Andrea Friedrich & Sonja Rörig Oskar und sein starker Freund

Transkript

1 Andrea Friedrich & Sonja Rörig Oskar und sein starker Freund

2 Weitere Informationen zu anderen Büchern von Andrea Friedrich finden Sie unter Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar by Brunnen Verlag Basel Umschlag: Brunnen Verlag Basel, David Grau Umschlag-Illustration: Sonja Rörig, Berlin Illustrationen Innenteil: Sonja Rörig, Berlin Druck: Finidr Gedruckt in der Tschechischen Republik ISBN

3 Andrea Friedrich & Sonja Rörig Oskar und sein starker Freund

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5 Dort, wo der Regenbogen die Erde berührt, liegt ein wunderschönes Tal. Grüne Wiesen mit vielen bunten Blumen säumen einen schmalen Fluss. Gurgelnd und plätschernd springt sein Wasser über zahllose kleine Steine. Viel später wird es zu einem Strom, der breit und ruhig der Mündung entgegenfließt. An der Stelle des Tales, wo die Wiese noch etwas grüner und das Gras noch etwas saftiger ist, weidet ein Schäfer seine Herde. Julius, sein alter Schäferhund, blinzelt müde in die Sonne. Die Zeiten, da er hinter den Schafen herjagte und bellend versuchte, die Lämmer davon abzuhalten, unter dem Holzzaun hindurchzuschlüpfen, sind lange vorbei. Nur ein einziges Mal war es ein paar vorwitzigen Lämmern gelungen, trotzdem auszureißen. Aber das ist schon lange her

6 Die Frühlingssonne wärmte das Fell der kleinen Lämmer. Neugierig streckten die ersten Blumen ihre Köpfe aus dem Boden. Hier unten im Tal war der Schnee bereits geschmolzen. Weiter oben jedoch waren die Bäume noch kahl.

7 Die erwachende Natur schien die Lämmer nur noch übermütiger zu machen. Julius hatte allerhand zu tun, sie bei der Herde zu halten. Oskar stand an dem Holzzaun, der die Wiese umgab. «Komm weg», rief ihm Emma zu, «wenn Julius dich sieht, gibt es wieder Ärger.» «Ich wüsste zu gerne, wie es auf der anderen Seite ist», meinte Oskar nachdenklich. «Wieso dürfen wir nicht dorthin? So gefährlich sieht es da drüben nicht aus.» «Komm jetzt, wir wollen spielen. Bobby wartet schon.» «Eines Tages finde ich es heraus», murmelte Oskar, dann sprang er hinter Emma her. Oskar, Emma und Bobby waren unzertrennlich. Die drei kleinen Lämmer spielten und tobten den ganzen Tag. Sie hatten den größten Spaß, wenn sie Julius ärgern konnten. Schon kurze Zeit später hielten die drei sich wieder in der Nähe des Zaunes auf. Julius hatte sie nicht bemerkt. Plötzlich hörten sie ein lautes Blöken. Am anderen Ende der Wiese waren zwei alte Schafe in Streit geraten. Laut bellend schoss Julius dazwischen, um die beiden zu trennen.

8 «Ich verstehe nicht, warum wir nicht hierher kommen dürfen», keuchte Oskar nach einiger Zeit atemlos. «Ich glaube, der Schäfer gönnt uns diesen Spaß nicht.» «Oder sein Hund Julius, weil er hier noch mehr rennen muss», kicherte Bobby. 10 Die drei hüpften munter und vergnügt weiter. Hier sprang ein Hase, dort ein Reh. Alles war neu und aufregend für die Freunde. Dabei bemerkten sie nicht, dass sie immer tiefer in den Wald hineinkamen und dass er langsam immer dichter und dunkler wurde. «Ich denke, wir sollten langsam umkehren, ehe wir uns verirren.» Emma war die Sache nicht mehr ganz geheuer.

9 «Ach Emma, du Angsthase», entgegnete ihr Oskar selbstbewusst, «wir finden immer wieder zurück!» Nach einer Weile blieb Bobby stehen. «Sagt mal, hört ihr das?» Die beiden anderen lauschten angestrengt. «Hört ihr nichts? Gar nichts?» «Doch, jetzt hör ich s auch», meinte Oskar. «Da sind Stimmen.» «Kommt, lasst uns sehen, wer dort ist.» Und schon hatte Emma all ihre Sorgen vergessen.

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12 Neugierig folgten die drei den Stimmen. Nur ein kleines Stückchen weiter trafen sie auf eine sehr merkwürdige Gesellschaft. Verwundert blieben die Lämmchen stehen. «Immer er! Ganz egal, was ist, ganz egal, was passiert, immer wird er bevorzugt!», hörten sie gerade eine Katze sagen, die offensichtlich mit einem Hahn im Streit lag. «Wenn ihr nicht gleich aufhört zu streiten, gehe ich dazwischen!» Das hatte ein Wildschwein gesagt, und seiner Stimme war anzumerken, dass es sehr wütend war. Ein stolzer Pfau blickte gelangweilt auf die Streithähne. Neben ihm saß ein fettes Kaninchen, das an einer Karotte nagte. Ein Eichhörnchen versuchte hastig, eine Haselnuss vor den Blicken der anderen zu verstecken und zu vergraben. Etwas weiter lag auf einem Stein eine Schnecke. Allem Anschein nach hatte sie sich schon lange nicht mehr von dort fortbewegt.

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14 Kaum hatte er diese Worte gesprochen, erreichten sie die Wiese. Oskar sah seine Herde. Sein kleines Herz machte einen Sprung vor Freude, als er auch Bobby und Emma entdeckte. Sie hatten sich retten können. Voller Aufregung rannte er auf seine Koppel zu. Er freute sich sogar, als er Julius, den Schäferhund, wiedersah. Noch einmal blieb er stehen und schaute zurück. Der Löwe stand am Waldrand und nickte ihm zu. «Geh, mein Kleiner!», schien er zu sagen. Da drehte sich Oskar um und lief, so schnell er konnte, zu dem alten Holzzaun. Die anderen warteten schon voller Freude auf ihn. Kurz vor dem Zaun sah Oskar ein letztes Mal zum Waldrand zurück. Aber sein Freund, der Löwe, war verschwunden. Dennoch wusste Oskar, dass er stets bei ihm war. Von jetzt an würde der Löwe auf ihn aufpassen. Oskar warnte alle Lämmer davor, unter dem Holzzaun hindurchzuschlüpfen, und er erzählte allen von seinem Retter.

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16 Zur Erklärung der Charaktere Im Mittelalter konnten nur wenige Menschen lesen und schreiben. Auch Bibeln gab es damals nur sehr wenige und vor allen Dingen nur für Reiche. Aus diesem Grund fertigten Mönche in den Klöstern kleine Heftchen an, so genannte «Traktate». Damit konnten sie die einfachen Leute in religiösen Dingen unterweisen. Um den Menschen begreiflich zu machen, was man ihnen mitteilen wollte, nutzten die Mönche Zeichnungen. So wurden beispielsweise gewisse Tiere immer wieder zur Darstellung bestimmter Fehler und Sünden verwendet. Es entstand eine Symbolik, die in diesem Buch zum Teil aufgegriffen wird. In der Bibel und in der Literatur wird die Macht des Bösen häufig durch das Bild des Wolfes symbolisiert. Auch schon zu Zeiten des Alten und des Neuen Testaments wurde das Bild des Schafes immer wieder zur Darstellung der Menschen verwendet, die ohne ihren Hirten hilflos und verloren sind. Der Löwe steht von alters her für Jesus Christus, den Löwen von Juda. Wildschwein Zorn Katze Neid Pfau Stolz Eichhörnchen Geiz Hahn Begierde Schnecke Trägheit Hase Fresssucht