hr2wissen Psychologische Schlüsselbegriffe 02 Der Schatten die dunkle Seite in uns von Lisa Laurenz Sendung: xy.xy.

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1 1 Hessischer Rundfunk hr2-kultur Redaktion: Volker Bernius hr2wissen Psychologische Schlüsselbegriffe 02 Der Schatten die dunkle Seite in uns von Lisa Laurenz Sendung: xy.xy. 2014, hr2-kultur Regie: Marlene Breuer O-Töne: Cornelia Schrader (Psychotherapeutin), Andrea Köster (Psychologin) < > event. Musikzäsur hr2wi Copyright Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der Empfänger darf es nur zu privaten Zwecken benutzen. Jede andere Verwendung (z.b. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verteilung oder Zurverfügungstellung in elektronischen Medien, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung des Autors/der Autoren zulässig. Die Verwendung zu Rundfunkzwecken bedarf der Genehmigung des Hessischen Rundfunks.

2 2 < > In mir herrschte Kriegszustand. Einmal Du bist großartig!, ein andermal Du bist nichts weiter als eine kleine Lügnerin! Zuerst Alle mögen dich, weil du freundlich und warmherzig bist! und kurz darauf Du bist ein Miststück, das keine Freunde verdient hat! Ich wusste bald überhaupt nicht mehr, wer ich nun wirklich war... Der Drang, meine Scham und dieses Gefühl von Wertlosigkeit zu verstecken, wurde immer stärker. Eine Meisterin im Versteckspiel sei sie schließlich geworden, erzählt Debbie Ford, Mitautorin des Buches The Shadow Effect (auf dt. Der Schatteneffekt). Über Jahre hatte sie ihre ungeliebten Gefühle, Gedanken und Impulse tief in sich vergraben und damit nicht nur vor anderen verborgen, sondern auch vor sich selbst. Für derart verleugnete Wesensanteile hat der Tiefenpsychologe Carl Gustav Jung Anfang des 20. Jahrhunderts den Begriff Schatten geprägt. Unser Schatten sei die Person, die wir nicht sein möchten, sagte Jung. Cornelia Schrader ist Psychotherapeutin: Take 1 (Cornelia Schrader) 0`36 Der Schatten, das ist ein Anteil in unserer Seele, von dem wir normalerweise nicht viel wissen, weil wir in diesen Schattenbereich die Dinge hineinpacken, sag ich jetzt mal, die uns in Konflikte bringen würden, in innere Konflikte und auch in Konflikte mit der Umwelt. D.h. Dinge, die uns in der Kindheit verboten worden sind, und auch Dinge, die wir selber als unliebsam empfinden, die verdrängen wir. Und dieser Bereich, wo das Verdrängte ist oder das Abgespaltene, den nennt man in der Psychologie den Schatten. Es sind die seelischen Wunden aus der Vergangenheit, die nie aufgearbeitet und ins innere Schattenreich abgeschoben wurden. Dort wirken sie trotzdem, wenn auch im Verborgenen. Es braucht viel Energie, um einen Teil der eigenen Wahrheit unter Verschluss zu halten. So können Schattenanteile sich in Ängsten äußern, in Schuld- und Schamgefühlen oder in destruktiven Verhaltensweisen. Die Psychologin Andrea Köster nennt ein Beispiel: Take 2 (Andrea Köster) 0`30 Wenn ich als Kind zu kurz gekommen bin, dann ziehe ich eine Schlussfolgerung und zwar entwickle ich den Glauben, dass meine Bedürfnisse nicht

3 3 so wichtig sind. Es sind ganz oft erwachsene Menschen, die immer wieder traurig auf der Strecke bleiben, die sich zum zehnten Mal hintenan stellen, obwohl sie längst dran wären, in Beziehungen, im Arbeitsleben, was Karriere angeht, aber auch was ganz profane Themen im Alltag angeht, wo es darum geht, für sich einzustehen. Wenn Menschen ihre Wut abspalten, macht sich der Schatten oft in Depressionen oder in psychosomatischen Erkrankungen bemerkbar, so die Erfahrung von Cornelia Schrader: Take 3 (Cornelia Schrader) 0`36 Eine andere Wirkung ist, die ist spannend zu beobachten, manchmal hat unsere Umwelt mit den Schattenanteilen zu tun. Das ist so als würden da Geister herumspuken. Die Anderen haben plötzlich eine Wut, die gar nicht ihre ist, die leben die ungelebten und ungeliebten Anteile ihrer Mitmenschen aus und wissen gar nicht warum. D.h. in Systemen gibt es dann so etwas wie Schattengestalten, die da plötzlich sich bemerkbar machen auf der psychologischen Ebene, weil diese Anteile wirken, die sind ja da, die sind vital und lebendig und die wollen was und irgendjemand tut`s, irgendjemand kriegt es ab und lebt es aus. < > Der Schatten wird sichtbar in dem Mitglied unserer Familie, das wir am meisten verurteilen, in dem hohen Amtsträger, dessen Verhalten wir verdammen oder in dem Prominenten, über den wir angewidert den Kopf schütteln...unser Schatten besteht aus all dem, was uns an anderen und sogar an uns selbst stört, entsetzt oder abstößt. In Wahrheit seien die Schatten wie verborgene Schätze, die darauf warten, erlöst zu werden, schreibt Debbie Ford. Doch wie den Schatten erlösen? Menschen scheuen sich normalerweise davor, sich mit ihrem Schatten auseinander zu setzen. Man möchte doch ein guter Mensch sein! Es mag helfen zu verstehen, dass die meisten Schatteninhalte ursprünglich nicht schlecht waren, sondern lediglich von anderen oder einem selbst als schlecht bewertet wurden. Im Kontakt mit anderen, mit Freunden, Kollegen oder dem Partner, bekomme man oft einen guten Zugang zum eigenen Schatten, erklärt Cornelia Schrader:

4 4 Take 4 (Cornelia Schrader) 0`26 Man wird ja gespiegelt und man wird oft eben auch im Schattenanteil gespiegelt und wenn man gesund und stark genug ist, sich damit auseinander zu setzen, dann denke ich, dass man manches davon erlösen kann. Wichtig ist dazu eine liebevolle Partnerschaft. Das ist ein Kompliment an eine Partnerschaft, wenn diese ungeliebten Anteile Platz kriegen. Das ist ein Kompliment an die Liebe des Partners in Wirklichkeit und an das sich aufgehoben fühlen und angenommen sein. In ihrer Arbeit spricht die Psychotherapeutin die ungeliebten und verdrängten Anteile immer erst dann an, wenn sie merkt, dass der Klient oder die Klientin Vertrauen zu ihr gefunden hat: Take 5 (Cornelia Schrader) 0`23 Ich konfrontiere sie oft darüber, dass ich herausfinde, wie die Eltern mit ihnen umgegangen sind, weil da finden sich oft die Wurzeln der Schattenanteile. Und wenn ich dann erzählen kann, und ihre Eltern sind so und so mit ihnen umgegangen und Sie setzen das für sich eigentlich immer noch fort, das ist immer ein ganz guter Umweg, die Menschen zu konfrontieren damit. Wenn die Eltern uneinfühlsam und streng waren, kann das dazu führen, dass man sich selbst später vieles versagt, was man eigentlich gerne tun möchte. Und wer sich selbst viel verbietet, neigt dazu, es auch anderen nicht zu gönnen. Neid ist zum Beispiel eine Auswirkung des Schattens. Den Neid einfach loszulassen sei aber oft nicht möglich, so Andrea Köster: Take 6 (Andrea Köster) 0`31 Da ist vielleicht immer noch eine Stimme: aber ich brauch das und die anderen haben all das was ich nicht habe, das ist ungerecht. D.h. ich muss doch eigentlich den Teil von mir anschauen, der der Ansicht ist, dass er zu kurz gekommen ist. Ich würde tatsächlich auch mit diesem Teil in den Dialog gehen. Also dieser Teil von mir, der neidisch ist, was möchte der denn eigentlich? Will der mir das Leben einfach nur schwer machen, gönnt der den anderen nichts oder was ist eigentlich los? Einfach das Bedürfnis dahinter erkennen. Mit dem ungeliebten Teil in sich in einen liebevollen und annehmenden Kontakt zu kommen, darum geht es: Take 7 (Andrea Köster) 0`27 Einfach zu schauen, da ist so ein Teil, ein kleines Kind, das bedürftig ist, ein Teil, der nicht mit erwachsen geworden ist und diesem Teil ehrlich zu begeg-

5 5 nen und zu sagen: komm, auch du bist ein Teil von mir, du bist jetzt nicht mehr das lästige Stiefkind, was ich jetzt weg haben will, du darfst bei mir sein, du bekommst deinen Platz in mir. Was brauchst du? Mehr Zuwendung, mehr Sicherheit vielleicht? Wenn ein Schattenanteil erlöst ist, haben Menschen erfahrungsgemäß mehr Energie. Sie sind liebevoller mit sich und mit anderen. < >