Sie wollten es wissen, sie haben sich nicht an das Verbot gehalten und haben beide in den Apfel gebissen.

Transkript

1 Versuchung, wir haben es gerade gehört und wir alle kennen das. Wer von uns hätte nicht schon nach dem besten Platz gesucht, Immer den einfachsten Weg, das größte Stück vom Kuchen, Beliebtheit, Anerkennung, Ich! Für mich! Meins! Manchmal habe ich den Eindruck, das wird heutzutage geradezu kultiviert. Durchsetzungsfähigkeit, Selbstbehauptung und Selbstverwirklichung sind mit die höchsten Werte in unserer Gesellschaft. Ich gegen den Rest der Welt! Ich für mich! Meins! Die Versuchung ist so alt wie die Menschheit. Es fing mit einem Apfel im Paradies an. Es war ein verbotener Apfel. Die beiden ersten Menschen konnten der Versuchung nicht widerstehen. Sie wollten es wissen, sie haben sich nicht an das Verbot gehalten und haben beide in den Apfel gebissen. Gott hatte zu ihnen gesagt, esst nicht davon, damit ihr nicht sterbt. Doch Eva ließ sich von der Schlange verführen, die zu ihr sagte: Ihr werdet nicht sterben, aber eure Augen werden aufgetan und ihr werdet sein wie Gott und wissen was gut und was böse ist. Wir haben es auf schreckliche Weise erleben müssen, was das heißen kann. Am vergangenen Donnerstag erfasst ein Fahrzeug auf der Vilbeler Straße Luisa, ein zwölf Jahre altes Mädchen, das die meisten hier im Dorf gut kennen. Das Mädchen wird lebensgefährlich verletzt und mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus gebracht. Der Fahrer war betrunken und ist mit überhöhter Geschwindigkeit ins Schleudern geraten und hat das Mädchen auf dem Gehweg erfasst und lebensgefährlich verletzt. Wie der Apfel im Paradies, so verspricht auch der Alkohol ein Gefühl, als sei man über den Alltag hinausgehoben in einen rauschhaften Zustand. Man verliert die Hemmungen und hält sich selbst für den Größten, wie Gott. Was interessieren mich die anderen? Sollen die doch selber auf sich aufpassen, ich, für mich, meins. Erst, wenn der Unfallfahrer im Krankenhaus wieder aufwacht, erinnert er sich daran, was gut und was böse ist. Aber hier sehen wir ganz deutlich, die

2 Versuchung, der man nachgibt, kann schreckliche, ja sogar tödliche Folgen haben. Sie kann das eigene Leben kosten, sie kann in den Selbstmord führen, wie wir das auch in der vergangenen Woche in Bruchenbrücken erleben mussten, als sich ein psychisch kranker Mann vor die S-Bahn warf, oder sie kann andere Menschen schwer verletzten und sogar töten. Versuchung, das hört sich so harmlos an. Gleich fällt einem der Werbespruch ein: Die zarteste Versuchung, seit es Schokolade gibt. Jeder und jede von ist schon der ein oder anderen Versuchung erlegen. Nicht jede Versuchung, der man nachgibt hat so schreckliche Folgen, wie die, deren Zeugen wir in der vergangen Woche geworden sind. Auch Jesus wurde versucht vom Teufel in der Wüste, wir haben vorhin in der Schriftlesung davon gehört. Dostojewski hat über die Versuchung Jesu einmal in besonderer Weise nachgedacht. In seinem Roman, die Brüder Karamasow erzählt er folgende fiktive Geschichte: nach 1500 Jahren kehrt Jeus zurück auf die Erde. Diesmal kommt er nach Sevillia in Spanien. Es ist die Zeit der Inquisition. Unmittelbar vor seinem Kommen wurden 100 Menschen auf dem Marktplatz als Ketzer verbrannt. Wie damals heilt Jesus Kranke und die Menschen folgen ihm in Scharen nach. Als er ein kleines Mädchen von den Toten auferweckt, wird er von einem greisen Großinquisitor entdeckt und auf der Stelle verhaftet und in einen Gefängniskeller gebracht. In der Nacht vor der geplanten Hinrichtung besucht der Großinquisitor den Gefangenen und spricht mit Jesus. Es ist kein wirkliches Gespräch, eher ein Monolog des Inquisitors, denn Jesus antwortet nicht. Der Großinquisitor versucht zu erklären, warum Jeus am anderen Morgen hingerichtet werden soll. Warum bist du wieder gekommen, du hast kein Recht uns zu stören, wirft er ihm vor. Du hast kein Recht dem, was du gesagt hast noch irgendetwas hinzuzufügen oder etwas wegzunehmen. Wir sind jetzt die Verwalter des Evangeliums.

3 Die Freiheit, so der Großinquisitor, sei es gewesen, die Jesus den Menschen habe bringen wollen. Die Menschen sollen freiwillig entscheiden, ob sie Jeus nachfolgen wollen. Aber die Menschen wollen gar nicht frei sein, so fährt der Großinquisitor fort. Im Gegenteil, sie wollen etwas haben, was sie anbeten können. Sie wollen sich unterwerfen. Sie wollen nicht frei sein sondern sie wollen glücklich sein. Wir, so brüstet er sich, haben uns zur Aufgabe gemacht, die Menschen glücklich zu machen indem sie sich uns unterwerfen. Die Menschen wollen nicht irgendetwas anbeten, sondern sie wollen dasjenige anbeten, was alle anbeten. Wir haben alle Menschen auf der Erde unter unserer Herrschaft geeint. Und dann kommt er auf die Versuchung Jesu zu sprechen. Jesus hat allen drei Versuchungen widerstanden. Er habe die starken in seine Nachfolge berufen, die Auserwählten. Das aber seien nur wenige. Die Kirche aber habe sich den Schwachen zugewendet, den Vielen. Die Kirche wolle alle glücklich machen. Jesus habe es abgelehnt, aus Steinen Brot zu machen, obwohl er vierzig Tage gefastet hatte und sicher sehr hungrig war. Die Kirche aber hätte das Brot gewählt. Vielleicht erinnern Sie sich an das Wort "Brot und Spiele". Brot und Spiele hat man dem Volk in Rom gegeben um es leichter beherrschen zu können. Oder sie kennen das Sprichwort, wes Brot ich eß, des Lied ich sing. Das Brot oder auch das Geld, es macht gefügig. Mit Brot oder Geld kann ich einen Menschen gewogen oder willfährig machen. Fast täglich lesen wir davon in der Zeitung, wir nennen das Korruption. In der zweiten Versuchung geht es um das Wunder. Jesus soll sich vom Dach des Tempels stürzen und sich von den Engeln auffangen lassen, wie es in der Bibel geschrieben steht. Jesus lehnt auch diese Versuchung ab. Die Menschen aber wollen etwas bewundern, deshalb begeistern sie sich so für die Spiele, von denen eben die Rede war, für das Spektakel.

4 Im alten Rom sind sie ins Colloseum geeilt, heute zieht es sie in die Fußballstadien und großen Konzerthallen. Superstars und Topmodells wollen bewundert werden. Die ganze Nation sitzt vor dem Fernseher und fiebert mit. Und die Menschen wollen ihre Ikonen haben. Die Zeitschriftenregale in den Supermärkten sind voll Geschichten über gekrönte Häupter und deren Familien. Lange Zeit hat die Kirche die Wunder des Glaubens alleine verwaltet. Heute sind vielfach die Massenmedien an die Stelle der Kirche getreten. Sie präsentieren uns bewunderungswürdige, schöne reiche und erfolgreiche Menschen, denen wir nacheifern sollen. Jesus hat auf solcherlei Wunder verzichtet. Als die Menschen ihn verhöhnten und sagten, steig doch herunter vom Kreuz, dann wollen wir dir glauben, dass du Gottes Sohn bist, hat er auch dieser Versuchung widerstanden. Die letzte Versuchung, fasst die beiden vorherigen zusammen. Der Teufel fordert von Jeus, sich ihm zu unterwerfen. Die ganze Welt legt er ihm zu Füßen und fordert als Gegenleistung seine Seele. Die Kirche, so sagt der Großinquisistor, habe diesen teuflischen Vorschlag angenommen, als sie sich mit dem Kaiser verbündete um auch die Macht über die Welt zu erlangen. Das sei das große Geheimnis. Seit dieser Zeit, als aus der Kirche im Untergrund und den Katakomben eine Staatskirche wurde, die für alle den christlichen Glauben vorgeschrieben hat, habe sich die Kirche in Wahrheit mit dem Teufel verbündet und das sei ihr großes Geheimnis. Dies alles tue die Kirche nur, um alle glücklich zu machen, so rechtfertigt sich der Großinquisitor. Die Menschen wollen keine Freiheit und keine Selbstverantwortung, wie sie Jesus gepredigt hat, sondern sie wollen Wunder, und sie wollen etwas gemeinsam anbeten und sie wollen sich unterwerfen. Verlassen wir an dieser Stelle die Geschichte mit dem Großinquisitor von Dostojewski. Für uns bleibt die Frage, wollen wir uns unterwerfen und den Versuchungen nachgeben? Oder wollen wir dem Beispiel Jesu folgen, der standhaft geblieben ist und aus freiem Willen alle scheinbar so bequemen und verlockenden Angebote ausgeschlagen hat.

5 Manchen Versuchungen kann man aus dem Weg gehen anderen muss man sich stellen. Und sicher können wir nicht jeder Versuchung widerstehen. Manche Versuchung führt dazu, dass wir in etwas Übles hineingeraten. Es kann auch sein, dass andere Unbeteiligte in ein solches Übel mit hineingezogen werden. Das haben wir leidvoll am vergangenen Donnerstag erfahren müssen, als Luisa von einem Auto erfasst und lebensgefährlich verletzt wurde. Wenn es soweit gekommen ist, brauchen wir fremde Hilfe. Niemand wünscht, dass es soweit kommt. Wenn wir ehrlich sind, wissen wir, dass es auch in unserem Leben schon Momente gegeben hat, in denen wir einer Versuchung erlegen sind und vielleicht hinterher sagen konnten, das ist gerade noch mal gut gegangen. Deshalb beten wir: Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel. Amen

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