Predigt Luk. 22,31-34 Invokavit St. Andreas Hildesheim Pastor Detlef Albrecht
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- Helene Hofer
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1 PREDIGT ZU LUK. 22,31-34 SEITE 1 Predigt Luk. 22,31-34 Invokavit St. Andreas Hildesheim Pastor Detlef Albrecht Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus! Liebe Gemeinde! Wir sind allesamt zu dem Tod gefordert, und keiner wird für den andern sterben, sondern jeder in eigener Person für sich mit dem Tod kämpfen. In die Ohren können wir wohl schreien, allein jeder muss für sich selbst geschickt sein in der Zeit des Todes: ich werde dann nicht bei dir sein noch du bei mir. So beginnt eine berühmte Invokavitpredigt, und diese Sätze habe ich mir gemerkt. Martin Luther hat sie am 9. März 1522 in der Schlosskirche zu Wittenberg gehalten. Und ich habe sie aus den Buchdeckeln herausgeholt, weil sie zum Predigttext des heutigen Sonntags passen wie zu kaum einem anderen. Denn es geht darum, dass ein Leben auf dem Spiel steht. Naja: Womöglich auf dem Spiel steht. Nach dem Motto: mitgefangen, mitgehangen. Du warst doch auch einer von denen... Jesus ahnt schon, was auf seine Freunde zukommt, als er selber festgenommen und verurteilt wird. Er spricht mit ihnen darüber. Ich lese den Predigttext aus Lukas 22: 31 Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen. 32 Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder. 33 Er aber sprach zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen. 34 Er aber sprach: Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich kennst. Was für Worte sind das! Und welche Überzeugungen stecken dahinter: Petrus ist sich absolut sicher! Er wird den gleichen Weg gehen wie Jesus, auch wenn das Gefängnis und Tod bedeuten würde. Jesus sieht es anders und sagt ihm: Du schaffst es nicht. Du bleibst nicht an meiner Seite. Ja, liebe Gemeinde, so sieht es aus, wenn der Glaube nicht stark genug ist! Wenn das Bekenntnis eben nur ein Lippen-Bekenntnis ist und nicht vom Leben getragen wird. Naja, Detlef, entschuldige, wenn ich Dir da in die Predigt reinfunke, aber ich denke, da liegst Du beim Predigttext knapp, aber eben doch daneben. Ja, bitte? Was ist denn das Problem?
2 PREDIGT ZU LUK. 22,31-34 SEITE 2 Du weißt ja schon, wie die Geschichte ausgehen wird: Petrus wird Jesus verleugnen, Petrus wird von einer Magd regelrecht gegrillt, und er wird in seiner Todesangst das Heil in der Flucht, in der Ausflucht suchen. Ja, in der Tat, das weiß ich schon, und das weiß ja auch die Gemeinde schon! Eben - in den Eingangsworten unseres Predigttextes wird das spätere Geschehen ja schon voraus gedeutet: Es ist nicht mehr das Versagen des Petrus gegenüber einer Magd, das wäre, tragisch wie das auch ist, noch eine läßliche Sünde gewesen, nein, hier spielt sich wirklich großes Drama ab. Es ist der Satan selbst in Magdgestalt, der Petrus versucht. Dem gegenüber mußt Du erst mal glaubenstark sein. Der Satan in Magdgestalt? Nun ja, wie immer man es nennt. Ich würde sagen: Es sind Kräfte am Werke, die über unsere eigenen Kräfte hinausgehen. In so einer Situation war Petrus. Ich will mich da auf den Satan gar nicht festlegen. Der Evangelist Lukas spricht halt von Satan. Aber was Lukas damit deutlich machen will: Es geht hier in der Tat nicht nur um eine Anekdote am Rande. Nicht um eine Magd und einen Hahn der danach kräht. Petrus überschätzt sich selbst weil er gar nicht ahnt, mit welchen Kräften er da zu tun hat. Er scheitert grandios, weil es hier um größeres geht, als um Lippenbekenntnisse. Und was wäre dieses Größere? Es geht hier ganz grundsätzlich um den Glauben. So wie Jesus zu Petrus sagt: Ich habe gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Genau das ist das Thema: der Glaube. Und dieser Glaube ist tatsächlich nichts, was der Mensch sicher haben könnte. Man weiß ja nie, was hinter der nächsten Ecke lauert. Was einen aus der Fassung bringen kann. So wie Luther, der mit dem Tintenfass geworfen haben soll, als er den Leibhaftigen in seinem Zimmer zu sehen meinte. Gut, reden wir über den Glauben! Was bedeutet das denn, dass Jesus zu Petrus sagt: Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Was ist denn dann der Glaube? Wenn man das vor dem Hintergrund sieht, dass Petrus offenbar nicht genug Glauben hatte, um auf die Frage einer Magd
3 PREDIGT ZU LUK. 22,31-34 SEITE 3 wahrheitsgemäß zu antworten: Warst du nicht auch bei denen, die bei Jesus waren? Was soll das für ein Glaube sein? Naja, anders rum gefragt: Wie deutet denn Jesus das, was dem Glauben des Petrus da widerfährt? Jesus spricht davon, dass der Glaube des Petrus gesiebt wird. Der Glaube des Petrus wird also versucht und angefochten. Für Luther war sein Leben lang die Anfechtung eine Begleiterin des Glaubens. Das war seine große Frage: Kann man sich seines Glaubens überhaupt sicher sein? Er hat das zum Kernpunkt seiner Theologie gemacht. Die tentatio, die Anfechtung, gehört immer mit zum Glauben dazu. Menschlich gesehen ist das ja völlig klar. Das weiß doch jeder von uns aus eigener Erfahrung, dass es in Sachen Glauben eben ganz unterschiedliche Erfahrungen gibt. Es gibt echte Höhepunkte, an denen man wie Petrus in den Himmel rufen möchte: Ich werde immer bei dir bleiben, Jesus! Und es gibt genauso Momente, in denen man weiß: Ich bin gescheitert. An mir und meinen Ansprüchen und irgendwie auch an dem, was Gott von mir eigentlich will. Ich hab s nicht geschafft. So ist es. Und was trägt? Nicht die eigene Leistung. Da trägt die Fürbitte Jesu, da trägt nur die Fürbitte Jesu: Ich habe für Deinen Glauben gebeten. Der Glaube ist ein ganz zartes Pflänzchen, das ist ganz empfindlich und kommt mitten im irdischen Getümmel ganz schnell unter die Räder. Und da ist das Scheitern schon gerade vorprogrammiert, so sicher, dass Jesus schon Fürbitte hält, bevor bei Petrus der Ernstfall eingetreten ist. Ja, schon nur mir ist das nicht bewusst, dass da jemand schon für mich eingetreten ist, wenn ich mal wieder in Sachen Glauben scheitere. In Sachen Scheitern fällt mir Alexis Sorbas ein. Dieser Grieche, der einem jungen Engländer helfen will, sein Erbe in Griechenland zu Geld zu machen. Dieses Erbe besteht in einer Kohlemine, die der junge Mann gerne erschließen will. Und Alexis Sorbas, sein Kamerad, baut eine Seilbahn, die die Kohle vom Berg in das Tal transportieren soll. So weit, so gut der Gedanke. Allerdings: Beim ersten Versuch, die Anlage in Betrieb zu nehmen, bricht alles krachend zusammen. Die Arbeit von Monaten ist dahin. Das Projekt ist komplett gescheitert. Und was macht der Grieche? Er lacht. Er lacht aus ganzem Herzen und sagt dann zu dem Engländer: Hey Boss, hast du schon mal etwas so herrlich zusammenbrechen sehen!
4 PREDIGT ZU LUK. 22,31-34 SEITE 4 Und dann wird getanzt. Der berühmte Sirtaki. Erst ganz langsam, dann immer schneller. Gescheitert und gerettet. Aber ganz anders, als gedacht. Den Film kenne ich auch. Die Szene ist mir lebhaft im Gedächtnis geblieben. Ich glaube, so schön habe ich Scheitern weder vorher oder nachher erlebt und gesehen. Aber worauf willst Du hinaus? Für mich ist das mit dem Glauben und dem Scheitern auch so. Man kommt an dem Scheitern nicht vorbei, ganz gleich, wie fromm oder gottesfürchtig man lebt. Ich vermute, das haben mehr oder weniger alle schon erfahren. Man muss ja nur morgens aus dem Bett aufstehen, um zu erleben: Mein Leben läuft nicht so, wie ich dachte. Wie bei dem kleinen Gebet am Anfang des Gottesdienstes. Wichtig ist nur diese Gewissheit: Nach dem Scheitern geht es weiter. Manchmal muss man erst ganz unten ankommen, um zu begreifen, was eigentlich wichtig war im Leben und im Glauben. Und das Großartige ist: Jesus weiß vorher, dass wir scheitern. So wie bei Petrus. Und er lässt uns trotzdem nicht allein. Jawohl. Und aus Petrus ist ja dann doch noch was geworden. So wie Jesus es ihm zugesprochen hat: stärke deine Brüder Und das hat er ja dann auch getan. In der kirchlichen Tradition ist er der erste Bischof von Rom. Das hat was: Die Zukunft der Christen auf einen Menschen gründen, der in Sachen Glauben krachend gescheitert ist. Naja, und gerade hat ein Nachfolger dieses Jüngers sein Amt zurückgegeben. Wegen seines Alters. Und vielleicht auch, weil er an manchen Fragen gescheitert ist, die er vielleicht hätte anders beantworten können. Aber das liegt nicht in unserer Macht, darüber zu befinden. Nein, gewiss nicht. Was nehmen wir denn mit nach Hause aus diesem Text, von diesem Thema? Glaube ist zerbrechlich. Glaube kann scheitern. Aber in diesem Scheitern wird er bewahrt durch Jesus, der für uns betet und uns zur Seite steht.
5 PREDIGT ZU LUK. 22,31-34 SEITE 5 So soll es sein! Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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