Einfluss von Lahmheiten auf die Fruchtbarkeitsleistung von Milchkühen
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- Reinhardt Brandt
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1 Aus der Klinik für Rinder (im Richard-Götze-Haus) der Tierärztlichen Hochschule Hannover Einfluss von Lahmheiten auf die Fruchtbarkeitsleistung von Milchkühen Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Grades einer Doktorin der Veterinärmedizin (Dr. med. vet.) durch die Tierärztliche Hochschule Hannover Vorgelegt von Dörte Wiedenhöft aus Hamburg Hannover 2005
2 Wissenschaftliche Betreuung: Univ.-Prof. Dr. M. Hoedemaker, Ph.D. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. M. Hoedemaker, Ph.D. Gutachter: Prof. Dr. K.-H. Waldmann Tag der mündlichen Prüfung:
3 Meinen Eltern
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5 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung Schrifttum Häufigkeit der Gliedmaßen- und Klauenerkrankungen des Rindes Die Bedeutung der Gliedmaßen- und Klauenerkrankungen des... Rindes Einfluss von Klauenerkrankungen auf Allgemeingesundheit und Milchproduktion Einfluss von Klauenerkrankungen auf die Fruchtbarkeit Klauenerkrankungen als Abgangsursache Kosten von Klauenerkrankungen Die häufigsten Klauenerkrankungen des Rindes Klauenrehe (Pododermatitis aseptica diffusa, Laminitis) Typisches Sohlengeschwür (Pododermatitis circumscripta, Rusterholzsches Sohlengeschwür, typical sole ulcer ) Atypisches Sohlengeschwür (Pododermatitis circumscripta in untypischer Lokalisation) Ballenhornfäule (Ballenhornerosionen, Erosio ungulae, heel horn erosion ) Dermatitis digitalis (Mortellaro, Erdbeerkrankheit) Dermatitis interdigitalis (Fäule) Phlegmona interdigitalis (Infektiöse Zwischenklauennekrose,... Panaritium) Limax (Zwischenklauenwulst, Hyperplasia interdigitalis, Tylom) Eitrig hohle Wand (Pododermatitis septica circumscripta abaxialis, white line disease") Septische Klauenlederhautentzündung (Pododermatitis septica)...32
6 Anteil der verschiedenen Klauenerkrankungen Die wirtschaftliche Bedeutung der Fruchtbarkeit Faktoren der Fruchtbarkeit Parameter zur Beurteilung der Fruchtbarkeit Eigene Untersuchungen Material und Methoden Betrieb Tiere Allgemeine Datenerfassung/Betriebsprogramm Erfassung der Klauengesundheit Klauenpflege Erfassung der Klauenerkrankungen zwischen den... Herdenschnitten Datenverarbeitung Erfassung der Fertilitätsparameter Kosten pro Trächtigkeit Abgang von Tieren Statistische Auswertung Ergebnisse Einteilung der Gruppen Klauenerkrankungen Alle Tiere Nicht lahme Tiere Lahme Tiere Vergleich nicht lahme lahme Tiere Fruchtbarkeitsparameter Konzeptionsrate Gesamtträchtigkeitsrate...85
7 Erstbesamungserfolg Tage-Nicht-Trächtigkeitsrate Trächtigkeitsindex Rastzeit Güstzeit Verzögerungszeit Erwartete Zwischenkalbezeit Kosten pro Trächtigkeit Diskussion Material und Methode Auftreten von Klauenerkrankungen im Verlauf der Laktation Rusterholzsches Sohlengeschwür Atypisches Sohlengeschwür plus Pododermatitis septica Klauenrehe White Line Disease Erkrankungen der Afterklaue Ballenhornerosionen Dermatitis interdigitalis Dermatitis digitalis (Mortellaro) Limax Phlegmona interdigitalis Anzahl an Diagnosen pro Tier und Klauenpflegetermin Fruchtbarkeit Konzeptionsrate Gesamtträchtigkeitsrate Erstbesamungserfolg Tage-Nicht-Trächtigkeitsrate Trächtigkeitsindex Rastzeit...141
8 Güstzeit Verzögerungszeit Erwartete Zwischenkalbezeit Maximaler Lahmheitsgrad und Häufigkeit des Auftretens einer Lahmheit innerhalb der Laktation Auftreten der Lahmheit um den Zeitpunkt der ersten künstlichen Besamung Kosten pro Trächtigkeit Schlussfolgerungen Zusammenfassung Summary Literaturverzeichnis Anhang...201
9 Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen A. pyogenes Arcanobacterium pyogenes bzw. beziehungsweise ca. circa DI Dermatitis interdigitalis DLG Deutsche Landwirtschaftliche Gesellschaft Eros Ballenhornerosionen ggr. geringgradig GZ Güstzeit EBE Erstbesamungserfolg et al. et alii ezkz erwartete Zwischenkalbezeit hgr. Hochgradig Hgld. Hintergliedmaße HL hinten links HR hinten rechts KB künstliche Besamung kg Kilogramm KP Klauenpflege KR Konzeptionsrate LH luteinisierendes Hormon LN Laktationsnummer max. maximal mgr. mittelgradig n Anzahl Nr. Nummer P statistische Irrtumswahrscheinlichkeit Phleg. Phlegmona interdigitalis p.p. post partum
10 RZ Rastzeit SG Sohlengeschwür TI Trächtigkeitsindex u. und u.a. unter anderem v.a. vor allem Vgld. Vordergliedmaße VL vorne links VR vorne rechts vs versus VZ Verzögerungszeit WLD White Line Disease z.b. zum Beispiel ZMS Zuchtmanagementsystem
11 11 Einleitung 1. Einleitung In der heutigen Milchviehhaltung zählen neben Mastitiden und Fruchtbarkeitsstörungen v.a. Klauenerkrankungen zu den häufigsten Krankheitskomplexen der Milchkühe. Von vielen Autoren wird beschrieben, dass sowohl der Prozentsatz der Klauenerkrankungen als auch deren Grund als Abgangsursache in den letzten 20 Jahren stetig anstieg (DISTL 1996). Für die Zunahme der Klauen- und Gliedmaßenschäden werden in erster Linie die veränderten Haltungsbedingungen der heutzutage sehr intensiv geführten Milchwirtschaft verantwortlich gemacht. Klauenerkrankungen führen durch Behandlungskosten, Abfall der Milchleistung und vorzeitige Merzung zu hohen wirtschaftlichen Verlusten (AMSTUTZ 1965). Des Weiteren vermutet man einen negativen Einfluss von Klauenerkrankungen auf die Fruchtbarkeit. Der Mechanismus, durch den Lahmheit die Fruchtbarkeit beeinflusst, ist noch nicht ganz geklärt (BARKEMA et al. 1994). Es wird diskutiert, dass bei Kühen mit Klauenerkrankungen die Bewegungsaktivität im Durchschnitt herabgesetzt ist und dadurch weniger äußeres Brunstverhalten gezeigt wird. Dies führt zu einer schlechteren Beobachtung der Brunst und hat somit eine negative Beeinflussung auf die Fruchtbarkeitsrate. Eine weitere Rolle spielt der Schmerz, der durch Lahmheit verursacht wird. Er hat einen negativen Effekt auf die Futteraufnahme und somit auf die Energiebilanz. Eine Abnahme der Körperkondition und eine schlechte Energieversorgung führen zu einer verminderten Fruchtbarkeit Ebenso erscheint durch den Stress die Abwehr klauenkranker Tiere herabgesetzt zu sein, so dass sich allgemeine oder regionale Erkrankungen, Infektionen oder andere krankhafte Zustände leichter etablieren und so zu einer Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit führen können.
12 12 Einleitung Ziel dieser Arbeit ist es, zu untersuchen, ob Klauengesundheit einen Einfluss auf die Fruchtbarkeit von Milchkühen hat. Es wird hierfür anhand von drei aufeinander folgenden halbjährlichen Klauenpflegeterminen sowie zwischenzeitlich auftretenden Klauenerkrankungen ermittelt, wie hoch das Auftreten verschiedener Klauenerkrankungen in einem großen Milchviehbetrieb ist und ob lahme Tiere schlechtere Fruchtbarkeitsergebnisse aufweisen als nicht lahme Tiere. Neben den Fruchtbarkeitsparametern, wie z.b. Rastzeit, Güstzeit, Konzeptionsrate etc., werden auch Merkmale, wie Laktationsnummer und Laktationsstadium, auf Zusammenhänge mit Lahmheiten überprüft.
13 13 Schrifttum 2. Schrifttum 2.1. Häufigkeit der Gliedmaßen- und Klauenerkrankungen des Rindes Einleitend ist zu sagen, dass die Beurteilung des Gesamtkomplexes Schwierigkeiten bereitet, da in der Literatur nicht immer eindeutig zwischen Diagnose, Lahmheit, Gliedmaßen- oder Klauenerkrankung unterschieden wird. Das Auftreten und die Häufigkeit von Klauenerkrankungen in Milchviehbeständen wurden von den verschiedenen Autoren mit einer großen Varianz angegeben. Dennoch waren sich viele Autoren einig, dass der Prozentsatz der Klauenerkrankungen ständig ansteigt. In der Rinderklinik der Tierärztlichen Hochschule Hannover wurde die Anzahl der Erkrankungen der Klauen am Patientengut mit 7-12 % angegeben (MEYER 1965). Nach OTTO (1965) lag der Prozentsatz noch etwas höher. Er gab an, dass der Anteil der Klauenerkrankungen an den Gliedmaßenerkrankungen in den Jahren bei 71,4 % lag. Das bedeutet, dass 19,1 % aller Rinderpatienten der Tierärztlichen Hochschule Hannover an Klauenveränderungen erkrankt waren. In der Tierklinik der Humbold-Universität Berlin litten 1968 über 33 % der stationär eingestellten Rinder an Klauenerkrankungen (DIETZ u. PRIETZ 1968). ERNST (1983) ermittelte ein Auftreten von Klauenerkrankungen in Anbindehaltung von 11,7 % und in Laufstallhaltung von 27,7 %. STÖBER (1971) berichtete, dass in anderen europäischen Ländern bei verschiedenen Untersuchungen der Anteil der Erkrankungen an den Gliedmaßen bei 5 10 % lag. In den Niederlanden wurden in den Jahren an der Chirurgischen Klinik der Reichsuniversität Utrecht 4447 Rinder wegen Erkrankungen des
14 14 Schrifttum Bewegungsapparates behandelt. Das waren 57 % der insgesamt behandelten Patienten (WINTZER 1962). In Dänemark berichteten NIELSEN und SMEDEGARD (1984) bei Untersuchungen in sechs Herden über einen Zeitraum von fünf Jahren ( ), dass hier der Anteil von Lahmheiten bei 18 % lag. In Irland wurde auf 20 Farmen mit einer totalen Population von 3150 Milchkühen ein jährliches Auftreten von Gliedmaßenerkrankungen mit 28 % ermittelt (ARKINS 1981). In neueren Untersuchungen in den Niederlanden, Dänemark, Frankreich und Deutschland kamen die Autoren übereinstimmend in zwei Punkten zum selben Ergebnis: mehr als 50 % der Kühe wiesen krankhafte Veränderungen an den Füßen auf, und es waren bereits Erstlaktierende zu einem hohen Prozentsatz betroffen (PHILLIPOT et al. 1990; ENEVOLDSEN et al. 1991a/b; SMITS et al. 1992; DISTL u. SCHMID 1993). In Großbritannien lag der Prozentsatz an lahmen Kühen laut EDDY und SCOTT (1980) bei 4,7 % jährlich. Ein ähnliches Ergebnis mit 5,5 % hatten auch RUSSELL et al. (1982) in einer nationalen Untersuchung, ROWLANDS et al. (1983) mit 5,8 % und PEELER et al. (1994) mit 8,9 %. In den letzteren Untersuchungen wurden nur Lahmheitsfälle registriert, die von Tierärzten behandelt wurden. Studien mit höheren Werten kamen durch Einbeziehung von Daten und Erfahrungen von Tierhaltern zustande. Meist wurde nur ein relativ geringer Prozentsatz von Lahmheiten dem Tierarzt vorgestellt, und viele Behandlungen wurden eigenständig durchgeführt. WHITAKER et al. (1983) hatten in ihren Untersuchungen von 185 Milchviehbeständen auch die Fälle miteinbezogen, die von den Farmern selbst behandelt worden waren. Sie kamen mit 25 % auf ein deutlich höheres Ergebnis für das jährliche Auftreten von Lahmheiten, ähnlich dem von PRENTICE und NEAL (1972) mit 30 %. Weitere Angaben zur durchschnittlichen Lahmheitshäufigkeit in Milchviehherden machten: AMSTUTZ (1985) 10 %; COLLICK et al. (1989) 17 %; ESSLEMONT und WASSEL (1990) 15 17%; LISCHER und OSSENT (1994) 4-38%; CLARKSON et al. (1996) bis 53 %; ESSLEMONT und KOSSAIBATI (1996) 17,4 %; WARD (1999) bis
15 15 Schrifttum 60%; WHITAKER et al. (2000) 23,7 %. BLOWEY et al. (2000) berichteten von 69 Fällen pro 100 Kühe pro Jahr. Der Anteil der Klauenprobleme an den Gliedmaßenerkrankungen bzw. den Lahmheiten war hoch. Er lag zwischen % (GOGOI et al. 1981; STANEK u. STUR 1985; WEAVER 1985). Auch in Amerika wurden unterschiedliche Angaben gemacht. Laut SMITH (1964) lagen bei Untersuchungen in zwei Herden der Universität Illinois 9 % aller Krankheitsfälle an den Extremitäten. Das NATIONAL ANIMAL HEALTH MONITORING SYSTEM (1996) gab in einer Studie das Auftreten von Klauenerkrankungen mit 10 % an. HERNANDEZ et al. (2001) hingegen ermittelten bei Untersuchungen einer Herde in Florida Klauenerkrankungen bei 254 der 837 Rinder. Dies entsprach 30 %. Eine Varianz des Auftretens von Klauenerkrankungen von 2-20 % bei 3000 untersuchten Rindern auf einer Farm in Florida analysierten MELENDEZ et al. (2003) Die Bedeutung der Gliedmaßen- und Klauenerkrankungen des Rindes Einfluss von Klauenerkrankungen auf Allgemeingesundheit und Milchproduktion In der heutzutage sehr intensiv geführten Milchwirtschaft zählt vor allem die Leistung: hohe Milchmenge, gute Fruchtbarkeit und gute Gesundheit. Klauenerkrankungen bzw. Lahmheiten zählen neben Sterilitäten und Mastitiden zu den häufigsten Erkrankungen der Milchkühe und führen zu hohen wirtschaftlichen Verlusten. Diese sind im Gegensatz zu Eutererkrankungen und Fruchtbarkeitsstörungen schwerer zu quantifizieren, da nicht nur die Lahmheit selbst zu Kosten führt, sondern auch die Folgeschäden mitberechnet werden müssen (SINGH et al. 1993).
16 16 Schrifttum Schon AMSTUTZ (1965) wies auf fünf negative Auswirkungen von Klauenerkrankungen auf das Einzeltier hin: 1. Rückgang der Milchproduktion 2. Rückgang der Körpermasse 3. Rückgang der Futterverwertung 4. Entstehende Kosten durch die Behandlung 5. Kosten durch Merzung DIRKSEN und STÖBER (1979) und WEAVER (1985) führten zusätzlich noch verzögerte Konzeption und vermehrtes Auftreten von Ketosen an. Ähnliche Aussagen wurden auch von LUCEY et al. (1986b), MILIAN-SUAZO et al. (1988) und MILLER und DORN (1990) formuliert. Aufgrund der Schmerzen beeinflussen Klauen- und Gliedmaßenerkrankungen den gesamten Gesundheitszustand und führen zu Störungen des Allgemeinbefindens, da sich die Tiere den Umweltverhältnissen nicht mehr so gut anpassen können (RICKER 1983; GALINDO u. BROOM 2002). Nach VAN DORP et al. (1999) ist z.b. Ballenfäule direkt positiv korreliert mit Labmagenverlagerung und indirekt positiv korreliert mit Milchfieber, Nachgeburtsverhaltung, Endometritis und Ketose. Das Auftreten von Erkrankungen in der frühen Laktation kann einen kumulativen Effekt auf das Auftreten anderer Erkrankungen zu einem späteren Zeitpunkt der Laktation haben. MIETH und RITTER (1968) schrieben, dass bei lange anhaltenden Klauenleiden bei Leistungstieren mit einem Milchverlust von bis zu 1000 kg pro Jahr zu rechnen ist. PRANGE (1969) ermittelte, dass die Verringerung der Milchleistung je nach Ausmaß der Erkrankung bei bis zu 15 % liegt. GREENOUGH et al. (1997) und SCHNELLER (1984) rechneten mit einer Senkung der Jahresmilchmenge von bis zu 20 %, abhängig von Schwere und Dauer. ANGERMANN (1978) ging sogar von einem Milchabfall von 50 % aus und einem durchschnittlichen Verlust der Körpermasse von kg. CABANOWSKY (1974) verglich die jährliche Milchmenge von gliedmaßengesunden Kühen mit der von gliedmaßenerkrankten Kühen und kam auf einen Verlust von ca.
17 17 Schrifttum 350 kg pro Kuh. WEICHELT (1976) ermittelte einen Wert von durchschnittlich 200 kg Milchverlust pro Kuh und Jahr für Kühe mit einem Rusterholzschen Sohlengeschwür. Lahmheiten traten häufig in den ersten drei Monaten nach dem Kalben auf, und daher betraf der Milchverlust die gesamte Laktation (PRENTICE u. NEAL 1972, EDDY u. SCOTT 1980). Nach ARGAEZ-RODRIGUEZ et al. (1997) lag die durchschnittlich verminderte Milchmenge bei Kühen mit Pododermatitis digitalis bei 122 kg pro Laktation. FOURICHON et al. (2000) ermittelten bei der Zusammenfassung verschiedener Studien einen Milchverlust von kg pro Laktation, und RAJALA und GRÖHN (1998) beobachteten, dass Kühe mit Klauen- oder Gliedmaßenproblemen in den ersten Wochen nach der Diagnose ca. 1,5-2,8 kg Milch pro Tag weniger produzierten. BARKEMA et al. (1994) hingegen konnten keinen Einfluß von Lahmheit auf die Milchleistung feststellen Einfluss von Klauenerkrankungen auf die Fruchtbarkeit Einige Autoren berichteten über negative Effekte von Lahmheiten und Klauenerkrankungen auf die Reproduktionsleistung (LUCEY et al. 1986b; COLLICK et al. 1989; TRANTER u. MORRIS 1991; SPRECHER et al. 1995). Schon 1979 beschrieben DIRKSEN und STÖBER, dass Klauenerkrankungen zu verzögerter Konzeption führen können, und CABANOWSKY errechnete 1974 eine Zwischenkalbezeit für gesunde Kühe von 337 Tagen und für klauenkranke Tiere von 401 Tagen. Laut BOSTEDT (1982) verringerten Klauenerkrankungen die Wahrscheinlichkeit für einen ungestörten Ablauf des Puerperiums und senkten somit die Fertilitätschancen. In einer Studie, durchgeführt über eine Periode von fünf Jahren an 770 Holstein- Friesen und Ayrshire Kühen, war Lahmheit assoziiert mit einer um sieben Tage verlängerten Rastzeit und einer um 11 Tage verlängerten Güstzeit. Die größte Zunahme dieser Intervalle trat bei Kühen auf, bei denen Sohlengeschwüre und
18 18 Schrifttum Erkrankungen der weißen Linie innerhalb der ersten Tage p.p. auftraten (LUCEY et al. 1986a). In einer weiteren Untersuchung in Großbritannien an 854 Friesen, Holstein-Friesen und Ayrshire fanden COLLICK et al. (1989) heraus, dass die Rastzeit um vier Tage und die Güstzeit um 14 Tage bei lahmen Kühen im Vergleich zu gesunden verlängert war. Die Trächtigkeitsrate nach Erstbesamung war um 10 % verringert, der Besamungsindex stieg von 1,72 auf 2,14, und die Merzungsrate lag bei lahmen Kühen mit 16 % um 11 % höher als bei gesunden Tieren. Lahmheit, die das erste Mal in dem Zeitraum von Tagen p.p. auftrat, war assoziiert mit einem signifikanten Anstieg (P<0,01) der Rastzeit um acht Tage. Sohlengeschwüre, die in dem Zeitraum von Tagen auftraten, führten zu einer um elf Tage verlängerten Rastzeit (P<0,05). Ebenfalls führten Sohlengeschwüre zu einer um 40 Tage signifikant verlängerten Güstzeit und einem um 13 % geringeren Erstbesamungserfolg. Ein hoher Lahmheitsgrad in dem Zeitraum von Tagen p.p. führte ebenfalls zu einer verlängerten Güstzeit (31 Tage) und einem geringeren Erstbesamungserfolg (15%). Auch HULTGREN et al. (2004) konnten den negativen Effekt von Sohlengeschwüren auf den Erstbesamungserfolg sowie auf die Zwischenkalbezeit bestätigen. Weitere Angaben für eine verlängerte Güstzeit bei Kühen mit Klauenerkrankungen machten LEE et al. (1989) mit 28 Tagen, ARGAEZ-RODRIGUEZ et al. (1997) mit 20 Tagen, FOURICHON et al. (2000) mit 12 Tagen und HERNANDEZ et al. (2001) mit 40 Tagen. Die Rastzeit verlängerte sich um 3-5 (BARKEMA et al. 1994) bzw. 8 Tage (HERNANDEZ et al. 2001). Bei Untersuchungen in Mexiko stellten ARGAEZ-RODRIGUEZ et al. (1997) fest, dass gesunde Kühe schneller tragend wurden, da nach 90 Tagen schon 46 % der Gesunden und nur 31 % der Tiere, die an Dermatitis digitalis erkrankt waren, konzipiert hatten. Ähnliche Ergebnisse aus den USA lieferten MELENDEZ et al. (2003). Sie fanden heraus, dass der Erstbesamungserfolg bei lahmen Tieren 4,2 mal geringer war als bei nicht lahmen Tieren. Dieses Ergebnis konnte von BARKEMA et al. (1994) nicht bestätigt werden.
19 19 Schrifttum HERNANDEZ et al. (2001) beschrieben, dass die Anzahl der Brunsten bis zur Konzeption bei gesunden Tieren im Schnitt drei betrug und bei Tieren mit Klauenläsionen im Schnitt fünf. Eine weitere Studie aus den USA von SPRECHER et al. (1997) besagte, dass bei Kühen mit einem Lahmheitsscore über zwei das Risiko für eine verlängerte Rastzeit 2,8 mal höher war, für leere Tage 15,6 mal höher und für mehr Besamungen pro Konzeption 9,0 mal höher als bei gesunden Tieren. Bei Untersuchungen in Polen ermittelten BADURA et al. (1992), dass von vereiterten Klauen Risiken für die Entstehung von Endometritiden ausgingen. In Herden mit Klauenerkrankungen bestand eine ca. doppelt so hohe Inzidenz für Gebärmutterentzündungen wie in solchen mit gesunden Klauen, und in 73,3 % der Fälle konnten weitgehend übereinstimmende Bakterienbefunde von Gebärmutterinhalt und Klauen erhoben werden. Ähnliche Erhöhungen waren für die Involutionszeit sowie das Auftreten von Zyklusstörungen und Ovarzysten festzustellen. Vergleichbare Studien lagen von BACH et al. (1975), BARTH et al. (1976) und LUGINBÜHL und KÜPFER (1980) vor. Laut MELENDEZ (2000) und MELENDEZ et al. (2003) waren lahme Kühe 2-3 mal eher von Ovarzysten betroffen als nicht lahme. Ovarzysten wiederum waren ein Risikofaktor für Unfruchtbarkeit (BARTLETT et al. 1986; LUCY 2001) und verlängerten u.a. das Intervall bis zur ersten Belegung (BARTOLOME et al. 2000; MELENDEZ et al. 2003). Der Mechanismus, durch den Lahmheit die Fruchtbarkeit beeinflusst, ist noch nicht ganz geklärt (BARKEMA et al. 1994). Ein Grund kann darin liegen, dass Lahmheit einen negativen Effekt auf die Energiebilanz hat und zu einem Verlust des Körpergewichtes führt (TRANTER u. MORRIS 1991; BUTLER 2000). Eine Abnahme der Körperkondition und eine schlechte Energieversorgung führen zu einer verminderten Fruchtbarkeit (MIETTINEN 1991; RUEGG et al. 1992; GREENOUGH et al. 1997; GILLUND et al. 2001; PRYCE et al. 2001). Eine weitere Rolle spielt der Schmerz, der durch Lahmheit verursacht wird und zu Stress führt. Stress erhöht den Blutkortisonspiegel und dieser verschiebt und vermindert die LH-Ausschüttung und führt somit zu ovariellen Funktionsstörungen (ECHTERNKAMP 1984; NANDA et
20 20 Schrifttum al.1990). Auch BOSTEDT (1982), ZÖLDAG (1983) und DOBSON und SMITH (2000) sahen im Stress, durch allgemeine oder regionale Erkrankungen, Infektionen oder andere krankhafte Zustände, eine Beeinträchtigung des Individuums und der Fruchtbarkeit. Weitere Autoren beschrieben eine schlechtere Brunsterkennung bei lahmen Kühen, v.a. durch weniger Brunstaktivität wie z.b. Aufspringen, und dies führte wiederum zu einer verminderte Fruchtbarkeit (LUCEY et al 1986a; COLLICK et al. 1989; PEELER et al. 1994; SPRECHER et al. 1997). COLLICK et al. (1989) und LUCEY et al. (1986a) bestätigten, dass in Herden, in denen viele Tiere lahm waren, die Rate und die Genauigkeit der Brunsterkennung herabgesetzt war. Hinzu kam, dass lahme Kühe mehr Zeit im Liegen verbrachten und weniger liefen als gesunde Tiere (GALINDO u. BROOM 2002). Hierdurch war die Fähigkeit, sich dem Farmer in Brunst zu zeigen, deutlich eingeschränkt. Einige Autoren konnten keinen Einfluss von Klauenerkrankungen und Lahmheiten auf die Fruchtbarkeit feststellen (COBO-ABREU et al.1979; DOHOO u. MARTIN 1984a) Klauenerkrankungen als Abgangsursache Neben dem wirtschaftlichen Verlust durch Abfall der Milchleistung und geringerer Fruchtbarkeit, waren Klauenerkrankungen ein häufiger Grund für Merzung der Tiere. Schon DIETER (1964) bestätigte, dass Lahmheiten 1 % der Gesamtmerzungen in der BRD ausmachten. 20 Jahre später sprach man schon von 2,3 % (LEE 1983) bzw. 4,5 % (MERKT et al. 1983) im Bundesgebiet. Eine ähnliche Zahl mit 4,3 % (WOLF 1982) lag zu der Zeit auch für die DDR vor. Nach DISTL (1996) zeigte kein anderer Abgangsgrund in den letzten 20 Jahren einen so ansteigenden Trend wie Klauen- und Gliedmaßenprobleme, die bereits eine Häufigkeit von bis zu 15 % pro Jahr erreichten. Auch in anderen europäischen Ländern gab es ähnliche Ergebnisse. In Dänemark betrug die Merzungsrate durch Lahmheiten in Anbindehaltung 15,7 % und in Laufstallhaltung 29,5 % (ALBAN u. AGGER 1996). In Österreich lag der Prozentsatz
21 21 Schrifttum nach LANDMANN (2001) im Jahre 2000 bei 11 %. In Großbritannien liegen viele Studien vor: BEYNON und HOWE (1974) 1,8 %; WHITAKER et al. (1983) 1,5 %; WEAVER (1988) 1,4-1,8 %; ESSLEMONT und KOSSAIBATI (1996) 5,6 % und WHITAKER et al. (2000) 1,7 %. Bei Untersuchungen in den USA ermittelten SPRECHER et al. (1997), dass Kühe mit einem Lahmheitsscore 2 häufiger geschlachtet wurden (8,4 x) als Kühe mit einem Lahmheitsscore < 2, und HERNANDEZ et al. (2001) berichteten, dass der Anteil lahmender Kühe, die die Herde verlassen, proportional gesehen signifikant höher war als der Anteil gesunder Kühe. Kühe mit Klauenfäule verließen die Herde zu 60 %, Tiere mit Klauenläsionen zu 44 % und lahmheitsfreie Kühe nur zu 33 % Kosten von Klauenerkrankungen Durch Klauenerkrankungen erlitten die landwirtschaftlichen Betriebe jährlich hohe finanzielle Verluste, in die die Kosten für prophylaktische (z.b. Klauenpflege) und therapeutische Maßnahmen (z.b. Einsatz von Antibiotika) einflossen, aber auch Mehrkosten bzw. Einbußen durch reduzierte Fruchtbarkeit, verringerte Milchleistung, Abmagerung und vorzeitige Schlachtung (SINGH et al. 1993; LISCHER u. OSSENT 1994). Schon KNEZEVIC (1960) errechnete bei Untersuchungen in Österreich für die dortige Milchwirtschaft einen jährlichen Schaden von umgerechnet ca. 7 Millionen Euro. In Deutschland lagen die Schätzungen 1968 bei 680 DM Verlust pro Kuh durch verminderte Milchleistung bei länger anhaltenden Klauenerkrankungen (MIETH u. RITTER 1968). ESCHENBACH und WITT (1971) berechneten einen Durchschnittspreis von 13,44 DM je Klauenbehandlung, und davon ausgehend kostete jede klauenbehandelte Kuh im Schnitt 51,48 DM. Auch DISTL (1996) setzte die Kosten für die tierärztliche Behandlung pro Fall im Mittel auf DM fest, und dies führte zu einem Verlust von umgerechnet DM pro Kuh und Laktation. In den Niederlanden gaben FRANKENA et al. (1992) den Verlust pro Kuh und Jahr mit umgerechnet 18 Euro an.
22 22 Schrifttum In England lagen die Schätzungen der durch Lahmheitserkrankungen insgesamt verursachten Verluste in den Jahren 1977/78 bei ca. 15,5 Millionen Pfund (EDWARDS 1980; BAGGOT u. RUSSEL 1981). WHITAKER et al. (1983) und WEAVER (1985) schätzten die Verluste sogar noch viel höher ein. Sie sprachen von ca. 35 Millionen Pfund jährlich. Davon entfielen 65 % auf die geringere Milchleistung und Antibiotika in der Milch, 9 % auf Lebendmasseeinbuße und 8 % auf Ausmerzen und Notschlachtung. ESSLEMONT und WASSELL (1990) gaben den Minderertrag pro Tier und Laktation mit umgerechnet 50 Euro an. KOSSAIBATI und ESSLEMONT (1997) benutzten den Milchpreis von 1995 und kalkulierten hiermit die durchschnittlichen Kosten für eine lahme Kuh auf 273 Pfund und ca. 160 Millionen Pfund pro Jahr für die nationalen Herden. In den USA gab AMSTUTZ (1974) den wirtschaftlichen Schaden pro lahme Kuh mit 150 US-Dollar an und erhöhte diesen Betrag 1985 auf 200 Dollar. TRANTER und MORRIS (1991) berechneten 94 Dollar pro lahme Kuh durch den Milchverlust und im Schnitt 12 Dollar pro lahmes Tier für die Behandlung Die häufigsten Klauenerkrankungen des Rindes Klauenrehe (Pododermatitis aseptica diffusa, Laminitis) Die Klauenrehe wird definiert als eine diffuse aseptische und degenerative Entzündung der Lederhaut, die meist an mehreren Klauen gleichzeitig auftritt (LISCHER u. OSSENT 1994; MORTENSEN 1994; OSSENT et al. 1997). Sie spielt eine wesentliche Rolle in der Entstehung anderer Veränderungen der Klaue, wie Ballenfäule, Sohlengeschwüre, Sohlenblutungen und eitrig hohler Wand (MACLEAN 1971; GREENOUGH 1985; TOUSSAINT RAVEN 1989; BOOSMANN et al. 1991). Die Klauenrehe besitzt eine komplexe multifaktorielle Ätiologie und eine nicht restlos geklärte Pathologie. Grundsätzlich liegt die Ursache in einer Allgemeinerkrankung,
23 23 Schrifttum die zu einer Störung der Blutzirkulation in den kleinen Gefäßen der Lederhaut führt und dadurch zu Veränderungen des Aufhängeapparates des Klauenbeins (LISCHER u. OSSENT 1994). Die Erkrankung kommt in akuter, subakuter und chronischer Form vor sowie in einer subklinischen Form, die nicht mit einer Lahmheit einhergeht, aber später zu Veränderungen am Hornschuh, in Form von Hämorrhagien, gelben Verfärbungen, Zusammenhangstrennungen der Weißen Linie und der Sohle führt (PETERSE 1986; GREENOUGH u. VERMUNT 1991; LISCHER u. OSSENT 1994; OSSENT et al. 1997). Akute Erkrankungen werden heutzutage relativ selten gesehen, gelegentlich als Bestandserkrankung infolge grober Fütterungsfehler. Dagegen ist die chronische Form weiterhin die am häufigsten beobachtete (NUSS u. SCHWARZMANN 2001). Bei der Entwicklung der Klauenrehe werden derzeit zwei Hypothesen diskutiert: Die erste geht von einer primären Störung der Mikrozirkulation in der Lederhaut durch toxische und vasoaktive Substanzen (Histamin, Endotoxine) aus. Dies führt zu einer Unterversorgung mit Nährstoffen und Sauerstoff und bedingt dadurch Nekrosen und eine Degeneration der hornproduzierenden Strukturen. Die zweite geht von einer primären Veränderung der hornproduzierenden Zellen durch die toxischen Substanzen aus. Die Gefäßveränderungen treten erst sekundär auf. Durch den Blutstau kommt es zu einer Volumenzunahme, die wiederum zu einer intraungulären Drucksteigerung, zusätzlich verminderter Blutzufuhr und Schmerzen führt. Bei der chronischen Rehe kommt es wiederholt zu Reheschüben, in deren Folge sich der Aufhängeapparat und die intensive Verbindung zwischen Klauenbein und Hornkapsel lockert. Das Klauenbein kann rotieren und absinken und führt dadurch wiederum zu Quetschungen der Lederhaut (NUSS u. SCHWARZMANN 2001). Die Ätiololgie der Klauenrehe ist ein multifaktorielles Geschehen. Als Hauptursache gelten neben mechanischer Überbelastung durch harte Böden und Gliedmaßenfehlstellungen (NUSS u. SCHWARZMANN 2001) und Euter- und Gebärmutterentzündungen (BOOSMANN et al. 1991; VAARST et al. 1998) v.a. Fütterungsfehler, die zu einer Pansenübersäuerung mit anschließender Endotoxämie
24 24 Schrifttum führen (LISCHER u. OSSENT 1994; OSSENT et al. 1997). Aber auch Alter, Größe, Jahreszeit, Genetik und Management spielen eine Rolle (GREENOUGH u. VERMUNT 1994). Klinisch kann man bei der akuten Rehe ein mittel- bis hochgradig gestörtes Allgemeinbefinden, eine Pulsation der Digitalarterien, vermehrte Wärme und Schmerzhaftigkeit der Klauen sowie eine Entlastungshaltung feststellen (ESPINASSE et al. 1984). Bei der etwas milderen subakuten Form ist meist ein steifer Gang mit wechselnder Lahmheit erkennbar (NILSSON 1966; LISCHER u. OSSENT 1994). Später zeigen sich Veränderungen an der Sohle in Form von weichem und gelb-rötlichem Horn schlechter Qualität (KOFLER 1997). Bei der chronischen Form gehen die Tiere nur geringgradig oder gar nicht lahm, es zeigen sich aber ganz typische Veränderungen an den Klauen in Form von tiefen, parallel zum Kronrand verlaufenden, seitlich divergierenden Ringen sowie konkave Aufwölbungen der Dorsalwand, Abflachung des Klauenschuhs und Verbreiterung der weißen Linie (TOUSSAINT RAVEN 1989; OSSENT et al. 1997). Eine Therapie besteht im akuten Fall darin, das Tier auf weichen Boden zu stellen und die Klauen zu kühlen. Zur Schmerzlinderung kann man nicht steroidale Antiphlogistika verabreichen (LISCHER u. OSSENT 1994). In chronischen Fällen strebt man eine gleichmäßige Belastung der Lauffläche durch eine funktionelle Klauenpflege an, indem man das lose Horn entfernt und die Wanddefekte versorgt, um Infektionen vorzubeugen. Prophylaktisch steht die Vermeidung der Ursachen im Vordergrund (LISCHER u. OSSENT 1994) Typisches Sohlengeschwür (Pododermatitis circumscripta, Rusterholzsches Sohlengeschwür, typical sole ulcer ) Das Rusterholzsche Sohlengeschwür ist eine umschriebene, eitrig-nekrotisierende Sohlenlederhautentzündung am axialen Übergang zwischen Sohlen- und Ballensegment. Die Erkrankung betrifft vorwiegend die lateralen Klauen der
25 25 Schrifttum Hintergliedmaßen, seltener die medialen Klauen der Vordergliedmaßen (JUNGE 1983; COLLICK et al. 1997; BLOWEY 1998). Das Sohlengeschwür ist eines der am häufigsten vorkommenden Klauenprobleme weltweit (BECKER 1983). Sohlengeschwüre allgemein sind heutzutage nach CLARKSON et al. (1996) mit ca. 40 % die häufigste Lahmheitsursache der Milchkühe. Die höchsten Inzidenzen findet man laut MURRAY et al. (1996) während der Stallhaltungsperiode im Winter und bei feuchter Umgebung. Auch sind sie am häufigsten ein bis drei Monate nach dem Abkalben festzustellen (SMITS et al. 1992; SMILIE et al. 1999; LISCHER u. OSSENT 2001). Die Ursache liegt in einer Fehl- bzw. Überbelastung der Klauen (RUSTERHOLZ 1920). Andere Autoren sehen das Sohlengeschwür als eine Folgeerscheinung der Klauenrehe (NILSSON 1966; CHEW 1972) oder der Fäule (ANDERSON u. LUNDSTROM 1981; NIELSEN u. SMEDEGARD 1984; ENEVOLDSEN et al. 1991b). Prädisponierend wirken sich Stallklauen, Klauendeformationen, mangelnde Klauenpflege, schlechte Beinstellung und harte unebene Böden aus. Durch die Überbelastung kommt es an einigen Stellen zu einer Quetschung der Lederhaut und dadurch zu einer Minderdurchblutung in diesem Bereich. Dies führt zur Bildung von Klauenhorn schlechterer Qualität. Das Horn ist weich und neigt schnell zu Defekten. Hierdurch können Bakterien leichter eindringen und im Extremfall eine Infektion hervorrufen, die bis in die Tiefe reicht und dort zu Schäden an der tiefen Beugesehne, dem Sesambein und dem Klauenbein sowie dem Klauengelenk führt (DIRKSEN 1978; TOUSSAINT RAVEN 1989; FESSL 1992). In minderschweren Fällen führt die Überbelastung der Außenklaue, an der Ansatzstelle der tiefen Beugesehne (Tuberculum flexorium; Beugeknorren), zu einem vermehrten Druck auf die Lederhaut in diesem Bereich. Hierdurch kommt es zu Knochenzubildungen am Beugeknorren des Klauenbeins, nekrotischen Veränderungen der Lederhaut, Vorfällen der Lederhaut und zur Bildung von Granulationsgewebe (WEAVER 2000). Klinisch zeigen die Tiere je nach Umfang der Veränderung leichte bis schwere Lahmheiten und versuchen die betroffene Klaue zu entlasten. Sind beide Gliedmaßen betroffen, so äußert sich die Lahmheit meist nur durch einen klammen Gang.
26 26 Schrifttum Die Behandlung bei noch intaktem Sohlenhorn und leichter Lahmheit besteht darin, die betroffene Klaue durch eine funktionelle Klauenpflege zu entlasten, d.h. die nicht betroffene höher zu belassen und den Druck auf die gesamte Sohlenfläche zu verteilen. Die Druckstelle darf nicht eröffnet werden, da sonst der Prozess aktiviert wird (CLEMENTE 1986). Bei defektem Sohlenhorn muss die Umgebung des Defektes ausgedünnt werden, ohne die Lederhaut zu beschädigen. Ist eine Infektion bis in die Tiefe vorgedrungen, muss chirurgisch vorgegangen und Sehnen- und Knochenteile müssen entfernt werden (HOFMANN 1992). Für eine größere Entlastung der betroffenen Klaue und eine schnellere Heilung kann auf die gegenüberliegende ein Klotz geklebt werden, wenn diese völlig gesund und belastbar ist. Ein Verband soll nur bei tiefen Prozessen angelegt werden. In anderen Fällen wird durch den vermehrten Druck auf die geschädigte Klaue der Heilungsprozess gestört (WEAVER 2000). Präventiv sollten die prädisponierenden Faktoren vermieden werden und durch funktionelle Klauenpflege eine optimale Klauenform hergestellt werden (WEAVER 2000) Atypisches Sohlengeschwür (Pododermatitis circumscripta in untypischer Lokalisation) Das atypische Sohlengeschwür kann im gesamten Sohlenbereich auftreten. Die Ursache liegt hier nicht in einer Fehlbelastung der Klaue wie beim Rusterholzschen Sohlengeschwür, sondern es entsteht durch traumatische Einwirkungen. Gründe hierfür sind eingetretene Fremdkörper, harter und rauer Bodenbelag, zu lange Klauen, Kotkanten oder eine grobe Behandlung der Kühe (COLLICK 1997; GREENOUGH 1997; BLOWEY 1998; BLOWEY et al. 2000). Dies führt zu einer Verletzung des Hornschuhs, meist mit Perforation des Sohlenhorns oder einer Quetschung der Lederhaut sowie Hämorrhagien und Nekrosen (LISCHER u. OSSENT 2001). Die Veränderungen an der Klaue und die Folgeerkrankungen
27 27 Schrifttum entsprechen denen des typischen Sohlengeschwürs. Auch die Behandlung ist auf dieselbe Weise durchzuführen Ballenhornfäule (Ballenhornerosionen, Erosio ungulae, heel horn erosion ) Ballenhornfäule ist eine Erkrankung, die zu den häufigsten Klauenläsionen zählt (ANDERSON u. LUNDSTRÖM 1981; ENEVOLDSEN et al. 1991a), und deren Auftreten von MANSKE et al. (2002) sogar mit 41 % angegeben wird. Bei der Ballenhornfäule kommt es zu einem unregelmäßigen Verlust des Ballenhorns, und der Ballen bekommt durch die multiplen Risse und Furchen ein kraterartiges Aussehen. Der Substanzverlust kann oberflächlich bleiben, betrifft jedoch auch tiefere Schichten und führt so zu mittel- bis hochgradiger Lahmheit. Im Gegensatz zur Dermatitis digitalis ist die Zwischenklauenhaut nicht Ausgangspunkt der Erkrankung, sondern ist nur bei schweren Fällen mitbetroffen. Nach neueren Untersuchungen ist die Ballenhornfäule vor allem als eine Sekundärerkrankung der Klauenrehe anzusehen (PHILLIPOT et al. 1990; GREENOUGH u. VERMUNT 1991,1994; MORTENSEN 1994; SMILIE et al. 1996; MANSKE et al. 2002). Durch diese kommt es zu Gefäßschädigungen, die wiederum zu einer schlechteren Blutversorgung und somit zur Bildung von qualitativ schlechterem, leicht gelblich verfärbtem Sohlen- und Ballenhorn führen. Prädisponierend wirken schlechte Haltungsbedingungen, v.a. feuchte und stark verschmutzte Laufflächen und eine mangelnde Klauenpflege (PETERSE 1986; WEAVER 1988; ENEVOLDSEN et al. 1991a; HULTGREN u. BERGSTEN 2001). Diese weichen das minderwertige Horn auf und ermöglichen das Eindringen von ubiquitären keratinolytischen und anaeroben Keimen, die das Horn weiter zersetzen (BECKER 1983; ESPINASSE et al. 1984; GÜNTHER 1991, FESSL 1992). Die Erkrankung ist vor allem während der Stallhaltungsperiode im Winter aufgrund der meist hohen Besatzdichte stark verbreitet, wobei im Sommer auf der Weide häufig eine Selbstheilung stattfindet. Betroffen sind vor allem die Hintergliedmaßen.
28 28 Schrifttum Prophylaktisch sollte man die hygienischen Bedingungen verbessern (COLLICK et al. 1997; BLOWEY 1998; WEAVER 2000). Als Therapie hilft eine regelmäßige Klauenpflege, wobei das veränderte Horn abgetragen werden muss. Es ist dabei auf eine gleichmäßige Gewichtsverteilung zu achten, um nicht durch ungleiche Druckverhältnisse sekundär eine Lederhautquetschung zu verursachen. Bei verstärktem Vorkommen im Betrieb kann man Klauenbäder mit 5 % Kupfersulfat anwenden Dermatitis digitalis (Mortellaro, Erdbeerkrankheit) Es handelt sich um eine kontagiöse Klauenerkrankung, die erstmals in Italien beschrieben wird (CHELI u. MORTELLARO 1986). Später auch in Großbritannien (BLOWEY u. SHARP 1988), in Nordamerika (REBHUHN et al. 1980) und in Kalifornien (READ et al. 1992). Dermatitis digitalis gilt heute als eines der größten Probleme in der Milchviehhaltung weltweit (KOFLER 1997; LAVEN 1999), wobei sie in einigen Beständen und Regionen gehäuft auftritt (FRANKENA et al. 1990; SMITS et al. 1992; METZNER et al. 1995). Dies deutet darauf hin, dass es sich bei der Erkrankung um ein infektiöses Geschehen handelt, für das vor allem obligate Anaerobier (Porphyromonas levii und Spirochaeten) verantwortlich gemacht werden (READ et al. 1992; MORTELLARO 1994; DIETZ et al. 1995; GRUND et al. 1995; NATTERMANN et al. 1996; DÖPFER et al. 1997). Aber es werden auch nichtinfektiöse Ursachen und ein multifaktorielles Geschehen (Fütterung, Haltung, Überbelegung, Hygiene, Klauenpflege) diskutiert (BLOWEY u. SHARP 1988; MORTELLARO 1994; WATSON 1999; LUGINBÜHL u. KOLLBRUNNER 2000). Allerdings ist die Ätiologie noch nicht vollständig geklärt (DÖPFER 1994; WATSON 1999; WOODWARD 1999). Die Entzündung betrifft größtenteils die Haut unmittelbar über dem Ballen im Bereich der Fesselbeuge, seltener den Saumband- bzw. Zwischenklauenbereich. Die veränderten Stellen sind durch Nekrosen, Ulzerationen und schmierig stinkende Beläge gekennzeichnet (CHELI u. MORTELLARO 1986; DÖPFER 1994). Die Veränderungen sind anfangs nur oberflächlich, können aber bei Nichtbehandlung in
29 29 Schrifttum tiefere Schichten eindringen und dort schwere Schäden verursachen. Später entwickeln sich proliferativ-papillomatöse Zubildungen, was der Erkrankung den Namen Erdbeerkrankheit eingebracht hat (REBHUHN et al. 1980; KOFLER 1997; WEAVER 2000). Die erkrankten Bereiche sind hochgradig druck- und schmerzempfindlich, und die Tiere gehen meistens lahm (BLOWEY 1990). Betroffen sind vor allem die Hinterextremitäten (LAVEN 1999). Therapeutisch sollte man früh eingreifen, um eine möglichst rasche Heilung zu erzielen und um schwere Läsionen und eine Ausbreitung in der Herde zu vermeiden. In kleinen Herden sollten die betroffenen Extremitäten vorher einzeln gereinigt und desinfiziert werden und anschließend die Läsionen mit Oxytetra-/ Gentianaviolettsprays besprüht werden (READ u. WALKER 1998). Zusätzlich sollte das Tier möglichst sauber und trocken aufgestallt werden. In großen Herden erfolgt die Behandlung mittels Fußbäder mit einer 5 % Kupfersulfat-, 4 % Formaldehyd- oder antibiotikahaltigen Lösung. Die Tiere werden täglich über drei Tage durch das Bad getrieben, welches regelmäßig zu wechseln ist (KOFLER 1997). Zu achten ist zusätzlich auf eine hygienische Aufstallung, adäquate Belegungsdichte und eine Kontrolle der Zukauftiere, um eine Einschleppung zu verhindern (WEAVER 2000) Dermatitis interdigitalis (Fäule) Es handelt sich um eine oberflächliche bis tief greifende entzündliche Veränderung der Haut im Bereich des Zwischenklauenspaltes, die durch lang andauernde Irritationen zustande kommt und unter den heutigen Haltungsbedingungen weltweit stark verbreitet ist (ESPINASSE et al. 1984; GUARD 1995; BERGSTEN 1997). Die Angaben über das Auftreten dieser Erkrankung schwanken zwischen 4 % (MURRAY et al. 1996) und 16,7 % (RUSSELL et al. 1982). Prädisponierend wirken vor allem eine schmutzige und feuchte Umgebung (PETERSE 1986), aber auch sehr trockene Bedingungen (SMEDEGARD et al. 1982). Die Erkrankungsrate ist während der Stallhaltungsphase höher als bei Weidegang (BERGSTEN 1997).
30 30 Schrifttum Ätiologisch werden Mischinfektionen mit Fusobacterium necrophorum und Dichelobacter nodosus angesehen, bei denen es sich um weit verbreitete, anaerobe Umweltkeime handelt (PETERSE 1992; BLOWEY 1994; BERGSTEN 1997). In weniger ausgeprägten Fällen ist nur die Hautoberfläche betroffen. Diese ist gerötet und von einem serösen Exsudat überzogen, und es ist meist keine Lahmheit feststellbar (GUARD 1995). In chronischen Fällen kommt es zu Hämorrhagien, Nekrosen und Hornbildungsstörungen im Ballenbereich. Dabei entstehen Furchen und Hornkanten, deren Druck im Zusammenspiel mit bakteriell bedingten Entzündungen bei höhergradigen Erkrankungen zu Lahmheiten führt. Das Auftreten von Lahmheiten wird von GREENOUGH und VERMUNT (1994) jedoch mit weniger als 5 % angegeben. Dermatitis digitalis lässt sich durch sachgerechte Klauenpflege mit Erhöhung des Ballenbereiches eindämmen (TOUSSAINT RAVEN 1989; KLOOSTERMANN 1997) Phlegmona interdigitalis (Infektiöse Zwischenklauennekrose, Panaritium) Bei der Zwischenklauennekrose handelt es sich um eine akute oder subakute diffus eitrig-nekrotisierende Entzündung der Haut und Unterhaut. Diese kommt durch Einwanderung von Bakterien (Fusobacterium necrophorum, Prevotella melaninogenica, Arcanobacterium pyogenes (A.) u.a.) zustande, wenn die Zwischenklauenhaut durch Steine oder ähnliche Fremdkörper primär geschädigt wird. Eine feuchte Umgebung und schlechte Stallhygiene wirken sich zusätzlich negativ aus, da sie die Zwischenklauenhaut erweichen und die Infektionserreger in tiefere Gewebeschichten vordringen können (BECKER 1983; GÜNTHER 1991; GRUNER 1992; PETERSE 1992). Eine Eintrittspforte ist oft nicht erkennbar. Die Bakterien wandern in das Unterhautgewebe, und die entstehende Schwellung (Phlegmone) breitet sich auf den Kronsaumbereich und den Bereich oberhalb des Ballens aus, und es kann zu nekrotischen Veränderungen kommen (ESPINASSE et al. 1984; BERGSTEN 1997). Typisch sind ein nekrotischer, schmieriger Belag und ein fauler Geruch und im Akutfall eine hochgradige Lahmheit mit gestörtem Allgemeinbefinden und einer Schwellung des gesamten Fußes (KOFLER 1997;
31 31 Schrifttum BERRY 2001). In schweren Fällen können andere Weichteile, Gelenke und Sehnenscheiden mitbetroffen sein, und es kann zu einer Pyämie und Septikämie kommen (NUSS u. SCHWARZMANN 2001). Die Hintergliedmaßen sind meist häufiger betroffen als die Vordergliedmaßen (FESSL 1992; BERRY 2001). Als Therapie wird sowohl die lokale als auch die parenterale Antibiose empfohlen. Nekrotisches Gewebe ist zu entfernen, und die Tiere sind sauber und trocken aufzustallen (BLOWEY 1998; WEAVER 2000) Limax (Zwischenklauenwulst, Hyperplasia interdigitalis, Tylom) Unter Limax versteht man eine subakute bis chronisch proliferative Entzündung der Haut oder Unterhaut des Zwischenklauenbereiches. Sie tritt in Milchviehbetrieben nur sporadisch auf (BERRY 2001). Es entsteht eine Zubildung, die sehr groß werden kann und aus Epidermis, Lederhaut und lockerem Bindegewebe besteht (ESPINASSE et al. 1984; GÜNTHER 1991; COLLICK 1997). Sie tritt häufiger an den Hintergliedmaßen (BERRY 2001) als an den Vordergliedmaßen auf, und durch die Gewebsquetschung bei Belastung kann es zu Lahmheiten kommen. Sekundäre bakterielle Infektionen mit ubiquitär vorkommenden Keimen sind möglich und können das Krankheitsbild verschlimmern, da sich Ulzerationen, Nekrosen und Phlegmonen entwickeln können (BECKER 1983). Als Ursache werden schlechte Haltungsbedingungen und mangelhafte Klauenpflege angeführt (BECKER 1983; COLLICK 1997). Durch eine dauernde unhygienische Umgebung kombiniert mit unebenen Böden, auf denen die Tiere ausrutschen und sich so vermehrt Läsionen zuziehen können, entstehen Entzündungen im Zwischenklauenbereich. Limax tritt verbreitet bei Spreizklauen auf, bedingt durch eine Schwäche des interdigitalen Bandapparates (COMBERG et al. 1968; WEGENER 1970; DIRKSEN 1978; GÜNTHER 1991; FESSL 1992; BERGSTEN 1997). Einer Behandlung bedarf es erst in schwereren Fällen, bei denen die Geschwulst chirurgisch entfernt wird (BAGGOT u. RUSSELL 1981; BLOWEY 1998; COLLICK et al. 1997).
32 32 Schrifttum Eitrig hohle Wand (Pododermatitis septica circumscripta abaxialis, white line disease") Die eitrig hohle Wand ist eine Erkrankung, die nachfolgend auf eine chronische Klauenrehe entsteht (NUSS u. SCHWARZMANN 2001) und dementsprechend relativ häufig vorkommt. MURRAY et al. (1996) sprechen von einer Inzidenz von 22 %. Durch die Klauenrehe wird Horn schlechterer Qualität gebildet. Hierdurch und durch den speziellen, weichen Aufbau der weißen Linie bietet diese eine optimale Eintrittspforte für Fremdkörper und Bakterien (BLOWEY 1998; WEAVER 2000). Klinisch zeigen sich zu Beginn Hämorrhagien in der Weißen Linie und der Sohle, gefolgt von kleinen und später größeren Zusammenhangstrennungen der Lederhaut von der Klauenwand (VanAMSTEL u. SHEARER 2001). Man spricht hier von der Losen Wand. Durch Eintreten von Fremdkörpern kann es zu Infektionen mit Ansammlung von Eiter kommen, der nicht abfließen kann. Es bilden sich Abszesse in der Weißen Linie, v.a. im abaxialen Ballenbereich. Die Tiere haben Schmerzen und zeigen Lahmheit. In schweren Fällen und bei bakteriellen Sekundärinfektionen können tiefere Strukturen, wie die tiefe Beugesehne, Klauen- und Sesambein und das Klauengelenk, mit betroffen sein (WEAVER 2000; VanAMSTEL u. SHEARER 2001). Die Therapie erfolgt durch Öffnung des Abszesses. Das Horn ist im verdächtigen Bereich vorsichtig zu entfernen, wobei ein besonderes Augenmerk auf Farbveränderungen der Weißen Linie zu legen ist. Das gelblich-bräunliche Exsudat soll abfließen können. In schweren Fällen kann durch Aufkleben eines Klotzes auf die gesunde Seite die erkrankte Klaue entlastet werden. Zusätzlich soll das Tier über mehrere Tage antibiotisch versorgt werden Septische Klauenlederhautentzündung (Pododermatitis septica) Die septische Klauenlederhautentzündung kann umschrieben oder diffus sein und wird durch Bakterien verursacht. Der Entzündung voraus geht eine Zusammenhangstrennung der Hornkapsel durch Fremdkörpereinwirkung oder zu starkes Kürzen der Klauenspitze oder durch eine zu starke Abnutzung des
33 33 Schrifttum Sohlenhorns (BECKER 1983; ESPINASSE et al. 1984; COLLICK 1997). Durch die Wunde dringen Bakterien (v.a. A. pyogenes) sekundär ein und führen entweder zu einer oberflächlichen Infektion (Pododermatitis superficialis) oder greifen auf tiefere Schichten über (Pododermatitis profunda). Wenn die Lederhaut oder tiefere Strukturen mit betroffen sind, führt dies zu einer mittel- bis hochgradigen Stützbeinlahmheit. Prädisponierend wirken feuchte und harte Böden, die zu kleinen Verletzungen führen, durch die Bakterien eindringen können. Die Therapie in Form von funktioneller Klauenpflege, chirurgischem Eingreifen und Antibiose richtet sich nach Lokalisation und Ausdehnung der Erkrankung.
34 34 Schrifttum Anteil der verschiedenen Klauenerkrankungen Das prozentuale Auftreten der verschiedenen Klauenerkrankungen ist in der Tabelle 1 dargestellt. Tabelle 1 Anteile der einzelnen Klauenerkrankungen Autoren SG % Rehe % Mortellaro % Limax % DI % Eros % WLD % Phleg % BLOWEY et al. (2000) 15,9 EDDY u. SCOTT 11,0 (1980) COLLICK et al. (1989) 30,0 MURRAY et al. (1996) 28,0 2,0 8,0 5,0 4,0 4,0 22,0 5,0 BARKEMA et al. 31,5 1,6 20,5 4,9 12,5 (1994) ROWLANDS et al. 12,0 3,2 4,2 15,8 12,0 (1983) RUSSEL et al. (1982) 19,0 4,8 16,7 BAGGOTT u. RUS- 12,0 15,0 SELL (1981) PHILLIPOT et al 11,0 (1990) MCLENNAN (1988) 8,4 15,0 SMITS et al. (1992) 5,5 17,6 83,1 4,5 0,4 SG=Sohlengeschwür; DI=Dermatitis interdigitalis; Eros=Ballenhornerosionen; WLD=White Line Disease; Phleg=Phlegmona interdigitalis;
35 35 Schrifttum 2.4. Die wirtschaftliche Bedeutung der Fruchtbarkeit Eine profitable Milchproduktion ist abhängig von einem effizienten und kosteneffektiven Management. Eine schlechte Fruchtbarkeit ist in der heutigen modernen Hochleistungsmilchwirtschaft ein wichtiger produktionslimitierender Faktor (OPSOMER et al. 1996; GRÖHN u. RAJALA-SCHULTZ 2000). Bei einer Umfrage von LOTTHAMMER (1992) gaben von 1240 Milchviehhaltern über die Hälfte an, dass Fruchtbarkeitsstörungen das größte Problem im Betrieb darstellten. Einige Studien ergaben, dass ein Rückgang der Fruchtbarkeit in Herden weltweit zu verzeichnen ist. Laut BUTLER und SMITH (1989) und BUTLER et al. (1995) war die Konzeptionsrate bei Erstbesamung in den Jahren jährlich um 0,4 % gefallen. ROYAL et al. (2000) sprachen sogar von einem jährlichen Abfall von 1 %, von 55,6 % (1982) auf 39,7 % (1998). Der Anteil der Tiere, die wegen Unfruchtbarkeit gemerzt werden, wurde von vielen Autoren als sehr hoch eingeschätzt: AEHNELT et al. (1968) über 60 %; BEYNON und HOWE (1974) sowie YOUNG et al. (1983) 30-33,8 %; BAYER (1983) und DAWSON (1986) 30 %; LOTTHAMMER (1980) 55 %; DOHOO und MARTIN (1984b) %; LOTTHAMMER (1992) 33 %; ALBAN und AGGER (1996) 57,3 %; ESSLEMONT und PEELER (1993) 10 %; ESSLEMONT und KOSSAIBATI (1997) 36,5 %; WHITAKER et al. (2000) 25 %; MAYNE et al. (2002) 26,8 %. Reproduktionsprobleme erzeugten laut MILLER und DORN (1987) und KANEENE und HURD (1990) zusammen mit klinischen Mastitiden die höchsten Kosten. Sie machten 22 % der totalen Kosten pro Kuh und Jahr aus (REINSCH 1993) und beliefen sich laut MILLER und DORN (1987) auf 2,11 $/Kuh/Jahr. REINSCH (1993) ermittelten einen Wert von 12,24 DM/Kuh/Jahr. Die Kosten für jeden leeren Tag oberhalb des idealen Konzeptionsdatums beliefen sich auf 1,18-3,00 $ pro Tag (OLDS et al. 1979; FERRIS 1985; BARTLETT et al. 1986) bzw. ca. 3,00 Pfund (ESSLEMONT u. PEELER 1993) oder bis zu 6,50 DM pro Tag (TENHAGEN u. HEUWIESER 1997).
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