Zweikanaliger Mikrofonvorverstärker New Old Sound MOne

Transkript

1 Fritz Fey Fotos: Dieter Kahlen Zweikanaliger Mikrofonvorverstärker New Old Sound MOne Neben dem Mikrofon ist der Mikrofonvorverstärker die entscheidende Basis für einen authentischen und/oder begeisternden Klang. In den meisten Fällen muss man der Realität etwas auf die Sprünge helfen, wenn abgesehen vom reinen Hörerlebnis alle anderen Sinneswahrnehmungen fehlen. Dazu braucht man neben soliden technischen Daten auch eine Schaltung, die Stimmen und Instrumente größer als in Wirklichkeit, zumindest aber sehr attraktiv erscheinen lässt. Es gibt viele Mikrofonvorverstärker, die ihre Aufgabe ordentlich erfüllen, doch ist man als Tonmeister in diesem Fall gefordert, bei der Nachbearbeitung das Sahnehäubchen nachträglich zu erzeugen, das vielleicht noch gefehlt hat. Konsequenterweise gilt aber auch hier die Regel, dass man nichts herbeizaubern kann, was man nicht vorher schon aufgenommen hat. Trotz eines gigantischen Marktangebotes wird man nur wenige Mikrofonvorverstärker finden, die wirklich alles mitnehmen, was das Original ursprünglich beinhaltete, vorausgesetzt das verwendete Mikrofon ist dazu genauso in der Lage. In den vielen Hörsitzungen mit Mikrofonvorverstärkern habe ich erfahren, dass auch ein Monosignal eine Distanzwahrnehmung beinhalten kann. Die wirklich besten Kandidaten, die ich in den vielen Jahren gehört habe, schaffen eine Nähe und Feindynamik, die andere Entwicklungen ziemlich als aussehen lassen. Nähe und Detailreichtum lassen sich in der Nachbearbeitung zwar noch etwas unterstützen, jedoch geht nichts über einen PreAmp, der die Schönheit eines Originals frei Haus liefert und vielleicht sogar noch zu unterstreichen weiß. Die Unterschiede mögen auf den ersten Blick marginal ausfallen, doch Sie wissen sicher, was ich meine.

2 testbericht Die in Tel Aviv ansässige Firma New Old Sound Ltd. hat sich auf die Fahne geschrieben, die Qualität historischer Schaltungen mit modernen und größtenteils auch audiophilen Mitteln zu realisieren. Die Entstehungsgeschichte um den Gründer und Inhaber Evgeny Klukin ist unterdessen recht kurios, denn eigentlich war er über viele Jahre der leitende Ingenieur für Hardware-Entwicklungen beim Software- Spezialisten Waves, der sich 2008 entschloss, die Abteilung aufzulösen. Parallel dazu hatte sich Evgeny sich schon längere Zeit mit der Restauration und Modifizierung von Geräteklassikern beschäftigt und spezielle Geräteentwicklungen auf Kundenwunsch in die Tat umgesetzt. New Old Sound arbeitete in den letzten Jahren weiterhin als Lieferant der noch immer gefragten Waves- Hardware, wie zum Beispiel den MaxxB- CL Kompressor, den Evgeny für Waves entwickelt hatte, ebenso wie den Löwenanteil der gesamten Waves-Hardware, so etwa auch den L2 Loudness Maximizer, so dass eigene Entwicklungen zunächst nur schleppend vorangingen, da Waves den Großteil der Fertigungskapazitäten in Anspruch nahm. Inzwischen nahm der Wunsch, professionelle Audiotechnik als Seriengeräte zu entwickeln und zu fertigen, deutliche Formen an. Evgeny Klukin ist gebürtiger Russe und studierte Elektrotechnik an der Universität in Tomsk, Sibirien, bevor er aus familiären Gründen nach Israel übersiedelte, um dort als Entwicklungsingenieur für Waves tätig zu werden und die Hardware-Abteilung aufzubauen. Das erste Ergebnis selbständiger Entwicklungsarbeit ist der zweikanalige MOne Mikrofonvorverstärker, der nach einigen Vorversionen nun in der endgültigen Fassung vorliegt. Nach eher enttäuschenden oder auch zu kostspieligen Versuchen mit hochwertigen Übertragern aus dem Regal, entschloss sich Evgeny, eigene Übertrager zu entwickeln, was wirklich eine Wissenschaft für sich ist etwa hinsichtlich der Auswahl von Materialien oder der Art der Wicklung. Es gibt viele Ansätze, die Schaltung eines Mikrofonvorverstärkers auszulegen. Viele Tonmeister bevorzugen alte Entwicklungen, die auf der technischen Seite vielleicht nicht das Optimum darstellen, jedoch sehr schön klingen. Andere schätzen den authentischen, eher nüchternen Klang einer Entwicklung mit außergewöhnlich guten technischen Daten. Beides in einem Gerät zu integrieren, war die selbst gestellte Aufgabe. Überblick Das komplette Class A Design des zweikanaligen MOne ist diskret, ohne jeglichen Einsatz von ICs, mit diskreten FETs eigener Entwicklung und handselektierten Transistoren. Etwa 30 Prozent der eingekauften Ware landen bei diesem Auswahlprozess in der Mülltonne. Dazu gesellen sich die Übertrager eigener Entwicklung. Beide Kanäle sind vollständig abgeglichen und absolut identisch. Kein Produkt verlässt das Haus, was nicht den strengen Prüfdurchgang über Audio Precision Messsysteme mit engen Toleranzbereichen besteht. Das sehr robust gebaute Gehäuse ist als Tischgerät oder mit zum Lieferumfang gehörenden 19-Zoll-Ohren ausgeführt. Jeder Kanal verfügt über einen Drehschalter mit zwölf Positionen Studio Magazin 1/12

3 Studio Microphone Know Your Classics. U 87 The Reference Available as studio set incl. U 87 Ai and elastic suspension Georg Neumann GmbH Ollenhauerstraße Berlin Germany

4 testbericht Diagramm 1: Pegel- und Phasenfrequenzgang, Verstärkung +40 db Diagramm 2: FFT-Rauschspektrum am Ausgang bei Maximalverstärkung Diagramm 3: Wirkungsweise des passiven Hochpassfilters; blau: HPF abgeschaltet Messtechnik Diagramm 4: Unsymmetriedämpfung eines Eingangs bei 40 db Verstärkung für die Verstärkungseinstellung (nach Herstellerangabe 12 bis 70 db) und einen zusätzlichen Ausgangspegelregler. Über kleine Kippschalter können eine 20 db Dämpfung, Phasenumkehr, Phantomspeisung und das Hochpassoder Trittschallfilter wahlweise bei 40 oder 80 Hz aktiviert werden. Frontseitig ist auch die Klinkenbuchse für den Instrumenteneingang angebracht, der bei Steckverbindung automatisch aktiviert wird. Unser Testgerät war ein Vorserienmodell mit zur endgültigen Version identischen elektrischen Eigenschaften, doch wurde die Serie um vier LED-Anzeigen erweitert, die Pegelanwesenheit beziehungsweise Übersteuerung signalisieren, und zurückmelden, ob gerade der Mikrofon- oder Instrumenteneingang läuft. Auf der Rückseite befinden sich die XLR-Ein- und Ausgänge beider Kanäle. Der NOS-Vorverstärker hinterließ bei unseren messtechnischen Untersuchungen einen rundum blendenden Eindruck und leistete sich keinerlei Schwächen. Der Ausgangsregler befand sich während unserer Messungen in seiner Maximalstellung. Die Maximalverstärkung lag bei +66,8 db; am Linksanschlag des Gain- Reglers verstärkte das Gerät noch um +17,0 db (ohne Pad). Der Maximalpegel des Ausgangs vor Erreichen der 1-Prozent-Klirrgrenze lag bei +26,0 dbu. Das Diagramm 1 zeigt den Pegel- und Phasenfrequenzgang bei +40 db Verstärkung; besonders im Tiefenbereich fällt der nahezu lineare Phasenverlauf auf. Das Eigenrauschen der Vorstufe mit Maximalverstärkung lag bei -59,9 dbu RMS effektiv unbewertet (22 Hz bis 22 khz), womit das Gerät einen sehr guten Wert für das äquivalente Eingangsrauschen (EIN) von -126,7 db erreicht. Die Quasipeak-Messung mit CCIR-Filter ergab -48,8 dbu und lieferte damit ebenfalls ein ausgezeichnetes Ergebnis. Bei einer auf +50 db reduzierten Verstärkung verschlechterte sich der EIN-Wert nur marginal auf -126,3 dbu, und selbst bei +40 db Gain lag er noch bei -126,0 db. Besonders das letztgenannte Ergebnis, bei einer praxisnahen Verstärkung ermittelt, ist im Vergleich zu anderen Vorstufen exzellent. Entsprechend perfekt sieht auch das bei Maximalverstärkung gemessene FFT-Rauschspektrum in Diagramm 2 aus. Das in Diagramm 3 gezeigte zweistufige Hochpassfilter verursacht, vermutlich aufgrund seiner passiven Bauweise, beim Aktivieren einen Pegelverlust von 6 db. Die in Diagramm 4 abgebildete Unsymmetriedämpfung des Eingangs ist mit etwa -64 db selbst bei 15 khz ausreichend hoch; unterhalb von 500 Hz erreicht sie Werte besser als -90 db Studio Magazin 1/12

5 MYcards Social networking for audio COBRANET ETHERSOUND AES/EBU TASCAM ADAT DANTE OPTOCORE ROCKNET MADI SDI Auch in der heutigen Zeit, wo verschiedenste Audioformate zum Einsatz kommen, ist es egal welche Sprache Ihr Audionetzwerk versteht, denn: Yamaha MY Cards sprechen auch diese Sprache. Kompatibel mit Yamaha Mischpulten, DME-Prozessoren und Endstufen, MY- Erweiterungskarten stellen sicher, mit jedem anderen Netzwerk-Audioprodukt zu kommunizieren. Von CobraNet, EtherSound über MADI und Dante, Ihr YAMAHA-Equipment ist immer in der Lage Verbindung aufzunehmen und nahtlos mit anderen Geräten Daten auszutauschen unabhängig welches Format eingesetzt wird. Um das gesamte Angebot der verfügbaren MY-Cards von Yamaha und von Drittherstellern kennenzulernen, besuchen Sie unsere Website. CONNECT WITH EXPERIENCE YAMAHACOMMERCIALAUDIO.COM

6 testbericht Wie üblich verglich ich meinen Testkandidaten mit unserem Bezugsmikrofonverstärker von adt-audio (Integrator-Serie), der sich auf einem sehr hohen Qualitätsniveau bewegt. Angeschlossen war das Microtech Gefell U75 als Mikrofon. Die noch aus unserem umfangreichen Kabeltest stammende Umschaltbox leistet bei diesen Gelegenheiten stets hervorragende Dienste. Als Testsignal diente wie ebenfalls üblich die menschliche Sprache, die aufgrund ihrer Komplexität sehr zuverlässige Rückschlüsse auf die Abbildungsqualität von Mikrofonvorverstärkern ermöglicht. Bei normalen Pegelverhältnissen lieferte der MOne ein erschütternd neutrales, fast nüchternes Signal mit extremer Authentizität und hoher Abbildungspräzision. Das gesamte Spektrum wird homogen erfasst mit einer Durchzeichnung bis ins kleinste Detail bei gleichzeitig außerordentlich schneller Transientenabbildung. Man könnte sagen, dass das übertragene Signal exakt dem Original entsprach, ohne etwas wegzulassen, aber auch ohne etwas hinzuzufügen. Die messtechnischen Daten aus dem vorherigen Abschnitt unterlegen den Anspruch des Herstellers einer wirklich absolut originalgetreuen Darstellung. Das Geheimnis oder Gestaltungspotential liegt in der Kombination des Drehschalters für die Verstärkung und des Ausgangspegelreglers als nachgeschaltetes Dämpfungsglied. Sobald man den Eingangspegel erhöht und den entsprechenden Betrag mit dem Ausgangspegelregler zurücknimmt, beginnt der MOne zu klingen. Das Signal wird wärmer, runder und attraktiver und liefert auch im Bereich der oberen Mitten und der Höhen mehr Glanz und Frische. Je höher der Eingangspegel gesetzt ist, desto mehr stellt sich dieser Charakter ein. Einfacher formuliert erzeugt der MOne sehr musikalische Klirrkomponenten, die dem Signal zu mehr Präsenz, Kraft und Durchsetzungsvermögen verhelfen. Man muss sich also nicht mehr zwischen dem einen oder anderen Gerätecharakter entscheiden, sondern findet beide Spielarten in einem Gerät vereint, mehr oder weniger stufenlos regelbar, von der perfekten und analytischen Abbildung bis zu einem röhrengleichen Klangerlebnis außerhalb der Kennlinienlinearität. Ein solches Gestaltungsspektrum bekommt man nur selten in einem Gerät geboten. Ein ähnliches Verhalten legt der MOne auch beim direkten Anschluss von Instrumenten an den Tag, bei hohen Eingangspegeln mit beträchtlichem Verzerrungsanteil. Hören und Praxis Fazit Der MOne gehört in der Historie unserer messtechnischen Überprüfung von Mikrofonverstärkern ganz sicher in die Spitzengruppe, und kann selbst bei geringen Verstärkungswerten noch seine technische Überlegenheit ausspielen ein eher selten anzutreffendes Verhalten. Auf der klanglichen Seite vereint er die vollständig transparente und neutrale Übertragung und das Experimentieren mit Klirr- und Sättigungseffekten in einem Schaltungsdesign. Ein Vorverstärker, der die gesamte Bandbreite von nüchtern analytisch bis warm, rund und obertonreich abdecken kann, sollte in einem übersättigten Markt deutliche Zeichen setzen können. Wie mir Evgeny Klukin verriet, experimentiert er bereits mit Germanium- Transistoren, um die Diskret-Serie von Mikrofonvorverstärkern weiterzuführen. Ein weiteres Projekt wird die Entwicklung eines Kompressors auf Basis des britischen Pye Designs aus den 60er Jahren sein. Die Schaltungsidee soll dabei grundsätzlich erhalten bleiben, jedoch auf hohem Qualitätsniveau mit modernen Mitteln Umsetzung finden. Kurz vor der Fertigstellung befindet sich außerdem ein Monitor-Controller, der bereits in einigen Monaten vorgestellt werden kann. Die Marke New Old Sound ist also auf dem besten Weg, mit Hilfe seines in Spanien ansässigen Vertriebs Audionda unter Leitung von Gerald Langbrugger, zu einem wichtigen Branchenmotor für außergewöhnliche Analogentwicklungen zu werden. Der Preis für dieses außergewöhnliche Produkt beträgt übrigens Dollar netto und geht angesichts des technischen Aufwandes und der ausgezeichneten Verarbeitung mehr als in Ordnung. Ein wirklich beachtenswertes Produkt mit großer klanglicher Bandbreite, technisch perfekt umgesetzt Studio Magazin 1/12