Die Zigarre - Symbol von Revolutionen und für Antisemitisches

Transkript

1 Die Zigarre - Symbol von Revolutionen und für Antisemitisches Die Zigarre 1848 Im Jänner 1848 boykottieren italienische Patrioten im zu Österreich gehörenden Mailand die Virginier-Zigarren des österr. Tabakmonopols. Bei dem Zigarrenrummel werden Zigarrenraucher verprügelt, bis Feldmarschall Radetzky Zigarren rauchende Soldaten auf die Straße schickt. Virginier rauchende österreichische Soldaten in Mailand (1848) In Berlin ist Zigarrenrauchen auf der Straße verboten, Zuwiderhandeln gilt als Auflehnung gegen die Staatsgewalt und liberale Dreistigkeit fällt das Rauchverbot als Zugeständnis an die Revolutionäre und die Zigarre wird zum Symbol der neuen herrschenden, bürgerlichen Klasse. Die Zigarre symbolisiert bürgerlichen Reichtum (inkl. dem Smoking als Anzugjacke für das Rauchen im Raucherzimmer) entsteht das Gerücht, dass Zigarren bei der Herstellung auf den nackten Schenkeln der Arbeiterinnen gerollt würden

2 (tatsächlich eine traditionelle Männerarbeit). In Gedichten wird die braune, bauchige Zigarre von den männlichen Rauchern als karibische Schönheit sexualisiert: Du braune Schöne, deren Haut Von Tropenglut geröstet, Wieviel hab ich dir anvertraut, Wie hast du mich getröstet! Wenn ich dir heimlich selge Stund! - Den Gürtel abgerissen, Wie hingst du heiß an meinem Mund Zu schweigendem Genießen! Wie weich und warm dein Atem flog! Dein Wuchs schlank, ohne Fehle Mit nie gestilltem Durste sog Ich in mich deine Seele. [ ] Ach, schilt mir nicht die Unmoral Wenn laut mein Schmerz verkündigt, Wie wir zwei beide manches Mal im Kämmerlein gesündigt. (Rudolf Presber, Ende 19. Jh.) Die Judenzigarre Antisemitische Feind-Bilder stellen Juden früh als kleinkriminelle Hausierer oder Börsenkapitalisten bzw. Bankier dar. Karikaturen, die Juden als Ausbeuter diffamieren, zeigen sie mit dickbäuchig, mit Klunkern und Judenzigarre. Heute wird diese Bildersprache - inklusive dicker Zigarre - von Rechtsextremen genutzt, zur Illustration einer zentralistischen EU-Bürokratie, welcher Spekulantentum unterstellt wird.

3 Die Verwendung der Judenzigarre : Börsenhyäne (D, vor 1933); Un bon Francais (1941, F). Verknüpfung von EU-Kritik mit antisemitischen Ressentiments: als Kapitalist (Flugblatt, D, 1997) bzw. EU-Kommissar (Comic Der blaue Planet, 2009, A) Die Zigarre als revolutionäres Symbol in Kuba In Kuba rollt 1895 der Schriftsteller José Martí sein Manifest zum Widerstand gegen die spanische Herrschaft in ein Zigarrendeckblatt ein. Der gefangene Fidel Castro schmuggelt während der Revolutionskämpfe in Zigarren versteckte Botschaften aus dem Gefängnis. Die Revolution wird von ZigarrenarbeiterInnen unterstützt, welche als Nachkommen ehemaliger afrikanischer Sklaven bis dahin von der politischen Macht so gut wie ausgeschlossen sind. Rassismus über Markennamen: Little Niggers bzw. Tickled To Death (1902, Nashville, USA)

4 Die Zigarre wird zum Symbol des revolutionären Kommunismus. Dazu gehört die Verstaatlichung und Enteignung, etwa der Familie Cifuentes, welche ein Zigarrenimperium aufgebaut hatte. Für Che Guevara ist die Zigarre einziges Nationalerzeugnis Kubas, das zudem an Qualität sämtliche kapitalistische Marken übertrifft. Die subversive Benutzung des bürgerlichen Symbols Zigarre zeigt sich an der ungebrochenen Nachfrage, auch in der kapitalistischen USA, wohin trotz US-Handelsembargos jährlich rund 15 Mio. kubanische Zigarren geschmuggelt werden. Angeblich bat Castro Che Guevara darum, eine Qualitätszigarre zu kreieren es entstand die bis 1982 nur elitären Kreisen vorbehaltene Cohiba. Ihr Name bedeutet Zigarre in der Sprache der Taino-Indianer. Fidel Castro mit Zigarre Die Zigarre als Teil der Ikonenbildung rund um Che Guevara: Porträt von René Burri (1963).

5 1994 wurde Habanos S.A. als Joint venture-unternehmen des kubanischen Staates und Altadis gegründet. Inzwischen besitzt die britische - nomen est omen? - Imperial Tobacco Group - die Hälfte der Anteile am Unternehmen.