2. Mose 3, 1 18 Ich habe das Elend meines Volkes gesehen
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- Irmela Schulz
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1 2. Mose 3, 1 18 Ich habe das Elend meines Volkes gesehen Mose weidete die Schafe und Ziegen seines Schwiegervaters Jitro, des Priesters von Midian. Eines Tages trieb er das Vieh über die Steppe hinaus und kam zum Gottesberg Horeb. Dort erschien ihm der Engel des Herrn in einer Flamme, die aus einem Dornbusch emporschlug. Er schaute hin: Da brannte der Dornbusch und verbrannte doch nicht. Mose sagte: Ich will dorthin gehen und mir die außergewöhnliche Erscheinung ansehen. Warum verbrennt denn der Dornbusch nicht? Als der Herr sah, dass Mose näher kam, um sich das anzusehen, rief Gott ihm aus dem Dornbusch zu: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. Der Herr sagte: Komm nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden. Dann fuhr er fort: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Da verhüllte Mose sein Gesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen. Der Herr sprach: Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne ihr Leid. Ich bin herabgestiegen, um sie der Hand der Ägypter zu entreißen und aus jenem Land hinaufzuführen in ein schönes, weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig fließen, in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter. Jetzt ist die laute Klage der Israeliten zu mir gedrungen und ich habe auch gesehen, wie die Ägypter sie unterdrücken. Und jetzt geh! Ich sende dich zum Pharao. Führe mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten heraus! Mose antwortete Gott: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehen und die Israeliten aus Ägypten herausführen könnte? Gott aber sagte: Ich bin mit dir; ich habe dich gesandt und als Zeichen dafür soll dir dienen: Wenn du das Volk aus Ägypten herausgeführt hast, werdet ihr Gott an diesem Berg verehren. 1
2 Da sagte Mose zu Gott: Gut, ich werde also zu den Israeliten kommen und ihnen sagen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt. Da werden sie mich fragen: Wie heißt er? Was soll ich ihnen darauf sagen? Da antwortete Gott dem Mose: Ich bin der «Ich-bin-da». Und er fuhr fort: So sollst du zu den Israeliten sagen: Der «Ich-bin-da» hat mich zu euch gesandt. Weiter sprach Gott zu Mose: So sag zu den Israeliten: Jahwe, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Das ist mein Name für immer und so wird man mich nennen in allen Generationen. Geh, versammle die Ältesten Israels und sag ihnen: Der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, ist mir erschienen und hat mir gesagt: Ich habe sorgsam auf euch geachtet und habe gesehen, was man euch in Ägypten antut. Darum habe ich beschlossen, euch aus dem Elend Ägyptens hinaufzuführen in das Land der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter, in ein Land, in dem Milch und Honig fließen. Amen Einheitsübersetzung 2
3 Ich habe das Elend meines Volkes gesehen... Predigt am 31. Mai 2015 in Maria Meeresstern auf Borkum Zum Hungertuch von Azariah Mbatha Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne ihr Leid. Liebe Gemeinde, das Hungertuch des südafrikanischen Künstlers Azariah Mbatha ist ein Wimmelbild: Es wimmelt vor Menschen. Überall sind sie, manchmal nur noch als ganz kleine Punkte zu erkennen, kleiner und kleiner werdend. Ein Wimmelbild voller Menschen. Wer kann sagen, wie viele es sind? Und sie alle sind unterwegs. In Wagen, in Bussen, auf Schiffen und Booten, mit Ochsenkarren, in gepanzerten Wagen,... die meisten zu Fuß. Unendlich viele. Es ist ein Wimmelbild, das Azariah Mbatha da geschaffen hat. Und es ist ein Bild unserer Welt. Wer kann sagen, wie viele Menschen unterwegs sind - jetzt, in diesem Moment? Auf der Flucht vor Krieg und Bürgerkrieg, vor Armut und Terror vertrieben vielleicht, vielleicht heimatlos, vielleicht auf der Suche nach Arbeit und Leben. 51,2 Millionen Menschen schätzt das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen und die meisten davon sind auf der Flucht im eigenen Land. Wer kann sagen, wie viele es wirklich sind? Ich habe das Elend meines Volkes gesehen... sagt Gott. Es gibt Momente, da werden aus Zahlen wieder Menschen. Da sieht man plötzlich eine Gestalt, eine Geschichte, ein Leben. Da bekommt einer dieser vielen kleinen, sich verlierenden Punkte ein Gesicht, einen Namen. So ist es auch auf dem Bild, das wir vor uns haben. Azariah Mbatha hat es 1995 gestaltet zu einer Zeit, als die Zahl der weltweit flüchtenden Menschen schon einmal ähnlich hoch war wie heute. Es ist ja nicht so, dass das neu ist: Unterwegs, auf der Flucht zu sein, in der Fremde diese Erfahrung prägt das Leben vieler Menschen, vor allem in den Ländern der sogenannten Dritten Welt nicht erst seit heute. 3
4 Azariah Mbatha selbst hat sein Heimatland, Südafrika 1970 auch aus politischen Gründen verlassen müssen. Er erzählt davon aber er erzählt auch, was er alltäglich kennt von Kindheit und Jugend an: Unter dem System der Apartheid, der Rassentrennung und Unterdrückung, die sein Land bis in die Seelen der Menschen geprägt hat, waren es Tausende, Zehntausende, die jeden Tag, jeden Morgen und jeden Abend unterwegs waren: Auf dem Weg aus den schwarzen Townships zur Arbeit, auf dem Weg aus den ihnen zugewiesenen Gebieten auf dem Land oder am Stadtrand in die Stadt. Auf dem Weg aus den Nachbarländern ins reiche Südafrika.. auch heute noch: Flüchtlinge aus Simbabwe, aus Somalia, dem Kongo, Äthiopien. Ich habe das Elend meines Volkes gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne ihr Leid. Es gibt Momente, da werden aus den kleinen, sich verlierenden Punkten Gesichter, Gestalten - Menschen, denen man ihr Leid, ihre Hoffnung - ihre Freude sogar - ansieht. So ist es auch in der Szene, die heute zu uns predigt. Denn das tut dieses Bild es predigt. Es erzählt uns von Gott von einem Gott, der sieht. Für den keiner dieser unendlich vielen nur ein Punkt, eine Zahl ist. Der sieht - ja, der mit unterwegs ist, in diesen vielen unzählbaren Menschen. Der selbst fliehen musste, in der Gestalt eines kleinen Kindes, das doch gerade erst geboren waren. Er ist einer von ihnen ist. In ihnen können wir ihm begegnen, hundert-, ja tausendmal. Ein Gott, der mitgeht - der nicht wohnt in Häusern, von Hand gemacht, der sich nicht dienen lässt in goldenen Tempeln sondern der mitgeht und mit uns unterwegs ist und uns herausreißt aus Unterdrückung und Angst. Davon erzählt die Szene, um die es heute geht. Sie finden sie am oberen rechten Bildrand oder in Vergrößerung vorne auf dem kopierten Blatt in ihren Händen: Sie fängt den Augenblick ein, in dem Moses und Aaron vor Pharao stehen und ihm erzählen von dem, was Gott ihnen aufgetragen hat: Dass es ein Ende hat. Dass Gott das Elend seines Volkes gesehen hat. Er wird das himmelschreiende Unrecht, das die Ägypter ihnen antun, nicht länger dulden. Sie müssen sie jetzt gehen lassen weil Gott es will und weil er sie herausführen wird in das Land, in dem Milch und Honig fließt. 4
5 Eigentlich ist nicht nur ein Augenblick, den Mbatha hier im Bild einfängt. Es sind so viele. Denn immer wieder geht Mose zum Pharao, immer wieder lässt Gott ihn sagen: Lass mein Volk gehen und immer wieder sagt der Pharao: Nein. Aber Mose geht, Mal um Mal, jedes Mal, wenn Gott ihn schickt - ein kleiner hebräischer Arbeiter, ein rechtloser Sklave, der nichts in der Hand hat. Mit ganz wenigen Mitteln hat Mbatha das eingefangen: Wie groß thront der Pharao dort auf seinem Thron! Umgeben von unterwürfigen Dienern. Die Macht ist auf seiner Seite. Wie groß er ist, wie selbstsicher er dort sitzt! Ruhig und unerschütterlich, mit gefalteten Händen. Und wie klein sind die Menschen, die sich vor ihm in den Staub werfen! Wie klein, wie ohnmächtig. Mose und Aaron haben nichts in der Hand außer ihren Hirtenstäben. Wie schutzlos, wie klein werden sie sich gefühlt haben. Vielleicht jedes Mal ein kleines bisschen verzagter... vielleicht aber auch jedes Mal ein bisschen trotziger, ein bisschen mutiger, ein bisschen weniger klein. Denn Gott ist auf ihrer Seite. Die Schlange in der Hand des Mose, die Feuerflamme hinter ihnen deutet das an: Die Schlange, sie bedroht die Macht des Pharao. Die Feuerflamme - sie ist größer als er. Und tatsächlich, im Hintergrund sieht man die Menschen schon gehen. Die Knechtschaft, die Unterdrückung, die Macht des Pharao: All das lassen sie hinter sich zurück auf dem langen Weg in die Freiheit, in das Gelobte Land. Als Mose vor Pharao steht, da ist es noch lange nicht so weit. Und doch kann man es schon sehen weil Gott es so will. Und weil man es schon sehen kann darum kann man auch daran glauben. Die Feuerflamme deutet das an: Auf dem Weg in die Freiheit wird Gott vor ihnen herziehen in einer Feuersäule in der Nacht, in einer Wolkensäule am Tag. Im Feuer hat er sich Mose offenbart - als der, der da ist, der da war und immer sein wird. Ich bin für euch da. Mose sieht die Feuerflamme vielleicht nicht. In diesem Augenblick, als er da steht, da ist vor ihm nur der scheinbar übermächtige Pharao. Aber er spürt ihre Wärme im 5
6 Rücken, er kommt her vom Feuer der Gottesbegegnung und darum weiß er: Allen Widerständen trotzdem wird Gott die Hebräer in die Freiheit führen. Der Pharao weiß es nur noch nicht. Was für ein Bild! Was für ein ermutigendes Bild, wenn wir an diese vielen kleinen Augenblicke denken, wo wir uns so furchtbar ohnmächtig fühlen. Wenn wir vor etwas stehen, dass so viel größer zu sein scheint als wir und uns klein und kleiner macht. - Was für ein trotziges Bild, wenn wir an die Pharaonen unserer Zeit denken. Wie oft denken wir: Wir werden es nie ändern! Wie oft sagt man uns, dass es auch gar nicht zu ändern ist, dass wir uns abfinden müssen damit, dass diese Welt eben nicht gerecht ist. Was für ein ermutigendes, was für ein trotziges Bild! Aber es kann auch völlig irreführend, ja gefährlich werden: Es wird alles ganz falsch, wenn wir das Ich bin bei euch Gottes verwechseln mit dem Gott mit uns etwa auf den Koppelschlössern von Soldaten. Es wird alles ganz falsch, wenn wir ihn vereinnahmen für unsere Ziele und in seinem Namen Macht ausüben über andere. Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig hat Gott zu Paulus gesagt. Darum geht es hier. Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne ihr Leid. Ich bin herabgestiegen, um sie der Hand der Ägypter zu entreißen und aus jenem Land hinaufzuführen in ein schönes, weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig fließen, Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum geht es. Um diese Kraft Gottes der ein parteiischer Gott ist. Der sich stellt auf die Seite derer, die unterdrückt, ausgebeutet und klein gehalten werden, der mitten unter ihnen in einem Stall zur Welt kam und der nicht will, dass auch nur eines von ihnen verloren gehe. Der mit uns unterwegs ist, mit uns den Weg in die Freiheit geht - auch, wenn er uns lange durch die Wüste führt. Weil es sein Weg ist. Amen Pastorin Margrit Tuente Ev.-ref. Gemeinde Borkum 6
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