2 Anatomie, Topographie und Funktion der weiblichen Genitalorgane
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- Ewald Reinhardt Straub
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1 14 2 Anatomie, Topographie und Funktion der weiblichen Genitalorgane A. Pfleiderer, M. Kaufmann 2.1 Skelett und Becken der Frau Das Skelett und besonders das Becken der Frau unterscheiden sich von dem des Mannes. Die primär genetisch fixierten Unterschiede werden durch die Wirkung der Östrogene in der Pubertät verstärkt. Bei der Frau sind die einzelnen Knochen zarter ausge- bildet. Die untere Brustkorbapertur ist weiter und der Angu- lus arcuum costarum breiter. Die Wirbelsäule weist eine stärkere Lendenlordose auf. Dadurch springt die Wirbelsäule über dem Promontorium vor. Da das Becken (stärker als beim Mann) nach vorn geneigt (60 Grad) ist, muss der Eintritt des Kindes in den Beckeneingang in einem nach hinten offenen Bogen erfolgen. Die stärksten geschlechtstypischen Unterschiede zeigt das Becken ( 2.1). Das Becken der Frau ist: breiter und niedriger als das des Mannes. Der Abstand der Hüftgelenke ist größer. Daraus resultiert eine physiologische X-Bein-Stellung. Der Beckeneingang ist queroval. Die Seitenwände des Beckens verlaufen parallel, die Vorderfläche des Kreuzbeins ist konkav, die Beckenhöhle ist dadurch zylindrisch. Der Schambogen ist weit: der Winkel zwischen den Schambeinen beträgt 90 Grad oder mehr. Während der Schwangerschaft kommt es unter dem Einfluss von Östrogenen zu einer Auflockerung der Bandverbindungen der Iliosakralgelenke und der Symphyse, die eine Erweiterung des Beckenrings, allerdings nur um wenige Millimeter, ermöglicht. Diese Besonderheiten des weiblichen Skeletts erlauben das Wachstum des schwangeren Uterus und den Durchtritt des Kindes durch das Becken bei erhaltener Statik. 2.1 Unterschiede im Bau des männlichen und weiblichen Beckens Am knöchernen Becken der Frau fallen im Vergleich zum männlichen Becken der zartere Knochenbau und die weiter ausladenden Darmbeinschaufeln mit einer geringeren Becken- und Symphysenhöhe auf. Der Beckeneingang hat eine querovale Form. Die Beckenhöhle ist rund und weit, das Kreuzbein leicht ausgehöhlt. Der Schambogenwinkel ist weit.
2 2.2 Bauchwand und Beckenboden Horizontaler Schnitt durch die Bauchdecke Unterhalb der Linea arcuata (ca. drei Fingerbreit kaudal des Nabels) gehen alle Sehnen in das vordere Blatt über, sodass der M. rectus abdominis zur Baucöhle hin nur noch von der Fascia transversalis abdominis bedeckt ist. 2.2 Bauchwand und Beckenboden Bauchwand und Beckenboden begrenzen in Form von schichtweise angeordneten Muskeln und Faszien den Bauchraum nach vorn und unten. Die vordere Bauchwand ( 2.2) wird durch die jeweils paarig vorhandenen Mm. recti abdominis, Mm. obliqui externi et interni und die Mm. transversi abdominis gebildet. Sie garantieren durch ihren schichtweise unterschiedlichen Verlauf einem Korsett ähnlich die notwendige Stabilität. Unter der Geburt (beim Pressen) führt ihre Kontraktion in Verbindung mit einer inspiratorischen Tiefstellung des Zwerchfelles zu einer Erhöhung des abdominalen Innendruckes. Dadurch werden die Kontraktion des Uterus und die Propulsion des Kindes verstärkt. Der Beckenboden hat bei der Frau zwei gegensätzliche Funktionen zu erfüllen: den Verschluss der Baucöhle nach unten mit dem Abfangen intraabdominaler Druckerhöhungen und die Dehnbarkeit zum Durchlass des Kindes. Auch er besteht ähnlich dem Bauchmuskelsystem aus dachziegelartig übereinandergefügten Systemen von Muskulatur und Faszien ( 2.3): h h Äußere Schließmuskelschicht: Sie besteht aus dem M. ischiocavernosus, dem M. transversus perinei superficialis, dem M. bulbospongiosus (bulbocavernosus) und dem M. sphincter ani. Der M. bulbospongiosus und der M. sphincter ani bilden eine Achtertour und umschließen so zugleich den Introitus vaginae und den Anus. h h Diaphragma urogenitale: Als dreieckige Muskel-Faszien-Platte ist sie in den Arcus pubis des Beckenausganges eingelassen. Sie enthält den M. transversus perinei profundus und Teile des muskulären Harnröhrenverschlusses. h h Diaphragma pelvis: Es wird gebildet aus dem kräftigen M. levator ani. Dieser setzt sich aus mehreren Anteilen zusammen, die ihren Ursprung entlang der seitlichen Beckenwand haben, beginnend an der Rückfläche des Schambeins und von dort schräg abfallend zum 4. Kreuzwirbel. Die Muskelplatte umschließt trichterförmig den Analkanal, die Scheide und die Harnröhre, die durch den Hiatus genitalis (Synonym: Levatorspalt), der durch die beiden Levatorschenkel gebildet wird, austreten. Diese doppelte schiefe Ebene des Diaphragma pelvis veranlasst unter der Geburt den vorangehenden Kindsteil sowohl zur Drehung in den tiefen Geradstand als auch zur Abbiegung entlang der Führungslinie nach vorn.
3 16 2 Anatomie, Topographie und Funktion der weiblichen Genitalorgane 2.3 Beckenboden Die Abbildung zeigt die drei Schichten des Beckenbodens in der Ansicht von unten. 2.3 Genitalorgane der Frau Man unterscheidet das äußere und das innere Genitale. Die Grenze ist der Hymen. Das äußere Genitale wird als Vulva bezeichnet, zum inneren Genitale rechnet man die Vagina, den Uterus, die Tuben und die Ovarien. Äußeres Genitale Zur Vulva ( 2.4) gehören: Der Mons pubis (Synonym: Schamberg): Das der Symphysenregion aufliegende Fettpolster ist behaart. Die bei der Frau horizontale Schamhaargrenze ist Ausdruck fehlender Testosteronwirkung und gilt deshalb als sekundäres Geschlechtsmerkmal. Die großen Schamlippen (Synonym: Labia majora pudendi) sind fettreiche Bindegewebswülste mit mäßigem Gefäßreichtum und im äußeren und seitlichen Umfang mit allen Anhangsgebilden der Haut, mit Haarfollikeln, Schweiß- und Talgdrüsen ausgestattet. Sie weisen ein verhornendes Plattenepithel auf, das nach medial fließend in ein nur noch angedeutet verhornendes Plattenepithel übergeht. Die großen Schamlippen vereinigen sich vorn über dem Praeputium clitoridis in der Commissura anterior und hinten vor dem Frenulum in der Commissura posterior. Bei der Nullipara bedecken sie die kleinen Schamlippen und den Scheidenvorhof vollständig und bilden so die Rima pudendi. Die kleinen Schamlippen (Synonym: Labia minora pudendi) sind aus fettfreiem, sehr gefäß- und nervenreichem Bindegewebe mit reichlich elastischen Fasern aufgebaut. Auf der Außenseite sind sie von angedeutet verhornendem Plattenepithel mit Talg- und Schweißdrüsen, auf der Innenseite von einem nichtverhornenden Plattenepithel bedeckt. Vorn gehen die kleinen Schamlippen in die Frenula clitoridis über und vereinigen sich einerseits in der Klitoris und gehen andererseits in das Praeputium clitoridis über. Hinten treffen sie sich im Frenulum labiorum pudendi. Der Scheidenvorhof (Synonym: Vestibulum vaginae) befindet sich zwischen den kleinen Schamlippen (außen), dem Introitus vaginae mit dem Hymen (innen) und der Fossa vestibuli vaginae (hinten). In den Scheidenvorhof münden die Urethra (Ostium urethrae externum) etwa 2 cm hinter der Klitoris sowie die paraurethralen Skene-Drüsen, das System der Glandulae vestibulares minores und die Ausführungsgänge der Bartholin-Drüsen (Synonym: Glandulae vestibulares majores). Diese großen, schleimbildenden Drüsen sind an der Grenze vom mittleren zum hinteren Drittel in das Corpus cavernosum der großen Schamlippen eingebettet. Ihre Ausführungsgänge verlaufen tunnelförmig unter den kleinen Schamlippen hindurch und münden seitlich im Scheidenvorhof. Diesen umgibt ein Schwellkörpersystem, die Bulbi
4 2.3 Genitalorgane der Frau Äußeres Genitale der Frau Die Vulva einer Frau, die geboren hat: Die großen und die kleinen Schamlippen sind weit entfaltet. Die Mündung der Harnröhre zwischen den kleinen Schamlippen im Scheidenvorhof ist sichtbar und darunter der Introitus vaginae mit Carunculae hymenales. vestibuli, die sich nach vorn durch den Plexus cavernosus communicans mit den Schwellkörpern der Klitoris vereinigen. Die Klitoris, zwischen der vorderen, ventralen Vereinigung der kleinen und der großen Schamlippen gelegen, entspricht entwicklungsgeschichtlich dem Penis des Mannes. Zwei erektile, den unteren Schambeinästen angeschmiegte Schwellkörper vereinigen sich unter der Symphyse zu einem kurzen Schaft, dem Corpus clitoridis. Es springt spitzwinkelig gegen den Scheidenvorhof vor und wird hier mit Ausnahme der Glans clitoridis vom Praeputium clitoridis der kleinen Schamlippen überdeckt. Inneres Genitale Introitus vaginae Die Grenze zwischen dem Vestibulum vaginae und der Vagina ist der Hymen bzw. dessen narbige Reste, der Hymenalsaum. Der unversehrte Hymen stellt eine gefäßreiche Gewebeplatte mit einer oder mehreren, meist exzentrischen, in Weite und Form stark variierenden Öffnung(en) dar. Bei der virginellen Frau ist er im Allgemeinen für den kleinen Finger passier- und gut dehnbar. Er reißt gewöhnlich bei der ersten Kohabitation mehr oder weniger tief ein und ist später für zwei Finger gut durchgängig. Die nach einer Spontangeburt noch vorhandenen Reste des Hymens bezeichnet man als Carunculae myrtiformes. Aus der Weite der Hymenalöffnung lässt sich nicht ohne Weiteres auf eine Perforation des Hymens (Defloration) schließen. Zur forensischen Beurteilung der Hymenalöffnung ist ein Kolposkop nötig. Vagina Die Vagina (Synonym: Scheide) verläuft bei der liegenden Frau fast horizontal nur leicht nach vorn gekrümmt. Die vordere Scheidenwand ist etwa 10 cm, die hintere etwa 12 cm lang ( 2.5). Die Vagina ist drüsenlos und von nichtverhornendem Plattenepithel ausgekleidet. Ihre große Sekretionsfähigkeit erfolgt durch Transsudation. Man sollte deshalb nicht von einer Scheidenschleimhaut sprechen. Das Plattenepithel der Vagina besteht aus folgenden Schichten: Basalschicht (Stratum basale), Parabasalschicht (Stratum spinosum profundum), Intermediärschicht (Stratum spinosum superficiale), Superfizialschicht (Stratum superficiale). Diesem Epithel kommt für die Funktion der Scheide als Organ der Flüssigkeitsabsonderung (s. S. 129), unter anderem auch bei sexueller Erregung (s. S. 288 ff), als biologische Barriere für das innere Genitale (s. S. 129) und als Durchtrittsschlauch bei der Geburt (s. Kap. 24.2) große Bedeutung zu.
5 18 2 Anatomie, Topographie und Funktion der weiblichen Genitalorgane 2.5 Sagittalschnitt durch das weibliche Becken Das Vorkommen der Zellen aus den verschiedenen Schichten im Vaginalabstrich reflektiert die Hormonwirkung (s. S. 51) und ist für die Krebsfrüherkennung (s. S. 43 ff) sehr wichtig. Das subepitheliale Bindegewebe ist reich an venösen Gefäßen und elastischen Fasergeflechten. Im äußeren Drittel des Scheidenrohres verursachen diese quer verlaufende Falten, die man als Columnae rugarum bezeichnet. Die Scheidenwand wird von einer Längsmuskulatur durchzogen. Darüber hinaus bilden glatte Muskelfasern in gegensinniger Spiralanordnung ein verstellbares Gittersystem. Dieses Muskelgeflecht kann zusammen mit dem Beckenboden Kontraktionen ausüben. Die Portio vaginalis des Gebärmutterhalses ist zapfenartig in das kraniale Ende der Vagina eingefügt ( 2.5, 2.6). Dabei umgreift der Vaginalraum die Portio in Form eines Gewölbes, das dorsal (hinteres Scheidengewölbe) tiefer liegt als ventral. Das vordere Scheidengewölbe grenzt etwa an die Region des Blasenhalses. Im Bereich des hinteren Scheidengewölbes trennt nur eine dünne bindegewebige Schicht das Vaginalepithel vom Peritoneum der Excavatio rectouterina (Synonym: Douglas-Raum) der Baucöhle ( 2.5, 2.7). Bei der gynäkologischen Tastuntersuchung erlaubt diese dünne, dehnbare Schicht nicht nur die Beurteilung des Douglas-Raumes und der Uterushinterwand, sondern auch die gefahrlose Punktion bei einer Ansammlung von Blut oder Eiter im Douglas-Raum. Uterus Der Uterus (Synonym: Gebärmutter; griech: Hystera) der geschlechtsreifen Frau ( 2.6) ist 7 9 cm lang (Sondenlänge 6 7 cm). Der Uterus einer Adoleszentin hat ein Gewicht von g, der Uterus der erwachsenen Frau wiegt g. Am Uterus unterscheidet man das h h Corpus uteri, den eigentlichen Uteruskörper mit seiner die Adnexabgänge überragenden Kuppel, dem Fundus uteri, den h h Isthmus uteri, wegen der Enge auch Zwischenstück des Uterus genannt, gehört zur Cervix uteri, wird aber in der Schwangerschaft zum unteren Uterinsegment (s. Kap. 20, 23), und die h h Cervix uteri, die aus einer Portio supravaginalis und einer Portio vaginalis, der Portio besteht. Das Verhältnis der Länge des Korpus zur Länge der Zervix variiert im Laufe des Lebens. Es beträgt beim Neugeborenen 1:2 und bei der geschlechtsreifen Frau 2:1.
6 2.3 Genitalorgane der Frau Frontalschnitt durch den Uterus Die drei Anteile Korpus, Isthmus und die in die Vagina hineinragende Portio als kaudaler Anteil der Zervix sind in der Ansicht von dorsal nach ventral zu erkennen. Die Adnexabgänge und die Bandverbindungen sind dargestellt. Das Corpus uteri, der eigentliche Uterus, ragt, vom Perimetrium (Synonym: Uterusserosa, Uterusperitoneum) überzogen, mit seiner dorsalen und ventralen Wand sowie mit dem Fundus frei in die Beckenhöhle ( 2.5). Das Perimetrium schlägt vorn in Höhe des Isthmus uteri auf die Harnblase um. Der dorsale Umschlag auf das Rektum liegt tiefer, berührt die Wand des hinteren Scheidengewölbes und bildet den Douglas-Raum (s.o.; 2.7). 2.7 Innere weibliche Genitalorgane Dargestellt ist die Ansicht von links dorsal. Ventral des Uterus (in der Abbildung nicht zu erkennen) schlägt sich das Peritoneum von der Excavatio vesicouterina auf den Uterus herüber und senkt sich anschließend tief nach dorsal in die Excavatio rectouterina. Dadurch entstehen beiderseits die zur Beckenwand ziehenden Ligg. lata in Form einer Bauchfellduplikatur. Auf der Schnittfläche des linken Lig. latum ist das laterale Parametrium mit den Uterinagefäßen und dem Ureter zu erkennen.
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