Ein Bär erobert London

Transkript

1 so. ADVENT Heyday Films Paddington Bear begeistert seit Generationen Kinder jeden Alters. Jetzt wurde sein Abenteuer verfilmt und ganz London ist auf den Bären gekommen. VON MEIKE STOLP

2 v V v v v v v Heyday Films DA BIN ICH Paddington (im Original mit der Stimme von Ben Whishaw) begeistert seine Fans jetzt auch auf der Leinwand. Bitte, kümmern Sie sich um diesen Bären, danke, steht auf einem Schild geschrieben, das an einem überdimensionalen Teddy heftet. Der Bär trägt einen roten Schlapphut und hat einen Koffer, mal in der Hand, mal steht er drauf. Der Bär tummelt sich in einer Bahnhofshalle er ist nämlich gerade aus dem dunkelsten Peru angekommen. Der Bahnhof heißt Paddington, der Bär auch. Der Schriftsteller Michael Bond hat die Figur dieses außergewöhnlich höflichen befellten Helden entworfen, 1958 erschien der erste Band und ging in Serie. 26 Bücher hat der 88-Jährige inzwischen geschrieben, die sich insgesamt mehr als 35 Millionen mal verkauft haben und in 40 Sprachen übersetzt wurden. Jetzt, 2014, wurde in London dank digitaler Technik das Abenteuer des Teddys mit der etwas beängstigenden Vorliebe für Orangenmarmelade zum ersten Mal verfilmt, in den Hauptrollen Hollywood-Stars wie Nicole Kidman und Hugh Bonneville, der durch die britische Fernsehserie Downton Abbey berühmt wurde, der neue Dr. Who Peter Capaldi und Julie Walters, die man aus den Harry Potter-Filmen als Mrs. Weasley kennt.

3 v v V v v v v NEUE ALTE WELT Paddington stammt eigentlich aus Peru. Für Hugh Bonneville (r.), den Film-Adoptivvater Mr. Brown, ist er ein Entdecker. Der Film hat Paddington, der natürlich nie wirklich in Vergessenheit geraten war, mit einem Mal wieder ganz groß auf die Landkarte der britischen Hauptstadt gebracht: Ganz London ist im Paddington-Fieber. Die Medien überschlagen sich mit Berichten über Orangenmarmelade, Interviews mit dem Autoren und Liebesbekundungen von Fans. Sogar die Frage, ob die Einwanderungs-skeptische britische Unabhängigkeitspartei UKIP diesen Paddington überhaupt ins Land lassen würde schließlich ist er ein Immigrant aus Südamerika wurde diskutiert. Vermutlich auch, weil kaum ein Film ein klareres Statement gegen die Einwanderungspolitik der Rechtspopulisten ist als Paddington, dessen Botschaft lautet: Wir sind alle Außenseiter, irgendwo. Ein britischer Anwalt für Einwanderungsrecht kam zu dem Schluss, dass der Familie Brown, die den Teddy aus Peru aufnimmt, tatsächlich 14 Jahre Gefängnis drohen würden und Paddington die Abschiebung, sollten sie nicht einen milden Richter finden. Zum Glück muss dieses Urteil aber nicht gefällt werden. Im multikulturellen London hätten UKIP und Heyday Films

4 v v v V v v v adi WELCOME London im Bärenfieber: Eigens zum Filmstart führt ein Paddington Trail durch die Stadt. die Abschiebe-Beamten mit Sicherheit keine Chance, den Bären mit Entdeckerhut auszuweisen zumindest wenn man die Antwort an den Besucherzahlen misst. Die Kinos waren voll am Eröffnungswochenende und auch landesweit steht der Film auf Platz eins. Mehr noch: Mit 5,13 Millionen Pfund (etwa 6,5 Millionen Euro) hat er das zweitstärkste Debüt für einen Familienfilm 2014 hingelegt. Nur The LEGO Movie konnte noch mehr Menschen locken. Und es sind nicht nur die Medien, die Paddington zu einem Ereignis machen. In London selbst stolpert man an jeder Ecke über den freundlichen Bären. Denn Visit London, also die Tourismus-Abteilung der Stadt, der Verleih Studiocanal und NSPCC, die größte Kinderschutzorganisation Großbritanniens, waren auf die Idee gekommen, einen Paddington-Weg zu installieren. 50 Bären, alle unterschiedlich gestaltet, sind über die gesamte Innenstadt verteilt worden und können auf verschiedenen Routen abgelaufen werden. Die Bären wurden unter anderem von Prominenten wie den Filmdarstellern Kidman, Bonneville, Walters und Capaldi designt,

5 v v v v V v v aber auch Harry Potters Hermine Emma Watson, der Regisseur Guy Ritchie und Fußballspieler David Beckham haben sich auf den Straßen Londons durch individuelle Bären verewigt. Paddington ist ein Entdecker, erklärte Hugh Bonneville, der Adoptivvater Mr. Brown spielt. Und diese Wege sind eine wunderbare Art, um dieses Gefühl zum Leben zu erwecken und ich hoffe, dass die Menschen London dadurch noch einmal mit frischen Augen sehen. Jedenfalls kann man erstaunlich viele Menschen dabei beobachten, wie sie sich mit den Teddy-Figuren fotografieren lassen oder sie einfach nur mal umarmen. Mitnehmen kann man sie auch, aber erst am Ende der Freiluft-Ausstellung: Dann werden die Bären verkauft. Der Erlös kommt der Kinderstiftung zugute. Sogar in die Museen hat es dieser kleine Bär geschafft, dessen Berühmtheit nur von einem Konkurrenten geschlagen wird er hört übrigens auf den Namen Puuh: So zeigt das Museum of London derzeit Paddington -Erstausgaben wie Requisiten und auch einige Illustrationen. BITTE SCROLLEN

6 v v v v v V v ZEITREISE Das Londoner House of Illustration stellt zurzeit Paddington-Bilder wie diese Illustrationen von Peggy Fortnum aus. HouseofIllustration Die Bilder nämlich waren es, die den Bären neben der Story weltbekannt machten. Mit wenigen Pinselstrichen haben Zeichner wie Peggy Fortnum, Fred Banbery, David McKee und R. W. Alley die Abenteuer des freundlichen Bären zum Leben erweckt. Deswegen widmet sich auch das Londoner House of Illustration den Zeichnungen. Mehr als 50 Jahre Paddington-Zeichnungen können die Besucher in dem kleinen Museum nahe des Bahnhofs King s Cross durchlaufen und dabei eine Zeitreise in die eigene Kindheit und die ihres Nachwuchses unternehmen. Dass sein Bär einmal einen solchen Weltruhm erlangen würde, hätte sein Schöpfer Michael Bond wohl nicht gedacht, als er an Weihnachten 1956 im Londoner Kaufhaus Selfridges einen Teddy kaufte, der ihm leid tat, weil er ganz alleine im Regal saß. Er nahm ihn mit und ließ sich inspirieren, erst privat, dann verkaufte er die Geschichten. Der neuerliche Hype freut ihn, der Film auch, selbst, wenn er mit einer Szene, in der Paddington das Badezimmer flutet, nicht ganz einverstanden ist: Ich habe sie gehasst, erklärte der Autor der Zeitung The Australian. Bond hat immer noch das Ge-

7 v v v v v v V Stolp SKULPTURENPARK 50 Paddington-Statuen, jede mit der Handschrift eines Promis, wurden in ganz London verteilt. fühl, das Image seines Helden schützen zu müssen, übrigens auch, was das Marketing betrifft: Toilettenpapierrollen mit einem Bild von Paddington! Da war es sehr einfach, nein zu sagen, erklärte er einst der Zeitung The Guardian. Und eines stellte der 88-Jährige jetzt auch klar, die Bären- Abenteuer werden weitergehen: Wenn man Schriftsteller ist, dann erwarten die Menschen nicht, dass man in Rente geht. Ich will auch nicht in Rente gehen und ich bin glücklich, dass ich arbeite. Ich weiß gar nicht, was ich tun würde, wenn ich es nicht täte. N Paddington in allen gutherzigen Kinos seit 4. Dezember