ARMUT ALS INDIVIDUELLE LEBENSLAGE
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- Theresa Schulze
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1 ARMUT ALS INDIVIDUELLE LEBENSLAGE WAS HAT DAS MIT DEM SOZIALRAUM ZU TUN? Gerda Holz, ISS-Frankfurt a.m. Schwerpunkte Armut Definition und Messung Sozialraum Verständnis und Begrifflichkeit Kinder Aufwachsen unter Armutsbedingungen Kindbezogene Armutsprävention Ansatzpunkte zum Sozialraum 1
2 Armut Definition und Messung Wie wird Armut definiert / gemessen? Relative Armut definiert Armut immer im Vergleich zur jeweiligen Umwelt eines Menschen EU-Armutsdefinition: Als arm gelten Einzelpersonen, Familien und Personengruppen die über so geringe (materielle, kulturelle und soziale) Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedsstaat, in dem sie leben, als Minimum annehmbar ist. Lebenslagenansatz: Gesamtheit der äußeren Bedingungen, die das Leben und die Handlungsspielräume des Einzelnen prägen Ressourcenansatz: Einkommen zur Bestimmung von Armut (EU-Definition oder SGB-II-Bezug) Lebenslagendimensionen Materielle Lage (Kleidung, Wohnen, Nahrung, Partizipation u.a.) Soziale Lage (soziale Kompetenz, soziale Kontakte u.a.) Gesundheitliche Lage (physisch und psychisch) Kulturelle Lage (kog. Entwicklung, Sprache, Bildung, u.a.) 2
3 Was ist Kinderarmut? Haushalt ist arm Eltern/ Erwachsene materiell kulturell sozial Kind Lebenslagedimensionen Materiell (Kleidung, Wohnen, Nahrung, Partizipation u.a.) Sozial (soziale Kompetenz, soziale Kontakte u.a.) Gesundheitlich (physisch und psychisch) Was kommt beim Kind an? Kulturell (kognitive Entwicklung, Sprache, Bildung, kult. Kompetenzen u.a.) Lebenslagetyp Kind Wohlergehen Benachteiligung Multiple Deprivation Quelle: Hock/Holz/Wüstendörfer 2000 Sozialraum Verständnis und Begrifflichkeiten 3
4 Zur Begriffsklärung: Sozialraum Das Soziale beschreibt die Wechselwirkung zwischen der sozialen Situation seiner Bewohner und der räumlichen Beschaffenheit: Einerseits prägt das Soziale den Raum, andererseits prägt auch der Raum das Soziale. (Urban/Weiser 2006) Der Raum Zur Begriffsklärung: Sozialraum Stadtteil/Stadtviertel Sozialraum Sozialräumliches Zentrum: Wohnung Sozialer Nahraum: Wohnquartier Sozialräumliche Peripherie: unregelmäßig genutzte Räume bezeichnen amtlich statistische Bezirke (Wahlbezirk, Schulbezirk, etc.), das sind administrative Raumabgren-zungen nach vorwiegend statistischen und geografischen Indikatoren. gesellschaftliche Räume, die von baulich-materiellen Strukturen, gesellschaftlichen Handlungsstrukturen und Interaktionsprozessen beeinflusst und geprägt werden. 4
5 Sozialraum wird geprägt durch Welche kulturellen Angebote gibt es? Was gibt es im Stadtteil? Was kann man da machen? Wie ist die Versorgungsstruktur? Sozialraum Welche Menschen leben dort? Welche Einkaufsmöglichkeiten gibt es? Kinder Aufwachsen unter Armutsbedingungen? Umfang und Verteilung 5
6 Armut ist ungleich verteilt! Ost-West-Gefälle & Nord-Süd-Gefälle & Stadt-Land-Gefälle In NRW ist das Ruhrgebiet besonders von Armut betroffen Armut ist ungleich verteilt! Beispiel Mülheim a.d.r. SGB-II-Quote der unter 6-Jährigen in den Statistischen Bezirken und den Kitas
7 Kinder Aufwachsen unter Armutsbedingungen? Das Kindergesicht der Armut Entwicklungsaufgaben von Kindern und Jugendlichen 0-3 Jahre Bindung Autonomie 3-6 Jahre Sprache Bewegung Achtsamkeit 6 12 Jahre Aneignen Gestalten Beziehungen eingehen Jahre Körper spüren Grenzen suchen Identität finden Jahre Sich entscheiden Intimität leben Verantwortung übernehmen Entwicklungsschritte benötigen Rahmenbedingungen, Zeit und stetiges (Ein)Üben. 7
8 Empirisch belegte Folgen: Arme Kinder erleben mehr Mangel und Verzicht wachsen sozial isolierter auf erleben häufiger multiple Belastungen: auch in der Familie durchlaufen häufiger problematische Bildungsbiografien nehmen seltener non-formale und informelle Angebote in Anspruch verfügen tendenziell über einen schlechteren Gesundheitszustand entwickeln tendenziell ein riskanteres Gesundheitsverhalten Quelle: Laubstein/Holz/Seddig 2016.: Armutsfolgen für Kinder und Jugendliche. Erkenntnisse aus empirischen Studien in Deutschland.Gütersloh Die Armutsspirale der Prozess sozialer Exklusion des Einzelnen gesteigertes Stressempfinden Ohnmachtsgefühl weniger Sozialkontakte Hilfen werden nicht (mehr) wahrgenommen wenig Kapital Gesundheitliche Beeinträchtigungen Rückzug Soziale Herkunft Misserfolg in der Schule wenig Erfolgserlebnisse negative Selbstwahrnehmung weniger Selbstwirksamkeitserfahrungen keinen Ausbildungsplatz Armut Johannes Schütte/ISA 2017 mit Anpassung ISS. Stress 8
9 Die Armutsspirale der Prozess sozialer Exklusion des Einzelnen gesteigertes Stressempfinden Ohnmachtsgefühl weniger Sozialkontakte Hilfen werden nicht (mehr) wahrgenommen Rückzug Soziale Herkunft wenig Kapital Frühestmögliche Prävention Gesundheitliche Beeinträchtigungen Misserfolg in der Schule wenig Erfolgserlebnisse negative Selbstwahrnehmung weniger Selbstwirksamkeitserfahrungen keinen Ausbildungsplatz Armut Johannes Schütte/ISA 2017 mit Anpassung ISS. Stress Kindbezogene Armutsprävention Ansatzpunkte zum Sozialraum Individuelle Förderung Strukturelle Armutsprävention 9
10 Armutsprävention und frühe Förderung Die zwei entscheidenden Ebenen 1. Fokus = Individuelle Förderung und Stärkung/Resilienz Gestaltung/Veränderung von Verhalten/Handeln durch Angebote/Maßnahme über öffentliche Infrastruktur, individuelle Zeit und Kompetenz 2. Fokus = Strukturelle Armutsprävention Armutsprävention vom Kind aus denken Ansatzpunkte für die pädagogischen Fachkräfte im Einrichtungen Im Kita-/Schulumfeld/Quartier/ Stadtteil In der Kita/Schule insgesamt Im Team/Kollegium Im und außerhalb des Unterrichts Mit Mutter / Vater Mit dem Kind Entwicklungsmöglichkeiten schaffen, Förderung und Teilhabe sichern, Beteiligung ermöglichen, Hilfe geben 10
11 Resilienzförderung in der Praxis Der Blick in die Praxis zeigt, dass es bereits dort eine große Anzahl von (Präventions)Konzepten gibt, z.b. Kinderwelten Vorurteilsbewusste Erziehung Marte Meo, Papilio, Rucksack, TAFF, Fun, und, und, und Was wird gebraucht? Eine flächendeckende Umsetzung grundlegender Ansätze als Regelpraxis Ungleiche Vorhaltung je nach Sozialraum Mehr Qualifizierung im Handeln aller (Fach)Akteure, die mit Kindern, Jugendlichen, Eltern zu tun haben sozialräumlich orientiert Armutsprävention und frühe Förderung Die zwei entscheidenden Ebenen 1. Fokus = Individuelle Förderung und Stärkung/Resilienz 2. Fokus = Strukturelle Armutsprävention Gestaltung/Veränderung von Verhältnissen, z.b. durch armutsfeste Grundsicherung, kostenfreie Angebote sowie umfassende und qualifizierte öffentliche Infrastruktur 11
12 Strukturelle Armutsprävention vom Kind aus denken Mehrebenen beachten und Verantwortungen benennen Bund Land Kommune Sozialraum Soziale Mischung, Infrastruktur und Engagement Einrichtung / Schule Mutter / Vater Kind Quelle: Eigene Darstellung. Entwicklungsmöglichkeiten schaffen, Förderung und Teilhabe sichern, Beteiligung ermöglichen, Hilfe geben Armutspräventives Handeln von Kommunen Hohe Priorität in der Kommune Umsetzung von sozialer Teilhabe, sozialer Gerechtigkeit und Aufwachsen im Wohlleben / Wohlergehen Politische Beschlüsse in kommunalen Gremien / Kreisgremien Aufträge an die Verwaltung Sozialräumliche Planung, Monitoring Entwicklung eines kommunalen Gesamtkonzeptes Präventionskette Aufbau eines funktionierenden Netzwerkes gegen Kinderarmut Ausbau und Förderung kommunaler Infrastruktur für (armutsbetroffene) Kinder, Jugendliche und Familien sozialraumbezogen Konkrete Maßnahmen wie Bedarfsgerechtes Angebot und gleiche Nutzung durch alle Kostenfreier Zugang zu kommunalen Einrichtungen Ungleiche Förderung von Angeboten und Einrichtungen Qualitätsentwicklung Dialogische Weiterentwicklung der Hilfestrukturen Neuorientierung der Kinder- und Jugendhilfe von Reaktion zur Aktion, Präventionskette Verknüpfung SGB II und SGB VIII (Langzeitarbeitslose Familien) Beteiligungs- und ressourcenorientiert im Sozialraum 12
13 Ein Fazit Wichtiger Teil der individuellen Lebenslage des Kindes ist das soziale Umfeld, also der Lebensraum Armut ist sozialräumlich und institutionell ungleich verteilt Armut wirkt komplex und hat viele Folgen für den jungen Menschen Ein wichtiger Ansatzpunkt und damit auch Ort von Armutsprävention individuell wie strukturell ist der Sozialraum Eine Herausforderung liegt darin, wie die Akteure vor Ort dazu handeln, entscheiden und gestalten Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V. Zeilweg Frankfurt am Main Frankfurt am Main Tel.: Fax: Gerda Holz Tel.:
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