SEIT 1982 KUNST MAX LIEBERMANN Berlin

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1 MAX LIEBERMANN Berlin Holländisches Landhaus im Park Die Villa Oud-Bussem in Huizen Schwarze und weiße Kreide, auf festem grauen Papier;, um Rechts unten mit Kreide signiert: MLiebermann 312 x 486 mm PROVENIENZ: Sammlung Leo Lewin, Breslau (bis 1927) Sammlung Leo Lewin / Breslau, Cassirer/Helbing, Berlin 12. April 1927, Los Nr. 105 mit s/w-abb. auf Taf. LVII 1 Privatbesitz, London (1964 zur Hochzeit geschenkt bekommen) LITERATUR: Holly Prentiss Richardson: Landscape in the Work of Max Liebermann, Diss. Brown University, Ann Arbor 1991, Checklist Nr Matthias Eberle: Max Liebermann. Werkverzeichnis der Gemälde und Ölstudien, Bd. 2, München 1996, erwähnt auf S. 562, unter Kat. Nr. 1901/1. Die vorliegende Kreidezeichnung, die ich am 26. August dieses Jahres im Original gesehen habe, ist eine eigenhändige Arbeit des Berliner Malers Max Liebermann. Nicht nur die Abbildung in dem oben (unter Provenienz ) aufgeführten Auktionskatalog aus dem Jahre 1925 belegt ihre Authentizität, sondern vor allem der tonige Duktus und die sich auf das Wesentliche konzentrierende Darstellung wie auch die Signatur zeigen zweifelsohne Liebermanns Handschrift. Höchst wahrscheinlich ist diese Zeichnung im Vorfeld eines seiner Hauptwerke entstanden: des Ölgemäldes Landhaus in Hilversum Villa in Hilversum von (Siehe Anlage 1) DIE TOPOGRAFIE Beide Werke zeigen wenn auch aus unterschiedlicher Perspektive dasselbe Anwesen. Erst vor zwei Jahren hat sich herausgestellt, dass der schon seit 1903 übliche Titel für das Ölbild: Landhaus in Hilversum 3 nicht korrekt ist machte Herr Norman Vervat aus Hilversum die Eigentümerin des Gemäldes, die Alte Nationalgalerie in Berlin darauf aufmerksam, dass es in Wirklichkeit Huize Oud-Bussem darstellt: ein Landgut, das zwar in der Nachbarschaft von Hilversum aber offiziell auf dem Gebiet der Gemeinde Huizen 1 Der Katalogeintrag lautet: Holländisches Landhaus im Park. An einem gekrümmten Wege, der auf der linken Seite des Bildes zu dem im Hintergrunde liegenden Haus führt, stehen große Bäume. Auf der Rasenfläche ist ein Gärtner beschäftigt. Vor den Bäumen im Hintergrund eine Dame und ein kleines Mädchen. Bez. rechts unten: M. Liebermann. Schwarze und weiße Kreide, auf braunem Papier, 30 x 48 cm. Um Max Liebermann: Landhaus in Hilversum Villa in Hilversum, Öl auf Leinwand, 65 x 80 cm, Eberle (Siehe Literaturliste) 1901/1. Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Inv. Nr. NG Siehe Ausst.-Kat. Collectionen Constantin Somoff, Max Liebermann, Walter Leistikow "Die Amazone" von Tuaillon, Kunstsalon Paul Cassirer, Berlin , Kat. Nr. 95: Das Haus in Hilversum.

2 liegt. (Siehe Anlage 3 oben) Als Begründung verwies er auf ein Foto des Amsterdamer Fotografen Jacob Olie vom März (Siehe Anlage 2) Das Foto, das sich leider nur undeutlich kopieren lässt, zeigt ein paar Spaziergänger vor dem Eingang des Gartens. Im Hintergrund erkennt man das so genannte Haus in Hilversum an seiner charakteristischen Fassade. Und während der linke Pfeiler des Gartentors (mit der Inschrift OUD ) im Schatten steht, ist auf dem Rechten deutlich der Name BUSSEM zu lesen. Auch ein paar Ansichtskarten aus der Zeit um 1900 bestätigen, dass es sich hier um Huize Oud-Bussem handelt. (Siehe die Anlagen 3 unten und 4 5 ) Die irrige Ortsbezeichnung für das Gemälde in der Nationalgalerie ist höchstwahrscheinlich Liebermann selbst zu verdanken, denn auch die Vorzeichnung, die das Museum der bildenden Künste in Leipzig schon 1902 vom Künstler persönlich erwarb (siehe Anlage 5), trägt den Titel Landhaus in Hilversum. 6 DIE GESCHICHTE VON OUD-BUSSEM Die Hofstede (das Gehöft) Oud-Bussem wurde im 16. Jahrhundert gegründet. Zu der Zeit, als Liebermann es malte, war es im Besitz der Amsterdamer Familie Bredius. Der Schießpulverfabrikant Abraham Bredius ( ) hatte das damals 107 Hektar umfassende Areal im Jahre 1825 gekauft. Er vergrößerte es durch den geschickten Erwerb von angrenzenden Grundstücken auf 306 Hektar, ließ viele Bäume pflanzen und das im 17. Jahrhundert gebaute Herrenhaus verschönern. So entstand die repräsentative Blendfassade mit der Uhr unter dem Fronton wohl unter seiner Ägide. Unter Bredius Erben schrumpfte das Anwesen jedoch auf 280 Hektar, bis diese es 1902 versteigern ließen. Der neue Besitzer, Johannes van Woensel ließ das inzwischen baufällig gewordene Herrenhaus 1929 abreißen, um an derselben Stelle ein Größeres zu errichten, in dem jetzt seit 1993 das Software-Unternehmen SAS Nederland seine Büroräume hat. Ein Mitglied der Erbengemeinschaft, der das vom Großvater so sorgfältig umhegte Gut 1902 versteigern ließ, war der Direktor des Mauritshuis, Abraham Bredius jun. ( ). Max Liebermann und Abraham Bredius kannten sich; ihr gemeinsamer Freund Wilhelm Bode, der renommierte Direktor der Berliner Gemäldegalerie hatte sie am 3. November 1890 persönlich an einander vorgestellt, wie Liebermann seinem holländischen Kollegen Jan Veth am selben Tag schrieb: [ ] Aujourd hui j ai fait la connaissance de Mr Bredius, un de vos amis. C était au cabinet de Mr Bode, qui me présentait à Mr Bredius, un excellent garçon à ce qu il paraît. 7 Vermutlich schätzte Liebermann Bredius u.a. wegen dessen großer Kenntnisse über Rembrandt, einen seiner Lieblingsmaler. 4 Jacob Olie ( ): Omgeving Bussum, März 1903, Fotoaufnahme, Stadsarchief Amsterdam, Collectie Jacob Olie, Nr , siehe Ich danke Frau Dr. Angelika Wesenberg für die Weitergabe dieser Auskünfte. 5 Sammlung des Software-Unternehmen SAS Nederland, das seit 1993 seinen Sitz auf Oud-Bussem hat. Mit vielem Dank an Frau Caroline Bánski. 6 Max Liebermann: Landhaus in Hilversum, Schwarze Kreide auf Papier, 10,9 x 18,8 cm, Museum der bildenden Künste, Leipzig, Graphische Sammlung, Inv. Nr. I Brief vom 3. November 1890, Rijksprentenkabinet, Rijksmuseum Amsterdam, Inv. Nr. Br. Jan Veth, M. Liebermann 5, zitiert nach Ernst Braun (Hg.): Max Liebermann. Briefe, Bd. 1: , Baden-Baden 2011, Nr. 108 S Dort auf S. 152

3 Jedenfalls sind Liebermann und Bredius sich noch mehrmals begegnet. 8 Es ist allerdings nichts darüber bekannt, ob Bredius Liebermann auf das Anwesen seiner Familie eingeladen hat. Vermutlich war es Jan Veth, mit dem Liebermann in der nur 8 km entfernten Künstlerkolonie Laren oft zusammen war, der seinen deutschen Kollegen auf dieses Idyll mit seinen Jahrhunderte alten Bäumen aufmerksam gemacht hat. Obwohl nun nachgewiesen ist, dass der Titel Haus in Hilversum für das in Anlage 1 abgebildete Gemälde nicht (ganz) korrekt ist, wollen wir ihn trotzdem weiterverwenden, da er dem Bild nach mehr als 100 Jahren quasi eingeprägt worden ist. Für die vorliegende Zeichnung, die bis vor kurzem nur aus dem Auktionskatalog von 1925 unter dem neutralen Titel Holländisches Landhaus im Park bekannt war, kann aber die präzise Ortsbezeichnung gebraucht werden. DAS MOTIV Das Haus in Hilversum markiert gewissermaßen den Wechsel, der mit der Jahrhundertwende in Liebermanns Motivwahl stattfindet: Anstelle sich nach wie vor auf den Alltag des einfachen und arbeitenden Menschen zu konzentrieren, sucht der Maler ab 1900 zunehmend nach Motiven aus dem Freizeitvergnügen des Großbürgertums. Statt etwa eines mühselig bestellten Ackers sieht man hier einen Privatgarten mit den Ausmaßen eines Parks, der nicht zum Lebensunterhalt, sondern zur Augenweide und als Ort der Entspannung angelegt worden ist. Interessanterweise ist diese neue Sichtsweise in der vorliegenden Zeichnung noch nicht ganz konsequent durchgeführt worden. Hier sieht man zwar im Hintergrund eine Frau mit einem kleinen Mädchen durch den Garten spazieren gehen und statt grasender Nutztiere schreitet ein Pärchen großer Ziervögel (Pfauen?) über den Rasen, um hie und da ein Körnchen oder kleines Insekt wegzupicken. Aber der Gärtner, der mit körperlichem Einsatz den Rasen mäht, macht uns bewusst, dass es sich hier nicht um das Schlaraffenland handelt, in dem sich ein Park selbst pflegt. Diese Auffassung ist auch auf einer anderen Kreidezeichnung zu sehen, die Liebermann ebenfalls um 1901 von Oud-Bussem gemacht hat. 9 (Siehe Anlage 6) Hier ist das Haus schon etwas mehr in den Vordergrund gerückt, und wie auf dem Ölgemälde ziert ein großes Blumenbeet den Rasen. Links dahinter ist aber eine Gärtnerin bei der Arbeit zu sehen. Die schon oben erwähnte, kleinere und mehr skizzenhafte Zeichnung von Oud-Bussem in Leipzig 10 (siehe Anlage 5) kommt obwohl das Haus noch weit im Hintergrund liegt dem Ölgemälde näher, indem sie den Garten menschenleer gibt und den wuchtigen Stamm der alten Buche wie ein Répoussoir im Vordergrund aufragen lässt. Interessant ist das M -förmige Detail, das sich wie auf auch folgende Übersetzung: Heute habe ich Ihren Freund Herrn Bredius kennengelernt, im Kabinett von Herrn Bode, der mich Herrn Bredius vorgestellt hat. Er scheint ein prächtiger Kerl zu sein. 8 Z.B. am 15. Juli 1892 wieder in Berlin und im Sommer 1895 verschiedene Male in Zandvoort. Briefe Max Liebermanns an Jan Veth vom 16. Juli 1892, Rijksprentenkabinet, Rijksmuseum Amsterdam, Inv. Nr. Br. Jan Veth, M. Liebermann 11, zitiert nach Braun 2011 (op. cit.), Nr. 196 S. 249.) bzw. an Wilhelm von Bode vom 10. September 1895 Braun, Nr Max Liebermann: Haus hinter Bäumen, um 1901, Schwarze und weiße Kreide auf braunem Papier, ca. 28 x 38 cm, Standort unbekannt. 10 Siehe Anm. 6

4 der vorliegenden Zeichnung anstelle des runden Beets befindet und sich bis jetzt noch nicht eindeutig identifizieren ließ. Dass es sich hier nicht um eine Erfindung Liebermanns handelt, zeigt die kolorierte Ansichtskarte. (Siehe Anlage 4) Der Standort des Fotografen scheint nur wenige Meter rechts von der Stelle zu liegen, von der Liebermann die vorliegende Zeichnung aufnahm. Deshalb erscheinen die beiden Dreiecke leicht hinter einander versetzt wie zwei Hügelchen vor und hinter dem Baum. Berlin, den 31. August 2011 Drs. Margreet Nouwen

5 Anlage 1 Max Liebermann. Landhaus in Hilversum Villa in Hilversum, Öl auf Leinwand, 65 x 80 cm. Eberle 1901/1. Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Inv. Nr. NG 1247 Anlage 2 Jacob Olie ( ). Omgeving Bussum, März Fotoaufnahme Staatsarchief Amsterdam, Collectie Jacob Olie, Nr

6 Anlage 3 Huize Oud-Bussem, um Fotoaufnahme. Sammlung SAS Institute B.V., Huizen Anlage 4 Huize Oud-Bussem, um Fotoaufnahme (Ansichtskarte). Sammlung SAS Institute B.V., Huizen

7 Anlage 5 Max Liebermann. Landhaus in Hilversum, um Schwarze Kreide auf Papier, 109 x 188 mm. Museum der bildenden Künste, Leipzig, Graphische Sammlung, Inv. Nr. I (1902 vom Künstler erworben) Anlage 6 Max Liebermann. Haus hinter Bäumen, um Schwarze und weiße Kreide auf braunem Papier, ca. 280 x380 mm Standort unbekannt