Predigt zu Jesaja 12:1-6, Liebe Fest- Gemeinde,

Transkript

1 Predigt zu Jesaja 12:1-6, 1. Zu der Zeit wirst du sagen: Ich danke dir, Herr, daß du bist zornig gewesen über mich und dein Zorn sich gewendet hat und du mich tröstest. 2. Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; denn Gott der Herr ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil. 3. Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Heilsbrunnen. 4. Und ihr werdet sagen zu der Zeit: Danket dem Herrn, rufet an seinen Namen! Machet kund unter den Völkern sein Tun, verkündiget, wie sein Name so hoch ist! 5. Lobsinget dem Herrn, denn er hat sich herrlich bewiesen. Solches sei kund in allen Landen! 6. Jauchze und rühme, du Tochter Zion; denn der Heilige Israels ist groß bei dir! Liebe Fest- Gemeinde, Das ist der für den heutigen Sonntag empfohlene Predigttext und gern hat sich der Vorbereitungskreis auf diesen Text eingelassen. Ein Danklied für 100 Jahre Krankenpflegeverein Hermannsburg das sagt doch alles aus über Einsatz für Kranke und Bedürftige, engagierte Mitarbeitende, besondere Situationen, Bewahrung, Loslassen, Sorgen Grund zum Feiern allemal und zum Danken erst recht! Diese Verse aus dem 12. Kapitel des Jesajabuches werden das "Danklied der Erlösten" genannt. Nach unglaublich starken Worten der voran gegangenen Kapitel mit großen Visionen z.b. der Völkerwanderung zum Zion ( kap. 2), der Berufung des Jesaja, Der Verheißung des Friedefürstens ( Kap. 8 u. 11) ( denn es ist ein Kind geboren) nun ein Lied voller Dankbarkeit. Keine Pause, sondern bewusste Unterbrechung und gesungene Antwort auf das bisher Gehörte. Es soll nach außen dringen können, was Menschen erfüllt und bewegt. Da hat sich einer wirklich mit dem Leben gemessen! Da hat einer erfahren, die Lesbarkeit der Welt ( Hans Blumenberg) ist 1

2 nicht mehr selbstverständlich da hat einer seine Seele gespürt. Der Zwischengesang aus Jesaja 12 mutet uns auch an diesem Tag einiges zu. "Freude" oder Dankbarkeit ist keineswegs das erste Wort, sondern von "Zorn" ist vielmehr gleich am Anfang die Rede: "Ich danke dir, Herr, dass du bist zornig gewesen über mich...". Dank für erfahrenen Zorn? In dem Lied meldet sich jemand zu Wort, der weiß, dass es nicht nur die wohlklingenden Töne gibt, sondern auch dissonante oder gar schräge. Ohne Bild und für uns heute gesprochen: Menschen werden krank, ja schwerkrank wir haben oft genug erlebt, unsere Lieben sind nicht mehr in der Lage das Leben allein zu meistern, scheinen nicht mehr sie selbst zu sein und das berührt jeden unserer Gedanken, jedes Gefühl nicht nur für einen Moment, sondern manchmal für Jahre. Das untergräbt das Gefühl der Sicherheit untergräbt unser Gefühl von Zukunft. Aber: Das Schwere, Zerbrochene wird nicht einfach mit Schweigen übergangen, sondern wird zur Sprache gebracht: Es ist Gott selbst, der nicht einfach wie ein gefühlsloses Monument über all diesem thront nein, unser Gott ist einer der nicht mit ansehen kann, was Menschen erleiden. Menschen, die krank werden, werden nicht nur körperlich krank, sondern auch psychisch. Wir alle können der Frage nicht ausweichen: Hat Krankheit einen Sinn? Das Substantiv von Sinn geht auf die Wurzel sent zurück, deren ursprüngliche Bedeutung ist : eine Richtung nehmen, eine Fährte suchen. Wie erleben wir das Zerbrechen, das Fragmentarische? Halten wir das aus, wenn wir nicht erklären können und unser Leben und die Deutung des Lebens nicht zusammen kommen. Wie gehen wir mit den Momenten um, wenn wir eben überhaupt nicht mehr Gottes Hand spüren, die uns hält. Krisen machen stumm, nehmen die Stimme und wir können nicht immer gleich sagen, wozu eine Krankheit gut ist. Welches ist dann unsere Lebensrichtung, wenn wir uns fragen wie noch einmal an Gott glauben? Ich danke dir, dass du zornig gewesen bis über mich::: Gottes Zorn steht dafür, dass Unrecht und das Zerbrochene nicht einfach so durchgeht als ob nichts gewesen wäre. Wo immer 2

3 wir eine Krankheit erfahren, werden wir an den Ort gebracht, wo das Leben und der Tod aufeinander treffen es gibt nur einen Ort, wo dieses in unbegreiflich, dichter Form geschieht das ist der Ort des Kreuzes. Das Kreuz, das ist der Ort an dem Tod und Leben miteinander ringen und die Zukunft des Lebens groß wird. Es sind diese Situationen, in denen der Krankenpflegeverein mit seinen Mitarbeitenden ein Gesicht erhält. Patienten in Oldendorf, Beckedorf, Hermannsburg, Baven, Barmbostel, Bonstorf und Hetendorf und und und mit rund 30 Mitarbeitenden, die nicht wegschauen, sondern zuhören, begleiten, neue Konzepte entwickeln. Wir leben in einer Gesellschaft, die davon ausgeht, dass Gesundwerdung zwischen dem Patienten und dem Pflegepersonal passiert. Aber, es geht dabei um viel mehr. Es geht um Heilung und das ist es, was beim Lesen der wunderbaren Festschrift des Pflegevereins so deutlich wird es geht um Menschen und die jedem Menschen einmalige Würde. Dein Zorn hat sich gewendet und du tröstest mich! schreibt unser Verfasser im Buch des Jesaja. Und da ist dann diese neue Melodie: Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht, Gott der ist meine Stärke. Da das neu Erkannte: Ich bin in Gottes Hand, es ist nichts umsonst, denen die Gott lieben, gereicht alles zum Besten und darum: Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Heilsbrunnen!! Wir können hierbei aus dem Brunnen des Heils schöpfen und auf einmal wird deutlich: Glauben ist mehr als ein Bekenntnis, vielleicht hat darum Pastor Röbbelen auch die Überwindung der Konfessionen für den Dienst am Kranken erreichen können. Da, wo für uns erfahrbar das Leben buchstäblich auf dem Spiel steht, da kommt man mit nicht weniger als dem Ganzen aus. Auffallend ist, wie wenig der Sänger des Liedes der Gegenwart verhaftet ist. Die Gegenwart ist ihm zu kurz, um das eigene Leben zu begreifen; zu eindimensional, um größere Zusammenhänge zu entdecken; zu kümmerlich, um Erwartungen erfüllt zu bekommen. Er will mehr, als er in seiner Lebensspanne erfahren kann. Und so eilt er weit in die Zukunft 3

4 voraus und bekommt einen langen Atem. Keine Spur von Zögerlichkeit wird erkennbar. "Ich bin sicher", sagt er, als sei dies das Selbstverständlichste von der Welt. "Ich fürchte mich nicht", fügt er hinzu. So kann er von künftigen Ereignissen reden und bereits in der Gegenwart dafür danken. Was noch nicht geschehen ist, wird behandelt, als sei es bereits eingetreten. Er redet von morgen und besingt es bereits heute. Oder mit Tagore gesprochen: "Glaube ist der Vogel, welcher singt, wenn die Nacht noch dunkel ist." Er zwitschert in den heller werden Tag hinein. Er singt die Zukunft herbei. Er nimmt vorweg, was kommen wird. Das Vertrauen in Gottes gute Absicht ist so groß, dass er sagen kann: Ich bin sicher. Ich fürchte nichts und niemand. Liebe Festgemeinde, das 12. Kapitel ist Rückblick auch im Angesicht von Not. Aber diese Worte sagen mehr: Es ist ein Dank für erfahrene Bewahrung und damit werden diese Worte auch tragende Zukunftsmusik. Nun wird aus dem gewendeten Zorn und der überwundenen Angst Freude. Die sich fortpflanzt durch die Reihen. Jetzt redet nicht mehr nur einer. Aus dem "Ich" wird ein "Ihr", oder besser noch ein "Wir". Es ist, ein träte einer nach dem anderen nach vorn, um einzustimmen in den Chor: "Danket dem Herrn, rufet an seinen Namen... Lobsinget dem Herrn, denn er hat sich herrlich bewiesen". Der Chor wandert sogar heraus aus den heiligen Hallen und geht dorthin, wo Menschen bekümmert sind. Der Bogen wird noch weiter geschlagen. "Machet kund unter den Völkern sein Tun, verkündigt, wie sein Name so hoch ist!" Alle Lande sollen wissen, wer dieser Gott ist. Aus dem Lied des einzelnen Sängers ist ein weltweites Kantate geworden. Erdumspannend, durch die Zeiten schreitend. Gott ist nicht nur Gegenstand des Gesanges, er ist höchstselbst der Inspirator. Er ist, wie in Jesaja 12 zum Ausdruck gebracht, "meine Stärke und mein Lied". Denn es ist uns ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben. Und sein Name soll heißen: Wunder-Rat, Ewig-Vater, Friedefürst... heißt es in den vorangegangenen Kapiteln und 11 des Propheten heißt es: 4

5 Oder weiter unten: Der Geist des Herrn lässt sich auf ihm nieder: Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht. Da ist von einem Erlöser die Rede, von einem, der in ganz besonderer Weise mit Gott selbst in Verbindung steht, der als Kind auf die Welt kommt und Wunder tut, ja Ewigkeit eröffnet. Als Christen dürfen wir glauben und bekennen, dass Jesaja hier das göttliche Kind, den Prediger vom Reich Gottes, den Menschensohn und Menschenfreund Jesus, vor sich gesehen hat. Ihm gilt also das neue Lied auch schon: Und zu ihm können wir mit den Worten aus unserem Zukunftspsalm sagen: Ich vertraue dir und fürchte mich nicht. Du bist meine Kraft und meine Stärke, bist mir Jeschua [hebr. Name für Jesus], Rettung, Hilfe aus der Not. Damit haben wir eine Begründung den österlichen cantus firmus für das neue Lied gefunden: Martin Luther schreibt in einer Gesangbuchvorrede: Singet dem Herrn ein neues Lied. Denn Gott hat unser Herz und Mut fröhlich gemacht durch seinen lieben Sohn, welchen er für uns gegeben hat zur Erlösung von Sünden, Tod und Teufel. Wer solches mit Ernst glaubt, der kann's nicht lassen, er muss fröhlich und mit Lust davon singen und sagen, dass es andere auch hören und herzukommen." (WA 35, 477) Martin Luthers Ermutigung geht also in eine ganz ähnliche Richtung: Weil Gottes Wort nicht leer zurückkommt, sondern erfüllt, was es verspricht, deshalb können wir getrost und fröhlich das neue Lied anstimmen und auch andere damit einladen. Das ist nicht peinlich, weil zu fromm, oder womöglich zu gewagt! Denn Gott selbst hat uns den Himmel auf- und die Hölle zugeschlossen. Welch eine gute Nachricht! Lediglich Zukunftsmusik? Ja gewiss. Aber gleichzeitig wird das Reich Gottes doch jetzt schon immer wieder groß und gegenwärtig mit den Mitarbeiterinnen des Pflegevereins ab seit S. 59 ist es doch ganz deutlich schon da, oder sehen Sie das anders? Wir danken Gott und danken Ihnen für 100 Jahre Krankenpflegeverein Hermannsburg heute in diesem 5

6 Gottesdienst, mit all unseren Liedern und Gebeten aber auch mit einer ganz besonderen Entdeckung: Da liegt Segen dafür lohnt es sich ein neues Lied zu singen - Das Geheimnis des neuen Liedes ist es, heute vom Morgen zu singen, weil wir vom Gestern wissen, oder anders gesagt: Aus dem, was Gott getan hat, die Freude für heute und die Hoffnung für morgen zu schöpfen und damit ein Zeichen des Reiches Gottes hörbar zu machen: ein neues Lied, dessen Melodie uns trägt: heute, morgen und an jedem neuen Tag. 6