Kein Propeller gleicht dem anderen, jeder einzelne muss bis ins Detail auf das Schiff abgestimmt sein, das er einmal antreiben wird

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1 C r u i s e L i n e r i n H a m b u r g M e c k l e n b u r g e r M e t a l l g u s s Kein Propeller gleicht dem anderen, jeder einzelne muss bis ins Detail auf das Schiff abgestimmt sein, das er einmal antreiben wird Die Queen Mary 2 und die größten Containerschiffe der Welt haben sie: Schiffspropeller von der Mecklenburger Metallguss. Rund 100 der glänzenden Schmuckstücke verlassen jedes Jahr nach einem höchst anspruchsvollen Fertigungsprozess in allen Größen das Werk T E X T V O N B E H R E N D O L D E N B U R G In Waren an der Müritz: Wo den Schiffen Flügel wachsen 26 27

2 C r u i s e L i n e r i n H a m b u r g M e c k l e n b u r g e r M e t a l l g u s s Die MMG betreibt die modernste und größte Mittelfrequenz-Induktionstiegelofenanlage in ihrer Branche. Sie garantiert höchste Homogenität des Schmelzgutes Eine Frage langjähriger Erfahrung Hinter MMG-Propellern stecken über 50 Jahre Erfahrung. Vom klassischen Handwerk bis hin zur Anwendung der neuesten ie Gluthitze ist auch in computergestützten zehn Metern Entfernung noch zu spüren. Berechnungsverfahren 1243 Grad Celsius zeigt das Thermometer reicht die Arbeitspalette für das geschmolzene Metall an ein der rund 150 Mitarbeiter Wert jenseits des menschlichen Vorstellungsvermögens. Goldgelb schimmernd Manfred Urban (Mitte) um Geschäftsführer ergießt sich ein Strom in die Form aus Zementsand. Kein anderes Metall hält diese Hitze aus, sagt Manfred Urban, Geschäftsführer der Mecklenburger Metallguss GmbH, kurz MMG. Nach seinen Angaben ist die MMG Weltmarktführer beim Guss auch größter Schiffsschrauben. Während sich der Handelsschiffbau langsam aber unaufhaltsam aus Deutschland Richtung Asien verabschiedet, sind die Öfen in Waren an der Müritz, dem Standort der MMG seit rund 60 Jahren, noch lange nicht aus. Im Gegenteil. Das Geschäft läuft gut. 90 Prozent der Produktion werden mittlerweile nach Asien geliefert. Gerade erst haben Urban und seine rund 150 Mitarbeiter einen neuen Großauftrag zur Lieferung an eine Werft in Südkorea an Land gezogen. Wir werden die zehn größten Containerschiffe der Welt mit Schiffsschrauben ausrüsten, berichtet er nicht ohne Stolz. Sie werden für die dänische Reederei Maersk gebaut und bis zu Containerstellplätze bieten. Besonders lukrativ für die Warener ist die Tatsache, dass die neuen Riesen nicht, wie sonst bei Frachtschiffen üblich, mit einem Propeller angetrieben werden, sondern mit zwei. Anders ist die nötige Leistung gar nicht mehr ins Wasser zu bringen. Das bisher größte Containerschiff hat laut Urban Stellplätze. Den dafür notwendigen Propeller hat übrigens auch MMG geliefert. 130 Tonnen schwer, zehn Meter Durchmesser. Aber nicht die Größe und das Gewicht sind entscheidend, sondern dass alle Parameter optimal auf das zugehörige Schiff zugeschnitten sind, weiß Urban

3 M e c k l e n b u r g e r M e t a l l g u s s Der Propellerbau gilt nicht ohne Grund als Königsdisziplin des Schiffbaus. Als entscheidendes Bindeglied zwischen der Kraft der Maschine und dem Wasser muss der Propeller ein Schiff ohne allzu große Schaumschlägerei über die Weltmeere schieben. Rund mal dreht er sich bei großen Containerschiffen am Tag. Bei Kreuzfahrtschiffen noch öfter. Am liebsten konstruiert die MMG ihre Propeller selbst und kann dabei auf einen riesigen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Immerhin sind über 2000 Schiffe mit Propellern von der Müritz ausgerüstet worden, jährlich kommen rund 100 dazu. Dennoch: Alle Entwürfe werden an Modellschiffen in Schiffbauversuchsanstalten überprüft, auch wenn die komplexen Strömungsverhältnisse rund um die Flunken immer öfter auch am Computer berechnet werden. Hinzu kommen Festigkeitsberechnungen, die sicherstellen, dass der Propeller allen Belastungssituationen standhält. Offenbar ist die Gusstechnologie so anspruchsvoll und das Wissen über die richtige Konstruktion eines Propellers so schwer zu gewinnen, dass sich in Japan, Korea und China bislang keine großen Konkurrenten für die Schiffsschrauben Made in Germany formieren konnten. Das ist besonders erstaunlich, da asiatische Werften seit Jahren dabei sind, Technologien aus dem Westen, vorsichtig gesagt, zu adaptieren. Unsere Erfahrung lässt sich nicht so leicht kopieren, sind sich die Propellerbauer sicher. Dagegen mussten sie die, um sich erfolgreich auf dem Weltmarkt zu behaupten, erst sammeln. Denn der Kampf um Kunden war für Manfred Urban und seinen Geschäftsführerkollegen Jürgen Eberlein absolutes Neuland, als sie nach der Wende die Leitung des Betriebes übernahmen. Als die Mauer fiel, wollte die Belegschaft mit der alten Betriebsleitung nichts mehr zu tun haben, erinnert sich Urban. Er und sein Kollege Eberlein übernahmen das Ruder. Und hatten eigentlich kaum eine Chance. Die DDR hatte seit 1954 fast ausschließlich Schiffe für die Sowjetunion gebaut gegen Rubel, die im Westen Ein langer Weg bis zum letzten Schliff Mit Hilfe umfangreicher Modellversuche wird das Strömungsverhalten des künftigen Propellers ermittelt. Nach dem Guss erfolgen eine präzise Vermessung und die Weiterbearbeitung, damit der Propeller auch genau die Form erhält, die für ihn errechnet wurde wertlos waren. Über Nacht verlor der Betrieb seinen einzigen großen Kunden. Nach der Privatisierung wurden die Probleme nicht weniger. Von der Treuhandgesellschaft wurde MMG 1992 an den Werftkonzern Bremer Vulkan verkauft, der fast alle großen ostdeutschen Werftbetriebe übernahm. Dann kam einer der großen Wirtschaftsskandale der Nachwendezeit: Die Vulkan- Bosse in Bremen zweigten hunderte Millionen Deutsche Mark an Subventionszahlungen für ihre Westbetriebe ab, gingen 1995 dennoch in Konkurs und rissen auch MMG mit in den Gut Ding will Weile haben: Bis zu drei Wochen dauert es, bis der Propellerrohling soweit abgekühlt ist, dass er aus der Gussform herausgehoben werden kann 30 31

4 Am Ende entsteht ein Schmuckstück Voraussetzung für optimale hydrodynamische Laufeigenschaften eines Propellers ist höchste geometrische Genauigkeit bei seiner Fertigung. Den letzten Schliff bekommt er per Hand, nachdem sich zuvor computergestützte Fräsen über ihn hergemacht haben Strudel. Es kam zur zweiten Privatisierung. Und jetzt drehte MMG auf, nachdem die Propellerbauer von der Deutschen Gießerei- und Industrie-Holding AG (Dihag) in Essen übernommen wurden. Es lief wieder rund. Zurück in die Gießerei. Die Halle ist so groß wie ein Fußballfeld. Die Mittelfrequenz-Schmelzöfen haben zusammen eine Kapazität von 200 Tonnen, der größte Ofen schafft allein 90 Tonnen. Das garantiert höchste Homogenität und Qualität auch für größte Gussstücke. Bei Temperaturen wie in einem Vulkan bringen sie die Metalle zum Schmelzen, bis sie fast brodeln wie kochendes Wasser und glühen wie das Innere der Erde. So sehr sich der Vergleich mit kochendem Wasser auch aufdrängt: Kochen darf die Schmelze aus 80 Prozent Kupfer, fünf Prozent Nickel sowie diversen anderen Edelmetallen nicht, sprich: Sie darf keine Blasen werfen. Blasen im Guss würden nämlich das Stück verderben. Das Gießen ist der sensibelste Moment im Leben eines Propellers, erklärt Urban. Und ob der Guss geglückt ist, zeigt sich letztendlich erst nach zwei bis drei Wochen, wenn der Guss in der Form abgekühlt ist. Doch das, was jetzt zum Vorschein kommt, ist noch lange kein brauchbarer Propeller, sondern zunächst ein Rohling, der sorgfältig Mecklenburger Metallguss in Kürze Die größten Schiffsschrauben der Welt haben ihre Wiege im Norden Deutschlands. Seit mehr als 60 Jahren baut die MMG Mecklenburger Metallguss GmbH im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern Propeller für die Schifffahrt. Darunter die größten und die schnellsten. Die schwersten bringen 130 Tonnen auf die Waage. Ihre Herstellung erfordert Fingerspitzengefühl und viel Geduld Mecklenburger Metallguss GmbH - MMG Teterower Straße Waren Telefon

5 Auf Straße und Wasserweg zu den Werften Jährlich verlassen über 100 Schiffsschrauben sowie viele weitere Gussteile das Werk und werden an Auftraggeber rund um den Globus geliefert. Die ersten Kilometer bis zur Werft oder zum Hafen legen sie dabei auf der Straße und dem Tieflader zurück vermessen und mit modernster Technik weiterverarbeitet werden muss. Dabei geht es zu wie beim Juwelier zumindest, was Optik und Präzision angehen. Die Dimensionen sind freilich ganz andere. Exakte, computergesteuerte Bohr- und Fräsmaschinen setzen den zuvor am Computer konstruierten Propellerentwurf um. Selbst Schiffsschrauben mit einem Durchmesser von mehr als elf Metern werden dabei mit einer Genauigkeit von einigen hundertstel Millimetern bearbeitet. Dabei paart sich modernste Bearbeitungstechnik mit dem handwerklichen Geschick der erfahrensten MMG-Mitarbeiter. Denn besonders sensible Bereiche, wie beispielsweise die Einund Austrittskanten, werden auch bei den größten Propellern noch von Hand geschliffen. Und immer wieder wird zwischendurch gemessen. Erst wenn er nach allen Prüfungen als passgenau gilt, wird eine Welle, oft sogar das Original, zur Probe in die Nabe eingelassen. Jetzt zeigt sich, ob wirklich sorgfältig gearbeitet wurde und der Propeller auch nicht eiert. Dann geht alles ganz schnell. Der Propeller erhält ein Abnahmezeugnis, ausgestellt von einer Klassifikationsgesellschaft, vergleichbar dem TÜV an Land. Dann macht er sich auf den langen Weg zu seinem Schiff, das eben immer öfter in Asien entsteht. Erst auf einem Schwerlasttieflader zum Hamburger Hafen, und von hier aus dann noch auf und nicht am Schiff in eines der Schiffbauländer der Welt. Alle zwei Jahre macht ein MMG-Exemplar noch einen kurzen Zwischenstopp in Hamburg: Auf der Schiffbaumesse SMM bildet er einen funkelnden Hingucker vor dem Messeeingang und macht deutlich, dass traditionelle Gusstechnik, gepaart mit High-Tech, auch noch richtig gut aussehen kann. Behrend Oldenburg liebt den Hamburger Hafen und arbeitet nebenher als Erklärer auf der Barkasse. Hauptberuflich ist der Wirtschaftsingenieur und Geschäftsführer der Agentur BONUM news + marketing für Schifffahrtsverlage und Unternehmen aus dem maritimen Tourismus, Schiffbau und Logistik aktiv 34