Wissenswert. Crispr-Pflanzen: Manipuliert und gentechnikfrei zugleich Besuch bei Pflanzenzüchtern in Bonn. von Michael Lange
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1 Hessischer Rundfunk hr-info Redaktion: Dr. Regina Oehler Wissenswert Crispr-Pflanzen: Manipuliert und gentechnikfrei zugleich Besuch bei Pflanzenzüchtern in Bonn von Michael Lange Sprecher: Michael Lange Sendung: , hr-info Copyright Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der Empfänger darf es nur zu privaten Zwecken benutzen. Jede andere Verwendung (z.b. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verteilung oder Zurverfügungstellung in elektronischen Medien, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung des Autors/der Autoren zulässig. Die Verwendung zu Rundfunkzwecken bedarf der Genehmigung des Hessischen Rundfunks. Seite 1 von 7
2 Pflanzenzüchtung läuft seit Jahrtausenden nach dem gleichen Muster ab. Sie beginnt mit der Auswahl der richtigen Pflanzen als Ausgangsmaterial für die Züchtung. Agrarwissenschaftler der Universität Bonn schauen zunächst, was es an natürlichen Varianten gibt. Sie wählen einige aus und kreuzen sie mit anderen Pflanzen der gleichen Art. So nutzen sie ganz klassisch Mutation, Selektion und Kreuzung, um geeignete Nutzpflanzen zu erzeugen. Bisher keine Gentechnologie. O-Ton 1 Said Dadshani 3 So. Bitte schön, nach Ihnen..Hier sind wir im Gewächshaus mit unserem Hydrokulturversuch. Hier die Boxen mit der Nährlösung. Einige Weizenpflanzen sehen recht mitgenommen aus. Das Wasser, in dem sie stehen, ist äußerst salzhaltig, erklärt der Doktorand Said Dadshani. O-Ton 2 Said Dadshani 1 12 Es gibt Pflanzen, die sehr stark auf Salzstress reagieren, ihre Entwicklungsprozesse sind gehemmt. Auf der anderen Seite gibt
3 es auch Pflanzen, die toleranter sind. Sie sind robuster und können mit höheren Salzkonzentrationen besser umgehen. Die Bonner Wissenschaftler wollen herausfinden, welche Gene den Weizen vor zu viel Salz schützen. Welche natürliche genetische Abweichung erhöht die Salztoleranz? Dazu vergleichen sie das Erbmaterial verschiedener Pflanzen und wählen dann aus. Sie suchen nach den passenden genetischen Besonderheiten, Mutationen, erklärt Jens Léon, Professor für Pflanzenzüchtung an der Universität Bonn. O-Ton 3 Leon Diese Mutationen waren in ganz geringen Häufigkeiten schon immer da. Es ist unsere Aufgabe, sie zu finden und in der Population anzureichern, so dass sie dann tonangebend sind. Heute gehören moderne Molekularbiologie und Computer zum Alltag der Pflanzenzüchter. Mit ihrer Hilfe erfahren sie, welche Pflanzen sie miteinander kreuzen müssen, um ein gewünschtes Ziel zu erreichen. Zum Beispiel kreuzen sie eine salztolerante Sorte ohne gute Erträge mit einer ertragreichen, aber salzempfindlichen Sorte. Seite 3 von 7
4 O-Ton 4 Leon 13A 10 So dass wir auch tatsächlich mischen und dass wir dann über Jahrzehnte viele verschiedene Eltern nehmen und günstige Eigenschaften in einer Pflanze, in einer Population kombinieren. Die neuen Pflanzen kombinieren sämtliche Eigenschaften beider Eltern - nach dem Zufallsprinzip. Bis genau die richtigen Merkmale vereinigt sind, müssen die Züchter mehrfach kreuzen und immer wieder auswählen - solange, bis alle unerwünschten Eigenschaften verschwunden sind. Mit Crispr/Cas 9 soll das jetzt alles viel schneller gehen. Damit lassen sich kleinste Änderungen der Erbinformation gezielt vornehmen. Für Jens Léon bietet diese genetische Schere deshalb eine sinnvolle Ergänzung zu den bewährten Methoden der klassischen Pflanzenzüchtung. O-Ton 5 Leon Sie würden also nicht fremdes Material einbringen, sondern Sie würden in das vorhandene Genmaterial Änderungen einbringen. Im Idealfall wäre das so, dass Sie aus anderen Analysen schon wissen, dass dieses Gen schon einmal eine bestimmte Mutation Seite 4 von 7
5 durchgemacht hat - und Sie können genau diese Änderung in ihr Ziel einbringen. Sie würden sich damit, wenn Sie das so machen, die ganze Kreuzungsarbeit ersparen. Die Bonner Pflanzenzüchter wollen demnächst Cripr/Cas als Ergänzung für ihre klassischen Methoden ausprobieren. Damit käme erstmals bei ihnen ein gentechnisches Verfahren zum Einsatz. Dennoch: In einer so veränderten Pflanze befänden sich nach der Züchtung keine Gene, die es nicht auch schon in anderen Weizenpflanzen gegeben hätte. Das Ergebnis entspricht also nicht einer genmanipulierten Pflanze mit artfremden Genen. O-Ton 6 Leon Die Veränderungen sind in so kleinem Maßstabe, wie sie auch in jeder Generation durch eine Mutation stattfinden. Sie müssen ja davon ausgehen, dass in jeder Generation eine gewisse Anzahl von Mutationen sowieso passiert. Und von diesen spontanen Mutationen können Sie das nicht mehr unterscheiden. Durch den Einsatz von Crispr/Cas wird es schwierig, eine klare Grenze zu ziehen - zwischen genmanipuliert und gentechnikfrei. Seite 5 von 7
6 Wenn man allein die fertigen Pflanzen betrachtet, ist es sogar unmöglich. O-Ton 7 Müller-Röber 21 9 Das heißt: Sie haben eine neue Pflanze, die neue Eigenschaften hat, aber Sie können nicht feststellen, wie diese Pflanze ursprünglich mal hergestellt wurde. Bernd Müller-Röber ist Professor für Molekularbiologie an der Universität Potsdam. Gemeinsam mit Kollegen hat er im Auftrag dreier Wissenschaftsakademien eine Stellungnahme zum Thema Crispr/Cas in der Pflanzenzüchtung verfasst. Darin fordern die Forscher zum Umdenken auf. O-Ton 8 Müller-Röber Wir glauben, dass die Bewertung einer Kulturpflanze weniger danach gehen sollte, wie sie hergestellt wurde, wie die Erbinformation verändert wurde, sondern dass eher danach bewertet wird, was am Ende vor uns steht hinsichtlich der gesundheitlichen und ökologischen Bewertung dieser Pflanzen. Seite 6 von 7
7 Nicht auf die Methodik soll es zukünftig ankommen, sondern auf das Produkt der Züchtung, so der Wunsch der Wissenschaftler. Schließlich sei jede Nutzpflanze genetisch verändert, wenn man sie mit den wilden Ursprungspflanzen vergleicht. Seite 7 von 7
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