Besen, Der nicht hören will! Stock, der du gewesen, Steh doch wieder still! Willst am Ende Gar nicht lassen? Will dich fassen, Will dich halten Und das alte Holz behende Mit dem scharfen Beile spalten. Seht, da kommt er schleppend wieder! Wie ich mich nur auf dich werfe, Gleich, o Kobold, liegst du nieder; Krachend trifft die glatte Schärfe. Wahrlich! brav getroffen! Seht, er ist entzwei! Und nun kann ich hoffen, Und ich atme frei! Wehe! wehe! Beide Teile Stehn in Eile Schon als Knechte Völlig fertig in die Höhe! Helft mir, ach! ihr hohen Mächte! Und sie laufen! Naß und nässer Wirds im Saal und auf den Stufen. Weich entsetzliches Gewässer! Herr und Meister! hör mich rufen! - Ach, da kommt der Meister! Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister Werd ich nun nicht los. "In die Ecke, Besen! Besen! Seids gewesen. Denn als Geister Ruft euch nur, zu diesem Zwecke, Erst hervor der alte Meister."
9 J. W. v. Goethe Prometheus Bedecke deinen Himmel, Zeus, Mit Wolkendunst Und übe, dem Knaben gleich, Der Disteln köpft, An Eichen dich und Bergeshöhn! Mußt mir meine Erde Doch lassen stehn Und meine Hütte, die du nicht gebaut, Und meinen Herd, Um dessen Glut Du mich beneidest. Ich kenne nichts Ärmeres Unter der Sonn als euch, Götter! Ihr nähret kümmerlich Von Opfersteuem Und Gebetshauch Eure Majestät Und darbtet, wären Nicht Kinder und Bettler Hoffnungsvolle Toren. Da ich ein Kind war, Nicht wußte, wo aus noch ein, Kehrt ich mein verirrtes Auge Zur Sonne, als wenn drüber wär Ein Ohr, zu hören meine Klage, Ein Herz wie meins, Sich des Bedrängten - erbarmen. Wer half mir Wider der Titanen Übermut? Wer rettete vom Tode mich, Von Sklaverei? Hast du nicht alles selbst vollendet, Heilig glühend Herz? Und glühtest jung und gut, Betrogen, Rettungsdank Dem Schlafenden da droben? Ich dich ehren? Wofür? Hast du die Schmerzen gelindert Je des Beladenen? Hast du die Tränen gestillet Je des Geängsteten? Hat nicht mich zum Manne geschmiedet Die allmächtige Zeit Und das ewige Schicksal, Meine Herrn und deine? Wähntest du etwa, Ich sollte das Leben hassen, In Wüsten fliehen, Weil nicht alle Blütenträume reiften? Hier sitz ich, forme Menschen Nach meinem Bilde, Ein Geschlecht, das mir gleich sei, Zu leiden, zu weinen, Zu genießen und zu freuen sich, Und dein nicht zu achten, Wie ich!
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