Blut als Arzneimittel: was ist besonders daran?
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- Frank Fürst
- vor 6 Jahren
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Transkript
1 Fortbildungsveranstaltung IRB SRK AG für die Anwender/innen von Blutprodukten, Blut als Arzneimittel: was ist besonders daran? Christian Schärer, Leiter Inspektorate Swissmedic Schweizerisches Heilmittelinstitut Hallerstrasse Bern 9 Schweiz
2 Warum gibt es die Swissmedic Swissmedic, das Schweizerische Heilmittelinstitut ( Institut ) o Schweizerische Überwachungsbehörde für Heilmittel (seit 2002) o Gesetzliche Auftrag zum Vollzug des Heilmittelgesetzes (HMG) o..dafür zu sorgen, dass in der Schweiz nur qualitativ hoch stehende, sichere und wirksame Heilmittel in Verkehr gebracht werden Heilmittel o Wirksamkeit: dienen zur Therapie von Krankheiten o Sicherheit: sollen mehr nützen als schaden o Qualität: müssen eine konstant hohe Qualität aufweisen 2
3 Begriffsabgrenzungen Heilmittel o Zur medizinischen Verwendung bestimmt oder angepriesen o Heilmittel ist Überbegriff (= Arzneimittel + Medizinprodukte) o Relevantes Gesetz: Heilmittelgesetz Arzneimittel o Chemische oder biologische Wirkung ( Reaktion mit Stoffwechsel ) Beispiele: Tabletten, Salben, Impfstoffe, etc. Medizinprodukte o Rein physikalische Wirkung ( mechanische Massnahme ) Beispiele: Herzschrittmacher, Künstliche Hüftgelenke, Kontaktlinsen, etc. 3
4 Regulatorischer Lebenszyklus von Arzneimittel Entwicklung Zulassung Marktüberwachung Vor dem Zulassungsverfahren o Um die Marktfähigkeit belegen zu können (Zulassungsdossier) werden im Rahmen von prä-klinischen und klinischen Untersuchungen systematisch Sicherheits- und Wirksamkeitsdaten ermittelt o Swissmedic (in Zusammenarbeit mit Ethikkommissionen): Genehmigung von prä-klinischen und klinischen Untersuchungen Schutz der Versuchspersonen Sicherstellung der Datenqualität Bewilligung und Inspektion der Herstellung der Prüfpräparate 4
5 Regulatorischer Lebenszyklus von Arzneimittel Entwicklung Zulassung Marktüberwachung Beim Zulassungsverfahren durch Swissmedic o Beurteilung eines Dossiers mit Daten zu Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit von Arzneimitteln o Was genehmigt wurde, steht in der Arzneimittelinformation Patienteninformation Fachinformation o vorgängig: Betriebsbewilligung für Herstellung und Vertrieb / Inspektionen 5
6 Regulatorischer Lebenszyklus von Arzneimittel Entwicklung Zulassung Marktüberwachung Nach dem Zulassungsverfahren o Überwachung der Arzneimittel nach der Markteinführung (sog. Vigilanz) Erfassung und Beurteilung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen, Qualitätsmängeln oder schwerwiegenden Vorkommnissen o Falls Risiken festgestellt: Umsetzung risikomindernder Massnahmen Information der Fachleute/Öffentlichkeit Rückrufe (z.b. bei Qualitätsmängeln) Anpassung der Zulassung (z.b. Fachinformation) o Betriebe: Regelmässige Inspektionen 6
7 Blutprodukte sind Arzneimittel Gesetzliche Regelung im Heilmittelgesetz Stabile Blutprodukte o Beispiele: Immunglobuline, Albumin, Gerinnungsfaktoren o Industrielle Hersteller o Hergestellt aus grossen Pools von Einzelspenden o Gesetzliches Kontrollsystem Zulassungen / Genehmigungen Marktüberwachung / Vigilanz Betriebsbewilligungen / Inspektionen der Herstellung u. Vertriebs 7
8 Blutprodukte sind Arzneimittel Labile Blutprodukte o Beispiele: Ec- und Tc-Konzentrate, Plasma zur Transfusion o Hersteller: Blutspendezentren, Spitäler o Produkte aus Einzelspende hergestellt o Gesetzliches Kontrollsystem Keine Zulassung Marktüberwachung / Hämovigilanz Betriebsbewilligungen / Inspektionen der Herstellung u. Vertriebs Systemkontrolle und detaillierte Normierung 8
9 «Blut ist ein ganz besonderer Saft» (Johann Wolfgang von Goethe in Faust I, 1947) 9
10 Blut als.... Sinnbild für das Leben.. Sinnbild für Familie.. Arzneimittel erste dokumentierte Tierblut-Mensch Transfusion (1667, Frankreich, B. Denys) erste Transfusion von Mensch zu Mensch (1818, England, J. Blundell) 10
11 Blut als Arzneimittel o Blutprodukte stellen seit erstem Weltkrieg eine bedeutende Hauptstütze in Katastrophensituationen dar o Weltweit jährlich über 90 Mio Blutspenden o WHO Essential Medicines List o Aufrufe zum Blutspenden z.b. nach Ereignissen o Einsatz von Convalescent Plasma bei Epidemien (Ebola, SARS, etc.) 11
12 Regelungen zu Blut als Arzneimittel 1985 Vademecum der Bluttransfusion mit Richtlinien zur Spenderbeurteilung 1986 Einführung von Spenderfragebogen und AIDS-Merkblatt 1986 Bundesrats-Verordnung über die Verhinderung der Übertragung von gefährlichen Infektionskrankheiten durch Blut und Blutprodukte 1990 Richtlinien SRK für den Blutspendedienst SRK 1995 Vorschriften Blutspendedienst SRK 1996 Bundesbeschluss über die Kontrolle von Blut, Blutprodukten und Transplantaten (Bundesamt für Gesundheit) 2002 Heilmittelgesetz (Swissmedic) 12
13 Blut als Arzneimittel: und was ist auch besonders daran? 13
14 Labile Blutprodukte als Arzneimittel Wirksamkeit o >100 Jahre klinische Erfahrung o unzählige Studien, Anwendungsbeobachtungen, etc. o Anwendung nur auf ärztliche Verschreibung (Überwachung) Aber: o Klinische Wirksamkeit wird in Schweiz nicht von Swissmedic geprüft (keine Zulassung), keine behördlich genehmigte Fachinformation o Menschliches Ausgangsmaterial o Limitierte Haltbarkeit (Versorgung) o Hämovigilanz zur Erfassung und Bewertung von unerwünschten Wirkungen 14
15 Labile Blutprodukte als Arzneimittel Qualität o Meist einfache Verarbeitungsschritte (Filtration, Zentrifugation, Abtrennung) -> nicht als industrielle Herstellung o Aseptische Verarbeitung in geschlossenen Systemen o Qualitätssicherung und Gute Herstellungspraxis Aber: o Menschliches Ausgangsmaterial: Variabilität, jede Spende = Charge, o Limitierte Qualitätskontrollen und Endprodukttestung (nicht jede Charge) o z.t. sehr kurze Haltbarkeit der Präparate (Tc-Konz. 7 Tage) o Empfindlichkeit von zellulären Komponenten (bez. Herstellverfahren) 15
16 Labile Blutprodukte als Arzneimittel Qualität (2) o Ursprünglich medizinische Dienstleistung o Einführung neuer hochmoderner Testmethoden, stets neue Erreger o Neuartige Herstellverfahren werden verfügbar (Pathogeninaktivierung), zunehmend komplexere, automatisierte Herstellprozesse o Neuartige Herstellverfahren sind teilweise zulassungspflichtig o Heute Herstellung eines «pharmazeutischen» Produktes 16
17 Labile Blutprodukte als Arzneimittel Sicherheit >100 Jahre klinische Erfahrung, mit weitgehend bekanntem Risiko- und Nebenwirkungsprofil Aber: o Menschliches Ausgangsmaterial: Ethische Aspekte und Grundsätze der Blutspende (Freiwilligkeit, Unentgeltlichkeit), Variabilität o Verantwortung gegenüber Spender: Einwilligung, Information und Schutz der Spender, Information der Spender bei abnormalen Befunden (Gesundheitscheck) o Sorgfältige Spenderauswahl: Aufklärung der Spender über Risikoverhalten, detaillierte Abklärungen vor der Spende, Verantwortlichkeit der Spender 17
18 18
19 Labile Blutprodukte als Arzneimittel Sicherheit (2) o Globale Epidemiologie von übertragbaren Erregern o Bei bekannten Erregern (HIV, HCB, HBV, Syphilis, HAV, Parvo B19) > Sicherheit dank hochempfindlichen Tests o Immer neue potentielle Risiken: vcjd, SARS, MERS-CoV, West Nile Virus, Malaria, Chagas, Chikungunya, Dengue-Fieber, Zika, HEV -> stete Anpassung der Spenderauswahlverfahren, -> Anpassung von Testszenarien o Bakterielle Sicherheit: zusätzliche Massnahmen notwendig, -> z.b. Einsatz neuer Pathogeninaktivierungsmethoden o Korrekte Anwendung (Verträglichkeit, Verwechslungsrisiko, Indikation) -> Transfusionsrichtlinien, Qualitätssicherung beim Anwender -> Hämovigilanz 19
20 Quelle: Swissmedic Hämovigilanz Jahresbericht
21 Labile Blutprodukte als Arzneimittel Weitere Besonderheiten o Hohe Sicherheitserwartungen der Gesellschaft o Sicherheit und Qualität ist abhängig von äusseren Faktoren (Klimawechsel, Verhalten der Spender) o Versorgung (kurze Haltbarkeit, Abhängig von Spenderverhalten) o Ausgangsmaterial (Plasma) zur industriellen Herstellung von stabilen Blutprodukten 21
22 Einige zukünftige Herausforderungen o Monitoring der Risikoentwicklung o Anpassungen der Spenderselektionskriterien o Verbesserung der Testverfahren o Berücksichtigung neuer Technologien o Anpassung der Prozesse, insbesondere auch in der Anwendung o Optimaler Einsatz o Versorgungssicherheit 22
23 Zusammenfassung o Blutprodukte sind lebenswichtige und unverzichtbare Arzneimittel, mit denen schon viele Leben gerettet werden konnten. o Blutprodukte waren noch nie so sicher wie heute,...aber eine absolute Sicherheit wird es nie geben. o Die Qualität und Sicherheit von Blutprodukten als Arzneimittel über die gesamte Transfusionskette muss immer wieder neu beurteilt werden. Blut ist (nach wie vor) ein ganz besonderer Saft 23
24 Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit 24
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