Verwalter-Seminar 2017 Mietrecht

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1 Verwalter-Seminar 2017 Mietrecht Abnahme der Mietsache Rechtsanwalt Rüdiger Fritsch Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht 1 Pingeliger Vermieter Vermieter V richtet kurz vor der Übergabe der von Mieter M gekündigten Wohnung folgendes Schreiben an M: 2 Da wirst Du starr Mieter M bezieht eine renovierungsbedürftige Wohnung. Der Mietvertrag sieht folgendes vor: Der Mieter führt die erforderlichen Schönheitsreparaturen durch bzw. lässt diese auf eigene Kosten ausführen. Die Schönheitsreparaturen sind je nach Erfordernis, abhängig vom tatsächlichen Abnutzungszustand auszuführen, wobei als Anhaltspunkt eine abnutzungsbedingte Notwendigkeit der Durchführung von Schönheitsreparaturen in der Regel nach (3-5-7) Jahren zu prüfen ist. 3 1

2 BGH, Urt. v VIII ZR 185/14, ZMR 2015, 685 BGH, Urt. v VIII ZR 242/13, ZMR 2015, 690 Unwirksam ist eine Formularklausel, die dem Mieter einer unrenoviert übergebenen Wohnung die Schönheitsreparaturen ohne angemessenen Ausgleich auferlegt ( 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB). Denn eine solche Klausel verpflichtet den Mieter zur Beseitigung sämtlicher Gebrauchsspuren des Vormieters und führt jedenfalls bei kundenfeindlichster Auslegung dazu, dass der Mieter die Wohnung vorzeitig renovieren oder gegebenenfalls in einem besseren Zustand zurückgeben müsste als er sie selbst vom Vermieter erhalten hat. 4 BGH, Urt. v VIII ZR 185/14, ZMR 2015, 685 BGH, Urt. v VIII ZR 242/13, ZMR 2015, 690 Im vorliegenden Fall entschied der BGH, dass in Anbetracht des Umstands, dass in drei Zimmern der vermieteten Wohnung noch Streicharbeiten notwendig waren, ein bei Mietbeginn gewährter Nachlass von ½ Monatsmiete keinen angemessenen Ausgleich darstellte. 5 BGH, Urt. v VIII ZR 185/14, ZMR 2015, 685 BGH, Urt. v VIII ZR 242/13, ZMR 2015, 690 Ob sich die Wohnung bei Beginn des Mietverhältnisses in einem renovierten oder unrenovierten Zustand befindet, muss im Streitfall tatrichterlich geklärt werden. Ob eine Wohnung als renoviert oder unrenoviert anzusehen ist, hängt u.a. davon ab, ob etwa noch vorhandene Gebrauchspuren des Vor-Nutzers so unerheblich sind, dass die Wohnung bei Übergabe den Eindruck einer soeben renovierten Wohnung hinterlässt. 6 2

3 BGH, Urt. v VIII ZR 242/13, ZMR 2015, 690 BGH, Beschl. v VIII ZR 352/12, ZMR 2014, 196 Sog. Quotenabgeltungsklauseln sind als Formularklauseln im Mietvertrag unwirksam. Auf der Grundlage des tatsächlichen Zustands der Wohnung bei Beendigung des Mietverhältnisses lässt sich eine realistische Feststellung dazu, welcher hypothetischen Nutzungsdauer bei normaler Nutzung der bei Beendigung des Mietverhältnisses bestehende Abnutzungsgrad der einzelnen Wohnräume entspricht, nicht treffen. Darüber hinaus ist eine empirische Prognose über den (hypothetischen) Zeitpunkt des voraussichtlich eintretenden Renovierungsbedarf bei unterstellter Fortdauer des tatsächlichen Nutzungsverhaltens des Mieters zuverlässig nicht möglich und kommt einer Fiktion gleich. 7 Ebola-Rechtsprechung Mieter M bezieht eine neu renovierte Wohnung. Der Mietvertrag regelt (wirksam) die Durchführung der laufenden Schönheitsreparaturen durch M. Leider ist an anderer Stelle im Mietvertrag (Rückgabe der Mietsache) eine Quotenabgeltungsklausel vorgesehen. M hält diese für unwirksam; V erklärt, dass sei schon in Ordnung die laufenden Schönheitsreparaturen müsse M aber schon vornehmen. 8 BGH, Urt. v VIII ZR 21/13, ZMR 2015, 689 Die Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen ist, soweit sie dem Mieter im Mietvertrag auferlegt ist, eine einheitliche, nicht in Einzelmaßnahmen aufspaltbare Rechtspflicht mit der Folge, dass die Unwirksamkeit der einen Einzelaspekt dieser einheitlichen Rechtspflicht betreffenden Formularbestimmung in der gebotenen Gesamtschau der Regelung zur Unwirksamkeit der gesamten Vornahmeklausel führt. Dies gilt auch, wenn die inhaltliche Ausgestaltung der einheitlichen Rechtspflicht in verschiedenen, sprachlich voneinander unabhängigen Klauseln des Mietvertrags geregelt ist. 9 3

4 Gutgläubiger Mieter Mieter M führt zum Ende des Mietverhältnisses per Schönheitsreparaturen durch, ohne hierzu (unwirksame Klausel im Formular- Mietvertrag!) verpflichtet zu sein. Im September 2016 verklagt M den Vermieter V auf Ersatz seiner Aufwendungen für die ausgeführten Arbeiten. 10 BGH, Urt. v VIII ZR 195/10, NZM 2011, 452 Der gutgläubig im Falle der Unwirksamkeit einer Schönheitsreparaturklausel renovierende Mieter erwirbt einen Wertersatzanspruch in Höhe der angemessenen Kosten gegen den Vermieter. Kannte der Vermieter die Unwirksamkeit der Klausel bzw. musste er sie kennen, so kommt auch ein Schadensersatzanspruch in Frage. Aus der Pflicht zur gegenseitigen Vertragstreue folgt die Pflicht des Vermieters zum Hinweis auf unwirksame Renovierungsklauseln. 11 BGH, Urt. v VIII 351/08, NZM 2010, 237 Lässt der Vermieter eine Frage des Mieters zur Ausführung der Schönheitsreparaturen unbeantwortet, kann der Mieter auf Feststellung der Unwirksamkeit der Klausel klagen. 12 4

5 BGH, Urt. v VIII ZR 12/12, NZM 2012, 557 Der Erstattungsanspruch des gutgläubig Schönheitsreparaturen ausführenden Mieters, der hierzu aufgrund Unwirksamkeit der entsprechenden mietvertraglichen Klauseln nicht verpflichtet war, verjährt gem. 548 Abs. 2 BGB binnen einer Frist von 6 Monaten ab Beendigung des Mietverhältnisses ebenso wie der Anspruch auf Rückzahlung einer geleisteten Abstandszahlung. 13 Bockiger Mieter Mieter M führt mit Vermieter V die Übergabe der gekündigten Wohnung durch. Als V dem M ein Abnahmeprotokoll unter die Nase hält, weigert sich M, dieses zu unterschreiben. V meint daraufhin: Wenn Sie das Protokoll nicht unterschreiben, nehme ich die Wohnung nicht ab. Sie zahlen dann eben die Miete weiter. 14 Blank/Börstinghaus, Miete, 4. Aufl. 2014, 538 Rn. 7 Es besteht nach allg. Meinung keine Pflicht des Mieters, ein Rückgabeprotokoll zu unterzeichnen. Die Abnahme erfolgt bei der Rückgabe des Mietgegenstandes an den Vermieter in Folge der Pflicht aus 546 BGB. Der Mieter gibt den Besitz auf und vermittelt ihn an den Vermieter zurück. Die Rückgabe bedeutet, dass der Mieter die eingebrachten Sachen entfernen, Einrichtungen beseitigen, Schäden beheben und Umbauten rückgängig machen muss; außerdem hat er die Mietsache ggf. zu reinigen. 15 5

6 Genervter Vermieter Mieter M führt mit Vermieter V die Übergabe der gekündigten Wohnung durch. Als V sieht, dass die Wohnung noch nicht abschließend geräumt ist, lehnt er eine Übernahme der Wohnung ab Rückgabepflicht des Mieters (1) Der Mieter ist verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben. Entscheidend für die Frage, ob der Vermieter die Rücknahme verweigern kann, ist, ob in dem Zustand der Liegenschaft ein Verstoß gegen die Rückgabepflichten und eine Weiternutzung durch den Mieter zu sehen ist. Das ist nur dann der Fall, wenn in nennenswertem Umfang Gegenstände oder Einrichtungen des Mieters in der Mietsache verbleiben. 17 Genervter Vermieter II Mieter M führt mit Vermieter V die Übergabe der gekündigten Wohnung durch. Als V den desolaten Zustand der Wohnung sieht, notiert die Zählerstände, nimmt die Schlüssel entgegen und verschwindet. 18 6

7 KG, Urt. v U 371/01 Ebenso wie der Mieter bei der Überlassung der Mietsache muss der Vermieter bei deren Rückgabe Feststellungen treffen, in welchem Zustand er die Sache zurückerhalten hat, und muss sich hinsichtlich feststellbarer Mängel die Ansprüche vorbehalten. Anderenfalls ist es ihm versagt, sich später auf Mängel zu berufen, die er hätte wahrnehmen können, und zwar unabhängig davon, ob über den Zustand der Mietsache ein Abnahmeprotokoll gefertigt wurde oder nicht. 19 Genervter Vermieter III Mieter M führt mit Vermieter V die Übergabe der gekündigten Wohnung durch. V fertigt ein Übergabeprotokoll an, welches V und M unterschreiben. Der Zustand wird als ohne Beanstandungen festgehalten. Später entdeckt V noch Verschmutzungen, die er wegen der schlechten Lichtverhältnisse nicht wahrgenommen hatte. 20 OLG Hamm, Urt. v U 166/11, IMR 2013, 1136 Es ist anerkannt, dass bei Bescheinigung des Vermieters im Abnahmeprotokoll bezüglich der Mangelfreiheit der Mietsache es dem Vermieter versagt ist, sich später auf bestehende Mängel, die dieser hätte wahrnehmen können, zu berufen. 21 7

8 BGH, Urt. v VIII ZR 252/81, NJW 1983, 446 Das Protokoll entfaltet eine Ausschlusswirkung auch für solche Mängel, die nur einem Fachmann erkennbar sind, da Sinn und Zweck eines solchen Protokolls nicht nur die Verteilung der Beweislast, sondern auch die Vermeidung weiteren Streites über das Vorhandensein von Schäden am Mietobjekt ist. Eine Ausschlusswirkung tritt nicht ein, sofern die Mängel nicht erkennbar sind bzw. der Mieter den Vermieter über das Vorhandensein von Mängeln täuscht. 22 Schlaukopf Mieter M bezieht eine renovierungsbedürftige Wohnung. Der Mietvertrag sieht folgendes vor: Die Kosten der erforderlichen Schönheitsreparaturen trägt der Mieter. Die Schönheitsreparaturen sind nach dem folgenden Fristenplan auszuführen ( Jahre). Später heißt es Wohnungsübergabeprotokoll: Der Mieter verpflichtet sich dem Vermieter gegenüber, die Wohnung in renoviertem Zustand wieder zu übergeben. 23 BGH, Urt. v VIII ZR 71/08, ZMR 2009, 358 Eine Unwirksamkeit der im Übergabeprotokoll enthaltenen Regelung ergibt sich weder aus der Unwirksamkeit der Formularklausel im Mietvertrag, noch aus einer Inhaltskontrolle gem. 307 BGB, sofern es sich dabei um eine Individualklausel handelt. Daher wird die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses im Rahmen einer Beweisaufnahme klären kann, ob tatsächlich ein ergebnisoffenes Verhandeln stattfand. 24 8

9 Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung v BGBl Teil I Nr. 58, S ff., in Kraft seit dem Neuregelung des Widerrufsrechts bei Verbraucherverträgen (Unternehmer / Verbraucher) Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen - 312b, 312g BGB, Art. 246a, 246b EGBGB 25 Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sind solche zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossenen Verträge, die eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben und die an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist. 26 Dann ist ja alles klar! 27 9