Das Problem des Übels (besser: Das Problem des Leides)
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- Barbara Silvia Hase
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1 Manche Gottesbeweise gehen von der These aus: In der Welt gibt es unbestreitbare Tatsachen, die für die Existenz Gottes sprechen. Das Problem des Übels (besser: Das Problem des Leides) Umgekehrt kann man natürlich auch fragen: Gibt es in der Welt unbestreitbare Tatsachen, die gegen die Existenz eines (allmächtigen, allwissenden und allgütigen) Gottes sprechen? In der Welt gibt sehr viel sehr großes Leid. [ ] eine Klinik voll von Kranken, ein Gefängnis belegt mit Verbrechern und Schuldnern, ein Schlachtfeld übersät mit Leichen, eine dem Ozean ausgelieferte Flotte, ein unter Tyrannei siechendes Volk sowie Hungersnot und Pest zeigen. (96) Gottes Macht betrachten wir als unendlich; was immer er will, geschieht. Doch weder der Mensch noch irgendein anderes Lebewesen ist glücklich: also will er ihr Glück nicht. Gottes Weisheit ist unendlich; in der Wahl der Mittel zu einem gegebenen Zweck begeht er nie einen Fehler. Doch der Lauf der Natur begünstigt nicht menschliches oder tierisches Wohlergehen: Also ist er nicht auf dieses Ziel hin ausgerichtet. Auf Epikurs alte Fragen gibt es noch immer keine Antwort: Ist er willens, aber nicht fähig, Übel zu verhindern? Dann ist er ohnmächtig. Ist er fähig, aber nicht willens? Dann ist er boshaft. Ist er sowohl fähig als auch willens? Woher kommt dann das Übel? (99)
2 Das logische Problem Ist das in der Welt existierende Leid mit der Annahme, dass eine allmächtiger, allwissender und allgütiger Gott existiert überhaupt logisch vereinbar? Das evidentielle Problem Wenn wir die Welt mit all dem Leid, das in ihr vorkommt, unvoreingenommen betrachten, bietet sie uns dann eher Grund zu glauben, dass sie von einem allmächtigen, allwissenden und allgütigen Wesen geschaffen wurde oder dass sie auf einen Ursprung zurückgeht, dem es egal ist, ob wir leiden oder nicht? Das logische Problem Sind die beiden Aussagen (1) In der Welt gibt es sehr viel sehr großes Leid und (2) Es gibt einen allmächtigen, allwissenden und allgütigen Gott logisch miteinander vereinbar? Zwei Aussagen sind logisch unvereinbar, wenn sie einander logisch widersprechen (eine ist oder impliziert die Negation der anderen). (1) Dieser Ball ist rot. (2) Dieser Ball ist nicht rot. Wie ist es mit den beiden Aussagen (1) Dieser Ball ist rot (2) Dieser Ball ist nicht farbig? Zwei Aussagen sind logisch unvereinbar, wenn sich aus ihnen und anderen analytisch wahren Aussagen eine Aussage und ihre Negation ableiten lässt.
3 Analytische Wahrheit Eine Aussage ist analytisch wahr, wenn sich ihre Wahrheit allein schon aus der Bedeutung der in ihr vorkommenden Ausdrücke ergibt. Beispiele Alle Junggesellen sind unverheiratet. Was rund ist, hat keine Ecken. Jedes Dreieck hat drei Seiten. Die beiden Aussagen (1) Dieser Ball ist rot (2) Dieser Ball ist nicht farbig sind logisch unvereinbar, weil sich aus ihnen und der analytischen Wahrheit (3) Alles, was rot ist, ist farbig die Sätze (4) Dieser Ball ist farbig und (5) Dieser Ball ist nicht farbig ableiten lassen. Sind die beiden Aussagen (1) In der Welt gibt es sehr viel sehr großes Leid und (2) Es gibt einen allmächtigen, allwissenden und allgütigen Gott in diesem zweiten Sinn logisch unvereinbar? Sie wären es, wenn die Aussage (3) Ein allmächtiger, allwissender und allgütiger Gott würde alles in der Welt vorhandene Leid verhindern analytisch wahr wäre. Problem Auch ein allmächtiges Wesen kann nur tun, was logisch möglich ist. Wenn bestimmtes Leid logisch notwendig dafür ist, dass ein bestimmtes höherwertiges Gut entsteht, dann müsste Gott dieses Leid um des höheren Gutes willen zulassen (ja sogar fördern). Analytisch wahr ist deshalb nur: (4) Ein allmächtiger, allwissender und allgütiger Gott würde alles Leid verhindern, das nicht zur Erlangung höherwertiger Güter notwendig ist.
4 Theodizee (von griechisch theos: Gott und dike: Gerechtigkeit), in der Philosophie und Theologie Bezeichnung für die begründete Rechtfertigung Gottes hinsichtlich des Übels und des Bösen in der Welt. Microsoft Encarta Enzyklopädie Professional Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten. Eine Theodizee ist der Versuch, plausibel zu machen, dass es für Gott gute Gründe gibt, Leid in der Welt zuzulassen. 1. Moralische Güte Gott könnte Leid zulassen, weil wir ohne Leid sehr lobenswerte Tugenden wie Barmherzigkeit, Hilfsbereitschaft usw. nicht ausbilden könnten. Kritik Kann man so schreckliche Gräuel wie den Holocaust wirklich auf diese Weise rechtfertigen? Es gibt ganz sicher einzelnes Leid, das die lobenswerten Tugenden nicht befördert z.b. weil es von niemandem wahrgenommen wird. Ist eine Welt mit viel Leid und vielen guten Menschen wirklich besser als eine Welt mit weniger Leid und weniger guten Menschen? 2. Ästhetische Gründe Augustinus z.b. hat behauptet, es gebe eine Analogie zwischen der Welt und einem Kunstwerk. Die Gesamtharmonie in einem Musikstück schließt gewöhnlich Disharmonien ein, die später aufgelöst werden [ ]. Ähnlich [ ] trägt das Böse zu der Gesamtharmonie und schönheit der Welt bei. (Warburton 32) 2. Ästhetische Gründe Kritik Ist es wirklich plausibel anzunehmen, dass Tausende von Toten bei einem Erdbeben oder Millionen Kriegsopfer zur Gesamtharmonie der Welt beitragen? Ein Gott, der so viel Leiden nur aus ästhetischen Gründen zulässt, scheint eher zynisch als allgütig zu sein.
5 3. Leid als Strafe Vielleicht ist das Leid, das wir in der Welt wahrnehmen, nichts anderes als eine gerechte Strafe. Kritik Ist eine Welt, in der Gott die Menschen so grausam bestraft, wirklich besser als eine, in der er das nicht tut. Unter denen, die leiden, sind immer auch viele Unschuldige z.b. Kinder. Wie kann das gerecht sein? 4. Leid um der Freiheit willen (The Free Will-Defense) Thesen Eine Welt, in der es Wesen mit freiem Willen gibt, ist besser als eine Welt, in der es keine solchen Wesen gibt. Gott kann nicht verhindern, dass Wesen mit freiem Willlen anderen Leid zufügen. (Wenn er das verhinderte, wären diese Wesen nicht mehr frei.) Also Gott kann nicht verhindern, dass in einer Welt mit freien Wesen Leid entsteht. Erstes Problem Das erklärt bestenfalls einen Teil des Leides in der Welt. Moralisches Übel Leid, das Lebewesen von Menschen wissentlich und willentlich zugefügt wird. Natürliches Übel Leid, das durch Krankheit, Naturkatastrophen und andere natürliche Ursachen entsteht. Die Free Will-Defense erklärt bestenfalls die Existenz moralischer Übel. Zweites Problem Es geht nicht nur darum zu erklären, dass diese Welt überhaupt Leid enthält. Sondern darum zu erklären, warum sie all das Leid enthält, das wir in der Welt tatsächlich vorfinden. Frage Ist es wirklich plausibel anzunehmen, dass es unter den vielen möglichen Welten, die Gott hätte erschaffen können, keine gibt, in der es zwar auch freie Wesen, aber weniger Leid gibt als in dieser Welt?
6 Drittes Problem Warum greift Gott nicht wenigstens manchmal in der Lauf der Dinge ein, um die übelsten Folgen freien menschlichen Handelns abzuwenden? Viertes Problem Die Free Will-Defense geht von einem Freiheitsbegriff aus, demzufolge Freiheit und Determinismus nicht vereinbar sind. Dies ist aber keineswegs der einzig mögliche Freiheitsbegriff. Das evidentielle Problem Wenn wir die Welt mit all dem Leid, das in ihr vorkommt, unvoreingenommen betrachten, bietet sie uns dann eher Grund zu glauben, dass sie von einem allmächtigen, allwissenden und allgütigen Wesen geschaffen wurde oder dass sie auf einen Ursprung zurückgeht, dem es egal ist, ob wir leiden oder nicht? Zwei Alternativen Betrachten wir die beiden alternativen Hypothesen: Die Welt mit all dem Leid, das sie enthält, wurde von einem allmächtigen, allwissenden und allgütigen Wesen geschaffen. Die Entwicklung dieser Welt beruht auf blinden Naturgesetzen, und das Leben ist aufgrund dieser Naturgesetze evolutionär entstanden. Wie wahrscheinlich sind diese beiden Annahmen?
7 Zwei Alternativen Fragen wir einmal umgekehrt: Vorausgesetzt, dass es ein allmächtiges, allwissendes und allgütiges Wesen gibt, wie wahrscheinlich ist es, dass dieses Wesen eine solche Welt erschafft? Vorausgesetzt, dass die Entwicklung der Welt auf blinden Naturgesetzen beruht und Leben aufgrund dieser Naturgesetze evolutionär entsteht, wie wahrscheinlich ist es, dass dabei die Welt entsteht, in der wir heute leben? Die Antwort auf die erste Frage wird wohl lauten: Sehr unwahrscheinlich. Und auf die zweite Frage: Durchaus wahrscheinlich. Zwei Alternativen Wenn das so ist, dann ist unter der Voraussetzung, dass die Welt so ist, wie sie ist die Hypothese Die Entwicklung der Welt beruht auf blinden Naturgesetzen und Leben ist aufgrund dieser Naturgesetze evolutionär entstanden aber viel wahrscheinlicher als die Hypothese Diese Welt wurde einem allmächtigen, allwissenden und allgütigen Wesen geschaffen. Philo Wenn ein durchaus beschränkter Verstand [ ] die Versicherung besäße, daß es die Schöpfung eines sehr guten, weisen und mächtigen, wenngleich endlichen Wesens sei, so würde er sich im voraus, aufgrund seiner Vermutungen, von diesem Universum ein anderes Bild machen, als wir es in der Erfahrung vorfinden. Und er würde bloß von diesen Eigenschaften der Ursache aus, über die er Bescheid weiß, niemals auf die Idee kommen, daß die Wirkung so voller Laster, Elend und Unordnung sein könnte, wie es in diesem Leben den Anschein hat. (107) Philo Ist die Welt, insgesamt betrachtet und wie sie sich uns in diesem Leben darstellt, anders als jene Welt, die ein Mensch bzw. ein ähnlich beschränktes Wesen im voraus von einer sehr mächtigen, weisen und gütigen Gottheit erwarten würde? Es muß Zeichen eines merkwürdigen Vorurteils sein, diese Frage zu verneinen. Und hieraus folgere ich, daß die Welt, wie vereinbar sie unter Voraussetzung gewisser Annahmen und Hypothesen mit der Vorstellung von einer solchen Gottheit auch sein mag, uns niemals einen Schluß auf deren Existenz ermöglicht. (109)
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