1. Allgemeines zum Kassensystem
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- Karlheinz Michel
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1 46 von Daniel Hoffmann und Jochen Kuschert 1. Allgemeines zum Kassensystem Unser Kassensystem ist auf zwei Grundprinzipien aufgebaut, der gesetzlichen Krankenversich e- rung (GKV) und der privaten Krankenversicherung (PKV). Basis sind entweder das Gesetz (SGB V) oder private Vertra ge. Die gesetzliche Krankenversicherung baut auf dem Solidarprinzipö auf. Grundlage hierfur ist, dass die meist gro üere Gruppe der Gesunden (u.a.) in das System einzahlt, aber weniger hieraus verlangt. Diese Ungleichheit wiederum kommt der viel kleineren Gruppe von Kranken zu Gute, welche Empfa nger der Leistungen sind. In Anlehnung an das Rentensystem Ö es geht davon aus, dass es mehr einzahlende Arbeitnehmer gibt als Rentner Ö geht das Gesundheitssystem davon aus, dass es mehr Gesunde als Kranke, mehr Leistungszahler als Leistungsempfa nger gibt. Nur so kann dieses System funktionieren. Nur das ist solidarisch und wir werden unserer Verantwortung gegenuber den Mitmenschen gerecht. Eine Reform des Gesundheitswesens hat zu entscheiden, wie viel der Einzelne beizutragen hat (die Eigenverantwortung) und wie viel er im Anspruchsfall verlangen kann (die Verantwortung, die andere ubernehmen mussen). Der Beitrag, den man in die GKV zu zahlen hat, errechnet sich nach dem Verdienst aus Erwerbst a - tigkeiten und nicht nach dem Risiko. Es gibt beitragsfreie Mitversicherungen (Kinder, Ehepartner) und es gibt eine Beitragsbemessungsgrenze, die den ho chsten Wert darstellt, uber dessen Betrag ein Erwerbsta tiger (mit sehr hohem Einkommen) nicht in die GKV einzahlen muss. Durch das Solidarprinzip finden folgende Umverteilungsmech a- nismen statt: Reiche unterstutzen die Armen, Gesunde finanzieren die Kranken, Junge Menschen kommen fur die Alteren auf und Alleinlebende subventionieren unsere Familien. Das Solidarprinzip besteht bei den privaten Krankenkassen nicht. Hier bezahlt im Prinzip jedes Mitglied seinen Beitrag in der Ho he entsprechend seines Risikos zu erkranken bzw. je nach verei n- barten Leistungen aus dem Vertrag. Entsprechend des Vertrags kann der Versicherte Leistungen nur in diesem Umfang in Anspruch nehmen. F ur kranke Menschen bestehen daher kaum Mo glichkeiten, in die private Krankenkasse aufgenommen zu werden. Hierbei ergibt sich folgender, fataler
2 47 Fehler beider parallel laufender Systeme. Viele gesunde, gutverdienende Menschen wechseln lieber zu privaten Krankenversicherungen, welche mit niedr igeren Beitragssa tzen locken. Kranke oder schlechter Verdienende mussen jedoch in der gesetzlichen KV bleiben (Die Wahl eines Wec h- sels zur PKV besteht erst ab einer gesetzlich vorgeschriebenen Einkommensgrenze). Folglich ve r- ringern sich die Einnahmen der GKV, wa hrend ihre Ausgaben jedoch gleich bleiben. Um dieses Missverha ltnis auszugleichen, mussen die GKVs Ihre Beitra ge entsprechend erho hen. Das Solidarprinzip wird bei diesem Nebeneinanderö zwangsla ufig untergraben. Alle Beitra ge der Versicherten in der GKV wandern zuna chst in einen gesamten Topf. Nach einem gesetzlichen Zuweisungsschlussel Ö dem System des Risikostrukturausgleiches Ö werden diese Beitra ge an die einzelnen Krankenkassen verteilt. Hierbei spielt es z.b. eine Rolle, wie viele und welche Arten von Mitgliedern eine Kasse hat. Es gibt heute um die 500 Krankenkassen in Deutschland (1991: 1327, Tendenz fallend). In den angebotenen Leistungen unterscheiden sich die Krankenkassen untereinander kaum, da sich die Versorgung der Versicherten in gesetzlichen Regelungen wiederfindet und jeder den gleichen Anspruch auf G e- sundheit hat. Selbst die Beitragssa tze der gesetzlichen Krankenkassen beginnen sich immer we i- ter anzugleichen. Im Gegensatz zur privaten Konkurrenz durfen die gesetzlichen Kassen keine Gewinne erwirtschaften. Die Richtlinien Ihres Handelns finden sich wieder im Wirtschaftlichkeitsprinzip: Im SGB V ヰ12 ist die Leistungserbringung geregelt: Die Leistungen mussen ausreichend, zweckma üig und wirtschaftlich sein; sie durfen das Maü des Notwendigen nicht uberschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, ko nnen Versicherte nicht beanspruchen, durfen Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Auch folgen die gesetzlichen Krankenversicherungen der Idee des Sachleistungsprinzips: Die Bezahlung erfolgt nach dem Sachleistungsprinzip. Eine Barzahlung erfolgt somit nicht. Durch ein umfassendes Vertragssystem sind Preise, Mengen und Qualita t festgelegt. Durch viele Faktoren hat sich heute ein gravierendes Ungleichgewicht auf der Seite der Einna h- men sowie der Ausgaben ergeben. Die Frage lautet daher: Wie ko nnen die Einnahmen und die Ausgaben auf einem gleichen, stabilen Niveau gehalten / gebracht werden? Die Reform des Kassensystems darf nicht stehen bleiben. Gerade aus der Sicht der j ungeren Menschen sind klare und eindeutige Ziele gefragt. Dazu mo chten wir auf folgende Fakten verweisen:
3 48 In Deutschland entfallen pro Jahr 70% bis 80% der Ausgaben im Gesundheit ssystem auf 20% der Versicherten. Bei diesen 20% handelt es sich im Allgemeinen um Menschen mit chronischen Krankheiten (z.b. Diabetes, Bluthochdruck, etc.). Es muss sich also die Frage stellen, ob man nicht durch Pra ventivmaünahmen diesen Krankheiten begegnen kann, noch bevor sie entstehen. Die Kosten hierfur ko nnten wesentlich geringer sein, als die Kosten, welche man spa ter fur die Behandlung ausgeben muss (Aufkla rungsarbeit, Unterstutzung des Schulsports mit Mitteln aus dem Gesundheitssystem etc.). 32 % der Ausgaben entfallen auf Krankenhausbehandlungen. 15,8 % werden fur a rztliche Behandlungen ausgegeben. 15,5 % entfallen auf Apotheken. 5,4 % auf die Verwaltung. Mehr als 60 % der Ausgaben im Gesundheitswesen entfallen also auf die oben genannten vier Bereiche. Im Reformprozess zur Optimierung des Einnahmen-Ausgaben-Verha ltnis ist deswegen hauptsa chlich in diesen Bereichen anzusetzen. 2. Ziele und Empfehlungen der Jusos Die meisten Ausgaben im Krankensystem entfallen auf Apotheken, Krankenhausbehandlungen und a rztliche Behandlungen. Sie beanspruchen ca. 60 % aller Ausgaben im Krankensystem. Hier steckt das gro üte Sparpotenzial. Hier muss angesetzt werden. Evtl. auch bei der Verwaltu ng, welche wiederum den gro üten Ausgabenbereich in den restlichen 40 % darstellen (mit 5,5 %). Stimmungsmache fur Beitragserho hungen fur sog. Risikomenschen (Bsp. Extremsportler) ist unb e- grundet und wird keine spurbare Entlastung nach sich ziehen. Beibehaltung des Solidarprinzips Das Solidarprinzip ist fur uns eine unumsto üliche Errungenschaft unserer Gesellschaft. Wir sprechen uns gegen jede Abkehr dieses Systems aus. Einfuhrung einer Grundversicherung f ur alle Zur Beibehaltung des Solidarprinzips ist es dringend erforderlich, dass jedes Mitglied der Gesellschaft seinen Beitrag zum allgemeinen Gesundheitswesen beitra gt. Auch Beamte und Selbststa ndige mussen ihren Beitrag leisten. Aus diesem Grund muss eine Grundversicherung fur alle eingefuhrt werden, an welcher sich auch alle beteiligen, egal auf welcher Gehaltsstufe sich der Einzelne befindet. Nur so kann das Solidarprinzip seine Wirkung entfalten. Diese Versicherung hat die Grundversorgung an Gesundheit zu leisten, die jedem laut Grundgesetz zusteht. Was dies im Na heren bedeutet, ist durch die auszufuhrenden Institutionen (Kassena rztliche Vereinigungen, GKV, Gesundheitsministerium) auszuarbeiten und letztendlich festzulegen. Die Grundversicherung muss Leistungen fur chronisch kranke Menschen, psychiatrische Einrichtungen sowie Krankenha user beinhalten, da diese Kosten die gro üten Ausgaben der GKV darstellen. Des weiteren soll jedem das Recht gew a hrt wer-
4 49 den, sich uber dieses Grundmaü weiter bei privaten Krankenversicherungen beliebig zu versichern. Die Anzahl der Krankenkassen in Deutschland wird sich durch eine Grundversicherung weiterhin sp urbar verringern. Sparsamkeit / Transparenz der Abrechnungen Um Korruption zu vermeiden, ist das Abrechnungssystem transparenter zu gestalten! Alle Partner, Arzte, Krankenha u- ser, Kassen und Patienten haben Ihren Teil zu leisten. Die Mo glichkeiten der Gestaltung sind enorm. Durch eine fiktive Rechnung (sog. Patientenquittung Ö Modellprojekt des Gesundheitsministeriums RLP) vom Arzt kann der Patient genau sehen, welche Leistungen der Arzt mit der Kasse abrechnet. Die Krankenkassen mussen einen Abgleich von Ein- und Ausnahmen vornehmen. Es muss ein Weg gefunden werden, wie man effektiv den Nutzen einer a rztlichen Leistung im Zusammenhang mit dem gezahlten Betrag bewerten kann. Unno tige Krankheitstageö in Reha-Kliniken oder Krankenha usern ko nnen damit abgebaut werden. Eine digitale Akte unterstutzt die Transparenz hinsichtlich der Patienten. Kassen neue Motivation geben Die Mitarbeiter der Krankenkassen sind keine Prufer der Arzte und auch keine Leistungsverweigerer der Patienten. Die Krankenkassen mussen sich als Gesundheitsmanagerö der Patienten verstehen. Grundidee ist ein Netzwerk aus Patienten, Hausa rzten, Managern. Die Aufgabe der Manager ist es, aufgrund eines Datenbestandes der Patienten in Absprache mit dem Hausarzt ein umfassendes Gesundheitsbild zu erstellen. Der Manager ubernimmt in Absprache mit dem Arzt eine Coaching-Funktion. Er bera t und informiert den Hausarzt uber neue Forschungen, neue Entwicklungen und neue Therapien im medizinischen Bereich. Der Manager ha lt Kontakt zu Klinken und Speziala rzten. Durch eine gemeinsame Datenbank sind Hausarzt und Manager miteinander vernetzt und ko nnen mit den Patienten neue Wege gestalten. Lockerung des Versandhandels Im Zuge von Kosteneinsparungen ist es fur die Jusos unumga nglich, auch fur die Lockerung des Versandhandels zu pla dieren. Viele Patienten, besonders chronische Kranke, b e- kommen sta ndig gleiche Medikamente verabreicht. Es spart Kosten, denn mit einem Versand und mit einer Bestellung uber eine Datenbank kann eine schnelle und effektive Vermittlung der Medikamente erfolgen (durch die digitale Akte). Die Lockerung darf jedoch nur fur chronische Patienten gelten, oder diejenigen, die dauerhaft auf gleiche Medikamente angewiesen sind. Rezeptpflichtige Medikamente ko nnen nur uber eine externe Datenbank uber den Arzt / Apotheke bestellt werden.
5 50 Einfuhrung von Therapiekatalogen Die Arzte sollen Krankheiten nach vorgeschriebenen Therap iekatalogen behandeln. Diese Therapien sollen auf dem neusten, wissenschaftlichen Stand der Medizintechnik stehen und allgemeingultig sein. Arzte haben sich an diese vorgeschriebenen Therapiema ünahmen zu halten. Die Krankenkassen kommen nur fur diese Maünahmen auf. Sollte eine Therapie nicht anschlagen, muss die GKV fur eine andere Therapie aufkommen, soweit diese Therapie wissenschaftlich anerkannt ist. Fur andere Therapien, die nicht im Maünahmenkatalog vorgesehen sind, hat der Patient die Kosten zu ubernehmen oder sich uber eine Zusatzversicherung abzudecken. Wir sind der Ansicht, dass diese Vorgehensweise gerechtfertigt ist, den Dschungel an Behandlungen lichtet und das Gesun d- heitssystem durchschaubarer macht. Eine Kostene rsparnis wird die Folge davon sein. Da alle Menschen die gleiche Biologie besitzen, wird eine bundesweite Vereinheitlichung der Therapiema ünahmen fur eine spezielle Krankheit im Allgemeinen keine negativen Auswirkungen auf den Gesundungsverlauf haben (es besteht ja auch immer noch die Mo glichkeit, eine andere Therapie zu wa hlen, wenn die Standardtherapie nicht anschla gt). Fur den Einzelnen wird dies auch Vorteile haben, z.b. dass er nun einen besseren U berblick uber das Handeln seines Arztes erha lt. Das Vertrauen in das Gesundheitssystem wird somit gesteigert. Digitale Akte Es ist eine med. dig. Akteö einzufuhren, die der Patient wie einen Personalausweis besitzt und zum Arztbesuch mitnimmt. Durch diese Methode kann sich jeder Arzt sofort einen U - berblick uber bisherige Maünahmen verschaffen und weitere Maünahmen nahtlos anschlieüen, die zur Besserung des Gesundheitszustandes des Patienten fuhren. Durch eine solche Akte konnen auch die Durchfuhrungen von unno tigen diagnostischen Maünahmen verhindert werden, weil der Arzt auf den gesamten Krankenverlauf Zugriff hat (z.b. Verhindern von doppelt durchgefuhrten radioskopischen Untersuchungen). Hier ist ein System zu entwickeln, welches dem Datenschutz des Einzelnen gerecht wird. Eine lokale Speicherung, die der Patient mit sich tra gt, ist wohl einer zentralen Speicherung auf einem Server vorzuziehen. Hierfur ist eine technische Beratungsgruppe zu befragen. Ein neuer OB fur Ingelheim! Am wa hlen gehen!
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