Wie kann ich mit Gewinn die Bibel lesen?

Transkript

1 Wie kann ich mit Gewinn die Bibel lesen? Predigt in der EFG Bern am 21. April 2013, von Philipp Kohli Die Bibel ist ein erstaunliches Buch. Geschrieben von ganz unterschiedlichen Autoren: Hirten, Könige, Propheten, Theologen, ein Arzt, ein Zöllner und ein Fischer. Sie schrieben an unterschiedlichen Orten in einem Zeitraum von 1500 Jahren. Heute ist die Bibel das meistverkaufte Buch weltweit. Sie ist in die meisten Sprachen übersetzt. Sie ist ein Buch, das seit mehr als 2000 Jahren immer wieder Menschen berührt und begeistert hat. In dieser Predigt werden wir dieses Buch genauer anschauen. Ich erzähle euch von meinen Erfahrungen mit der Bibel. Ich werde euch praktische Tipps weitergeben um euch dabei zu helfen die Kraft dieses Buches zu erleben. Denn ich glaube, dass noch heute gilt, was Paulus den Christen von Rom geschrieben hat: Das Evangelium ist die Kraft Gottes, die jedem, der glaubt, Rettung bringt! Ich möchte euch von meinen Erfahrungen mit der Bibel anhand des 12. Kapitel vom Römerbrief erzählen. Mit diesem Kapitel verbindet mich eine ganz entscheidende Erfahrung in meinem Glaubensleben. Sie liegt in meiner Jugendzeit zurück, aber sie hat Auswirkungen für mein Verständnis vom Bibellesen bis heute. Damals las ich die Bibel mit Hilfe eines Leseplanes vom Bibellesebund. Ich habe dadurch viel gelernt und Inputs für mein Leben mitgenommen. Aber die tägliche Lesevorgabe führte auch zu einem Leistungsdruck. Hatte ich mal einen Tag verpasst, musste ich wieder aufholen. Es war mein Fehler, dass ich mir so das Bibellesen zu einem Stress machte. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem Leiter in einem Jungschikurs. Ich klagte ihm meinen Stress mit dem Bibellesen und er gab mir eine ganz besondere Aufgabe: Das 12. Kapitel des Römerbriefes lesen. Und zwar nicht nur einmal, sondern immer wenn ich darauf Lust habe und das während mindestens einem Monat.

2 Dieser Rat war für mich sehr entspannend und es nahm mir viel Druck weg. Dieses 12. Kapitel des Römerbriefes entfaltete eine Tiefenwirkung, die bis heute anhält. Viele Inhalte sind mir nachhaltig unter die Haut gegangen. Sie wurden Lebenswissen. Gott hat sein Wort in mir Wurzeln schlagen lassen. Es kommen mir immer wieder Bibelverse aus diesem Kapitel in den Sinn. Zum Beispiel in dem Moment, wo ich nicht wusste, ob ich einer trauernden Person telefonieren sollte. Da kam mir der 15. Vers aus diesem Kapitel in den Sinn: Freut euch mit denen, die sich freuen; weint mit denen, die weinen. So wusste ich, was ich tun sollte und ich rief an. Es war ein sehr positives und hilfreiches Gespräch. Auf diese Art erlebe ich die Kraft der biblischen Texte in meinem Alltag. Es lohnt sich beim Bibellesen dranzubleiben: Gottes Wort ist ein wertvoller Schatz! Aber es ist halt auch so, dass ich diesen Schatz zuerst ausgraben muss. Es braucht meinen Einsatz, wenn ich die Worte aus der Bibel richtig verstehen will. Gerade im zwölften Kapitel des Römerbriefes gibt es Hinweise darauf, wie wir die Bibel besser verstehen können. Es ist die Schatzkarte, die und zeigt wo und wie wir graben können. Beginnen wir gerade mit dem Vers 1 dieses 12. Kapitels: Ich habe euch vor Augen geführt, Geschwister, wie groß Gottes Erbarmen ist. Die einzige angemessene Antwort darauf ist die, dass ihr euch mit eurem ganzen Leben Gott zur Verfügung stellt und euch ihm als ein lebendiges und heiliges Opfer darbringt, an dem er Freude hat. Das ist der wahre Gottesdienst, und dazu fordere ich euch auf Paulus spricht zuerst davon, dass Gott barmherzig ist. Diese Information ist wichtig. Nur wenn wir das wissen, können wir die Anforderungen, die der Text an uns stellt, richtig einordnen. Die Bibel ist keine Liste mit Pflichtübungen, die ich erfüllen muss um Gott gnädiger zu stimmen. Nein es geht den anderen Weg rum. Zuerst zeigt Gott uns seine Barmherzigkeit. Das macht Paulus in den vorherigen Kapiteln des Römerbriefs deutlich: Das Ewige Leben ist ein unverdientes Geschenk.

3 Unser Einsatz ist nicht der Grund für dieses Geschenk, sondern eine Antwort darauf. Dieses Wissen ist auch fürs Bibellesen wichtig. Es ist keine Leistung. Bibellesen ist mehr! Bibellesen ist die Beziehungspflege mit Gott. Und so wie mir die Beziehung zu einem lieben Menschen keine Last ist, so soll auch das Lesen der Bibel kein Stress sein. Es geht ganz einfach darum, dass ich bei Gott bin und ihn geniesse. Aus diesem Grund schreibt Paulus nach der Botschaft des Erbarmens Gottes davon, was ein Gottesdienst ausmacht. Beim Wort Gottesdienst kommt uns ja zuerst in den Sinn was wir am Sonntagmorgen machen: Lieder Singen, beten und eine Predigt hören. Dieser Gottesdienst, den Paulus hier meint, geht aber nicht von Sonntag 9.30h bis 11.00h. Es geht viel weiter. Unser Gottesdienst soll das ganze Leben lang gehen. Die Beziehung zu Gott ist kein Programm, sondern ein Lebensstil. Zuerst kommt Hingabe und Lebensübergabe an Gott. Die Frage ist, wem dein Leben gehört. Darum ist Bibellesen auch kein Projekt, das du mal machen kannst. Es ist kein Programm, sondern eine Lebenshaltung. Es geht um mein ganzes Leben. Wenn die Bibel ihre Kraft in meinem Leben entfalten soll, muss ich bereit sein, mich ganz auf Gott und sein Reden einzulassen. Dafür muss ich zuerst loslassen. Es gibt ja so viele Dinge, die in meinem Leben um den ersten Platz kämpfen: Der Wunsch nach beruflichem Erfolg, eine Beziehung, ein Hobby, ein Club, eigene Ambitionen, versteckte Gefühle, gärende Verletzungen, falsche Vorstellungen oder ein Ziel, das ich mir gesetzt habe. Solange ich diese Dinge so fest in meinen Händen halte, hat daneben nichts Weiteres mehr Platz. Darum ruft uns Jesus auf, unsere verkrampften Hände zu lösen und das, was wir als Schatz betrachten, bewusst loszulassen. Loslassen heisst, dass ich diesen Schatz in einem Gebet bewusst Gott hinlege. Ich sage zum Beispiel: Herr, hier hast du mein Leben. Das was ich davon erwarte und auch das wovon ich enttäuscht bin. Auch mein eigenes Versagen

4 lege ich dir jetzt hin. Vergib mir. Nimm mein Leben in deine Hände und mach etwas draus. Zeig mir deinen Weg! Diese innere Einstellung meint Paulus, wenn er davon schreibt, dass wir unser ganzes Leben Gott zur Verfügung stellen sollen. Mit diesem Schritt des Loslassens und Vertrauens beginnt dann auch das Graben nach dem Schatz in der Bibel. Das Loslassen ist der erste Hinweis auf der Schatzkarte zum gewinnbringenden Bibellesen. Aber es gibt noch mehr. Im nächsten Vers folgt der zweite Hinweis: Richtet euch nicht länger nach den Maßstäben` dieser Welt, sondern lernt, in einer neuen Weise zu denken, damit ihr verändert werdet und beurteilen könnt, ob etwas Gottes Wille ist ob es gut ist, ob Gott Freude daran hat und ob es vollkommen ist Bibellesen hat mit Denken zu tun. Wir sollen die Texte durchdringen, sie verstehen und bearbeiten. Bearbeitend lesen: Den Text mehr als einmal durchlesen und auch weitere Informationen dazu sammeln. Bibellexikon und Textkommentare sind hier eine grosse Hilfe. Wer hat den Text geschrieben? Warum ist er geschrieben worden? Und in was für eine Situation? Diese Fragen helfen dabei einen Bibeltext gründlicher zu verstehen. Besprechend lesen: Gemeinsam Bibel lesen, darüber austauschen. Anfang Jahr hatten wir einen 4u Abend bei uns zu Hause wo wir das 12 Kapitel des Römerbriefes durchlasen. Vor dem Lesen habe ich jedem einen Zettel in die Hände gedrückt. Dann haben wir gebetet, dass Gott uns hilft, die Bibel zu verstehen. Während dem Lesen hat jede Person Notizen gemacht. Darüber haben wir dann ausgetauscht. Wir haben ohne es zu merken mehr als eine Stunde über diesen Text diskutiert und es war eine spannende Runde. Auf diese Art hat die Bibel zu leben begonnen ohne viel Bücherlesen und Theorie! Das Gespräch erinnerte mich an ein Mosaik, wo jedes seinen Stein hinlegte und so am Ende ein schönes Bild entstand. Dazu kommt aber jetzt noch ein dritter Weg, wie wir die Bibel mit mehr Gewinn lesen können. In den weiteren Versen erklärt Paulus die unterschiedlichen Begabungen von uns Menschen. Er zählt jeweils eine Begabung auf und schliesst dann gerade an, dass man diese Gabe auch einsetzen soll. Z.B.

5 7 Wenn jemand die Gabe hat, einen praktischen Dienst auszuüben, soll er diese Gabe einsetzen. Wenn jemand die Gabe des Lehrens hat, ist es seine Aufgabe, zu lehren. 8 Wenn jemand die Gabe der Seelsorge hat, soll er anderen seelsorgerlich helfen. Wer andere materiell unterstützt, soll es uneigennützig tun.7 Wer für andere Verantwortung trägt, soll es nicht an der nötigen Hingabe fehlen lassen.8 Wer sich um die kümmert, die in Not sind, soll es mit fröhlichem Herzen tun. Gott gibt uns ein Geschenk und er will dass wir dieses Geschenk auch auspacken und einsetzen! Genau dasselbe gilt jetzt auch fürs Bibellesen. Gott offenbart und in seinem Wort seine Gedanken. Damit beschenkt er uns reich! Nun ist es aber unsere Aufgabe dieses Geschenk auch auszupacken und einzusetzen. Ich nenne das praktisches Bibellesen: Erst das, was ich umgesetzt habe, habe ich auch verstanden. Es geht nicht darum viel zu lesen, aber das Gelesene umzusetzen. Erst wenn das passiert ist die Information wirklich vom Kopf ins Herz gerutscht. Lass uns als Beispiel einen Vers herauspicken: Lasst im Umgang miteinander Herzlichkeit und geschwisterliche Liebe zum Ausdruck kommen. Übertrefft euch gegenseitig darin, einander Achtung zu erweisen. Dieser Text ist so einfach und klar, dass es kein Bibellexikon braucht, um ihn zu verstehen. Aber es ist gar nicht so einfach, das im Alltag auch auszuleben. Und genau das ist jetzt der entscheidende Punkt. Die Botschaft der Bibel ist erst dann bei mir angekommen, wenn die erwähnte Herzlichkeit und Liebe auch wirklich für andere spürbar ist. Dann erst ist es Lebenswissen, das mich verändert und zu einem neuen Menschen macht. Auf diese Art entfaltet die Bibel eine enorme Kraft. So wird Bibellesen zu einem Abenteuer. So wird der verborgene Schatz ans Licht geholt und kann richtig glänzen.

6 Ich wünsche mir, dass das Lesen der Bibel mein Leben noch mehr prägt und meine Mitmenschen immer mehr davon spüren. Darum lade ich euch ein, euch immer mehr auf die Botschaft der Bibel einzulassen. Das heisst zusammenfassend: - Zuerst die Beziehung zu Gott klären und die Bibel als ein Beziehungsbuch für mich persönlich annehmen. - Dann gründlich lesen und Zusatzinformationen bearbeiten - Mit anderen darüber reden und gemeinsam die Breite, Tiefe und Höhe des Textes erfassen. - Im Alltag anwenden und das Kopfwissen zu einem Lebenswissen werden lassen.